Heiliger Vater, wie halten Sie es mit dem Fall Rupnik?


Am 29. September kehrte Papst Franziskus aus Belgien zurück, am 1. Oktober hielt er eine Bußvigil, auch mit einigen "erfundenen" Sünden: Dies provozierte einen einstigen Weggefährten zu kritischen Fragen.
Am 29. September kehrte Papst Franziskus aus Belgien zurück, am 1. Oktober hielt er eine Bußvigil, auch mit einigen "erfundenen" Sünden: Dies provozierte einen einstigen Weggefährten zu kritischen Fragen.

Vor weni­gen Tagen eröff­ne­te Papst Fran­zis­kus die zwei­te Sit­zungs­pe­ri­ode der von ihm und sei­nem pro­gres­si­ven Umfeld gewoll­ten Syn­oda­li­täts­syn­ode. Zur Vor­be­rei­tung leg­te er bei einer Buß­vi­gil am 1. Okto­ber ein pla­ka­ti­ves „Sün­den­be­kennt­nis“ ab, bei denen er Gott und die Welt für die teils ima­gi­nä­ren Sün­den ande­rer um Ver­ge­bung bat (die Sün­de der Dok­trin, die als Stein des Ansto­ßes benutzt wird; die Sün­de gegen die Syn­oda­li­tät), aber auch die Sün­de des Miß­brauchs. Die­ses Ver­hal­ten pro­vo­zier­te über­ra­schend die kri­ti­sche Wort­mel­dung eines Man­nes, der lan­ge ein Gefähr­te und Unter­stüt­zer des argen­ti­ni­schen Pon­ti­fi­kats war. Ganz über­ra­schend erfolg­te die Kri­tik aber nicht, denn Luis Badil­la sah sich bereits im ver­gan­ge­nen Jahr vor einer Weg­schei­de und traf sei­ne Ent­schei­dung – gegen Franziskus.

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Der Chi­le­ne Luis Badil­la ver­öf­fent­lich­te von 2006 bis 2023 die kirch­li­che Pres­se­schau Il Sis­mo­gra­fo. Eine Publi­ka­ti­on mit einem nicht näher defi­nier­ten Nahe­ver­hält­nis zum vati­ka­ni­schen Staats­se­kre­ta­ri­at. Der Christ­de­mo­krat und ein­sti­ge Weg­ge­fähr­te von Sal­va­dor Allen­de stand dabei San­ta Mar­ta durch­aus nahe. Im ver­gan­ge­nen Jahr kam dann die Wen­de. Badil­la stell­te kurz vor Weih­nach­ten die Her­aus­ga­be des Medi­ums ein. Die Begrün­dung, die er in sei­nem Abschieds­brief anführ­te, hat mit sei­ner nun­meh­ri­gen Kri­tik zu tun, nicht mit dem kon­kre­ten Fall, jedoch mit der will­kür­li­chen Art und Wei­se, wie Papst Fran­zis­kus die Kir­che regiert.

Als Badil­la am ver­gan­ge­nen Sams­tag das Mea cul­pa von Fran­zis­kus hör­te, bei dem das Kir­chen­ober­haupt um Ver­ge­bung bat, dabei aber hef­tig an die Brust ande­rer klopf­te, denen er ima­gi­nä­re, teils hal­lu­zi­nier­te „Sün­den“ vor­warf, dräng­te es ihn zur Feder zu grei­fen, um nach­zu­fra­gen, wie es denn um die Sün­den von Fran­zis­kus bestellt sei. Kon­kret fragt Badil­la nach dem päpst­li­chen Umgang mit dem Fall Rup­nik. Die­ser ehe­ma­li­ge Mit­bru­der im Jesui­ten­or­den und welt­weit vom Hei­li­gen Stuhl geför­der­te Künst­ler­prie­ster wur­de wegen Miß­brauchs der Beich­te exkom­mu­ni­ziert, doch die Exkom­mu­ni­ka­ti­on ver­schwand auf myste­riö­se Art und Wei­se. Nun muß er sich seit elf Mona­ten in einem zwei­ten kano­ni­schen Pro­zeß wegen sexu­el­ler Über­grif­fe ver­ant­wor­ten, die bis Herbst 2023 als ver­jährt gal­ten. Zustän­dig war und ist die Diö­ze­se Rom. Hier Badil­las Fra­gen und Anmerkungen:

Papst Franziskus und die Pädophilie im Klerus. Gut! Wie steht es aber mit dem Rupnik-Skandal?

