
Von Pater Paolo M. Siano*
Im Jahr 2024 veröffentlichte der Verlag Queen Kristianka aus Rom das Buch „Oltre l’Illuminismo Trattato sulla Libera Muratoria Tradizionale“ („Jenseits der Aufklärung. Abhandlung über die traditionelle Freimaurerei“, acht Kapitel, 479 Seiten), verfaßt vom Großmeister der Regulären Großloge von Italien (GLRI) Fabio Venzi. Auf der Umschlagsinnenseite ist zu lesen, daß der Autor die „Opus“-Reihe des Verlags Settimo Sigillo leitet und außerdem Mitglied der Loge Quatuor Coronati Nr. 2076 in London ist, der ersten freimaurerischen Forschungsloge der Welt, die der Vereinigten Großloge von England (UGLE) untersteht.
Es ist erwähnenswert, daß dieses Buch von Großmeister Venzi bereits mehrere Auszeichnungen erhalten hat. Am 28. September 2024 erhielt es in Sarzana (Provinz La Spezia) den 12. Internationalen Literaturpreis für Poesie und Belletristik, eine Ehrung, die unter der Schirmherrschaft der Italienischen Abgeordnetenkammer vergeben wird. Der Artikel von Susanna Musetti kann von der GLRI-Website heruntergeladen werden, die das Buch von Fabio Venzi als „dichten und mutigen Essay“ lobt, der mit „der Geduld eines Archäologen und der Weisheit eines Eingeweihten“ geschrieben wurde. Venzi stellt in seinem Buch fest, daß die Freimaurerei kein Kind der Aufklärung ist, sondern ein „Initiationsweg, der aus Symbolen, Heiligkeit, Stille und vor allem Vertikalität besteht“. Musetti schreibt, dieses Buch sei „ein Akt der Liebe zur Tradition“.
Einige Monate zuvor, am 23. Juni 2024, wurde Fabio Venzis Essay „Jenseits der Aufklärung“ beim 49. Casentino-Literaturpreis für Poesie, Belletristik, Sachbuch, Theater/Kino in der Kategorie „Historiographie, Tradition und Esoterik“ ausgezeichnet. Auf Youtube sieht man im Video der Sendung „Magazine“ vom 28. Juni 2024, die von Teletruria ausgestrahlt wurde, die Höhepunkte der Preisverleihung, darunter die Rede von Großmeister Venzi (ab Minute 44:29), der „die Verfolgungen der katholischen Kirche“ gegen die Freimaurerei erwähnt (vgl. ab Min. 45:00) und sich dabei insbesondere auf den Freimaurer Tommaso Crudeli aus dem 18. Jahrhundert bezieht (die Abtei von Poppi, in der die Veranstaltung stattfand, befindet sich nur wenige Meter von Crudelis Haus entfernt) und ihn als „ersten Märtyrer der Freimaurerei“ bezeichnet (vgl. Min. 45:08 –45:12). Kurz darauf fügt Venzi über den Freimaurer Crudeli hinzu:
„Und Pater Ambrogio Ambrogi, der Inquisitor, beschuldigte ihn im Prozeß der Häresien in Glaubens- und Religionsangelegenheiten. In der Tat ist die Freimaurerei, wie ich sie in diesem Essay darstelle, ein Ausdruck der christlichen Esoterik, die im 17. und 18. Jahrhundert viele Vertreter in der westlichen Kultur hatte“ (Min. 45:16–45:43).
Wenden wir uns nun dem Buch von Großmeister Venzi zu und schauen wir uns einige Begriffe und Aussagen an, die an sich schon die Unvereinbarkeit zwischen der katholischen Kirche und der Freimaurerei deutlich machen (obwohl der Großmeister selbst von der “Vereinbarkeit“ überzeugt ist und diese auch betont…).
1. An den Ursprüngen der Freimaurerei: der theistische Rationalismus der Cambridge-Neuplatoniker
Der Deismus ist der Glaube an einen Schöpfergott, einen Ordner, der sich aber nicht offenbart und nicht Vorsehung ist… Der Deismus ist eine Art Naturreligion (vgl. S. 108–110). Großmeister Venzi ist überzeugt, daß die englische Freimaurerei weder aufklärerisch noch deistisch, sondern theistisch ist, d. h. sie glaubt an Gott als persönliches Wesen, das sich offenbart… Der Theismus der Freimaurerei (Glaube an das höchste Wesen) ist der der Cambridge-Neuplatoniker oder „Latitudinarier“ (16./17. Jhdt.), d. h. der „theistische Rationalismus“ (vgl. S. 151, 169), der im Namen der „religiösen Inklusivität“ und damit der Toleranz gegenüber Religionen, für die die Divergenz der Lehren als Gut gewertet wird, auf Dogmen verzichtet (vgl. S. 170). Sowohl die humanistischen Renaissance-Neuplatoniker als auch die Cambridge-Neuplatoniker bejahen auch „eine ‚Sophia Perenne‘, die die Einheit der verschiedenen historischen Darstellungen der Wahrheit aufrechterhält“ (S. 171f)… Die Cambridge-Neuplatoniker wollen Freiheit von Dogmen (vgl. S. 182) und stellen „das Christentum, die neuplatonische Tradition und den Hermetismus der Renaissance auf dieselbe Ebene“ (S. 190).
