Von Caminante Wanderer*
Es ist nicht angenehm, derartige Beiträge zu verfassen; eigentlich widert es einen an. Doch nach langem Überlegen glaube ich, daß es nötig ist – freilich mit dem ausdrücklichen Hinweis im voraus, daß das, was Sie lesen werden, pornographisch und abstoßend ist. Viele werden es mit gutem Grunde vorziehen, sich diese bittere Kost zu ersparen.
Es handelt sich um die Entdeckung neuer erotischer Texte, verfaßt von Kardinal Víctor Manuel Fernández, dem Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Es ist mehr desselben, gewiß, doch zeigt es, daß Tuchos pornographischer Drang sich nicht auf die beiden bereits allgemein bekannten Bücher beschränkte (Sáname con tu boca. El arte de besar, Heile mich mit deinem Mund. Die Kunst des Küssens, Lumen, Buenos Aires, 1995, und La pasión mística. Espiritualidad y sensualidad, Die mystische Leidenschaft. Spiritualität und Sinnlichkeit, Dabar, Mexiko, 1998), sondern über Jahre hinweg all seine Schriften durchdrang – deren gibt es viele, und sie sind von geringer Qualität. Es handelte sich bei ihm also nicht um einen Ausrutscher oder eine Jugendsünde. Nein. Es war ein Dauerzustand. Und was wir alle mit gutem Grund befürchten, ist, daß dieser Dauerzustand noch längst kein Ende gefunden hat. Werfen wir also einen Blick auf die neuen Texte.:
In seinem Buche ¿Por qué no termino de sanarme? („Warum werde ich einfach nicht ganz gesund?“ veröffentlicht bei San Pablo Colombia im Jahre 2002, schreibt er auf Seite 10:
„Ein Körper kann Eindruck machen, wenn er die passende Kleidung trägt, Kleidung, die Sinnlichkeit weckt, indem sie die interessanten Formen betont, je nach Art des Körpers. Die Sinnlichkeit gebräunter Schultern und Arme hebt man mit einem Trikot hervor. Die Eleganz wirkt stärker, wenn man Fettpolster mit einer schwarzen Weste und weißen Ärmeln kaschiert. Ein nackter Hals ist sinnlicher, wenn man ihm eine feine Kette anlegt usw. Wenn dazu noch eine Portion Phantasie des Betrachters kommt – in einem Augenblick der Unzufriedenheit, in dem er sich etwas vormachen oder an irgend etwas Freude finden möchte –, dann kann ein Körper als etwas Eindrucksvolles, Wundervolles, Unverzichtbares erscheinen. Doch später, im Alltag, und wenn man andere Körper entdeckt, erkennt man, daß jene Fleischmasse nichts Außergewöhnliches war, daß sie Unvollkommenheiten, Mängel und Schmerzen hat wie alle Körper, daß sie verfällt und mit der Zeit ihren Reiz verliert.
KUSS: Dein Mund singt, / ohne Worte zu gebrauchen. / Jedes Wort spricht seine Silhouette, / jener zarte Umriß / deiner kühnen Lippen, / die einladen, wenn sie sich öffnen, / die zittern, wenn sie träumen. / Doch sie pressen Traurigkeiten / und versperren mir den Weg, / wenn ich dir nicht mehr wichtig bin. / Grausamer Kuß. // Laß deine Lippen singen, / heute, da nichts zu mir spricht / und alles kalt ist. // Erfinde mir keine Worte. / Laß deinen Mund sprechen, / kuberabdi selbstsicher / den Himmel seiner Ränder, / wie er sein Fleisch löst / und meinen Namen lächelnd formt.“ (S. 36)
In seinem Buche Teología espiritual encarnada. Profundidad espiritual en acción, („Fleischgewordene spirituelle Theologie. Geistige Tiefe in Bewegung“) herausgegeben von San Pablo Argentina, 2005, schreibt er auf Seite 87:
„Es besteht darin, den ganzen Körper zu durchwandern und jedem Organ nacheinander volle Aufmerksamkeit zu schenken. Es ist überaus wichtig zu beachten, daß es nicht darum geht, über dieses Organ ‚nachzudenken‘, es sich vorzustellen oder zu visualisieren. Es geht vielmehr darum, es zu fühlen, es mit der eigenen Sensibilität wahrzunehmen. Es bedeutet, die Empfindungen jedes Organs in Ruhe zu erfahren, ohne zu beurteilen, ob diese Empfindungen gut oder schlecht sind, dabei aber anzustreben, daß sich das Organ entspannt und löst. Man geht ungefähr in folgender Reihenfolge