(Riad) Donald Trump hielt in Riad vor den Staat- und Regierungschefs aus 55 mehrheitlich islamischen Staaten eine Rede, mit der er zahlreiche Tabus brach und dennoch ausgetreten Pfade der US-Nahost-Politik bestätigte. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Trumps Riad-Rede die isolationistische Grundausrichtung seiner Regierungspolitik bekräftigte. Damit erteilte er zugleich der Linie seines Amtsvorgängers Obama eine weitere Absage.
Trump erklärte zur Zufriedenheit seiner Gastgeber und der islamischen Vertreter:
„Ich bin nicht gekommen, um irgendwem Nachhilfe zu erteilen.“
Eine solche Aussage trifft mehr den Nerv der islamischen Welt als zahlreiche Gesten.
Zugleich forderte er die islamische Welt aber auf, radikal und hart den islamischen Terrorismus zu bekämpfen.
„Fegt sie weg vom Antlitz der Erde.“
Die Hauptverantwortung für die Terrorismusbekämpfung, daran ließ Trump keinen Zweifel, treffe jene Länder, aus denen der Terrorismus komme.
„Eine bessere Zukunft wird möglich sein, wenn eure Staaten die Extremisten und Terroristen verjagen.“
Die islamischen Staaten sollten dabei nicht warten, bis ihnen die USA dabei helfen. Der Kampf gegen den Terrorismus sei kein „Kampf der Kulturen“, sondern ein „Kampf zwischen Gut und Böse“. Eine Wortwahl, die mehr an George W. Bush als an Barack Obama erinnert.
Trumps Tabubruch: „Islamischer Terrorismus“
Ein weiterer Tabubruch, den Trump in Riad beging: Er sprach ausdrücklich von „islamischem Terrorismus“ und „islamischem Extremismus“. Er tat damit, was jeder westliche Politiker bisher um jeden Preis zu vermeiden versuchte, einschließlich Papst Franziskus. Einen Zusammenhang zwischen Islam und Terrorismus herzustellen, galt als eines der zentralen Tabus der gesamten aktuellen Politik, auch im Zusammenhang mit den islamischen Terroranschlägen in Europa. Die Folgen dieses Tabubruchs lassen sich noch nicht absehen. Auch in den neokonservativen US-Kreisen und ihren europäischen Ablegern wurde jeder Zusammenhang zwischen Islam und Gewalt bisher ausgeklammert, erst recht die These, daß der Islam nicht nur eine Religion, sondern auch eine Staatsidee sei und zwar eine totalitäre.
Trump unterließ gleichzeitig jeden Hinweis auf Demokratie und Menschenrechte. Auch darin wurde sein Isolationismus sichtbar und die Grundthese, „niemandem Nachhilfe erteilen“ zu wollen. Die inneren Angelegenheiten seien „deren Sache“. Wenn, dann gab es einen symbolhaften Hinweis auf die Stellung der Frau. Trump erwähnte die Frauenfrage in seiner Rede nicht. Er hatte aber seine Frau nach Riad mitgenommen, die ohne Kopftuch vor die muslimischen Staatsoberhäupter trat, sogar vor den wahabitischen König von Saudi-Arabien.
Ausgetretenen Pfaden folgte Trump hingegen was den Iran betrifft. Wer auf Entspannung hoffte, weil in Teheran soeben das gemäßigte Staatsoberhaupt die Wahlen gewonnen hatte, wurde enttäuscht. Israel und Saudi-Arabien sehen im Iran den Todfeind Nummer Eins. Ganz in diesem Sinne redete auch Trump, der die iranische Regierung scharf verurteilte. Bemerkenswert war dabei, daß Trump dem Iran und nur dem Iran unter den islamischen Staaten vorwarf, den Terrorismus und „die destabilisierenden Kräfte in der Region“ zu finanzieren.
„Solange das iranische Regime kein Friedenspartner sein will, müssen alle Nationen mit einem Gewissen daran arbeiten, es zu isolieren“, so Trump.
Nun gibt es tatsächlich schiitische Milizen, die Bürgerkriegsparteien im Jemen und in Syrien und politische Kräfte im Irak und im Libanon sind. Der islamische Terrorismus, der die Welt in Atem hält, ist allerdings in erster Linie ein sunnitischer Terrorismus. Die Iraner sind aber keine Sunniten, sondern Schiiten. Es ist bisher kein schiitischer Terrorismus in Nordamerika oder Europa bekannt, sehr wohl aber ein sunnitischer.
USA setzten weiter auf Saudi-Arabien
Trump bekräftigte mit seiner Riad-Rede, daß die USA weiterhin auf Saudi-Arabien und die reichen, sunnitischen Erdöl-Monarchien setzen. Die isolationistische Politik, die Trump verfolgt, bedeutet, daß die Interessen der USA an erster Stelle kommen. In diesem Licht sind auch die Wirtschaftsverträge zu sehen, die in Riad unterzeichnet wurden. Insgesamt bringt Trump im Reisegepäck Verträge in die USA zurück, die ein Gesamtvolumen von 400 Milliarden US-Dollar haben. Das läßt sich vor den eigenen Wählern und der heimischen Industrie herzeigen. Den Löwenanteil nehmen Kriegsschiffe, Panzer und Raketen-Abwehrsysteme für Saudi-Arabien ein.
US-Außenminister Tillerson ließ auch keinen Zweifel, wofür der wahabitische Wüstenstaat diese Militäraufrüstung braucht: um sich „vor dem Iran zu schützen“. Wie zur Begründung war wenige Stunden vor der Ankunft Trumps in Riad eine im Jemen abgefeuerte Rakete im saudischen Luftraum abgeschossen worden. Im Jemen kämpft eine schiitische Bevölkerung um ihre Beteiligung an der politischen Macht. Gegen sie kämpft der sunnitische Teil der Jemeniten, die sunnitische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition sunnitischer Staaten.