Venzi ist sich sehr wohl bewußt, daß „die Bezüge des Neuplatonismus auf die ‚Immerwährende Philosophie‘ vom katholischen kirchlichen Apparat, aber auch vom protestantischen, nie begrüßt wurden“ (S. 197).
Ich möchte darauf hinweisen, daß – selbst wenn wir (1) den theistischen Rationalismus der Cambridge-Neuplatoniker (2) vom englischen Deismus und (3) von der Aufklärung unterscheiden wollen –, es unbestreitbar ist, daß selbst der erstere mit dem Glauben der katholischen Kirche unvereinbar ist. Die drei vorgenannten philosophischen Strömungen verbindet die Ablehnung des Dogmas.
Zu Recht betont Großmeister Venzi das Vorhandensein von Konzepten des Neoplatonismus (und damit des Hermetismus) in der Ritualität und Symbologie der Freimaurerei des englischen Typs (Emulationsritual): „Weg der Verfeinerung und des Aufstiegs des Freimaurers zum Göttlichen… Gott, der Architekt und Geometriker des Universums… Licht als Ziel des Freimaurers… Kontemplation der transzendenten und mystischen Vereinigung… Die Seele der Welt… Die Korrespondenz zwischen Makro- und Mikrokosmos“ (s. S. 223–233).
2. Die transzendente Einheit der Religionen, oder Esoterik: coniunctio oppositorum
Großmeister Venzi erklärt, daß im „freimaurerischen Denken […] das Konzept der Religio Perennis (eine transzendente Einheit oder ein Zentrum, eine ursprüngliche Sophia, in der die verschiedenen religiösen Formen, in denen sich das Göttliche manifestiert, sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern eine einzige Wahrheit ausdrücken), auf die sich der Freimaurer bezieht, ausgehend von der Annahme einer angeborenen Prädisposition des Menschen für das ‚Heilige‘ (in diesem Sinne ist jeder Mensch homo religiosus), und von der folglich der Grundsatz der Toleranz des Freimaurers gegenüber allen Glaubensrichtungen ausgeht“ (S. 31).
Venzi ist überzeugt, daß die Freimaurerei, die reguläre und die traditionelle Freimaurerei, kein Kind der Aufklärung ist, sondern „eine ‚Initiatische Organisation‘ schlechthin“ (S. 47), die auf einer „initiatorischen und spirituellen Ebene wirken will und ihre Grundlage in einer alten Weisheit findet“ (S. 47). Die Freimaurerei ist „eine ‚summa‘ der Initiatischen Traditionen“ (S. 47). Die Freimaurerei verfolgt „den Entwurf eines göttlichen Menschen, der die reine und rohe Materie transzendiert hat, um sein eigener erfüllter Ausdruck zu werden“ (S. 47)… Venzi präzisiert:
„Grundlegend für das Verständnis des Wesens der freimaurerischen Rituale ist daher die Annahme der Ausgangsidee einer Tradition, in der die verschiedenen metaphysischen und religiösen Traditionen nichts anderes sind als die besonderen Projektionen, die auf verschiedenen Ebenen ihre spirituelle Substanz wiedergeben; das freimaurerische Prinzip, das Mitglieder aller Religionen in seinen Tempeln aufnimmt, ist eine direkte Folge dieser Ausgangshypothese“ (S. 59).
3. Die Einweihung in die Freimaurerei
Venzi erklärt, daß die Initiation „der Übergang von einem ‚profanen‘ Zustand der Erstarrung zu einem Zustand des Wachseins ist, von dem aus der Eingeweihte zu einer Bewußtwerdung gelangt, die ihn erleuchtet, ein Zustand, der in gewissem Sinne einer ‚Neugeburt‘, einer echten ontologischen Veränderung entspricht“ (S. 59f). Die Einweihung ist auch „die Möglichkeit, den Funken des Göttlichen in uns wiederzuentdecken“ (S. 60).
Der Großmeister erklärt:
„In der Welt der Tradition wird die Einweihung in ihren höchsten Formen immer als eine höchst reale Operation verstanden, die fähig ist, wie gesagt, den ontologischen Zustand des Individuums zu verändern und ihm Kräfte aus der Welt des Seins oder, wie Evola sagen würde, aus der Überwelt einzuverleiben“ (S. 60).
