Jesuitenorden bietet Rupnik-Opfern „Wiedergutmachung“

Nach neuen Enthüllungen


Marko Ivan Rupnik, ehemaliger Jesuit und Künstlerpriester (rechts neben Papst Franziskus), der vom Vatikan jahrzehntelang als "bedeutendster katholischer Künstler der Gegenwart" gefördert wurde, verfügte über einen guten Zugang zu Franziskus.
Marko Ivan Rupnik, ehemaliger Jesuit und Künstlerpriester (rechts neben Papst Franziskus), der vom Vatikan jahrzehntelang als "bedeutendster katholischer Künstler der Gegenwart" gefördert wurde, verfügte über einen guten Zugang zu Franziskus.

Die bekann­te inve­sti­ga­ti­ve Sen­dung des ita­lie­ni­schen Pri­vat­fern­se­hens „Le Iene“ („Die Hyä­nen“) ver­öf­fent­lich­te am Mon­tag ein Inter­view mit einem Opfer des ehe­ma­li­gen Jesui­ten und Künst­ler­prie­sters Mar­ko Ivan Rup­nik. Die Slo­we­nin reiht sich in die Liste der bereits bekann­ten Rup­nik-Anklä­ge­rin­nen ein, zumeist ehe­ma­li­ge Ordens­schwe­stern, die einer von ihm mit­ge­grün­de­ten Frau­en­ge­mein­schaft angehörten.

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Alles habe mit Umar­mun­gen begon­nen, dann sei Rup­nik zu ech­tem sexu­el­lem Miß­brauch über­ge­gan­gen. Zugleich habe er ihr ein Schwei­ge­ge­bot auf­er­legt, ihr gedroht, sie zur Dis­zi­pli­nie­rung mensch­lich völ­lig geschnit­ten, als wür­de sie nicht exi­stie­ren. Die Erzäh­lun­gen ähneln sich. Auch die neue trifft sich mit jenen ande­rer betrof­fe­ner Frau­en, die bereits bekannt sind. Es geht um sexu­el­len und psy­cho­lo­gi­schen Miß­brauch, über den das Glau­bens­dik­aste­ri­um in einem eige­nen Ver­fah­ren ent­schei­den soll­te. Dort geht aber seit zwei­ein­halb Jah­ren nichts wei­ter. Zu mäch­tig schei­nen die Kon­tak­te Rup­niks in den Vati­kan, beson­ders nach San­ta Mar­ta. Der päpst­li­che Schutz über Berg­o­gli­os ein­sti­gen Mit­bru­der im Jesui­ten­or­den ist nach wie vor intakt.

Einen Tag nach­dem die­se neu­en Ent­hül­lun­gen im Fern­se­hen aus­ge­strahlt wor­den waren, trat der Jesui­ten­or­den an die Öffent­lich­keit und bot den Rup­nik-Opfern eine Wie­der­gut­ma­chung an. Die zeit­li­che Abfol­ge ist frei­lich denk­bar ungün­stig und ver­mit­telt nicht den Ein­druck einer ech­ten Sen­si­bi­li­tät für das Miß­brauchs­pro­blem. Erst wenn alle Fak­ten publik wer­den – bekannt waren sie den Kir­chen­ver­ant­wort­li­chen lan­ge vor­her –, wird reagiert. So hält es der Jesui­ten­or­den im Fall Rup­nik. Im spä­ten Früh­jahr 2023 wur­de Rup­nik aus dem Orden aus­ge­schlos­sen, auch erst nach­dem der Skan­dal an die Öffent­lich­keit gelangt war. Solan­ge das Pro­blem in den Jah­ren zuvor unter Ver­schluß gehal­ten wer­den konn­te, hat­te der Orden nichts gegen den Künst­ler­prie­ster unter­nom­men, auch nicht dann, als die Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on Rup­niks Exkom­mu­ni­ka­ti­on fest­stell­te. Man hat­te ja Papst Fran­zis­kus, der den slo­we­ni­schen Jesui­ten sogar davor rettete.

