
Ein Gastbeitrag von Petrus d’Isép
Den richtigen Schlüssel zum Umgang mit jeglicher Prophetie gibt uns die Heilige Schrift selbst an die Hand. Zum einen mahnt der hl. Apostel Paulus, Prophetie ernst zu nehmen, doch alles zu prüfen und nur Gutes zu behalten (1 Thess 5,20f). Zum anderen ist es niemand anderes als Jesus Christus, der zu seinen Jüngern, nachdem er ihnen einige der Geschehnisse um seine Passion, Auferstehung, Himmelfahrt und die Sendung des Heiligen Geistes prophezeit hat (Joh 13–14), spricht:
„Und ich sage es euch jetzt, bevor es geschieht, damit ihr, wenn es geschieht, glaubt!“ (Joh 14,29).
Offenbar sagt Jesus Zukünftiges nicht etwa deshalb voraus, um die Neugierde der Jünger zu befriedigen oder ihnen einen ‚Wettbewerbsvorteil‘ gegenüber Unwissenden zu verschaffen, sondern, damit sie – eingedenk seiner prophetischen Worte – glauben. Glauben, im Speziellen, dass das eigentlich Unglaubliche, das sich erfüllt hat, auch wirklich das ist, wovon Jesus gesprochen hat, aber auch glauben im Allgemeinen, an Ihn, um dadurch gestärkt den eigenen christlichen Weg fortsetzen zu können. Erfüllung von Prophetie ist demnach wesentlich für ihre Beurteilung. Sie spricht selbst für ihre Wahrhaftigkeit. Solange sie sich nicht erfüllt, soll man sie prüfen und kann durchaus zur persönlichen Überzeugung ihrer Authentizität oder dem Gegenteil gelangen. Letzte Gewissheit diesbezüglich – auch gegenüber ‚der Welt‘ – ergibt sich jedoch erst, sobald sich das Vorausgesagte in der Realität manifestiert hat. Einmal aber eingetroffen, bestärkt Prophetie gläubige Christen in ihrem Glauben an Christus, seine Liebe sowie seinen Heilsplan und hat – wie der hl. Apostel Paulus an anderer Stelle (1 Ko 14,3) sagt – dabei die dreifache Aufgabe aufzubauen, zu ermutigen und zu trösten. Nicht ausgeschlossen ist dadurch natürlich, dass sich erfüllende Weissagungen schmerzhafte Inhalte haben können und als ‚Zeichen der Zeit‘ (Lk 12,56) zu begreifen sind.
Es ist daher durchaus legitim, auch die aktuelle Papstwahl vor dem Hintergrund zweier bekannter Papst-Prophezeiungen zu betrachten und diese bezüglich des aktuellen Konklaves ins Licht der ‚Jesuanischen Deutung‘ von Prophetie zu stellen. Es handelt sich um die berühmten Visionen der sel. Anna Katharina Emmerick (1774–1824) und die sog. „Malachiasweissagungen“.
Letztere werden in der Regel nicht dem hl. Malachias (ca. 1095–1148), sondern zumeist dem hl. Philipp Neri (1515–1595) zugeschrieben. In erster Linie, da seine Fähigkeit, die Ausgänge der Konklaven zu seinen Lebzeiten jeweils richtig vorauszusagen, von vielen Zeitgenossen bestätigt wurde und auch sein Todesjahr mit dem Jahr der Erstpublikation der „Malachiasweissagungen“, 1595, zusammenfällt. Die Prophetia S. Malachiae Archiepiscopi, de Summis Pontificibus („Prophezeiung des Hl. Erzbischofs Malachias, Über die Päpste“) findet sich erstmals gedruckt im ersten Band des Werkes Lignum vitae, Ornamentum et Decus Ecclesiae1 („Holz des Lebens, Schmuck und Zierde der Kirche“) aus der Feder des belgischen Benediktinermönches Arnold Wion (1554–1610) auf den Seiten 307–311 – handschriftliche Vorlagen sind bisher nicht bekannt. Die „Malachiasprophetie“ listet in 113 Absätzen Päpste durch die Nennung eines symbolhaften Namens bzw. einer Beschreibung auf wie z. B. Bonus Comes („guter Gefährte“) oder Nauta de Ponte nigro („Seemann von der Schwarzen Brücke“). Dabei ist den Eintragungen 1–74 (Coelestin II. bis Urban VII.), d. h. für die Zeit von 1143 bis 1590 und bis kurz vor Erscheinung von Lignum vitae (1595) jeweils der echte Papstname und eine Erklärung des Symbolnamens beigefügt. Für die Nummern 75–77 – das sind Gregor XIV. (1590–91) bis Clemens VIII. (1592–1605) – ist zusätzlich nur der Papstname, aber keine Erklärung genannt. Die Einträge 78–113, d. h. ab Leo XI. (1605), folgen schließlich nur in der Symbol-Beschreibung der Prophezeiung.
