(Rom) Gestern ist in Deutschland das neue Buch von Kardinal Gerhard Müller, dem Präfekten der römischen Glaubenskongregation, erschienen. Das 600 Seiten umfassende Buch ist unter dem Titel „Der Papst – Sendung und Auftrag“ im Herder Verlag erschienen. Müller skizziert darin detailliert die Rolle und die Bedeutung des Papsttums in den zweitausend Jahren der Kirchengeschichte seit der Zeit der Apostel. Der Kardinalpräfekt erklärt die Sendung und den Auftrag des Papstes und sein Verhältnis zum katholischen Episkopat, seine lehramtliche Autorität und natürlich auch seine Unfehlbarkeit, wenn er ex cathedra eine für die gesamte Kirche verbindliche Glaubenswahrheit als Dogma verkündet.
Wie die Historikerin Maike Hickson bei Herder in Erfahrung bringen konnte, wurde der Text für das Buch im September 2016 fertiggestellt. Das nachsynodale Schreiben Amoris laetitia sorgte bereits für „große Verwirrung“ in der Kirche, so die vier Kardinäle Brandmüller, Burke, Caffarra und Meisner. Unterschiedliche, sich widersprechende Interpretationen standen sich bereits gegenüber. Wohl noch nicht bekannt waren hingegen die Dubia der vier Kardinäle.
Kardinal Müller geht zum Thema auf seine beiden Stellungnahme bei der Bischofssynode über die Familie ein. Er widerspricht der Aussage, die Ehe sei „nur ein menschliches Ideal, und hält entgegen, daß sie vielmehr „eine von Gott geschaffene, unzerstörbare Wirklichkeit“ ist. Müller zählt die Vorzüge der Ehe auf, wie sie der heilige Augustinus formulierte als bonum fidei, bonum prolis et bonum sacramenti. Die vollkommenste Sinn der Ehe bestehe „in der gegenseitigen Heiligung der Brautleute auf ihrem gemeinsamen Weg bis zum ewigen Leben mit Gott“.
Die Ehe sei Weihe, Hingabe und Teilhabe an der neuen Schöpfung und damit am Reich Gottes. Deshalb sei die Ehe auch etwas anderes als nur eine Segnung von Personen. Die Unauflöslichkeit der sakramentalen Ehe und die anderen Wohltaten der Ehe seien wesensmäßiger Teil dieser Weihe.
Auch die höchste kirchliche Autorität kann „Wesen des Sakraments“ nicht ändern.
Kardinal Müller weist darauf hin, daß auch die höchste kirchliche Autorität nicht „in das Wesen des Sakraments“ eingreifen kann. Die Kirche habe es daher immer vorgezogen und ziehe es auch heute vor, größte Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, als auch nur ein sakramental gültiges Eheband zu lösen. Ein Beleg dafür sei der Konflikt mit König Heinrich VIII. von England, der zum Abfall eines ganzen Königreiches von der Kirche führte. Die Kirche, so der Kardinal, habe Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Sie könne weder die Wahrheit noch das Evangelium für ein menschliches Kalkül opfern.
Die Schwäche des Menschen könne nicht, so der Kardinal, als Vorwand herangezogen werden, um die Gebote Gottes oder die Pflicht, ein christliches Leben auf der Grundlage der Sakramente zu führen, zu relativieren. Es sei eine unumstößliche katholische Glaubenslehre, daß der von Christus gerechtfertigte Mensch mit Hilfe der Gnade den Zehn Geboten und den ethischen Anforderungen der Sakramente entsprechen kann.
Barmherzigkeit sei weder Erlaubnis zur Zweitehe noch zu sündigen
Wie alle Christen, hätten auch Eheleute ein Leben im Licht des Kreuzes zu führen und ihr persönliches Kreuz geduldig zu tragen. Niemand sei davon ausgenommen oder befreit, so der Kardinal. Die Barmherzigkeit Gottes könne nicht dahingehend ausgelegt werden, daß man sich nicht um die Sünde kümmern brauche oder sogar als Erlaubnis zu sündigen. Sie sei auch keine Erlaubnis zu einer Zweitehe, selbst dann nicht, wenn nach menschlichen Standards die sakramental gültige Ehe unerträglich und lästig geworden sei.
Kardinal Müller antwortet sehr deutlich auf die „große Verwirrung“, die durch widersprüchliche Interpretationen zu Amoris laetitia und das Schweigen von Papst Franziskus zu den Dubia (Zweifeln) entstanden ist. Die Kirche müsse dem Wort Gottes in der Schrift und in der Tradition und der sich zwingend daraus ergebenden Interpretation des Lehramtes treu bleiben, sonst mache sie sich schuldig am Heil der Seelen. In Christus, dem Lehrmeister der Wahrheit und dem Guten Hirten, seien die Lehre und das Leben Seiner Kirche untrennbar miteinander verbunden. Eine Trennung von Lehre und Praxis könne es daher nicht geben.
