
Von Caminante Wanderer*
Franziskus liegt im Sterben. Unwiderruflich. Da können sie uns noch so oft in den täglichen Berichten des vatikanischen Presseamtes erzählen, daß er die Nacht wie ein Engel geschlafen hat, dann aufgestanden ist, in der Kapelle gebetet hat, sich auf ein Sofa gesetzt hat, wo er Caffellatte und Cornetti gefrühstückt hat, die Zeitungen gelesen hat, mehrere Dokumente und Reden geschrieben hat und ein paar Kardinäle empfangen hat. Da wäre es nicht verwunderlich, wenn man uns sagt, daß er mit einer Ordensfrau, Kardinal Fernández und Miss Marple eine Partie Bridge gespielt hat. Wie immer wieder zu betonen ist, sind die Kommunikationsverantwortlichen des Heiligen Stuhls von der einfachsten und elementarsten Art und gehen davon aus, daß die Menschen dumm sind.
Unter diesen Umständen ist es die normalste Sache der Welt, daß sich die Kirche in einer Vorkonklave-Stimmung befindet und daß folglich die Listen mit den Namen der Kandidaten für den Posten, den Bergoglio räumen wird, in der Presse, in Blogs und in römischen Trattorien herumgereicht werden. Aber wir alle wissen, daß es sich dabei nur um Vermutungen, Annahmen, Spekulationen und Vorhersagen handelt. Nicht mehr als das. Und zwar deshalb, weil der Name des künftigen Papstes vom Willen von 137 Kardinälen abhängt, und niemand weiß, wie dieser Wille koordiniert wird. Und um das klarzustellen: Der Papst wird nicht vom Heiligen Geist gewählt, sondern von den Kardinälen. Der Heilige Geist wird schauen, wie es Ihm gelingt, denjenigen zu erleuchten, der Ihm unterstellt ist, aber sicher ist, daß Er ihn nicht auswählt.
Und da es die Jahreszeit der Vorhersagen und Wetten ist, schließe ich mich denen an, die Wetten abschließen. Ich weiß zwar nicht, wer der nächste Papst sein wird, aber ich weiß, wer der nächste Papst nicht sein wird. Es wird kein lateinamerikanischer Kardinal gewählt werden und auch keiner von den Rändern. Das Amüsement der Purpurträger, die 2013 mit einem Mann vom Ende der Welt experimentieren wollten, war schlimm und kostspielig genug für die Kirche. Deshalb hat Kardinal Tagle, auch wenn die progressiven Medien ihn für papabile halten, keine Chance. Ebenso wenig wie die exotischen Exemplare, die Bergoglio in Rot gekleidet hat. Wer sich mit Milch verbrannt hat, weint, wenn er eine Kuh sieht, sagt ein hispanoamerikanisches Sprichwort.
Die nordamerikanischen und europäischen Kardinäle bleiben im Rennen. Wenn wir uns die Kanadier ansehen, wäre Frank Leo, Erzbischof von Toronto, ein guter Kandidat. Er verfügt über alle notwendigen Qualifikationen, um gewählt zu werden, und sicherlich würden ihn seine Mitbrüder näher in Betracht ziehen, wenn er nicht so jung wäre: Er ist erst 53 Jahre alt, und niemand würde es riskieren, vierzig Jahre lang dieselbe Person auf dem Thron Petri zu haben. Andererseits hat Kardinal Lacroix, Erzbischof von Quebec, den viele für einen Papabile halten, eine Anschuldigung wegen sexuellen Mißbrauchs im Gepäck, die zwar zurückgewiesen wurde, ihn aber dazu zwang, sein Amt für sechs Monate niederzulegen, und das sind keine Dinge, um mit dem Feuer zu spielen.