Nach der jüng­sten Ent­hül­lung also reagiert der Jesui­ten­or­den, wie eine Opfer­an­wäl­tin bestä­tig­te. Der Orden bot eine Wie­der­gut­ma­chung an, die „von Fall zu Fall“ geprüft wer­de. Am Diens­tag sand­te der Gene­ral­de­le­gier­te für die römi­schen Häu­ser und Wer­ke des Ordens, Pater Johan Ver­schue­ren, ein ent­spre­chen­des Schrei­ben an die Opfer. Dar­in heißt es: Der Orden habe „Mar­ko Rup­nik die Mög­lich­keit gebo­ten, öffent­lich die Ver­ant­wor­tung für sei­ne Taten zu über­neh­men, Reue zu zei­gen, um Ver­ge­bung zu bit­ten und einen Weg der Läu­te­rung und der The­ra­pie ein­zu­schla­gen“. „Ange­sichts sei­ner hart­näcki­gen Wei­ge­rung, die­se Mög­lich­keit anzu­neh­men, hat der Pater Gene­ral beschlos­sen, ihn zu ent­las­sen.“ Das war aller­dings schon im Juni 2023. Nun, bald zwei Jah­re spä­ter, schreibt der Orden, sich mit der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on aber „nicht wohl“ zu füh­len, da er sich bewußt sei, daß „zu den ver­schie­de­nen For­men der damals erlit­te­nen Gewalt noch das Leid hin­zu­kommt, das durch das jah­re­lan­ge Feh­len von Zuhö­ren und Gerech­tig­keit ver­ur­sacht wur­de“. So brin­gen die Jesui­ten das „Ver­trau­en“ zum Aus­druck, „daß ein Pro­zeß der Hei­lung und der inne­ren Ver­söh­nung mög­lich ist, vor­aus­ge­setzt, es gibt auch einen Weg der Wahr­heit und der Aner­ken­nung unse­rer­seits“. Die Opfer­an­wäl­tin Lau­ra Sgrò, die fünf Opfer ver­tritt, dank­te dem Orden, daß er „end­lich“ bereit sei, die Opfer anzu­er­ken­nen und ihnen per­sön­lich ent­ge­gen­zu­ge­hen und ihnen Unter­stüt­zung anzu­bie­ten, „die bis­her gefehlt hat“.

„Dies ist eine kla­re, star­ke und kon­kre­te Geste; ein wich­ti­ger Schritt auf einem gemein­sa­men Weg der Bewußt­seins­bil­dung, der sicher­lich allen Miß­brauchs­op­fern Hoff­nung geben wird“, so die Anwäl­tin. Gleich­zei­tig äußer­te sie die Hoff­nung, daß Rup­nik so schnell als mög­lich vor Gericht gestellt wer­de, „um den Opfern die Wür­de zurückzugeben“.

Danach sieht es aller­dings nach wie vor nicht aus. Das Ver­fah­ren gegen Rup­nik wird ver­zö­gert. Man­che spre­chen davon, daß man es wohl solan­ge ver­schlep­pen wol­le, solan­ge Fran­zis­kus am Leben ist, um sei­ne Ver­wick­lung in den Fall als jener, der Rup­nik geschützt hat, nicht the­ma­ti­sie­ren zu müssen.

Offi­zi­ell ver­mit­teln die zustän­di­gen Stel­len des Vati­kans den Ein­druck des Akti­vis­mus, und tat­säch­lich sind eini­ge Ermitt­ler mit Ein­satz in der Sache tätig, doch kon­kret geht dann nichts vom Fleck. Jemand blockt. So beton­te Glau­bens­prä­fekt Vic­tor Manu­el Fernán­dez, der eng­ste Ver­trau­te von Fran­zis­kus, erst vor weni­gen Tagen den „Erfolg“, daß die Ermitt­lun­gen „voll­stän­dig“ abge­schlos­sen sei­en. Zugleich sag­te er aber, man müs­se nun „Rich­ter suchen, um das kano­ni­sche Ver­fah­ren ein­zu­lei­ten“. Im Klar­text, wir haben mas­siv gear­bei­tet und den Fall auf­ge­ar­bei­tet, aber kon­kret geschieht nichts.

Ins­ge­samt, so wird geschätzt, soll Rup­nik mehr als 20 Ordens­frau­en sexu­ell und psy­cho­lo­gisch miß­braucht haben. Der Frau­en­or­den, die Loyo­la-Gemein­schaft, wur­de inzwi­schen aufgehoben.

Rup­nik aber genießt wei­ter­hin höch­ste Pro­tek­ti­on, wie die Zuwei­sung eines neu­en Domi­zils für Rup­niks Künst­ler­kom­mu­ne in einem wun­der­schön gele­ge­nen Bene­dik­ti­ne­rin­nen­klo­ster in der Nähe von Rom zeigt. Die Bene­dik­ti­ne­rin­nen wur­den für die neu­en Bewoh­ner ausgesiedelt.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: iene​.media​set​.it (Screen­shot)

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