4. Gnosis in der Freimaurerei
Indem er die „Weisheit“ der Texte des Hermes Trismegistos (Hermetik) erwähnt und sie mit einigen Texten der Freimaurerei des ‚Emulationsritus‘(der auch in der GLRI praktiziert wird) vergleicht, stellt Großmeister Venzi fest, daß „die hermetische Weisheit, von der auch die Freimaurerei inspiriert ist, als eine besondere Form der Gnosis konfiguriert werden kann“ (S. 96). Ein wenig weiter schreibt Venzi:
„Unsere Suche auf die okkulten Geheimnisse der Natur und der Wissenschaft ausdehnen“ ist eine Passage unseres Rituals, wie leider viele andere, die gewohnheitsmäßig gelesen, oft auswendig gelernt, aber nicht verstanden und daher viel weniger angewandt wird. Wenn man die zitierten Teile des Rituals liest, scheinen die Analogien mit den Prinzipien der hermetischen Tradition […] offensichtlich“ (S. 97).
Authentische Initiatische Schulen suchen die „‚göttliche‘ Essenz des Individuums“ (S. 248) durch „eine authentische ‚Transformation‘ (oder ‚Verwirklichung‘)“ (S. 248).
5. Die rituelle Emulation zwischen Theismus (rationalistisch, neuplatonisch) und Esoterik (Gnosis, Kabbala)
Samuel Hemming (1767–1828), anglikanischer Geistlicher, Freimaurer, Meister der Loge der Versöhnung (UGLE), ist der Hauptschöpfer des berühmten freimaurerischen Rituals, das als „Emulation“ bekannt ist (vgl. S. 253–272). Großmeister Venzi bekräftigt, daß „die Entchristlichung des Rituals“ (S. 252) zu „einem echten ‚Paradigmenwechsel‘ in den Beziehungen zwischen dem Befreier und dem ‚Heiligen‘“ (S. 252) geführt hat. Die Emulation führt die folgende Dreiteilung ein:
- Der 1. Grad (Lehrling) ist der Grad der Ethik.
- Der 2. Grad (Geselle) ist der Grad der „Göttlichen Wissenschaft“ (im Ritual steht geschrieben, daß der Befreier den Thron Gottes erreichen kann).
- Der 3. Grad (Freimaurermeister) ist der Grad der Metaphysik oder „Intuitives Wissen“, verstanden als eine neu erworbene Fähigkeit (vgl. S. 273–275). Der Eingeweihte kann den „Funken des Göttlichen“ in sich entdecken (vgl. S. 274).
Großmeister Venzi glaubt, daß Hemming den Theismus in das Emulationsritual eingeführt hat (vgl. S. 277–279). Im Lichte der bisher gefundenen Elemente ist es jedoch leicht zu erkennen, daß es sich um einen esoterischen, neoplatonischen „Theismus“ handelt… Gewiß, im Emulationsritual von Hemming sind auch die „Gebete“, die Verweise auf die göttliche „Gnade“, die rituelle Anwesenheit des Logenkaplans (vgl. S. 278–292) und dann die Verweise auf die Kardinaltugenden (vgl. S. 309–325) interessant, wo Venzi auch mit dem Katechismus der katholischen Kirche und Texten von Gelehrten oder Theologen jongliert… Aber das Grundproblem bleibt: Das esoterische, gnostische, „latitudinäre“ Wesen der traditionellen Freimaurerei und ihrer Rituale (einschließlich der Emulation) ist offensichtlich mit dem Glauben der katholischen Kirche unvereinbar.
Zum Thema „Gnade“ erwähnt Venzi auch den Jesuitentheologen Karl Rahner (vgl. S. 286f), der allerdings gegen Lehrkritik nicht gefeit ist, dann den französischen Esoteriker und Freimaurer René Guénon (vgl. S. 280), den perennialistischen Philosophen Aldous Huxley (vgl. S. 286), die hinduistische Tradition (vgl. S. 291). Im Abschnitt über die „Gnade“ im Emulationsritual erwähnt Venzi leichtfertig den Begriff des Initiations- oder mystischen Todes, den er leider nicht näher ausführt und auch in seinem Buch nicht ausdrücklich erwähnt (vgl. S. 280f).
Venzi glaubt, daß die freimaurerische Moral nicht relativistisch ist, daß die Freimaurerei keinen religiösen und moralischen Relativismus befürwortet und daß das Emulationsritual nichts Relativistisches enthält (vgl. S. 308f). Im Lichte dessen, was bisher aus dem Buch von Venzi hervorgegangen ist, steht jedoch fest, daß der theistische Rationalismus von Cambridge, der in der Freimaurerei und im Emulationsritual vorausgesetzt wird, die von der katholischen Kirche definierten Glaubens- und Moraldogmen per se ablehnt… Kurz gesagt, der Relativismus wird in der Tat auch durch den bereits erwähnten „Latitudinarismus“ der Cambridge-Neuplatoniker gefördert, sowie durch die Tatsache, daß es jedem Freimaurer freisteht, das Höchste Wesen oder den Großen Baumeister des Universums gemäß seinem eigenen Glauben oder seiner eigenen religiösen Überzeugung zu verstehen…
Im Abschnitt III.14. „Der Thron Gottes“ schreibt Großmeister Venzi:
“Auf dem Weg der ‚spirituellen‘ Vervollkommnung des Freimaurers kann man ausschließlich durch die ‚symbolische‘ Sprache zur ‚Erkenntnis‘, oder besser gesagt, zur ‚Erfahrung‘ des Göttlichen gelangen. Unter den verschiedenen von Rev. Hemming eingefügten Symbolen ist das des Throns Gottes zweifellos eines der wichtigsten, um die Dynamik des mystischen freimaurerischen Weges darzustellen. Um diese Symbolik besser zu verstehen, ist ein Verweis auf die jüdische Mystik der Merkaba unerläßlich“ (S. 326).
