Deutschland, das Land der Dichter und Denker, hat seine Führungsrolle nicht verloren – nur ihr Vorzeichen hat sich verkehrt. Die einst schöpferische Geisteskraft treibt heute eine negative Themenführerschaft an: als Musterschüler der Klimareligion, als Zerstörer der eigenen Sprache und als Geburtshelfer jener zersetzenden Dynamik, die die Kirche seit jenem Moment schwächt, da der Rhein beim Zweiten Vatikanischen Konzil in den Tiber zu fließen begann.
Die Bundesrepublik steht an der Spitze der synodalen Bewegung, die Papst Franziskus – nicht zuletzt durch deutsches Zutun auf den Stuhl Petri gelangt – übernommen und der Weltkirche übergestülpt hat. So hat sich das deutsche Gift in andere Länder, Völker und Kulturen ausgebreitet.
Professor Roberto de Mattei analysiert die „synodale“ Entwicklung in Italien – stiller, unscheinbarer als nördlich der Alpen, doch nicht minder toxisch.
Die Auffassung von Familie bei Leo XIV. und der synodale Weg
Von Roberto de Mattei*
Louis Martin (1823–1894) und Zélie Guérin (1831–1877), die Eltern der heiligen Theresia vom Kinde Jesu und vom Heiligen Antlitz [Therese von Lisieux], wurden im Jahre 2015 gemeinsam heiliggesprochen. Anläßlich des zehnten Jahrestages ihrer Erhebung zur Ehre der Altäre sandte Papst Leo XIV. am 1. Oktober dieses Jahres eine ausführliche Botschaft an Msgr. Bruno Feillet, den Bischof von Séez, deren wesentliche Passagen es wert sind, gelesen zu werden.
„Unter den Berufungen, zu denen Männer und Frauen von Gott gerufen sind, gehört die Ehe zu den edelsten und höchsten. (…) Louis und Zélie haben erkannt, daß sie sich nicht trotz der Ehe, sondern in, durch und mit der Ehe heiligen konnten, und daß ihre Vermählung als Ausgangspunkt eines gemeinsamen Aufstiegs zu betrachten war.
Das heilige Ehepaar von Alençon ist daher ein leuchtendes und begeisterndes Vorbild für jene großherzigen Seelen, die diesen Weg bereits beschritten haben oder ihn zu gehen beabsichtigen – mit dem aufrichtigen Wunsch, unter dem Blick des Herrn ein schönes und gutes Leben zu führen, in Freude ebenso wie in Prüfung.
Sie erfüllten ihre Standespflichten in der Schlichtheit des Alltagslebens (…).
Doch man darf sich nicht täuschen lassen: Dieses Leben, das nach außen hin ‚gewöhnlich‘ schien, war von einer in Wahrheit ‚außerordentlichen‘ Gegenwart Gottes durchdrungen, der dessen Mittelpunkt war. ‚Gott an erster Stelle‘ – das war das Motto, auf dem sie ihr ganzes Leben gründeten.“
Leo XIV. fügte hinzu:
„Dies also ist das Vorbild von Ehe und Familie, das die heilige Kirche den jungen Menschen vor Augen stellt, die vielleicht noch zögernd eine so schöne Lebensaufgabe beginnen wollen: ein Vorbild der Treue und gegenseitigen Aufmerksamkeit, ein Vorbild des Glaubenseifers und der Beharrlichkeit, der christlichen Erziehung der Kinder, der Großherzigkeit in der Ausübung der Nächstenliebe und der sozialen Gerechtigkeit; ebenso ein Vorbild des Vertrauens in der Prüfung.
Vor allem aber bezeugt dieses beispielhafte Paar das unaussprechliche Glück und die tiefe Freude, die Gott schon hier auf Erden – und in Ewigkeit – jenen schenkt, die diesen Weg der Treue und Fruchtbarkeit beschreiten.
In diesen schwierigen und verwirrten Zeiten, in denen den jungen Menschen so viele Gegenmodelle von Beziehungen angeboten werden – häufig flüchtige, individualistische und egoistische Verbindungen mit bitteren und enttäuschenden Früchten –, mag die von Gott gewollte Familie altmodisch oder langweilig erscheinen. Louis und Zélie Martin bezeugen, daß dies nicht so ist (…).
Welch ein Glück, sich am Sonntag nach der heiligen Messe um den Tisch zu versammeln, an dem Jesus der erste Gast ist und die Freuden, Sorgen, Pläne und Hoffnungen eines jeden teilt! Welch ein Glück: diese Augenblicke gemeinsamen Gebets, diese Festtage, diese familiären Ereignisse, die den Lauf der Zeit prägen! Doch auch welch ein Trost, in den Prüfungen vereint zu bleiben, verbunden mit dem Kreuz Christi, wenn es sich zeigt; und schließlich welch eine Hoffnung, einst in der Herrlichkeit des Himmels wieder vereint zu sein!
Liebe Ehepaare, ich lade euch ein, mit Mut auf dem Weg fortzuschreiten, den ihr begonnen habt – einem Weg, der bisweilen schwierig und verwickelt, doch zugleich lichtvoll ist.
Stellt vor allem Jesus in die Mitte eurer Familien, eurer Tätigkeiten und Entscheidungen. Laßt eure Kinder Seine Liebe und unendliche Zärtlichkeit entdecken und bemüht euch, daß auch sie Ihn lieben, wie Er es verdient: Das ist die große Lehre, die uns Louis und Zélie für die Gegenwart geben – eine Lehre, die Kirche und Welt so dringend brauchen. Wie hätte Theresia Jesus und Maria so innig lieben und uns eine so schöne Lehre hinterlassen können, wenn sie dies nicht von ihren Eltern schon von frühester Kindheit an gelernt hätte?“
Nur wenige Wochen nach dieser Botschaft, am 25. Oktober, wurde in Italien von der Dritten Synodalversammlung mit 781 Ja-Stimmen von 809 Stimmberechtigten das Abschlußdokument der Italienischen Bischofskonferenz angenommen, das den Titel trägt: „Sauerteig des Friedens und der Hoffnung“.