Von Luis Badilla

Wann erfah­ren wir die Wahr­heit über die gegen Rup­nik ver­häng­te Exkom­mu­ni­ka­ti­on und die anschlie­ßen­de Auf­he­bung durch Papst Bergoglio?

In einer Mel­dung der Pres­se­agen­tur ANSA heißt es, daß der Papst am 28. Sep­tem­ber in Bel­gi­en „bei der Mes­se im Brüs­se­ler Sta­di­on eini­ge Wor­te sprach, um den sexu­el­len Miß­brauch in der Kir­che zu ver­ur­tei­len. Er tut dies mit unmiß­ver­ständ­li­chen Wor­ten, die von den Gläu­bi­gen mit tosen­dem Bei­fall auf­ge­nom­men wer­den. ‚Ich habe das Leid der miß­brauch­ten Men­schen gespürt, die ich vor­ge­stern getrof­fen habe‘, sag­te Berg­o­glio und erin­ner­te an sein Tref­fen mit 17 Miß­brauchs­op­fern. ‚In der Kir­che gibt es Platz für alle, es gibt kei­nen Platz für die Ver­tu­schung von Miß­brauch. Bischö­fe, ver­tuscht kei­nen Miß­brauch! Ver­ur­teilt die Miß­brauchs­tä­ter und helft ihnen, von der Krank­heit des Miß­brauchs zu gene­sen. Das Böse muß an die Öffent­lich­keit gebracht wer­den. Der Miß­brau­cher muß ver­ur­teilt werden.‘“

Hier der Wort­laut der Anspra­che von Fran­zis­kus vom 27. Sep­tem­ber 2015 im St. Charles Bor­ro­meo Semi­na­ry in Phil­adel­phia (USA) bei sei­nem Tref­fen mit sexu­el­len Miß­brauchs­op­fern und deren Ange­hö­ri­gen, die über den offi­zi­el­len Text hinausging:

„Mit mei­nem Geist und mei­nem Her­zen keh­re ich zu den Geschich­ten eini­ger die­ser ‚Klei­nen‘ zurück, die ich vor­ge­stern getrof­fen habe. Ich habe sie gehört, ich habe ihr Leid als Miß­brauchs­op­fer gespürt, und ich wie­der­ho­le es hier: In der Kir­che ist Platz für alle, für jeden, aber jeder wird ver­ur­teilt wer­den, und es gibt kei­nen Platz für Miß­brauch, kei­nen Platz für die Ver­tu­schung von Miß­brauch. Ich bit­te alle: Ver­tuscht kei­nen Miß­brauch! Ich bit­te die Bischö­fe: Ver­tuscht den Miß­brauch nicht! Ver­ur­teilt die Miß­brauchs­tä­ter und helft ihnen, sich von die­ser Krank­heit des Miß­brauchs zu erho­len. Das Böse kann nicht ver­steckt wer­den: Das Böse muß an die Öffent­lich­keit gebracht wer­den, es muß bekannt wer­den, wie es eini­ge Miß­brau­cher getan haben, und zwar mit Mut. Es soll bekannt wer­den. Und der Miß­brau­cher muß ver­ur­teilt wer­den. Der Miß­brau­cher soll ver­ur­teilt wer­den, ob Laie, Prie­ster oder Bischof: Er soll ver­ur­teilt werden.“

Der Miß­brau­cher ist ein kran­ker Mensch, dem man hel­fen muß, zu hei­len, und man muß die Sün­de vom Sün­der unter­schei­den. Mit die­sen Wor­ten betont der Papst – und das hat er in den mehr als 11 Jah­ren sei­nes Pon­ti­fi­kats schon eini­ge Male getan – die Not­wen­dig­keit, die „Sün­de“ vom „Sün­der“ zu unter­schei­den (Kate­che­se vom 20. April 2016), und ver­weist dann auf die Not­wen­dig­keit, Miß­brauchs­tä­tern zu hel­fen, von ihrer „Krank­heit des Miß­brauchs“ zu genesen.

Dann betont Fran­zis­kus: „Die Miß­han­del­ten sind eine Kla­ge, die zum Him­mel auf­steigt, die die See­le berührt, die uns beschämt und uns zur Umkehr auf­ruft. Wir dür­fen ihre pro­phe­ti­sche Stim­me nicht behin­dern, indem wir sie durch unse­re Gleich­gül­tig­keit zum Schwei­gen brin­gen“. (Voll­stän­di­ge Pre­digt)

Hei­li­ger Vater, was ist mit dem ehe­ma­li­gen Jesui­ten Mar­ko Ivan Rupnik?

