(Rom) Papst Franziskus hat den Dialog zum Markenzeichen seines Pontifikats erhoben, tut sich offenbar selbst aber etwas schwer damit, sobald Kritik an seinem Kurs laut wird.
Eine doppelte Verweigerung erleben die vier Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner, die seit Monaten Bedenken und Sorge zum umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia äußern, aber beim Papst kein Gehör finden. Ganz im Gegenteil.
Sie taten es am 19. September 2016 schriftlich in der Form von Dubia (Zweifeln) und erhielten keine Antwort von Franziskus. Vier Kardinäle bitten den Papst um Klärung zweideutiger Textstellen zu zentralen Glaubens- und Moralfragen und erhalten einfach keine Antwort.
Wegen der ausgebliebenen Antwort des Papstes machten sie ihre Zweifel am 14. November 2016 öffentlich bekannt. Darauf bekamen sie eine Antwort, allerdings eine ganz andere als die erhoffte und nicht vom Papst. Sie ernteten teils wüste Angriffe und persönliche Herabsetzungen durch engste Mitarbeiter und Vertraute des Papstes, während dieser sich weiterhin in Schweigen hüllte.
Nicht die Weigerung des Papstes, auf grundlegende Fragen des Glaubens und der Moral zu antworten, wurde als Skandal angeprangert, sondern der Umstand, daß die vier Kardinäle ihre Dubia der Öffentlichkeit mitgeteilt hatten.
Seither sind neun Monate vergangen, und Papst Franziskus ist seine Antwort noch immer schuldig geblieben.
Das Ganze erlebt seit gestern ein Déja-vu.
Ein Déja-vu
Am 25. April schrieben die vier Kardinäle, weil sie vom Papst keine Antwort erhalten hatten, einen zweiten Brief. Darin baten sie das Kirchenoberhaupt, ihnen eine Audienz zu gewähren, damit sie ihre Dubia erklären und aufzeigen könnten, was für eine „große Verwirrung“ in der Kirche durch Amoris laetitia entstanden ist.
Erneut kam von Papst Franziskus keine Reaktion. So wie er ihnen eine Antwort auf die Dubia verweigert, so weigert er sich, sie in Audienz zu empfangen.
Wegen der ausgebliebenden Antwort des Papstes machten die Kardinäle gestern auch ihr Gesuch um eine Audienz öffentlich bekannt und ernten dafür erneut Kritik.
Wiederum wird von bestimmten Medien und Kommentatoren nicht die Verweigerungshaltung des Papstes thematisiert, sondern an den Pranger gestellt, daß die Kardinäle diese Verweigerungshaltung offengelegt haben. Kritisiert wird, wer unangenehme Fragen stellt.
Dialog als Markenzeichen – Schweigen als Skandal
Am 1. Juni 2014 sagt Papst Franziskus in seiner Botschaft zum Welttag der sozialen Kommunikationsmittel:
„Die Kultur der Begegnung macht es erforderlich, dass wir bereit sind, nicht nur zu geben, sondern auch von den anderen zu empfangen.“
Während seiner Apostolischen Reise nach Kuba sagte Papst Franziskus am 20. September 2015 zu den Jugendlichen:
„Und ich bitte euch, daß ihr, auch wenn ihr unterschiedliche Denkweisen habt, auch wenn ihr unterschiedlicher Ansichten seid, gemeinsam geht.“
Im Zusammenhang mit der Weigerung, den vier Kardinälen nicht einmal eine Audienz zu gewähren, sie also nicht einmal anzuhören, sprach der Historiker Roberto de Mattei von einem „Skandal des Schweigens“.
Heute gab das Amt für die Liturgischen Feiern des Papstes die Feierlichkeiten zum Ordentlichen und Öffentlichen Kardinalskonsistorium vom 28. Juni bekannt, bei dem die neuen Kardinäle kreiert werden.
Wird Papst Franziskus auch bei dieser Gelegenheit eine Begegnung mit den Kardinälen meiden?
Konsistorium ohne Begegnung zwischen Papst und Kardinälen?
Bisher war es üblich, daß der Papst zwei Tage vor dem Konsistorium mit den Kardinälen verbrachte, um einen Informations- und Meinungsaustausch zu ermöglichen. Eine Zeit, die vor allem genützt wurde, um aktuelle Fragen der Kirche zu besprechen.
Am 19. November 2016 kreierte Franziskus 17 neue Kardinäle. Zu diesem Zeitpunkt hatte er die Dubia (Zweifel) der vier Kardinäle bereits seit mehr als zwei Monaten unbeantwortet gelassen. Mit Spannung wurde daher die Begegnung erwartet. Doch dann kam es zu einer „ungewöhnlichen Anomalie“: Die Begegnung fand nicht statt. Die zwei Tage des ungezwungenen Gesprächs unter Ausschluß der Öffentlichkeit wurden gestrichen. Auf diese Weise mied Franziskus, von den vier Kardinälen und wahrscheinlich weiteren Purpurträgern mit den Dubia zu Amoris laetitia konfrontiert zu werden und auf die Fragen der Kardinäle antworten zu müssen.
Am 28. Juni kreiert Franziskus erneut einige Kardinäle. Wird er wiederum einer Begegnung mit den „Senatoren“ der Kirche aus dem Weg gehen?
Der Vatikanist Marco Tosatti schrieb kurz vor dem 19. November 2016:
„Genau aus diesem Grund ist beim Konsistorium am Samstag keine kollegiale Begegnung mit den Purpurträgern vorgesehen. Es hätte zu wirklich peinlichen Auswirkungen für den Papst kommen können. So hat er es vorgezogen …“
Gleiches gilt unverändert für den kommenden 28. Juni. Die Frage ist sogar noch drängender geworden, denn inzwischen ist der Papst seit neun Monaten die Antwort schuldig geblieben. Gestern ist noch weitere Fragen hinzugekommen: Warum verweigert der Papst seinen Kardinälen eine Audienz? Gilt das von Franziskus postulierte Dialog-Gebot gegenüber den Purpurträgern nicht?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va (Screenshot)
Mein tiefer Respekt gilt jenen vier Kardinälen, welche demütig aber auch beharrlich auf die wahre Lehre weiter dringen. Beten wir für sie!