Welche ökonomisch-politischen Rahmenbedingungen führen zu mehr Wohlstand?

Hilfe zur Selbsthilfe statt Umverteilung und Paternalismus


"Wohlstand und Fülle" des flämischen Malers Abraham Janssens van Nuyssen (1614) zeigt eine Allegorie des Friedens im Gegensatz zum Krieg
"Wohlstand und Fülle" des flämischen Malers Abraham Janssens van Nuyssen (1614) zeigt eine Allegorie des Friedens im Gegensatz zum Krieg

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker

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Papst Fran­zis­kus gei­ßel­te zu Anfang sei­nes Pon­ti­fi­kats die west­li­che Wirt­schafts­wei­se als „unmensch­li­ches Wirt­schafts­mo­dell“. In sei­ner ersten Enzy­kli­ka ‚Evan­ge­lii Gau­di­um‘ vom Novem­ber 2013 ver­ur­teil­te er die markt­wirt­schaft­li­che Öko­no­mie als eine Wirt­schaft, die „Dis­pa­ri­tät der Ein­kom­men“ erzeu­ge. Die päpst­li­che Schluss­fol­ge­rung: „Die­se Wirt­schaft tötet“. Nah­rungs­mit­tel wür­den in den rei­chen Indu­strie­staa­ten weg­ge­wor­fen, wäh­rend Men­schen hier und in süd­li­chen Län­dern Hun­ger lei­den. Die markt­wirt­schaft­li­chen Regeln der Kon­kur­renz­fä­hig­keit wür­den nach dem „Gesetz des Stär­ke­ren“ funk­tio­nie­ren, „wo der Mäch­ti­ge­re den Schwä­che­ren zunich­te­macht“. Das Wirt­schafts­wachs­tum des frei­en Mark­tes füh­re nicht zu grö­ße­rem Wohl­stand der Mas­sen. Der Papst unter­stellt im Gegen­teil das Grö­ßer­wer­den der Sche­re zwi­schen Armen und Ver­mö­gen­den. Mit einem Zitat von Chry­so­sto­mos insi­nu­iert er, dass Eigen­tum Dieb­stahl an den Armen wäre.

Erst kürz­lich erneu­er­te Fran­zis­kus sei­ne aggres­si­ve Kri­tik gegen markt­wirt­schaft­li­che Refor­men – und zwar die der Regie­rung Milei in sei­nem Hei­mat­land Argen­ti­ni­en, indem er die Gewalt­tä­tig­kei­ten von links­ra­di­ka­len Demon­stran­ten und Blockie­rer recht­fer­tig­te, aber die maß­vol­le Gegen­wehr der Poli­zei brandmarkte.

Es ist kein Geheim­nis, dass der Papst statt der frei­en und sozia­len Markt­wirt­schaft eine staat­lich gelenk­te Ver­tei­lungs­wirt­schaft in links-pero­ni­sti­scher Per­spek­ti­ve favorisiert.

Aber wel­che Erfah­run­gen hat man etwa mit einer Umver­tei­lung von über­schüs­si­gen Lebens­mit­teln im glo­ba­len Maß­stab gemacht, also von den rei­chen Indu­strie­län­dern auf die ärme­ren Län­der in Afri­ka? Stu­di­en zeich­nen ein nega­ti­ves Bild von sol­chen Umver­tei­lungs­strö­men, wenn z. B. Getrei­de oder Klei­dung ver­bil­ligt oder umsonst abge­ge­ben wer­den. Sie zer­stö­ren die ein­hei­mi­schen Pro­du­zen­ten-Märk­te der Ent­wick­lungs­län­der. Außer­dem degra­diert das Umver­tei­len die Emp­fän­ger zu Almo­sen­neh­mern, was ihre Initia­ti­ve lähmt und eine unpro­duk­ti­ve Ver­tei­lungs­bü­ro­kra­tie för­dert. Nur Hil­fe zur Selbst­hil­fe ist eine men­schen­wür­di­ge Hil­fe und nicht (Um-)Verteilung von Geld und Gütern.