Keine Zulassung zu den Sakramenten, nur um Inklusion nicht zu stören
Der Kardinal wird noch deutlicher: Sollte die Kirche die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie nur anbieten, um nicht den Wunsch nach Inklusion zu stören, ohne objektive und unüberwindliche Hindernisse aufzuzeigen, die eine Zulassung zu den Sakramenten unmöglich machen, dann würde sie den Menschen eine falsche Heilsgewißheit vorgaukeln. Das Sakrament der Buße sei nicht dazu da, die Menschen von ihrem Sündenbewußtsein wegzuführen, sondern um dieses Bewußtsein zu wecken und zu schärfen, damit sich Reue in ihnen über begangene Sünden regt. Denn es gehe darum, wirklich eine Umkehr im eigenen Leben zu wollen, denn so und nur so werden die Sünden wirklich ausgelöscht.
Der Glaubenspräfekt erinnert in seinem neuen Buch auch daran, daß ein Papst irren kann. Das sei der Fall, wenn er zum Beispiel seinem Auftrag nicht nachkommt, und den Glauben nicht lehrt. Die Anspielung wirkt wie auf das Schweigen zu den Dubia gemünzt, was zwar chronologisch nicht möglich ist, weil Kardinal Müller zum Zeitpunkt der Niederschrift die Dubia noch nicht kennen konnte. Um so mehr Bedeutung kommt seinem Hinweis zu, die zugleich eine Ermahnung ist.
Priester, der jemand im Stand der Todsünde die Kommunion gewährt, versündigt sich selbst
Auch der Papst, so Müller, können die Voraussetzungen nicht ändern, unter denen die Gläubigen zu den Sakramenten zugelassen sind. Einem Katholiken, der im Stand der Todsünde lebt und ohne die Absicht radikal davon abzulassen, die sakramentale Lossprechung und die Zulassung zur Kommunion zu gewähren, hieße, so der Kardinal, daß der Priester sich selbst versündigt und die Gläubigen in die Irre führt.
Müller erinnert an seine Kindheit unter Papst Pius XII. In seiner gläubigen Familie sei ihm früh beigebracht worden, zwischen dem Papstamt und der Person zu unterscheiden, die das Amt bekleidet. Der Papst als Person könne Fehler machen und Schwächen haben. Während des Pontifikats von Johannes XXIII. habe er erstmals Henri de Lubac SJ gelesen. Das habe ihm geholfen „meinen Weg“ zwischen den zerstörerischen Gegensätzen des Integralismus und des Modernismus zu finden. Beide bezeichnet Müller als ideologisch, destruktiv und steril und vergleicht sie mit einer Form von gnostischer Selbstrettung.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Jesus übergibt Petrus die Schlüssel (Altarbild im elsässischen Scherweiler)/MiL
Selbst wenn ich gerade nicht die Zeit habe, das Buch zu lesen: Ich werde es kaufen. Dies ist für mich ein Zeichen der Solidarität mit Kardinal Müller und all denen, die versuchen, unsere Kirche zu retten!
Wenn dieses Buch, das ich mir auch kaufen werde und wohl Klartext beeinhalten dürfte, wie ich im Moment annehme, die Konsequenz der Ablösung als Präfekt der Glaubenskongregation nach sich zöge, täte es mir zwar persönlich leid für Kardinal Müller, aber damit bliebe er ganz sicher auf dem geraden, engen und steinigen Weg, von dem Jesus spricht, der allein zum Himmel führt und nicht der breite Weg, der ins Verderben führt. Die Notwendigkeit des Gebetes zeigt sich immer klarer in unserer Zeit.
Es sind offensichtlich 2 sich widersprechende Geistesströmungen in der Kirche vorhanden. Wahrscheinlich geht es auch grundsätzlich um die Frage, was unter „richtiger Hermeneutik und Implementierung“ des Evangeliums zu verstehen ist.
Die einen behaupten, daß die Kirche die letzten mehr als 1900 Jahre gar nicht wirklich Jesus Christus und seine Botschaft begriffen habe und erst jetzt mit Papst Franziskus das Evangelium wahrhaftig verstanden und in die Tat umgesetzt werde.
Die anderen widersprechen diesen Gedanken und berufen sich ebenfalls auf Jesus Christus und mehr als 1900 Jahre gültiger und geglaubter und erprobter Kirchen- und Lehramtsgeschichte.
Dabei kann man an das Urteil des Königs Salomo hinsichtlich der beiden Frauen und dem Kind denken. Die wirkliche Mutter verzichtete tausendmal lieber auf ihr Kind als es dem Tode zu weihen.
Kann sein, daß „man“ Papst Franziskus und seine Parteigänger theoretisch gewähren lassen muß, um die Kirche insgesamt zu retten. Gott selber wird sicherlich mit Wohlwollen auf Gebete und Opfer blicken und ihr beistehen.
