
Die bekannte investigative Sendung des italienischen Privatfernsehens „Le Iene“ („Die Hyänen“) veröffentlichte am Montag ein Interview mit einem Opfer des ehemaligen Jesuiten und Künstlerpriesters Marko Ivan Rupnik. Die Slowenin reiht sich in die Liste der bereits bekannten Rupnik-Anklägerinnen ein, zumeist ehemalige Ordensschwestern, die einer von ihm mitgegründeten Frauengemeinschaft angehörten.
Alles habe mit Umarmungen begonnen, dann sei Rupnik zu echtem sexuellem Mißbrauch übergegangen. Zugleich habe er ihr ein Schweigegebot auferlegt, ihr gedroht, sie zur Disziplinierung menschlich völlig geschnitten, als würde sie nicht existieren. Die Erzählungen ähneln sich. Auch die neue trifft sich mit jenen anderer betroffener Frauen, die bereits bekannt sind. Es geht um sexuellen und psychologischen Mißbrauch, über den das Glaubensdikasterium in einem eigenen Verfahren entscheiden sollte. Dort geht aber seit zweieinhalb Jahren nichts weiter. Zu mächtig scheinen die Kontakte Rupniks in den Vatikan, besonders nach Santa Marta. Der päpstliche Schutz über Bergoglios einstigen Mitbruder im Jesuitenorden ist nach wie vor intakt.
Einen Tag nachdem diese neuen Enthüllungen im Fernsehen ausgestrahlt worden waren, trat der Jesuitenorden an die Öffentlichkeit und bot den Rupnik-Opfern eine Wiedergutmachung an. Die zeitliche Abfolge ist freilich denkbar ungünstig und vermittelt nicht den Eindruck einer echten Sensibilität für das Mißbrauchsproblem. Erst wenn alle Fakten publik werden – bekannt waren sie den Kirchenverantwortlichen lange vorher –, wird reagiert. So hält es der Jesuitenorden im Fall Rupnik. Im späten Frühjahr 2023 wurde Rupnik aus dem Orden ausgeschlossen, auch erst nachdem der Skandal an die Öffentlichkeit gelangt war. Solange das Problem in den Jahren zuvor unter Verschluß gehalten werden konnte, hatte der Orden nichts gegen den Künstlerpriester unternommen, auch nicht dann, als die Glaubenskongregation Rupniks Exkommunikation feststellte. Man hatte ja Papst Franziskus, der den slowenischen Jesuiten sogar davor rettete.
Nach der jüngsten Enthüllung also reagiert der Jesuitenorden, wie eine Opferanwältin bestätigte. Der Orden bot eine Wiedergutmachung an, die „von Fall zu Fall“ geprüft werde. Am Dienstag sandte der Generaldelegierte für die römischen Häuser und Werke des Ordens, Pater Johan Verschueren, ein entsprechendes Schreiben an die Opfer. Darin heißt es: Der Orden habe „Marko Rupnik die Möglichkeit geboten, öffentlich die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen, Reue zu zeigen, um Vergebung zu bitten und einen Weg der Läuterung und der Therapie einzuschlagen“. „Angesichts seiner hartnäckigen Weigerung, diese Möglichkeit anzunehmen, hat der Pater General beschlossen, ihn zu entlassen.“ Das war allerdings schon im Juni 2023. Nun, bald zwei Jahre später, schreibt der Orden, sich mit der gegenwärtigen Situation aber „nicht wohl“ zu fühlen, da er sich bewußt sei, daß „zu den verschiedenen Formen der damals erlittenen Gewalt noch das Leid hinzukommt, das durch das jahrelange Fehlen von Zuhören und Gerechtigkeit verursacht wurde“. So bringen die Jesuiten das „Vertrauen“ zum Ausdruck, „daß ein Prozeß der Heilung und der inneren Versöhnung möglich ist, vorausgesetzt, es gibt auch einen Weg der Wahrheit und der Anerkennung unsererseits“. Die Opferanwältin Laura Sgrò, die fünf Opfer vertritt, dankte dem Orden, daß er „endlich“ bereit sei, die Opfer anzuerkennen und ihnen persönlich entgegenzugehen und ihnen Unterstützung anzubieten, „die bisher gefehlt hat“.
„Dies ist eine klare, starke und konkrete Geste; ein wichtiger Schritt auf einem gemeinsamen Weg der Bewußtseinsbildung, der sicherlich allen Mißbrauchsopfern Hoffnung geben wird“, so die Anwältin. Gleichzeitig äußerte sie die Hoffnung, daß Rupnik so schnell als möglich vor Gericht gestellt werde, „um den Opfern die Würde zurückzugeben“.
Danach sieht es allerdings nach wie vor nicht aus. Das Verfahren gegen Rupnik wird verzögert. Manche sprechen davon, daß man es wohl solange verschleppen wolle, solange Franziskus am Leben ist, um seine Verwicklung in den Fall als jener, der Rupnik geschützt hat, nicht thematisieren zu müssen.
Offiziell vermitteln die zuständigen Stellen des Vatikans den Eindruck des Aktivismus, und tatsächlich sind einige Ermittler mit Einsatz in der Sache tätig, doch konkret geht dann nichts vom Fleck. Jemand blockt. So betonte Glaubenspräfekt Victor Manuel Fernández, der engste Vertraute von Franziskus, erst vor wenigen Tagen den „Erfolg“, daß die Ermittlungen „vollständig“ abgeschlossen seien. Zugleich sagte er aber, man müsse nun „Richter suchen, um das kanonische Verfahren einzuleiten“. Im Klartext, wir haben massiv gearbeitet und den Fall aufgearbeitet, aber konkret geschieht nichts.
Insgesamt, so wird geschätzt, soll Rupnik mehr als 20 Ordensfrauen sexuell und psychologisch mißbraucht haben. Der Frauenorden, die Loyola-Gemeinschaft, wurde inzwischen aufgehoben.
Rupnik aber genießt weiterhin höchste Protektion, wie die Zuweisung eines neuen Domizils für Rupniks Künstlerkommune in einem wunderschön gelegenen Benediktinerinnenkloster in der Nähe von Rom zeigt. Die Benediktinerinnen wurden für die neuen Bewohner ausgesiedelt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: iene.mediaset.it (Screenshot)