Ich glaube nicht, daß es sich lohnt, die Kardinäle aus den USA in Betracht zu ziehen. Es gibt Profile, die in den einen oder anderen Bereich passen, wie Timothy Dolan, Erzbischof von New York, oder Kardinal Blase Cupich von Chicago, aber das Heilige Kollegium wird unter den gegebenen Umständen keinen amerikanischen Kardinal wählen, in denen Donald Trump eine so führende und für viele störende Rolle in der Welt übernommen hat. Es wird nicht in ihrem Interesse sein, daß die Kirche sich dem Caudillo anschließt. Mehr als einer würde befürchten, daß die einen ihn bekämpfen, die anderen ihn aber, wie Leo III. es mit Karl dem Großen tat, zum Kaiser eines neuen Heiligen Römisch-Amerikanischen Reiches krönen würden.
Meiner Meinung nach wird der nächste Papst also zwangsläufig ein Europäer sein. Und obwohl das etwas aussagt, sagt es nicht viel, denn wir müssen darüber nachdenken, welche Bedingungen er erfüllen muß, um den katastrophalen Zustand zu überstehen, in dem Bergoglio die Kirche zurückläßt (die Peronisten kennen nur Ruinen, wenn sie die Macht verlassen), und das geht weit über seine doktrinäre Richtung hinaus. In erster Linie muß er ein Mann der Ordnung und der Einheit sein, d. h. ein Mann, der in der Lage ist, das enorme Chaos, das er auf vielen Ebenen vorfinden wird, zu ordnen. Und zuallererst muß er die Einheit im Glauben erreichen, nicht nur aus übernatürlicher, sondern auch aus politischer Notwendigkeit. Derzeit liegt das Katholisch-Sein im Unklaren: Es wird für viele unterschiedliche Weisen behauptet, und dieser Zustand der Verwirrung ist von Franziskus gesucht und gewollt worden. Aber es ist unmöglich, auf diesem Weg weiterzumachen. Der nächste Pontifex, auf welcher Seite er auch stehen mag, wird sich um die Klärung des katholischen Glaubens bemühen müssen. Und das scheint mir nicht etwas zu sein, das plötzlich oder über Nacht geschehen kann, aber es ist unerläßlich, wenn die Kirche weiter bestehen soll, daß sie zu einer gemeinsamen Lehre zurückkehrt, daß wir alle dasselbe Glaubensbekenntnis unterschreiben und daß es keine lehrmäßigen Unklarheiten mehr geben wird.
Aus diesem Grund muß der nächste Papst eine starke und entschlossene Persönlichkeit sein, die sich nicht scheut, das zu tun, was in den ersten Tagen des neuen Pontifikats getan werden muß. Ich glaube nicht, daß er ein della Chiesa [Benedikt XV.], ein Montini [Paul VI.] oder ein Ratzinger [Benedikt XVI.] sein wird. Wenn das, was wir im vorigen Absatz gesagt haben, einen Sinn ergibt, dann wird eines der ersten Dinge, die der nächste Papst zu tun haben wird, es sein, eine Reihe von Günstlingen und Schmarotzern aus der Kurie rauszuschmeißen, vor allem jene, die nicht „aus der Schule“ kommen, die unberührbar sind, angefangen bei Kardinal Tucho Fernández, der weitgehend für das derzeitige Chaos verantwortlich ist.
Wird der nächste Papst ein Bergoglianer sein? Der Bergoglianismus wird, wie wir schon früher gesagt haben, mit Bergoglio sterben. Man könnte aber auf jeden Fall von bergoglianischen Kardinälen lato sensu sprechen, was soviel heißt, wie von „progressiven Kardinälen“ zu sprechen. Der Vatikan-Insider Luis Badilla nennt in einem von Messa in Latino wiedergegebenen Artikel mehrere Namen aus diesem Bereich. Das scheint mir zu großzügig. Noch ein Jesuit wird nie und nimmer gewählt werden, also scheidet Hollerich aus; Marengo ist zu jung (50), ebenso wie Pizzaballa (59); und Omella ist zu alt (fast 80); Tolentino de Mendonca ist zu langweilig und zu intellektuell; und Arborelius zu exotisch, da Schweden für die Kirche in diese Kategorie fällt. Von dieser Liste bleiben also Staatssekretär Pietro Parolin, Matteo Zuppi, der Erzbischof von Bologna, und Jean-Marc Aveline, der Erzbischof von Marseille.