Obwohl nun die symbolischen Bezeichnungen oft mehrdeutig sind oder ex post nicht ohne Weiteres auf die gewählten Päpste passen möchten, lässt es sich andererseits nicht leugnen, dass sich mehrere Einträge sehr gut als Beschreibung (der Zeit) der entsprechenden Pontifices lesen lassen. So ist etwa (das Pontifikat von) Pius VI. (1775–1799), der zahlreiche apostolische Reisen unternahm, als Peregrinus apostolicus („Apostolischer Pilger“), Pius VII. (1800–1823), der Papst während Napoleons Kriegszügen mit Aquila rapax („Räuberischer Adler“), Leo XIII. (1878–1903) aus der Pecci-Familie, die einen geschweiften Kometen im Wappen trägt, mit Lumen in coelo („Licht am Himmel“), Benedikt XV. (1914–1922), Papst während des Ersten Weltkriegs und der Russischen Revolution mit Religio depopulata („Entvölkerte Religion“) oder Johannes XXIII., vor der Wahl Patriarch von Venedig, als Pastor et nauta („Hirte und Seemann“) charakterisiert.

Benedikt XVI. steht als Nummer 111 bekanntlich unter der Bezeichnung Gloria olivae („Ruhm des Ölzweigs“). Unabhängig davon, wie passend man diese Benennung finden möchte, folgt jedenfalls für den nächsten Papst – durch einen Absatz, wie im Falle der anderen Päpste, klar gekennzeichnet – die Beschreibung: In persecutione extrema S. R. E. sedebit. Je nachdem, wie man die Abkürzung auflöst, bedeutet dies: „Die Heilige Römische Kirche (Sancta Romana Ecclesia) wird in äußerster / in ihrer letzten Verfolgung sitzen (d. i. sein).“ Oder: „Er wird sitzen <auf dem Thron> in der äußersten / letzten Verfolgung der Heiligen Römischen Kirche (Sanctae Romanae Ecclesiae)“. In welcher der beiden Weisen man den Eintrag auch liest, er steht jedenfalls für das Pontifikat des kürzlich verstorbenen Papstes Franziskus.
Als letzten Eintrag schließlich findet man: Petrus Romanus, qui pascet oves in multis tribulationibus: quibus transactis civitas septicollis diruetur, et Iudex tremendus iudicabit populum suum. Finis. („Petrus der Römer, der seine Schafe in vielen Trübsalen weidet. Nachdem diese vorüber sind, wird die Sieben-Hügel-Stadt vernichtet und der Schreckliche Richter wird sein Volk richten. Ende.“)
In mancher Ausgabe und Übersetzung wird der letzte Name, Petrus Romanus, fälschlich noch zum vorletzten, dem Franziskus-Eintrag gezogen: In der letzten/äußersten Verfolgung der Heiligen Römischen Kirche wird Petrus der Römer <auf dem Thron> sitzen, der seine Schafe…2 In dieser Lesart wurde einerseits Franziskus einst selbst als Petrus Romanus gehandelt, andererseits auch die Meinung geäußert, es habe sich nun endgültig erwiesen, dass die „Malachiasweissagungen“ offenbar unwahr seien und in Bausch und Bogen verworfen werden müssten.