Zur Ergänzung der beiden letzten Sätze: Gebet und Opfer sind gewiß nicht alles, was man tun kann. Bspw. sollte man m.Er. dafür eintreten, daß Unrecht und Rechtsbruch von Papst Franziskus am Großmeister des Malteserordens Matthew Festing und am Orden selbst wieder korrigiert werden. Dieser Papst und seine Parteigänger stehen nicht über Recht und Gesetz.
Wobei die Behauptung, dass die katholische Kirche seit Jesus Christus geirrt hätte, ja schon von Luther aufgestellt wurde und genauso falsch war. Den gleichen Zugang hat die progressive Geistesströmung in der Kirche auch heute.
‚Bei Gott gibt es keine Zufälle‘, so wissen wir es als gläubige Katholiken. Dieses Buch kommt meinem Verständnis nach aus der Hand der Göttlichen Vorsehung zu einem Zeitpunkt, an dem die Welt dieses Buch mehr als nötig hat! Es ist bedeutsam, dass Kardinal Müller es als Präfekt der Glaubenskongregation geschrieben hat und dass dieses Buch herauskommt, während Kardinal Müller noch dieses Amt inne hat (um die Mitte 2017 läuft seine Amtszeit aus, seine Wiederbestellung ist offen). Ich werde das Buch sicher lesen. Dieser Artikel legt den Zeigefinger auf wesentliche Inhalte, über die jeder gut Bescheid wissen sollte. Denn – wer weiß wie es innerkirchlich weitergehen wird.…. Ich denke, dass jeder Katholik in einer Glaubensprüfung steht, die ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat.
Das Ende der Periode von Kardinal Müller als Glaubenspräfekt gibt Papst Franziskus eine zu willkommene Gelegenheit seine „Reformen“, dann sogar schon direkt auf der Ebene der Glaubenslehre(!) umzusetzen. Da ist ein gefährliches Spiel in Sicht. Der Papst scheint sich zunehmend abzuschotten, vor allem da er auf die Zweifel der Kardinäle bis heute nicht geantwortet hat und auch sonst aus meiner Sicht den Eindruck erweckt, als würde er nur mehr in eine Richtung sein Gehör lenken.
Leider mußte Kardinal Müller einen Hieb gegen den „Integralismus“ führen – völlig unnötig. Was soll der „Integralismus“ sein? Etwa die bis zum Konzil gültige Lehre und Praxis des Sozialen Königtums Christi? Wieso ist das „ideologisch, destruktiv und gnostisch“??
Leider ist auch Kardinal de Lubac SJ als Autorität genannt. 1950 wurden jedoch seine Lehren (Vermischung von Natur und Übernatur) von Pius XII. verurteilt (Humani Generis). Hat de Lubac wirklich segensreich gewirkt?
Bei allen Verdiensten, die sich Kardinal Müller als Präfekt der CDF und als Verfasser des vorliegenden Buches erworben hat, sieht es aber doch so aus, daß sein Fundament modernistisch angekränkelt ist. Das ist sehr schade.
Das ist auch vermutlich der Grund, warum er in den letzten Monaten – in einer freilich nicht beneidenswerten Situation – einen Zickzack-Kurs gefahren ist.
In der Verteidigung der Sakramente wünschen wir ihm jedenfalls alles Gute und viel Standhaftigkeit – AMDG und zum Wohl und Heil der Seelen.
Ich kann Kardinal Müllers Rolle leider nicht so positiv sehen. Er hat mit seinem Einfluss dafür gesorgt, dass auf der Familiensynode eine hauchdünne Mehrheit dem (fauler) Schönbornschen Kompromisspapier zustimmte. Damit hat er Bergoglio das Gesicht gerettet und letztlich erst Amoris laetitia ermöglicht. Er hat sich von Burke öffentlich distanziert und Bergoglio erst kürzlich „die höchste moralische Autorität der Welt“ genannt. Für mich ist er der Seehofer unter den Kardinälen.
Diesen Eindruck habe ich auch – und ich weiß, dass es mir nicht zusteht, über ihn zu urteilen.
Fragen darf ich aber schon: wer hätte gedacht, dass wir im römischen Kardinal Müller einmal „einen Verteidiger der Tradition“ sehen werden, wo doch der Regensburger Bischof Müller an Zaitzkofen kaum ein gutes Haar gelassen hatte.
„Verteidiger der Tradition“ und Gegner Zaitzkofens sind für Kardinal Müller ‑bisher- kein Widerspruch. Denn als (bisher) absolut Papsttreuer (treu dem Amt) sieht (oder sah?) er in den Piusbrüdern Abtrünnige, wobei es ihn als Bischof von Regensburg natürlich besonders ärgerte, daß die Piusbruderschaft ausgerechnet in seinem Bistum ihr deutsches Priesterseminar hat. Es würde mich nicht überraschen, wenn Kardinal Müller inzwischen eine andere Meinung über die Piusbruderschaft hätte – angesichts dessen, was Bergoglio so alles treibt. Für Kardinal Müller sind Glaube und Kirche wichtig, und er wird wohl sehr schwer unter dem derzeitigen Papst leiden.