Aus den offi­zi­el­len Berich­ten der Gesell­schaft Jesu geht nicht her­vor, daß der ehe­ma­li­ge Jesu­it aus Slo­we­ni­en, ein berühm­ter Mosai­zist und ein sehr mäch­ti­ger Mann im Vati­kan, jemals in Pädo­phi­lie ver­wickelt war. In sei­nem Fall gibt es Anschul­di­gun­gen von Dut­zen­den von Frau­en und sogar einem Mann (eini­gen Ver­sio­nen zufol­ge), alle erwach­sen, und es han­delt sich um Ver­bre­chen, die über vie­le Jah­re hin­weg began­gen wur­den, etwa drei­ßig. Es han­delt sich in erster Linie um abscheu­li­che Gewis­sens­bis­se, die in Auto­ri­täts­miß­brauch und schließ­lich in sexu­el­len Miß­brauch über­gin­gen. Nach allem, was man weiß, befin­den sich die Opfer in der kom­ple­xen und heik­len Situa­ti­on von schutz­be­dürf­ti­gen Personen.

Rup­nik wur­de kano­nisch ver­ur­teilt, weil er einen Kom­pli­zen in der Beich­te frei­ge­spro­chen hat­te. Seit elf Mona­ten läuft nun ein zwei­tes kano­ni­sches Ver­fah­ren gegen ihn wegen die­ser sexu­el­len Über­grif­fe, die bis Okto­ber 2023 als ver­jährt gel­ten. Unter inter­nem und exter­nem Druck hat der Papst die­se Ver­jäh­rung auf­ge­ho­ben und damit den Weg für den zwei­ten kano­ni­schen Pro­zess geeb­net, der noch läuft und über den nichts bekannt ist.

In die­ser Sache war der Papst Opfer sei­ner eige­nen Ver­feh­lun­gen, ins­be­son­de­re in der Geschich­te der ver­häng­ten und nach eini­gen Tagen wie­der auf­ge­ho­be­nen Exkommunikation.

Nach dem ersten kano­ni­schen Pro­zeß wur­de der (inzwi­schen ehe­ma­li­ge) Jesu­it Mit­te Mai 2020 latae sen­ten­tiae exkom­mu­ni­ziert, aber noch vor Ende des Monats wur­de die­se sehr schwe­re Stra­fe auf­ge­ho­ben. Die Wahr­heit über die­se Exkom­mu­ni­ka­ti­on wird höchst­wahr­schein­lich nie bekannt werden.

Was die Ver­ant­wor­tung für die­ses Ver­hal­ten betrifft, für das man öffent­lich um Ver­ge­bung bit­ten soll­te, wur­de wie­der ein­mal die Poli­tik der Ver­tu­schung gewählt, wie es bei Rup­nik seit Beginn der Affä­re immer der Fall war.

Nicht wir sagen das.

Wir fol­gen dem Lehr­amt von Papst Berg­o­glio, der in Brüs­sel unmiß­ver­ständ­lich und glas­klar gesagt hat: „Wir müs­sen uns um die Per­so­nen, die miß­braucht wor­den sind, küm­mern und die Täter bestra­fen, sie bestra­fen, denn Miß­brauch ist kei­ne Sün­de von heu­te, die es mor­gen viel­leicht nicht mehr gibt; es ist eine Nei­gung, es ist eine psych­ia­tri­sche Krank­heit und des­halb müs­sen wir sie in Behand­lung schicken und sie auf die­se Wei­se kon­trol­lie­ren. Man darf einen Miß­brauchs­tä­ter nicht ein­fach so im nor­ma­len Leben frei her­um­lau­fen las­sen, mit Ver­ant­wor­tung in Pfar­rei­en und Schu­len. Eini­ge Bischö­fe haben Prie­stern, die so etwas getan haben, nach dem Pro­zeß und der Ver­ur­tei­lung bei­spiels­wei­se Stel­len in der Biblio­thek gege­ben, aber ohne Kon­takt zu Kin­dern in Schu­len, in Pfar­rei­en. Und damit müs­sen wir wei­ter­ma­chen. Ich habe den bel­gi­schen Bischö­fen gesagt, daß sie kei­ne Angst haben und wei­ter­ge­hen sol­len, wei­ter. Die Schan­de ist, so etwas zu ver­tu­schen, zu ver­tu­schen, ja, das ist die Schan­de“. (Papst Fran­zis­kus auf sei­nem Rück­flug nach Rom, am 29. Sep­tem­ber 2024).

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: vati​can​.va (Screen­shot)

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