vor: Kiefer, Wangenknochen, Kehle, Nase, Augen, Stirn (und alle kleinen Muskeln des Gesichtes, die wir wahrnehmen können), Kopfhaut, Hals und Nacken, Schultern. Weiter geht es mit dem rechten Arme, dem Handgelenk und der rechten Hand; dem linken Arme, dem Handgelenk und der linken Hand. Danach folgt der Rücken. Es folgen: Brust, Magen, Taille, Hüften, Becken, Gesäß, Genitalien, rechtes Bein, linkes Bein, rechter Fuß, linker Fuß. Der Schlüssel liegt darin, an jeder Stelle ohne Eile zu verweilen, ohne daß die Vorstellung auf ein anderes Organ oder eine andere Idee abschweift; bis wir spüren, daß im ganzen Körper derselbe Ton herrscht. Es besteht keinerlei Eile.“
In seinem Buche Para liberarte de la ansiedad y de la impaciencia („Um dich von Angst und Ungeduld zu befreien“), veröffentlicht von San Pablo Argentina, 2009, schreibt er:
„Wenn wir innehalten können und ein Gegenstand oder eine Person für einen Augenblick unser ganzes Interesse einnimmt, wird dieser Moment voll ausgekostet. Wenn unser gesamtes Sein sich in eine einzige Richtung bündelt, erreichen wir eine wahre Begegnung, eine Verschmelzung, eine vollkommene Vereinigung, auch wenn sie nur wenige Minuten währt. Es handelt sich dabei nicht notwendig um körperliche Ruhe, denn diese Erfahrung kann sich auch inmitten der Begeisterung einer sehr intensiven Tätigkeit einstellen. Dies geschieht zum Beispiel bei einem Orgasmus zwischen zwei Menschen, die einander lieben.“
Und es gibt noch mehr, viel mehr, doch hat es keinen Sinn, weiter durch die Kloaken zu waten, die Tucho in Erregung versetzen. Sie können die Bücher selbst durchsehen, wenn Sie es wünschen.
Ein Mensch – Priester, Bischof und Kardinal noch dazu –, der fähig ist, derart geradezu pornographische Absätze zu denken, zu schreiben und zu veröffentlichen, hat ein ernstes Problem. Ich bin kein Psychologe und vermag keine Diagnose zu stellen, doch offensichtlich leidet er an irgendeiner Störung.
Und eben dieses Problem erklärt unter anderem, warum er der Verfasser von Fiducia supplicans ist. Und weder Papst Franziskus noch Papst Leo noch sonst jemand hat uns zu versichern, daß es sich „nur“ um eine „pastorale“ und nicht um eine liturgische Segnung handele, daß nur „einzelne Personen“ gesegnet würden und nicht das Paar. In der Praxis hat dieses elende Dokument jedoch nicht nur enorme Verwirrung in der Kirche gestiftet, sondern auch unermeßlichen Skandal und Schmerz unter den Gläubigen verursacht. Ich bitte Sie, das kurze Tonband einer katholischen Frau anzuhören, die entsetzt war über das, was sie gerade in der Kathedrale von San Isidro erlebt hatte. Der Vorfall ereignete sich erst vor wenigen Wochen:1
Das Problem des Kardinals Fernández erklärt auch die Verachtung, mit der er der allerseligsten Jungfrau begegnet, indem er ihr zwei Titel abspricht, die von Heiligen und Päpsten gebraucht worden sind. Warum dieses Entsetzen vor Jungfräulichkeit und Reinheit – Tugenden, die in der Mutter Gottes in höchstem Maße verkörpert sind?
Und obgleich ich kein Psychologe bin, bin ich doch Katholik und schließe mich als solcher der Bitte Tausender Gläubiger an Papst Leo XIV. an:
Heiliger Vater, zum Wohle der Kirche, zur Heiligung der Seelen und zum Schutze des Glaubens – entheben Sie Kardinal Víctor Manuel Fernández des Amtes, das er innehat.
*Caminante Wanderer, argentinischer Philosoph und Blogger.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
1 Die Frau erzählt unter Tränen, daß am frühen Abend in der Kathedrale von San Isidro, einem Vorort von Buenos Aires, vor dem Allerheiligsten im Tabernakel ein „widerlich“ gekleidetes Lesbenpaar gesegnet wurde. Als sie den Priester darauf aufmerksam machte, daß Begleitung in Ordnung sei, eine Segnung der Sünde jedoch nicht, antwortete er schlicht: „Das ist pastoral“.

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