Kurz gesagt, wenn man Merkaba sagt, sagt man jüdische Kabbala. Venzi räumt den gnostischen Charakter der „jüdischen Mystik“ der Merkaba ein:
„[…] die Eingeweihten müssen den Aufstieg zur Merkaba erreichen, indem sie sieben himmlische Paläste durchlaufen und dabei zahlreiche Schwierigkeiten überwinden; die Dynamik eines solchen Weges hat einen offensichtlichen gnostischen Charakter, auch wenn er in einem monotheistischen Kontext hebräisiert wird“ (S. 327).
Sogar in der Verwendung des Begriffs ‚Elevation‘ für die Einweihungszeremonie des dritten Grades der Freimaurer (gemäß dem Emulationsritual) sieht Venzi eine Neuerung von Hemming in einem mystischen Sinn: „[…] In den Schriften der Mystiker wird der Weg der Gotteserkenntnis, die Gotteserfahrung, oft genau durch den Begriff ‚Elevation‘ definiert“ (S. 329). In diesem Zusammenhang zitiert Venzi die heilige Angela von Foligno und Karl Rahner… Am Ende des Kapitels bemerkt Venzi, daß die Einführung des Begriffs „Elevation“ durch Hemming nicht zufällig sei, „sondern bewußt verwendet wurde, um den besonderen spirituellen Weg zu Gott zu bezeichnen, der zur Erlangung des Meistergrades führt“ (S. 330).
6. Hemming und das Emulationsritual: das Zentrum, die Einheit der Religionen
Fabio Venzi widmet ein eigenes Kapitel (das 6., S. 341–384) der Symbolik des „Zentrums“, d. h. des Punktes in der Mitte eines Kreises, der mindestens viermal (vom 1. bis zum 3. Grad) im Emulationsritual von Hemming erwähnt wird (vgl. S. 342f). Nach Venzi ist das „‚Zentrum‘“ „der symbolische ‚Schlüssel‘ zum Verständnis von Hemmings Absichten in bezug auf die Inklusivität der Freimaurerei in religiösen Fragen“ (S. 342).
Weiter führt Großmeister Venzi aus:
„Meiner Meinung nach sind Hemmings Absichten klar: Aus dem Zentrum (Gott) gehen die Religionen, oder besser gesagt, die ‚Glaubensbekenntnisse‘ hervor und laufen im Zentrum zusammen, und nur mit dem Zentrum findet die Vereinigung der ursprünglichen Tradition, der Religio Perennis, statt; alle ihre historischen Manifestationen (die verschiedenen Glaubensbekenntnisse), obwohl sie unterschiedlich und verschieden bleiben, offenbaren daher das Wesen einer göttlichen und unteilbaren Wahrheit […]. Meiner Meinung nach haben wir es hier mit einer Interpretation des Rituals zu tun, die ich als „perennialistisch“ ante litteram bezeichnen würde: Mehr als ein Jahrhundert vor Guénon, Schuon, Coomaraswamy und anderen Autoren, die zu der als ‚perennialistisch‘ definierten Strömung gehören, schlug Hemming ein Konzept von Gott als ‚Zentrum‘ vor (d. h. als Sophia Perennis, aus der alle traditionellen ‚Formen‘ der Religiosität hervorgehen), das im Laufe der Jahrhunderte in allen mystischen und traditionellen Strömungen verwendet wurde, eine Vision, die, wie der Schweizer Esoteriker Frithjof Schuon sagen würde, auf der ‚transzendenten Einheit der Religionen‘ beruht“ (S. 343).
Weiter weist Venzi darauf hin, daß: „[…] das ‚Zentrum‘ in unserem Fall transzendiert die einzelnen historischen Erscheinungsformen; in dieser ‚Vision‘ eröffnet sich notwendigerweise ein Dialog zwischen allen Religionen. Im wesentlichen interpretieren die Freimaurerbrüder Gott nicht als ‚ihren‘ Gott oder als den Gott ‚der anderen‘, sondern als Gott in sich selbst. Dies ist die von Samuel Hemming vorgeschlagene freimaurerische Interpretation von GADU (Great Architect of the Universe, Großer Baumeister des Universums)“ (S. 344).