Auch ein gene­rel­les Umver­tei­len von Ver­mö­gen und Ein­kom­men mit dem Ziel der Gleich­heit („Gleich­ge­wicht“) von Rei­chen und Armen, wie es Fran­zis­kus vor­schwebt, wür­de zu Ein­schnü­rung oder gar Abwür­gen einer pro­spe­rie­ren­den Wirt­schaft füh­ren – und damit die mate­ri­el­len Grund­la­gen des Wohl­stands untergraben.

Ein noch wei­ter­ge­hen­der Schritt auf dem Weg zur Gleich­stel­lung von Rei­chen und Armen wäre die sozia­li­sti­sche Umver­tei­lung von allem Pri­vat­be­sitz auf das besitz­lo­se Volk – mit dem bekann­ten Ergeb­nis einer wirt­schaft­li­chen Degres­si­on sowie der gleich­mä­ßi­gen Armut aller Volks­grup­pen – außer den Par­tei­pri­vi­le­gier­ten. Vor den abschrecken­den Fol­gen kom­mu­ni­sti­scher Regimes in Kuba und Vene­zue­la ver­schließt der pero­ni­stisch ori­en­tier­te Papst sei­ne Augen. Der vene­zue­la­ni­sche Dik­ta­tor Madu­ro hat mit sei­ner sozia­li­sti­schen Günst­lings- und Ver­schwen­dungs­wirt­schaft sein ehe­mals rei­ches Land in den Ruin – und acht Mil­lio­nen Elends­flücht­lin­ge ins nahe Aus­land getrieben.

Die The­se des Pap­stes, dass das Kon­kur­renz­prin­zip des frei­en Mark­tes die „Stär­ke­ren und Mäch­ti­ge­ren“ dar­in begün­sti­ge, die „Schwä­che­ren zunich­te“ zu machen, geht offen­bar von einer Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on des Mark­tes aus. In einer funk­tio­nie­ren­den Markt­wirt­schaft setzt sich über den lau­te­ren Wett­be­werb der jeweils wirt­schaft­lich Bes­se­re durch – zum Nut­zen der Kon­su­men­ten. Ein inef­fek­ti­ver Anbie­ter dage­gen braucht nicht „zunich­te“ gemacht wer­den, son­dern wird durch die nach­fra­gen­den Markt­teil­neh­mer bei­sei­te­ge­scho­ben. Nach Franz Böhm ist der Markt-Wett­be­werb das geni­al­ste Ent­mach­tungs­in­stru­ment der Geschichte.

Eine regu­lier­te Markt­wirt­schaft ent­spricht dem Sub­si­dia­ri­täts­prin­zip der tra­di­tio­nel­len katho­li­schen Sozi­al­leh­re: Was Ein­zel­per­so­nen, Unter­neh­mer und klei­ne Wirt­schafts­ein­hei­ten lei­sten kön­nen, dür­fen die über­ge­ord­ne­ten gesell­schaft­li­chen Insti­tu­tio­nen nicht an sich zie­hen. Ande­rer­seits ist es die Pflicht­auf­ga­be des Staa­tes, die Hand­lungs­si­cher­heit der wirt­schaft­li­chen Ein­hei­ten durch straf­be­wehr­te Rechts­re­geln zu garantieren.

Somit hat der Staat die Ord­nungs­re­geln des Mark­tes zu set­zen und zu kon­trol­lie­ren: Mono­po­le und Kar­tel­le abweh­ren, Kor­rup­ti­on unter­bin­den, Rechts­re­geln durch­set­zen (Ordo-Libe­ra­lis­mus) sowie die aus dem Markt fal­len­den Teil­neh­mer för­dern und for­dern (Sozia­le Marktwirtschaft).

Dass die­se poli­ti­schen und recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen der Markt­wirt­schaft zu mehr Wohl­stand füh­ren, haben drei Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler in ihren Stu­di­en auf­ge­zeigt. Sie wur­den kürz­lich vom schwe­di­schen Nobel-Komi­tee dafür ausgezeichnet.

