
(New York) Der Feind meines Feindes ist mein Freund? Das scheint spätestens seit der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten zu gelten, und zwar ganz konkret für das Verhältnis zwischen dem liberalen und linken Mainstream auf der einen und Papst Franziskus und dem von ihm geführten Vatikan auf der anderen Seite. Die New York Times und die Washington Post sind die Leitmedien par excellance jener Allianz aus Liberalen und Linken, die seit dem Ende des Ostblocks im Zuge einer unerwarteten und letztlich paradoxen Entwicklung die Meinungsführerschaft an sich reißen konnte.
Die Allianz und Liberalen und Linken und der päpstliche Schulterschluß
Beide führen heute einen harten Krieg gegen Donald Trump, in dem sie Stichwortgeber und Einpeitscher sind. Kurz nach der Wahl wurde Papst Franziskus von ihnen zum „Anti-Trump“ stilisiert. Das Wallstreet Journal sprach sogar vom neuen „Anführer der globalen Linken“. Papst Franziskus hatte sich zum Jahresbeginn 2016 zweimal ungewöhnlich deutlich in den Vorwahlkampf in den USA eingemischt und beide Male Schiffbruch erlitten. Er gab zu verstehen, am liebsten Bernie Sanders im Weißen Haus zu sehen und jedenfalls nicht Donald Trump. Letzterem sprach er, der „Wer bin ich, um zu urteilen“, sogar das Christsein ab.
Nun lieferte der Vatikan erneut eine Schlagzeile, die der New York Times ein Platz auf der Titelseite wert ist. Gegen Trump wurden auf politischem Parkett vom Heiligen Stuhl die Gepflogenheiten diplomatischer Zurückhaltung weitgehend über Bord geworfen. Die Liste der offenen und harten Angriffe gegen den amtierenden US-Präsidenten wird immer länger. Der so ungewöhnliche Tonfall kommt von Kirchenvertretern, die nicht dem Diplomatischen Corps des Vatikans angehören. Das läßt um so mehr staunen, zumal er sich kaum von dem der politischen Gegner Trumps unterscheidet. Die Kirche achtete gerade im 20. Jahrhundert mit besonderer Aufmerksamkeit darauf, die notwendige Distanz zu Ideologien und politischen Strömungen zu bewahren, die nicht mit dem christlichen Menschenbild und dem Auftrag der Kirche in Einklang zu bringen sind. Das Jahr 1937 brachte bezeichnenderweise eine Verurteilung sowohl des Kommunismus als auch des Nationalsozialismus. Der zersetzende Liberalismus war bereits früher verurteilt worden. Einer der zahlreichen von Papst Franziskus betriebenen Paradigmenwechsel betrifft eine angemessene und notwendige Verteidigung der kirchlichen Eigenständigkeit. Stattdessen sucht er einen einseitigen Schulterschluß mit jener liberalen und linken Allianz (die Positionen zwischen Liberalen und Linken, sind seit Ende der 90er Jahre kaum mehr zu unterscheiden), die bis in Details hinein exerziert wird, wie der derzeit praktizierte neue Kampfsport Catch the Trump zeigt.
„Vatikan besorgt über Entscheidungen von Präsident Trump“
Die Schlagzeile lautete daher: „Vatikan besorgt über Entscheidungen von Präsident Donald Trump“. Was Kardinal Turkson, erster Präfekt des von Papst Franziskus im Sommer 2016 neuerrichteten Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen, sagte, wurde von der New York Times eins zu eins auf Papst Franziskus übertragen.
Der Kardinal kritisierte die Einwanderungspolitik des US-Präsidenten. Im Schlepptau des liberalen und linken Mainstream stimmte er in den Chor jener ein, die ein neues „Recht“ auf Migration behaupten, wonach jeder Mensch sich von einem beliebigen Ort auf der Welt in einen anderen bewegen und niederlassen können soll. Eine Forderung, die staatliche Souveränität ad absurdum führt, um nur eine von zahlreichen Konsequenzen gigantischen Ausmaßes zu nennen. Diese Haltung einer abstrakter Gesinnung läßt die Wirklichkeit außer acht und mißachtet das Realistische, das Machbare und Verantwortbare. Die Postulierung und Einforderung unrealistischer Ziele wurde von der Kirche stets als verantwortungslos bezeichnet. Unter Papst Franziskus gleitet sie jedoch zusehends in linke und liberale Phantasiegebilde und Wolkenkuckucksheime ab.
Kardinal Turkson äußerte nicht nur die Hoffnung, daß Trump einige seiner Positionen noch einmal überdenken könnte, was einer entsprechenden Aufforderung gleichkommt, sondern sagte wörtlich:
„Wir zählen auch auf die Aktion der Lobby der Kirche in den USA“.
Die Kirche als „Lobby“? Als ein Lobbyist neben anderen Lobbyisten?
Seine Trump-Kritik äußerte Turkson gestern bei einer Begegnung mit Journalisten, die im Vorfeld einer Tagung zu 50 Jahre Populorum progressio stattfand, die sein Dikasterium am 3./4. April veranstaltet. Wörtlich sagte der Kardinal laut den Nachrichtenagenturen EFE und ANSA:
„Die Maßnahmen von Trump in Sachen Migration und Klima sind eine Herausforderung, etwas, das besorgt. Es gibt in den USA zum Glück aber Stimmen, die im ausdrücklichen Widerspruch zu den Positionen von Trumps sind“.
Das klang bei Kardinal Turkson schon einmal anders. Im Zuge der Bischofssynode 2012 hatte Turkson, damals regierte noch Benedikt XVI., den Synodalen den Dokumentarfilm „Muslim Demographics“ gezeigt, der vor Masseneinwanderung von Muslimen nach Europa warnte. Der Kardinal entschuldigte sich nach heftiger Kritik. Seither hielt er sich im Hintergrund.
Text: Andreas Becker
Bild: MiL