Indem er die freimaurerische Symbolik des Zentrums (des Emulationsrituals von Hemming) erklärt, bekräftigt Venzi, daß „die Wahrheit Gottes nur eine sein kann“, für die die verschiedenen Religionen so viele „Wege“ wären, die zum Zentrum, zu Gott, führen… Die Freimaurerei ist eine Form der ‚Tradition‘, die den Zusammenfluß aller „Wege“ in Gott lehrt (vgl. S. 346)…
Unter Berufung auf das Ritual des Königlichen Bogens (Vollendung des 3. Grades der Freimaurer) bekräftigt Venzi, daß die Freimaurerei „eine Art ‚Mystizismus‘“ sei, weshalb sie „jeden exklusiven Anspruch“ ausschließe, im Besitz der Wahrheit zu sein (vgl. S. 346)… Unter Mystizismus versteht Venzi die coincidentia oppositorum, d. h. die Fähigkeit, „die Wahrheit des Gleichen und des Verschiedenen in ihrer übergeordneten Einheit zu erfassen, die auch die Gleichgültigkeit gegenüber endlichen Formen ist“ (S. 346).
Die „Mitte“, von der die rituelle Nachahmung spricht, drückt die „‚Inklusivität‘ und Toleranz zwischen den verschiedenen Religionen“ (S. 348) aus, sie bringt alle Menschen zusammen, „indem sie sie in den gleichen Abstand zu einem Gott stellt, der sie gleichermaßen als seine Geschöpfe betrachtet“ (S. 348)… „Ziel und Zweck der Tradition ist die Aufhebung des illusorischen Abstands zwischen Gott und Mensch […], die Wiedervereinigung von Gott und Mensch […]“ (S. 348). Venzi macht deutlich, daß das Festhalten an der eigenen Religion als der einzigen, die die Wahrheit besitzt, „religiöser Fundamentalismus und Exklusivismus“ ist (vgl. S. 349).
Venzi stellt fest, daß die so verstandene Symbolik der Mitte auch im Hinduismus (vgl. S. 350–355), im Denken des neuplatonischen Humanisten Nikolaus Cusanus (vgl. S. 355f), in der Kabbala (vgl. S. 358f), im Taoismus (vgl. S. 359), im Rosenkreuzertum (vgl. S. 360) und in der Alchemie (vgl. S. 361–369) zu finden ist. Das Zentrum erreichen zu wollen, kann aus alchemistischer Sicht auch bedeuten, „sich selbst zu Gott zu machen“ (vgl. S. 368), d. h. „zu versuchen, die “Ähnlichkeit“ mit Gott zu erlangen, an der Schöpfung der Welt teilzuhaben und das Göttliche wiederzuentdecken, das bereits in uns vorhanden ist. Das „Zentrum“ zu verlieren, bedeutet also vor allem, das Bewußtsein unserer göttlichen Natur zu verlieren“ (S. 369, Fettdruck).
Am Ende des Kapitels bekräftigt Venzi, daß „das Göttliche in uns selbst ist“ (S. 380) und daß „die Initiatischen Schulen, und unter ihnen die Freimaurerei, […] sich immer die Aufgabe gestellt haben, den Menschen zu seinem göttlichen Wesen zurückzubringen, ihm zu helfen, seine ‚Mitte‘ wiederzufinden“ (S. 380).
7. Das Heilige und die Weihe in der freimaurerischen Ritualität: freimaurerische Magie
Im 7. Kapitel „Die Religion und das Heilige“ (S. 385–436) schreibt Großmeister Venzi:
„Die Erfahrung des Heiligen erlaubt dem Menschen, seine Begegnung mit der Transzendenz, mit dem Göttlichen, mit Gott zu realisieren. […] Unersetzliche Elemente dieser Reise sind Symbol und Ritual, denn nur durch sie ist eine Vermittlung möglich. Für Eliade stellt jeder Ritus, jeder Mythos, jede Kosmogonie oder jeder Gott eine Manifestation des Heiligen im mentalen Universum derer dar, die es empfangen haben“ (S. 391).
Venzi fährt fort: „Folglich könnte sogar ein freimaurerisches Ritual (aber das hängt natürlich vom Ritual ab) in jeder Hinsicht als eine Hierophanie, d.h. als eine Manifestation des Heiligen, betrachtet werden. In einigen Ritualen, wie zum Beispiel der Emulation, ist dies deutlicher zu erkennen, und dies geschieht auch im Aldersgate-Ritual des Royal Arch, in dem wir in dem Moment, in dem die Gefährten den zuvor verdeckten Namen Gottes enthüllen, mit einem regelrechten ‚Einbruch des Göttlichen‘ konfrontiert werden“ (S. 391f).
Darüber hinaus gibt es in der Freimaurerei „die Zeremonie der Einweihung einer Loge, bei der diese Schaffung eines ‚heiligen‘ Raumes, wo vorher ein profaner war, sehr offensichtlich ist“ (S. 392).
„Symbole und Rituale sind bekanntlich die Instrumente des freimaurerischen Einweihungsweges, und die Zeremonien, die wir ‚Weihen‘ nennen, sind grundlegende Elemente solcher Riten. Daraus ergibt sich die Schlußfolgerung, daß die Freimaurerei zwar nicht als Religion zu betrachten ist, der völlig in das Heilige eingetauchte Befreier aber eindeutig ein homo religiosus ist. Wenn wir uns in der Gegenwart des gelebten Heiligen befinden, befinden wir uns in der Tat in der Gegenwart einer religiösen Erfahrung, im Grunde manifestiert sich das Heilige ausschließlich im religiösen Menschen“ (S. 403).
