Franziskus: „Entwaffnen wir die Erde“ – Rücktritt? „Absolut nein“

Brief an den Corriere della Sera


Kardinalstaatssekretär Parolin: "Franziskus denkt absolut nicht an einen Rücktritt"
Kardinalstaatssekretär Parolin: "Franziskus denkt absolut nicht an einen Rücktritt"

Obwohl Papst Fran­zis­kus nicht wirk­lich regie­rungs­fä­hig ist, drängt das ihn umge­ben­de Umfeld dar­auf, genau das Gegen­teil zu sug­ge­rie­ren. Im kon­kre­ten Fall geschah dies nicht, um kirch­li­che Neue­run­gen ein­zu­füh­ren, son­dern als Mah­nung an die Poli­tik. So schrieb Fran­zis­kus am 14. März einen Brief, wohl wis­send, daß er ver­öf­fent­licht wer­den wür­de, an den Chef­re­dak­teur der füh­ren­den ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung Cor­rie­re Del­la Sera, Loren­zo Fon­ta­na. Anlaß war, dem Chef­re­dak­teur für sei­ne guten Gene­sungs­wün­sche zu dan­ken. Tat­säch­lich wur­de der Brief heu­te auf der Titel­sei­te des Cor­rie­re abge­druckt. Eben­so abseh­bar war, daß der Brief von ande­ren Medi­en, ein­schließ­lich den vati­ka­ni­schen, über­nom­men wer­den wür­de. Ein kon­kre­ter Zusam­men­hang wird nicht erwähnt, doch gemeint ist das von EU-Kom­mis­si­ons­prä­si­den­tin Ursu­la von der Ley­en, dem Kanz­ler­kan­di­da­ten der CDU Fried­rich Merz und eini­gen euro­päi­schen Regie­rungs­chefs ange­kün­dig­te gigan­ti­sche Auf­rü­stungs­pa­ket, weil die EU an der geo­po­li­ti­schen Dok­trin der US-Demo­kra­ten, obwohl die­se besten­falls sekun­där auf euro­päi­sche Inter­es­sen abzielt, fest­hal­ten wol­len, von der sich US-Prä­si­dent Donald Trump ver­ab­schie­det hat.
Die Absicht, die Regie­rungs­fä­hig­keit von Fran­zis­kus zu beto­nen, wird durch einen Arti­kel unter­stri­chen, den der Cor­rie­re, eben­falls auf der Titel­sei­te, neben dem Papst­brief ver­öf­fent­lich­te. Dar­in demen­tiert Kar­di­nal­staats­se­kre­tär Pie­tro Paro­lin, daß es Rück­tritts­ab­sich­ten von Fran­zis­kus gebe. „Abso­lut nein“, über einen mög­li­chen Rück­tritt sei bis­her nicht gespro­chen wor­den, so Paro­lin. Doch hören wir, was Fran­zis­kus in sei­nem Brief geschrie­ben hat:

Sehr geehrter Herr Chefredakteur!

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Ich möch­te Ihnen für die Wor­te der Nähe dan­ken, mit denen Sie in die­ser Zeit der Krank­heit prä­sent sein woll­ten, in der, wie ich sag­te, der Krieg noch absur­der erscheint. Die mensch­li­che Zer­brech­lich­keit hat in der Tat die Kraft, uns kla­rer zu machen, was Bestand hat und was ver­geht, was uns leben läßt und was uns tötet. Viel­leicht ist das der Grund, war­um wir so oft dazu nei­gen, Gren­zen zu ver­leug­nen und uns von zer­brech­li­chen und ver­letz­ten Men­schen fern­zu­hal­ten: Sie haben die Kraft, die Rich­tung, die wir als ein­zel­ne und als Gemein­schaft ein­ge­schla­gen haben, in Fra­ge zu stellen.

Ich möch­te Sie und alle, die ihre Arbeit und ihre Intel­li­genz der Bericht­erstat­tung wid­men, ermu­ti­gen, durch die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, die unse­re Welt heu­te in Echt­zeit mit­ein­an­der ver­bin­den, die Bedeu­tung der Wor­te zu spü­ren. Sie sind nie­mals nur Wor­te: Sie sind Fak­ten, die ein mensch­li­ches Umfeld schaf­fen. Sie kön­nen ver­bin­den oder spal­ten, der Wahr­heit die­nen oder sich ihrer bedie­nen. Wir müs­sen die Wor­te ent­schär­fen, um die Köp­fe und die Erde zu ent­schär­fen. Es besteht ein gro­ßes Bedürf­nis nach Refle­xi­on, nach Ruhe, nach einem Sinn für Komplexität.

Wäh­rend Krieg nur die Gemein­schaf­ten und die Umwelt ver­wü­stet, ohne Lösun­gen für Kon­flik­te zu bie­ten, brau­chen die Diplo­ma­tie und inter­na­tio­na­le Orga­ni­sa­tio­nen neu­es Blut und Glaub­wür­dig­keit. Die Reli­gio­nen kön­nen sich zudem auf die Spi­ri­tua­li­tät der Völ­ker stüt­zen, um den Wunsch nach Brü­der­lich­keit und Gerech­tig­keit und die Hoff­nung auf Frie­den neu zu entfachen.

All dies erfor­dert Enga­ge­ment, Arbeit, Schwei­gen, Wor­te. Füh­len wir uns in die­sem Bemü­hen geeint.

Fran­zis­kus

Roma, Policli­ni­co Gemel­li, 14. März 2025

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­rie­re del­la Sera (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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