Das Dokument versteht sich nicht als lehramtlich, sondern als pastoral, und muß daher besonders im Hinblick auf seinen Stil und seine Sprache beurteilt werden – eine Sprache, die eigentlich klar und evangeliumsgemäß sein sollte, die sich jedoch als verschlungen und vom Geist der Welt durchdrungen erweist.
Zunächst fällt auf, daß positive Vorbilder, die man den jungen Menschen und den Familien hätte vor Augen stellen können, völlig fehlen.
Und doch hätte man – selbst wenn man das vom Papst erwähnte Ehepaar Martin beiseite ließe und sich nur auf Italien beschränkte – durchaus andere Beispiele nennen können: die seligen Luigi und Maria Beltrame Quattrocchi, die ehrwürdigen Diener Gottes Sergio Bernardini und Domenica Bedonni, sowie Ulisse Amendolagine und Lelia Cossidente, alle im 20. Jahrhundert lebend (vgl. La santità nelle famiglie del mondo, Libreria Editrice Vaticana, 2022).
Ferner hätte man die christliche Familie, bestehend aus einem Mann und einer Frau, die unauflöslich miteinander verbunden sind, um gemeinsam eine Familie zu gründen, als leuchtendes Vorbild für die Jugend darstellen können.
Doch das geschieht nicht.
Vielmehr schlagen die italienischen Bischöfe im Abschnitt „Die Sorge um die Beziehungen“ des ersten Teils „Wege der Begleitung, der Unterscheidung und der Eingliederung“ für „affektive und familiäre Lebensformen, die sich vom Sakrament der Ehe unterscheiden“ vor, und präzisieren: Es handle sich um „zweite Verbindungen, faktische Lebensgemeinschaften, Ehen und zivile Vereinigungen usw.“ (Nr. 30) – also gerade um jene, die Leo XIV. mit Recht als „Gegenmodelle“ bezeichnet, deren Früchte „bitter und enttäuschend“ sind.
Im folgenden Absatz wünscht man sich, daß „die Ortskirchen, indem sie eine bisweilen verbreitete diskriminierende Haltung in kirchlichen wie gesellschaftlichen Milieus überwinden, sich um die Anerkennung und Begleitung homoaffektiv empfindender Personen bemühen“.
Bemerkenswert ist dabei die Ersetzung des Wortes „homosexuell“ durch „homoaffektiv“ sowie die positive Konnotation des Ausdrucks „Anerkennung“, die hier auf objektiv sündhafte Situationen angewandt wird.
Sprache und Geist dieses Dokuments unterscheiden sich grundlegend von denen Leos XIV.
Während der Papst in seiner Botschaft dazu ermahnt, „Jesus in die Mitte“ zu stellen und „Gott an die erste Stelle“, sind Jesus Christus und Gott in der soziologisch und anthropozentrisch geprägten Perspektive des von den Bischöfen verabschiedeten Textes strikt abwesend.
Der Blick richtet sich nicht auf Christus, sondern auf die Welt – um sie zu segnen.
In der Einleitung betont Msgr. Erio Castellucci, Vorsitzender des italienischen Synodalen Weges, die Bedeutung des Dokuments:
„In diesen vier Jahren haben wir uns vom Lehramt Papst Franziskus’ inspirieren lassen, der uns – gleich zu Beginn des weltweiten synodalen Prozesses – unter Berufung auf Yves Congar dazu ermahnte, nicht eine andere Kirche, sondern eine Kirche in anderer Weise zu gestalten, offen für die Neuheit, die Gott ihr eingeben will.“
Castellucci fügt hinzu, das Dokument spiegle „die Wirklichkeit von über zweihundert Ortskirchen mit all ihren Strukturen wider“ – „christliche Gemeinschaften“, die „nicht orientierungslos“ seien.
Der Hinweis auf zweihundert Ortskirchen klingt wie eine unausgesprochene Drohung, im Falle eines päpstlichen Widerspruchs könnte es zu einer offenen Opposition gegen Rom kommen.
Dies ist die Situation, die Leo XIV. von seinem Vorgänger geerbt hat.
Doch was kann der Papst heute tun, um einen Prozeß der Selbstauflösung der Kirche aufzuhalten, der nicht auf Italien beschränkt, sondern weltumspannend ist – und der nicht unter Papst Franziskus begann, sondern in den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil?
Wer sind heute die Vorsitzenden und Generalsekretäre der Bischofskonferenzen in der Welt?
Wer sind die über fünftausend residierenden Bischöfe?
Wer sind die mehr als vierhunderttausend Priester, die ihnen unterstehen – wenn nicht zum größten Teil Kirchenmänner, die in Seminaren und kirchlichen Universitäten ausgebildet wurden, welche von Relativismus und Neomodernismus infiziert sind, und die in Übereinstimmung mit diesen Ideen in ihre Ämter berufen wurden?
Sie bilden eine Befehlskette, aus der bis heute jene Priester und Bischöfe, die dem unveränderlichen Lehramt der Kirche treu geblieben sind, ausgeschlossen und an den Rand gedrängt wurden.
Die Frage ist schmerzlich und muß mit dem Rosenkranz in der Hand gestellt werden, denn das, was menschlich unmöglich scheint, kann mit Gottes Hilfe möglich werden – „Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich“ (Mt 19, 26).
*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
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Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana

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