Das Heilige „vereinigt, was in der profanen Welt getrennt ist […]: das Niedrige und das Hohe, das Männliche und das Weibliche, den Himmel und die Erde“ (S. 408).
In dem Abschnitt über den „Heiligen Raum“ in der Freimaurerei stellt Großmeister Venzi fest: „In der Ritualität der Freimaurerei sind die sogenannten ‚Weiheriten‘ von grundlegender Bedeutung. Die ‚Riten der Weihe‘ führen ein Wesen oder eine Sache in die Welt des Heiligen ein; umgekehrt führen die Riten der ‚Entweihung‘ oder der Sühne eine reine oder unreine Person oder Sache in die ‚profane‘ Welt zurück“ (S. 415).
Weiter führt Venzi aus:
„Die Weihe, die Errichtung eines sakralen Raums, folgte in archaischen und traditionellen Gesellschaften stets antiken Vorschriften und bezog sich vor allem auf eine ursprüngliche Offenbarung, die ‚am Anfang‘ den Archetyp des sakralen Raums enthüllte, einen Archetyp, der dann bei der Errichtung jedes neuen Tempels ad infinitum wiederholt wurde und von dem auch die Befreiungsrituale ihren Ausgang nahmen“ (S. 415).
Venzi fährt fort: „Einen Raum mit einer Technik der rituellen Ausrichtung zu weihen bedeutet, ihn zu ‚kosmotisieren‘, da der Kosmos als göttliches Werk in seiner Struktur selbst heilig ist. ‚Kosmotisieren‘ bedeutet, vom Chaos zur Ordnung überzugehen (in der Erhöhungszeremonie des Königlichen Bogens steht geschrieben: „Ewiger Gott, auf dessen Geheiß die Welt aus dem Chaos entstand und jedes Ding der Natur seinen Ursprung hatte“), so kann die Einweihung eines Tempels oder einer Loge als Nachahmung der kosmogonischen Geste, als Wiederholung der ersten Handlung (eben des ‚Ritus‘) gestaltet werden, insofern sie den göttlichen Akt der beispielhaften Errichtung der Schöpfung wiederholt“ (S. 415f6).
Dazu möchte ich einige Bemerkungen machen. Aus den oben erwähnten Passagen von Großmeister Venzi gehen rituelle Magie und demiurgische Gnosis hervor, die eindeutig miteinander verflochten sind: Der Freimaurer, der den Raum (die Loge) weiht und sakralisiert, wiederholt/imitiert den göttlichen oder demiurgischen Akt… Man bedenke, daß der biblische Gott nur die jüdische Liturgie (zuerst) und die christliche Liturgie (später) geoffenbart, gewollt und inspiriert hat, aber niemals außer- oder überkonfessionelle initiatorische/„heilige“ Riten wie die freimaurerischen… Daher erscheint der Freimaurer als Magier und Gnostiker, d. h. als jemand, der weiß (oder zu wissen behauptet), wie man den Demiurgen rituell und symbolisch nachahmt…
Wir fahren fort mit dem Text von Fabio Venzi, der die Einweihung der Freimaurerloge illustriert.
„Die erste Geste ist die Weihe des Bodens, seine Verwandlung in ein ‚Zentrum‘, in einen profanen Raum. Dann folgt die Schaffung eines ‚Subjekts‘, der Loge, die ebenfalls geweiht wird, um diesen Raum nutzen zu können, in einer Zeit, die ebenfalls heilig ist, wie die Datierung der Gründungsbulle jeder Loge zeigt (die 4.000 Jahre zurückreicht), was die metahistorische und zeitlose Dimension bedeutet, in der das Ritual jedes Mal erfüllt wird“ (S. 416).
Weiter heißt es bei Venzi:
„Im weiteren Verlauf der Zeremonie sind es die mehrfachen Umrundungen, die den Ort weiter in Témenos, einen heiligen Ort, verwandeln, oder, alchemistisch gesprochen, in das alchemistische Gefäß, d. h. in das transformative Gefäß, in dem sich das Werk vollzieht. Die Umrundung führt also zur Konstruktion jener ‚Umhüllung‘ (eben des Témenos), die nicht nur einen Raum darstellt, in dem die heilige Funktion ausgeübt wird, der den Raum des Heiligen abgrenzt und gleichzeitig bestehen läßt, sondern auch ein ‚Gefäß‘, in dem die ursprünglich chaotischen und gegensätzlichen Energien freigesetzt werden, um sie zu ihrer Wiedervereinigung zu bringen: das ist die alchemistische Dynamik von solve et coagula. Aus diesem Grund stellt das Symbol des Témenos nicht nur eine Ausdrucksform dar, sondern übt auch eine Wirkung aus, nämlich einen sulcus primigenius, eine magische Furche um das Zentrum der innersten Persönlichkeit zu ziehen, um ihre Zerstreuung zu verhindern oder sie von den Ablenkungen der Außenwelt fernzuhalten“ (S. 416f).