Es ist nicht das einzige Land, in dem es eine erstaunliche Interessensübereinstimmung zwischen Islamischem Staat (IS) und den sunnitischen Erdöl-Monarchien gibt. Dazu sagte Trump nichts. Ebensowenig nahm er zum Schutz der Christen in den umkämpften Gebieten Stellung.
Schlägt Trump verbal die Vordertür zu, um den Dialog durch die Hintertür fortzusetzen?
Um das Vertrauen der Saudis und ihrer Verbündeten zurückzugewinnen, das unter Obama stark gelitten hat, ist Trump offenbar bereit, die Tür eines Dialogs mit dem Iran zuzuschlagen. Dabei spielt der Iran (mit Rußland) in Syrien eine wichtige Rolle. Können die USA also ganz auf den Dialog mit Teheran verzichten? Den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) führen in Syrien die Schiiten und die Russen. Gleichzeitig unterstützen sie die alawitische Regierung von Staatspräsident Baschar al-Assad, die von den USA abgelehnt wird. Es könnte sich bei Trumps Auftritt auch um ein kalkuliertes Schauspiel gehandelt haben, wie er es bereits gegenüber der Volksrepublik China zum Besten gab. Zuerst aus allen verbalen Rohren feuern, dann aber mit dem erstaunten Gegenüber den Dialog verstärken.
Die Saudis und die in Riad versammelte muslimische Welt war sichtlich zufrieden mit Trumps Rede. Welche Linie die Regierung Trump wirklich verfolgt, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Tatsache ist auch, daß der Iran seinen Weg geht, unabhängig davon ob Obama oder Trump im Weißen Haus regieren. Die schiitischen Milizen und das Rüstungsprogramm des Irans unterstehen direkt dem geistlichen Oberhaupt Khamenei, nicht dem gewählten Präsidenten Rouhani. Es ist allerdings, wie angedeutet, der Iran, der den Löwenanteil am Kampf gegen die Dschihad-Milizen trägt und damit mehr zum Schutz der Christen und des Westens leistet, als die sunnitischen Monarchien am Persischen Golf.
„Geht es um Außenpolitik oder darum, 480 Milliarden von Saudi-Arabien abzusaugen?“
Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif kritisierte gestern abend Trumps Riad-Rede in einem Tweet. Wörtlich schrieb er: Trumps Worte würden nur dazu dienen „Geld aus Saudi-Arabien abzusaugen“. Das ist dem US-Präsidenten mit den unterzeichneten Wirtschaftsverträgen in der Tat in einem gigantischen Umfang gelungen. In spöttischem Ton schrieb Zarif unter Anspielung auf Saudi-Arabien, einer absoluten Monarchie: „Der Iran, der soeben echte Wahlen abgehalten hat, wurde vom US-Präsidenten aus einer echten Bastion der Demokratie und der Mäßigung aus angegriffen.“ Nicht minder spöttisch er Zusatz:
„Geht es um Außenpolitik oder darum, 480 Milliarden Dollar [vom saudischen König] abzusaugen?“
Die Wirtschaftsverträge sind in jedem Fall der größte Erfolg von Trumps Riad-Besuch. Einige deftige Worte kann man sich das schon kosten lassen. Die Verträge werden „viele Arbeitsplätze in den USA“ schaffen, wie Trump selbst betonte.
Die dunkle Seite der Verträge betrifft die Waffenlieferungen an Saudi-Arabien, das seit Jahren im Verdacht steht, die Dschihad-Milizen wie den Islamischen Staat (IS) zu unterstützen. Damit beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz samt dem weitergehenden Folgen, daß die Christenverfolgung im Nahen Osten und die islamischen Terroranschläge im Westen vom Westen selbst gesponsert sind. Trump forderte die sunnitischen Staaten allerdings auf, den Terrorgruppen die Finanzierungen abzuschneiden. Der US-Präsident wird schon wissen, wovon er spricht.
Kampf um Vorherrschaft im Islam – Nur „deren Sache“?
Kaum wortwörtlich kann der saudische König Salman seine Worte gemeint haben, mit denen er Trump auf dem islamischen Gipfeltreffen begrüßte: „Der Iran ist die Speerspitze des globalen Terrorismus“. Tatsache ist, daß ein erbitterter Kampf um die Vorherrschaft im Islam im Gange ist. Er betrifft vor allem das jahrhundertealte Duell zwischen Schiiten und Sunniten, ist aber auch ein innersunnitischer Konflikt. Der Wahabismus ist die radikalste Form des Islams und die reichste. Gestützt auf die Petro-Dollars baut Saudi-Arabien seit Jahrzehnten seinen Einfluß in der gesamten islamischen Welt aus, auch in Europa. Das geschieht in erster Linie durch den Bau von Moscheen, der gerade in Westeuropa von Politikern gerne gefördert wird, weil es dafür lukrative Gegengeschäfte für die heimische Wirtschaft gibt (und manchmal auch für die eigene Tasche). Mit den Moscheen bestimmt der Wahabismus auch die Imame an diesen Moscheen und sichert sich damit Gewicht in den islamischen Gemeinschaften, die im Sinne des radikalen Islams erzogen und umerzogen werden. Diese Konsequenzen des Moscheebaus werden im Westen kaum thematisiert und von der hohen Politik in der Öffentlichkeit ganz ausgeklammert.
Das Tabu einer saudischen IS-Verstrickung wagte auch Trump in Riad nicht anzusprechen nach dem Motto: „deren Sache“.
Ist es aber nur „deren Sache“?
Text: Andreas Becker
Bild: Asianews