Die Wis­sen­schaft­ler forsch­ten u. a. danach, wie­so es den Men­schen im nord­ame­ri­ka­ni­schen Teil der Grenz­stadt Noga­les viel bes­ser geht als den Bewoh­nern der Süd­stadt in Mexi­ko, „obwohl die Stadt­be­völ­ke­rung eine Geschich­te teilt und kul­tu­rell sehr ähn­lich ist“ (FAZ 15.10.2024). Ent­schei­dend für den Wohl­stands­un­ter­schied schei­nen tat­säch­lich die gesell­schaft­lich-poli­ti­schen Regeln zu sein. Die Stu­di­en zei­gen auf, dass die demo­kra­ti­sche Teil­ha­be und siche­res Eigen­tums­recht der USA wesent­li­che Vor­aus­set­zun­gen für Wohl­stand und Wachs­tum sind. „In Mexi­ko dage­gen gibt es viel Kor­rup­ti­on und poli­ti­sche Gewalt, sodass Leben und Wohl­stand stän­dig gefähr­det sind.“ Wie zum Beleg die­ser The­se wur­de kürz­lich Gar­cia Luna, der mexi­ka­ni­sche Poli­zei- und Sicher­heits­mi­ni­ster von 2006 bis 2012, von einem US-ame­ri­ka­ni­schen Gericht zu lebens­lan­ger Haft wegen Begün­sti­gung von Dro­gen­han­del und Kor­rup­ti­on verurteilt.

Die For­scher unter­such­ten eben­falls histo­ri­sche Bei­spie­le, wie kolo­nia­li­sti­sche Sied­ler­eli­ten die beherrsch­ten Län­der aus­plün­der­ten und ver­ar­men lie­ßen. Aber auch auto­kra­ti­sche Ver­tre­ter eines ehe­mals kolo­nia­li­stisch unter­drück­ten Lan­des wie Zim­bab­we kön­nen ein Land in den Ruin führen.

Ande­rer­seits befin­den sich vie­le Län­der in Asi­en, Afri­ka und Süd­ame­ri­ka im Lern­pro­zess zu mehr Mark­wirt­schaft und Eigen­in­itia­ti­ve, Demo­kra­tie und Rechtsstaatlichkeit.

Unter die­sen Aspek­ten soll­ten Staat, Zivil­ge­sell­schaft und Kir­che der Ver­bes­se­rung der poli­tisch-wirt­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen von ehe­ma­li­gen Ent­wick­lungs­län­dern mehr Auf­merk­sam­keit wid­men und ent­spre­chend ihre bis­he­ri­gen Hilfs­kon­zep­te auf den Prüf­stand stel­len. Vie­le Mil­li­ar­den Ent­wick­lungs­hil­fe­gel­der aus den rei­chen Indu­strie­staa­ten in die Län­der der Drit­ten Welt ver­schwan­den in den Taschen von nach­ko­lo­nia­li­sti­schen Auto­kra­ten und kor­rup­ten Eli­ten wie etwa im Kon­go. Es muss ernst­haft erör­tert wer­den, inwie­weit die 11 Mil­li­ar­den Euro an Ent­wick­lungs­hil­fe an Tan­sa­nia mit­ver­ant­wort­lich sind für das kon­tra­pro­duk­ti­ve Resul­tat, dass das ost­afri­ka­ni­sche Land heu­te zu einem der ärm­sten Län­der der Welt gehört.

Auch die Kir­che soll­te unter die­ser Hin­sicht ihre Unter­stüt­zungs­kon­zep­te über­den­ken, soweit sie sich an den inef­fek­ti­ven Rezep­ten von Umver­tei­lung und pater­na­li­sti­schen Hilfs­pro­gram­men ori­en­tie­ren. Bei die­sem Hil­fe-Sek­tor müss­te der Rück­griff auf die bewähr­ten Prin­zi­pi­en Hil­fe zur Selbst­hil­fe ins­be­son­de­re für die klei­nen Ein­hei­ten sowie Ver­trau­en in die sub­si­diä­re Eigen­in­itia­ti­ve etwa durch Mikro-Kre­di­te und ande­re Anschub­fi­nan­zie­run­gen hand­lungs­lei­tend sein.

Bild: Wiki­com­mons

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

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