Venzi weist darauf hin, daß bereits in der Antike Weiheriten und Umschreitungen zelebriert wurden (vgl. S. 400–408, 417–419), die später wieder von der Freimaurerei praktiziert worden seien.
Venzi betont, daß „in einem freimaurerischen Tempel, wie in jedem ‚geweihten Raum‘, keine anderen Tätigkeiten als die streng initiatorischen ausgeübt werden dürfen“ (S. 420).
Der Großmeister fährt fort: „Die Gründung eines freimaurerischen Tempels erscheint daher als eine Zeremonie mit ausgeprägten esoterischen Merkmalen, deren Ritual, wie wir gesehen haben, folglich als Einweihung definiert ist. Der Tempel hatte schon immer ein himmlisches Vorbild, worauf das Alte Testament immer wieder hinweist, angefangen damit, daß Jahwe Moses auf dem Berg Sinai die genaue Form des Heiligtums zeigt, das er für ihn errichten soll […]“ (S. 420–421).
Ein wenig weiter führt Venzi aus: „Aus der Notwendigkeit, den heiligen Raum abzugrenzen, in dem das Ritual stattfindet, ergibt sich ein weiteres Merkmal der Freimaurerei und aller initiatischen Gesellschaften: die Geheimhaltung, wobei dieser Begriff nicht das Agieren im Verborgenen bezeichnen soll, sondern vielmehr die Notwendigkeit, sich vom Rest der Welt abzusondern, sich auf einen heiligen Ort zu beschränken, an dem man den Kontakt mit einer höheren Dimension sucht, weit weg vom Rest der Welt, die in einem Zustand des Chaos und der Instabilität verharrt“ (S. 421).
„Die Kosmogonie ist das typologische Modell aller Bauten; jeder Tempel ahmt die Erschaffung der Welt nach und wiederholt sie in gewissem Sinne: Jeder Tempel steht in der Tat im ‚Zentrum des Universums‘, und in diesem Sinne war seine Errichtung nur möglich, indem man den profanen Raum und die Zeit abschaffte und einen heiligen Raum, einen transzendenten Raum schuf“ (S. 421).
Mit der „Erschaffung“ des Tempels, auch des freimaurerischen, wiederholt sich also die ‚Erschaffung‘ der Welt, der Tempel wird zum „Zentrum“ der Welt und die Symbolik des Zentrums ist grundlegend in den Gründungsriten und damit auch in den freimaurerischen (vgl. S. 422).
Venzi fährt fort: „Die antike Vorstellung vom Tempel als imago mundi, die Idee, daß er das Universum in seinem Wesen wiedergibt, wurde in der Tat auf die sakrale Architektur des christlichen Europas übertragen, auf die Basilika der ersten Jahrhunderte nach Christus, auf die mittelalterlichen Kathedralen, auf den freimaurerischen Tempel, die symbolisch das himmlische Jerusalem wiedergeben“ (S. 422).
In bezug auf die Jakobsleiter, die im Ritual der „Emulation“ symbolisiert wird, und zwar in der Zeichentafel des ersten Lehrlingsgrades, stellt Venzi fest: „Unter den Symbolen stellt die Leiter also mehr als jedes andere die Verbindung mit der höheren Welt dar, die Unterbrechung der Ebene, die den Übergang von einer Dimension zur anderen, von der Erde zum Himmel ermöglicht. In den archaischen Riten ging die Leiter gewöhnlich von einem ‚Zentrum‘ aus, das die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen des Seins ermöglichte, so wie sie in der Tafel der Spurensuche auf dem Band des Heiligen Gesetzes ruht, dem heiligen ‚Zentrum‘ der Freimaurerei“ (S. 422f).
Zur Einweihung der Loge oder des freimaurerischen Tempels schreibt Venzi: „Zur Bestätigung der zutiefst esoterischen und heiligen Bedeutung der Einweihungszeremonie eines Tempels oder eines anderen Ortes, der für die Durchführung von Einweihungszeremonien genutzt wird, gibt es den interessanten Zusatz, daß die Einweihungszeremonie auch für die rituelle Nutzung eines einzelnen Raumes durchgeführt werden sollte, in dem die freimaurerische Arbeit stattfinden soll. Das bedeutet, daß ohne eine rituelle Handlung, die den Raum in einen anderen verwandelt und ihn für eine Art der Nutzung mit initiatorischem Charakter vorbereitet, ein solcher Raum nicht für freimaurerische Arbeiten verwendet werden kann“ (S. 428).
Auch dieses Eingeständnis des Großmeisters Venzi ist sehr interessant: „Die Einweihung einer Kirche kann zum Zeitpunkt ihrer Gründung erfolgen, und zwar mit der Absicht, die Kirche in einem feierlichen Ritus dem Herrn zu weihen, wie es der uralte Brauch der Kirche ist. Es ist Aufgabe des Bischofs, der mit der Betreuung einer Teilkirche betraut ist, die in seiner Diözese neu errichteten Kirchen Gott zu weihen. Der Einweihungsritus hat, abgesehen von der Besprengung mit Weihrauch, nichts mit dem freimaurerischen Ritus der Einweihung eines Tempels gemein“ (S. 429).