Diese Interpretation entbehrt freilich jeglicher Grundlage.3 Es handelt sich eindeutig um zwei getrennte Einträge im Erstdruck von 1595, also auch um zwei Päpste, Nr. 112 (Franziskus) und 113 (Petrus Romanus). Und keineswegs haben sich die Weissagungen bereits selbst diskreditiert: Dass Nr. 112 inhaltlich besonders gut zu den Jahren 2013 bis 2025 passt, legt schon ein Blick auf die traurigen Rekordzahlen der verfolgten Christen weltweit nahe. Die Formulierung lässt aber zudem genügend Raum für weitere (persönliche) Interpretation, inwiefern unter Papst Franziskus die Heilige Römische Kirche noch anderweitig verfolgt worden ist…
Wenigstens nach den „Malachiasweissagungen“ wird also im aktuellen Konklave die Wahl auf Petrus Romanus fallen. Wir werden sehen, inwiefern der neue Pontifex mit dem letzten Symbol-Eintrag in Einklang zu bringen sein wird. Immerhin tragen vier der als papabili gehandelten Kardinäle – Peter Turkson, Péter Erdö, Pietro Parolin, Pierbattista Pizzaballa – und weitere drei Teilnehmer am Konklave – Peter Ebere Okpaleke, Jean-Pierre Kutwa, Christophe Pierre – Petrus im Namen. Doch falls die Prophetie zutrifft, wird sich ihre Wahrhaftigkeit sicherlich schon vor der angekündigten Zerstörung Roms erwiesen haben.
Auch aus den Visionen der sel. Anna Katharina Emmerick können wir etwas über diesen Petrus Romanus erfahren. Ihre durch Clemens Brentano in literarische Form gegossenen Schauungen haben sich bereits mehrmals als historisch zutreffend erwiesen. Es mag hier genügen, auf die archäologischen Ausgrabungen des „Hauses der Mutter Maria“ (türkisch Meryemana evi) beim antiken Ephesus, das aufgrund ihrer Visionen gefunden werden konnte, und die Identifizierung des Verlobungsringes der Muttergottes in Perugia hinzuweisen.
Anna Katharina hat bekanntlich mehrmals zwei Päpste und ihre jeweilige, die wahre und eine dunkle, falsche, antichristliche Kirche gesehen und, dass die erste, die Heilige Römische Kirche, von Seiten der „heilandslose[n] Afterkirche, […] deren Geheimnis es ist, kein Geheimnis zu haben“4 immer mehr in Bedrängnis gerät.
„Ich habe diese Nacht von 11 Uhr bis 3 Uhr Morgens ein ganz wunderbares Bild von zwei Kirchen und zwei Päpsten gehabt“ […]5 „Nun wurde mir auch der Vergleich gezeigt zwischen jenem Papst und diesem und zwischen jenem Tempel und diesem. […] es wurde mir gesagt und gezeigt, wie schwach an Zahl und Beistand jener gewesen und wie stark an Willen, indem er so viele […] Götter gestürzt und Andachten in eine Andacht gesammelt habe, wie stark dagegen dieser Papst an Zahl und wie schwach an Willen, indem er den einzigen wahren Gott und die einzig wahre Andacht durch Gestattung des falschen Tempels in so viele Götter und falsche Andachten habe auflösen lassen“.6
Es ist bemerkenswert, dass das ‚Papst-Paar‘ zwar gleichzeitig präsentiert wird, dann aber der Papst der falschen Kirche als der aktuelle, „dieser Papst“, erscheint, während der Papst („jener“) der verfolgten wahren Kirche bereits in Vergangenheitsformen Erwähnung findet. Spannend ist auch, dass der Papst der dunklen Kirche – im Gegensatz zur Kirche, die sich unter ihm formiert – nicht selbst als genuin böse beschrieben ist, sondern eher als wankelmütig und willensschwach: Seine Aktionen führen zum erneuten Aufkommen des Götzenkultes.