Pietro Parolin wäre für diesen Wahlkörper wohl ein guter Kandidat, aber ich denke, er ist bereits zu abgenutzt und kann leicht und zu Recht für Bergoglios kolossale Fehler verantwortlich gemacht werden. Er scheint mir keine Option zu sein, obwohl er ein geschickter und mächtiger Königsmacher sein könnte, und in dieser Rolle würde es mich nicht überraschen, wenn er seine Stimmen auf Kardinal Claudio Gugerotti lenken würde, die beide der cordata [Seilschaft] des verstorbenen Kardinals Achille Silvestrini angehören [siehe Kardinal Silvestrini – ein großer Gegner von Benedikt XVI. – verstorben].
Matteo Zuppi wäre, auch wenn er nicht über die physique du rôle verfügt, der ideale Kandidat für den Progressivismus und merkwürdigerweise auch für nicht wenige traditionalistische Kreise, weil er ein kohärenter Liberaler ist: Mit ihm wäre in der Kirche Platz für todos, todos, todos [alle, alle, alle] und nicht nur für Bergoglios todos secundum quid. Aber vielleicht ist es genau das, was ihm den Weg versperrt: sein unverhohlener Progressivismus und folglich seine Trump-Gegnerschaft, typisch für die Gemeinschaft von Sant’Egidio, der er angehört. Unter den derzeitigen Umständen wird das Heilige Kollegium keinen offenen Trump-Gegner wählen.
In den vergangenen Tagen kursierten Gerüchte, daß Franziskus oder wer auch immer seine Hand hält, vor seinem Tod eine Reform der Konklave-Regeln unterzeichnen würde, die festlegt, daß für die Wahl zum Papst eine absolute Mehrheit der Stimmen ausreicht. Das scheint unwahrscheinlich, denn damit würde mit einer mehr als siebenhundert Jahre alten Tradition gebrochen, was Bergoglio zwar nicht stören würde, aber ich denke, es würde ihn stören, daß ein Papst, Gregor XI. im Jahr 1378, als auch er dieses reduzierte Quorum festlegte, bei der Wahl seines Nachfolgers das Abendländische Schisma auslöste, und es wäre nicht verwunderlich, wenn dasselbe auch dieses Mal passieren würde. Allein die Tatsache, daß ein solches Gerücht im Umlauf ist, bedeutet jedoch, daß die Bergoglianer oder besser Progressiven besorgt sind und keineswegs darauf vertrauen, daß der nächste römische Papst einer von ihnen sein wird.
Die Gruppe der offenen Nicht-Bergoglianer hat meiner Meinung nach keine Chance, gewählt zu werden. Es sei denn, ein Erdbeben erschüttert die Grundmauern der Sixtinischen Kapelle und die verängstigten Kardinäle entscheiden sich für einen eindeutig katholischen Kandidaten, was ich aber nicht für möglich halte. Was sie tun können und zweifellos auch tun werden, ist, zusammen mit den Konservativen lato sensu das Drittel für die Sperrminorität zu bilden, das nach mehrtägigen Versuchen die Wahl eines Kompromißkandidaten erzwingen wird. Und einer von diesen könnte der Ungar Péter Erdö oder der Niederländer Willem Eijk sein, oder jemand anderes, der unerwartet auftaucht, wie es 1978 bei Wojtyla der Fall war, um das Patt zwischen Siri und Benelli zu beenden.
Wenn das so ist, können wir diesen Schlüssel verwenden, um das Konklave im Fernsehen zu verfolgen. Wenn die fumata bianca [der weiße Rauch] bald erscheint, d. h. nach vier oder fünf Wahlgängen, sollten wir zu Gott flehen, denn ich glaube nicht, daß das ein gutes Zeichen sein wird. Eine Wahl in so kurzer Zeit würde unter den gegebenen Umständen bedeuten, daß das Sperrdrittel nicht zustande kam und daß ein Kardinal gewählt wurde, der eine hohe Konzentration des Bergoglianismus im Blut hat. Wenn es länger als drei Tage dauert, wäre das hingegen ein sehr gutes Zeichen.
*Caminante Wanderer, argentinischer Blogger und Philosoph
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Caminante Wanderer