In den Schlußfolgerungen des siebten Kapitels über die freimaurerischen Riten und Rituale wiederholt Venzi: „Die ‚Initiationsriten‘, zu denen auch der freimaurerische Ritus zu zählen ist, haben als Ziel den Übergang des ‚profanen‘ Menschen zu einer neuen Existenz, die nun vom Heiligen geprägt ist. Im freimaurerischen Ritual finden wir die drei Elemente des Heiligen, die für das Vorhandensein des homo religiosus wesentlich sind: das Symbol, das Ritual und der Mythos. […] Jedes Initiationsritual impliziert eine Schöpfungssymbolik, die das kosmogonische und anthropologische Urereignis reaktualisiert, und dies zeigt sich in unserer Ritualität in der Weihezeremonie eines Tempels oder einer Loge. Aber um den Anfang zu reproduzieren, muß man zuerst das Bestehende abschaffen, was den regressus ad uterum und die rituelle Symbolik des Todes erklärt. Man muß den menschlichen Zustand transzendieren, um sich sinnvoll in den Kosmos einzufügen. Abschließend können wir in Anlehnung an die Dichotomie ‚Sakral-Profan‘ feststellen, daß die Freimaurerei zwar keine Religion ist, wir aber ihr Ritual als sakral (das, was sakralen Charakter hat) definieren können“ (S. 431f).
Fazit: Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Freimaurerei „English Style“
Im 8. und letzten Kapitel, „Die freimaurerische ‚Häresie‘“ (S. 437–464), versucht Großmeister Venzi seinen Lesern verständlich zu machen, daß die antifreimaurerischen Anklagen und Verurteilungen durch den Heiligen Stuhl (seit 1738) nicht fundiert seien… Es muß jedoch gesagt werden, daß die päpstlichen oder kirchlichen Dokumente, die die Freimaurerei verurteilen, niemals den inhärent magischen Charakter der freimaurerischen Rituale untersucht und erläutert haben. Eine kleine und oberflächliche Erwähnung findet sich vielleicht im Dokument der deutschen Bischöfe von 1980 über die Unvereinbarkeit von Kirche und Freimaurerei, in dem es heißt, daß das freimaurerische Ritual einen pseudo-sakramentalen Charakter hat, d. h. eine Art Ähnlichkeit und Konkurrenz zu den Sakramenten der Kirche… Nun, wenn man die vorangegangenen Kapitel dieses Buches von Fabio Venzi betrachtet, ist die Unvereinbarkeit zwischen Kirche und Freimaurerei auf der Ebene des Symbolik und der Ritualität („Nachahmung“) der Freimaurerei klar und tiefgreifend, insbesondere in bezug auf das freimaurerische Konzept der transzendenten Einheit der Religionen (siehe die Symbolik des Zentrums) und auf die freimaurerischen Überzeugungen, nach denen:
- a) das freimaurerische Ritual den rituellen Raum heilig macht, indem es ihn in einen Tempel oder eine Loge verwandelt,
- b) die Eingeweihten, die Freimaurer, in ihrem heiligen Raum mit dem Heiligen, mit einer höheren und transzendenten Dimension in Berührung kommen und das Göttliche in sich wiederentdecken…
Kurz gesagt, wir haben hier: Esoterik, Gnosis, Magie
Ich schließe mit einer methodologischen Bemerkung. Beim Durchblättern des Personenverzeichnisses (S. 465–472) sehen wir, daß Großmeister Venzi mehrmals die ‚perennialistischen‘ Philosophen des 20. Jahrhunderts erwähnt. Diese drücken in der Tat in philosophischen und modernen Begriffen das aus, was bereits in der freimaurerischen Ritualität der „Emulation“ des 19. Jhdts. (wie sie noch heute von der UGLE und der GLRI praktiziert wird) enthalten ist. Coomaraswamy wird neunmal zitiert; René Guénon zehnmal; Julius Evola siebenmal.
Der Religionshistoriker Mircea Eliade wird für seine Überlegungen zum Sakralen, die Venzi dann auf die Freimaurerei anwendet, mindestens zwanzigmal zitiert. Dagegen wird der bekannte englische Freimaurer und Esoteriker Walter Leslie Wilmshurst (UGLE) nur einmal zitiert (S. 332, Fußnote 10).
*Pater Paolo Maria Siano gehört dem Orden der Franziskaner der Immakulata (FFI) an; der promovierte Kirchenhistoriker gilt als einer der besten katholischen Kenner der Freimaurerei, der er mehrere Standardwerke und zahlreiche Aufsätze gewidmet hat. In seiner jüngsten Veröffentlichung geht es ihm darum, den Nachweis zu erbringen, daß die Freimaurerei von Anfang an esoterische und gnostische Elemente enthielt, die bis heute ihre Unvereinbarkeit mit der kirchlichen Glaubenslehre begründen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/GLRI/MiL (Screenshots)