Es fällt an dieser Stelle schwer, die sich aufdrängenden frappierenden Ähnlichkeiten zur kirchlichen Entwicklung ab dem Jahr 2013 von sich zu weisen. Für unseren Gegenstand ist jedoch wichtiger, was in Emmericks Visionen folgt: Der Seherin wird eröffnet, dass bevor die dunkle Kirche das Allerheiligste der Kirche abreißen kann, die Muttergottes auf der Kuppel des Petersdomes erscheint und Rettung in höchster Not bringt:
„Ich sah die heilige Jungfrau wieder auf die Kirche steigen und den Mantel ausbreiten. Als ich diesen Blick that, sah ich den jetzigen Papst nicht mehr. Ich sah einen Folgenden.7 Ich sah ihn mild und sehr ernst. Er wußte die Priester an sich zu schließen und die Bösen von sich zu stoßen. Ich sah alles neu werden und sich eine Kirche bis in den Himmel hineinbauen.“8
An anderer Stelle, die auf dieselbe Situation Bezug nimmt, heißt es:
„Nun sah ich einen neuen Papst mit einer Prozession kommen. Er war jünger und viel strenger als der Vorige. […] Es war, als solle er die Kirche einweihen, aber ich hörte eine Stimme, es brauche keine neue Weihe, das Allerheiligste sei stehen geblieben. […] Ehe der Papst das Fest begann, hatte er schon seine Leute vorbereitet, welche aus den Versammelten ganz ohne Widerspruch eine Menge vornehmer und geringer Geistlicher ausstießen und fortthaten. Und ich sah, daß sie mit Grimme und Murren die Versammlung verließen. Und er nahm sich ganz andere Leute in seinen Dienst, geistliche und auch weltliche.“9
Nimmt man diese Angaben aus den Visionen der sel. Anna Katharina zusammen, ergibt sich das – aktuell wohlbekannte – Bild zweier Kirchen, der wahren Heiligen Römischen Kirche und einer antichristlichen Gegenkirche, wobei letztere im Begriff ist, die Oberhand zu gewinnen. Eine gänzliche Verdrängung der guten Kirche gelingt jedoch aufgrund himmlischen Eingreifens nicht. Ganz im Gegenteil folgt nun auf dem Throne Petri ein ernsterer, strengerer, milder und durchweg guter Papst.
Eine gewisse Möglichkeit wird zwar – je nach Lesart – offengelassen, dass es sich beim mehrfach beschriebenen guten „neuen Papst“ nicht um den direkten, sondern nur um irgendeinen Nachfolger des ‚Papst-Paares‘ handeln könnte. Zieht man jedoch die „Malachiasweissagungen“ – von anderen Prophezeiungen ähnlichen Inhalts ganz zu schweigen – hinzu, so zeigt sich:
Sowohl Benedikt XVI. als auch Franziskus lassen sich in beiden hier betrachteten Weissagungen ohne jeglichen Zweifel identifizieren. In einem Fall durch die Reihenfolge der Papst-Liste, im anderen Fall durch die einzigartige Nennung der zwei Päpste und die Charakterisierung der beiden Kirchen. Das verbindende Element beider Prophezeiungen inhaltlicher Natur, das die beiden Päpste aber gleichzeitig diametral voneinander scheidet, ist die Verfolgung der Sancta Romana Ecclesia. Wenn nun ebenfalls in beiden Fällen ein guter Nachfolger-Papst in Aussicht gestellt ist – einmal unmittelbar, einmal u. U. allgemeiner –, dann erscheint es von logischem Standpunkt aus äußerst unplausibel, anzunehmen, dass es sich bei diesem Papst nicht um den bei ‚Malachias‘ angeführten Petrus Romanus handeln sollte.
Die nächsten Wochen und Monate werden uns weit mehr als bisherige Papstwahlen lehren, ob die „Malachiasweissagungen“ und die Visionen der sel. Anna Katharina Emmerick sich als rein zufällig komplementäre Hirngespinste erweisen, oder ob sie, durch die Realität – in welcher Wiese auch immer – bestätigt, uns von Gott gegeben wurden, um zu glauben und glauben zu können:
„Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann schaut auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung naht!“ (Lk 21,28).
Bild: Wikicommons
1 Lignum vitae, Ornamentum et Decus Ecclesiae in quinque libros divisum. In quibus Totius Sanctiss. Religionis Divi Benedicti initia; Viri Dignitate, Doctrina, Sanctitate, ac Principatu clari describuntur: & Fructus qui per eos S.R.E. accesserunt, fuisissime explicantur. Pars Prima, (Giorgio Anglieri) Venedig 1595.
2 Vgl. z. B. Sven Loerzer, Visionen und Prophezeiungen. Die berühmtesten Weissagungen der Weltgeschichte, Augsburg 1999, 240–258.
3 Vgl. dazu u. a. https://katholisches.info/2024/01/19/der-namenlose-in-den-papstweissagungen-des-malachias/ vom 19.01.2024 (18.04.2025).
4 P. Karl Erhard Schmöger, Das Leben der gottseligen Anna Katharina Emmerich, II, Freiburg im Breisgau 1870, 80.
5 Ebd., 490.
6 Ebd., 493.
7 Andere Ausgaben lesen hier sogar: „Ich sah den Folgenden“ (vgl. https://kath-zdw.ch/maria/emmerick.verwuestung.html#_ftnref13; 27/04/2025).
8 Schmöger, Das Leben…, 494.
9 Ebd. 177.