
Der handfeste Skandal um Fiducia suppicans nimmt immer skurrilere Züge an: Bei der vorletzten Pressekonferenz, die für die Synodalitätssynode im Programm war, gab Paolo Ruffini, der Präfekt des römischen Kommunikationsdikasteriums und zugleich Vorsitzender der Informationskommission der Synodalitätssynode, bekannt, daß ihm eine Erklärung des Dominikaners P. Timothy Radcliffe vorliegt, die am Ende der Pressekonferenz an die anwesenden Journalisten verteilt wird. Ohne mit einem Wort zu erwähnen, worum es geht, fügte Ruffini lediglich hinzu, daß die Medienvertreter darin „alles finden werden“.
P. Radcliffe ist geistlicher Assistent der Synodalitätssynode. Der englische Dominikaner ist für seine homophile Positionen bekannt, die er als Teil der innerkirchlichen Homo-Lobby mit Nachdruck vertritt. Deshalb stört er sich am Widerstand zahlreicher Bischofskonferenzen gegen die von Papst Franziskus gewollte Erklärung Fiducia supplicans des Glaubensdikasteriums, mit der Homo-Segnungen erlaubt wurden. Der Widerstand dagegen war jedoch so groß, daß Franziskus den Rückwärtsgang einlegte und Relativierungen seines Vorstoßes vornahm, ohne die Homo-Segnungen jedoch zurückzunehmen. Er gewährte lediglich, ganz seinem Hegelschen Handlungsprinzip folgend, Afrika und anderen Ortskirchen die Möglichkeit, Fiducia supplicans faktisch zu ignorieren. Mit Afrika hatte sich ein ganzer Kontinent erhoben, zudem jener Kontinent, auf dem die Kirche am schnellsten wächst. Das hatte in Santa Marta verschreckt.
Am 12. Oktober veröffentlichte der Osservatore Romano einen langen Artikel, unterzeichnet von Radcliffe, in dem er den afrikanischen Bischöfen unterschwellig unterstellte, deshalb Fiducia supplicans abzulehnen: wegen des Geldes von Rußland, der Golfstaaten und der US-Evangelikalen. Eine Bombe! Würde stimmen, was Radcliffe als Kardinal in spe behauptete, würde die Kirche in Schwarzafrika die Morallehre an den Meistbietenden verkaufen.
Erstaunlicherweise allerdings hätten sich Afrikas Bischöfe, laut Radcliffes Anspielung, dafür „kaufen“ lassen, die überlieferte kirchliche Lehre zu verteidigen. Allein das macht den Vorwurf bereits unglaubwürdig. Der Kontext tut dies ohnehin schon. In dem Artikel wurden vielmehr die gängigsten Feindbilder der Homo-Lobby in einem Topf zusammengerührt und daraus eine Räuberpistole geknetet.

Am Dienstag wurde Kardinal Fridolin Ambongo, der derzeit ranghöchste afrikanische Kirchenfürst, auf der täglichen Pressekonferenz der Synodalitätssynode auf den Radcliffe-Artikel angesprochen. Seine Antwort: Radcliffe, der den Artikel im Osservatore Romano selbst erst am Montag gelesen haben will, habe ihn am Morgen angesprochen und versichert, nichts mit dem Artikel und seinen Inhalten zu tun zu haben. Ambongo gab zu verstehen, ihm Glauben zu schenken und die Angelegenheit für beendet zu erachten.
Ist sie damit aber beendet? Wohl kaum. Seither stand die Frage im Raum, wie es sein kann, daß die offiziöse Tageszeitung des Papstes einen nicht von Radcliffe stammenden Artikel unter seinem Namen veröffentlichte, der zudem noch in der Geschichte beispiellose Verleumdungen der Bischöfe eines ganzes Kontinents enthält.
Zudem lieferte die US-amerikanische Zeitschrift The Pillar den Nachweis, daß just dieselben Insinuationen bereits am 13. April 2024 von der progressiven britischen Zeitschrift The Tablet veröffentlicht wurden unter Verweis, daß es sich dabei um den Text eines Vortrags handelt, den Radcliffe am Karfreitag im Stonyhurst College in Clitheroe (Lancashire) gehalten hatte.
Nun ließ Radcliffe als „nominierter Kardinal“ folgende Erklärung an die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Journalisten verteilen:
„Als Reaktion auf die Berichte über die Antwort von Kardinal Ambongo auf eine Frage bei einer Pressekonferenz am 22. Oktober möchte der gewählte Kardinal Timothy Radcliffe OP die folgenden Punkte klarstellen.
1. Die Antwort von Kardinal Ambongo bezog sich nicht auf den im L’Osservatore Romano veröffentlichten Artikel, sondern auf einen Artikel von Phil Lawler in der Zeitschrift Catholic Culture vom 17. Oktober. Dies war der Artikel, den der Kardinal mir auf seinem Handy zeigte und den wir diskutierten.
2. Lawlers Lesart des Osservatore-Artikels hat das, was ich geschrieben hatte, falsch interpretiert. Ich habe nie geschrieben oder angedeutet, daß die von der katholischen Kirche in Afrika eingenommenen Positionen von finanziellen Erwägungen beeinflußt wurden. Ich habe lediglich eingeräumt, daß die katholische Kirche in Afrika unter dem enormen Druck anderer Religionen und Kirchen steht, die aus externen Quellen gut finanziert werden.
3. Ich bin Kardinal Ambongo sehr dankbar für seine klare Verteidigung meiner Position.
Wie lassen sich die beiden Imperative des Papsttums von Franziskus miteinander vereinbaren: offen zu sein für alle Ecken der Welt, für alle Kulturen, und offen zu sein für alle Menschen, unabhängig von ihrem Zustand und wer auch immer sie sind? Das Dilemma explodierte mit Fiducia Supplicans, der Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre, die Priestern die Erlaubnis erteilt, vor allem in ganz bestimmten Situationen Paare in ‚irregulären‘ Beziehungen zu segnen, einschließlich gleichgeschlechtlicher Paare. Kardinal Ambongo reiste nach Rom, um die entschiedene Ablehnung des Vorschlags durch die afrikanischen Bischöfe vorzutragen. Nie zuvor hatten alle Bischöfe eines Kontinents ein vatikanisches Dokument abgelehnt. Es wurde alles getan, um die Krise einzudämmen.
Der Papst hatte die Erklärung gebilligt. Kardinal Ambongo bestätigte, daß die afrikanische Ausnahme ein Beispiel für die Synodalität ist. Er wies darauf hin, daß Einheit nicht gleichbedeutend mit Uniformität ist. Das Evangelium wird in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich inkulturiert.
Aber das wirft komplexere Fragen auf. Es stimmt, daß das Evangelium immer in verschiedenen Kulturen inkulturiert ist, aber es fordert auch alle Kulturen heraus. Jesus war Jude, aber er hat die Religion seiner Vorfahren herausgefordert. Ist die Weigerung, Schwule [sic] in Afrika zu segnen, ein Beispiel für Inkulturation oder für die Weigerung, unangepaßt zu sein? Für den einen ist Inkulturation die Ablehnung des nonkonformistischen Evangeliums durch den anderen.
Eine weitere Befürchtung, die von Fiducia Supplicans geäußert wurde, ist, daß es vor der Veröffentlichung keine Konsultation gegeben zu haben scheint – nicht einmal mit den Bischöfen oder anderen vatikanischen Ämtern –, was vielleicht nicht gerade ein gutes Beispiel für Synodalität ist. Die afrikanischen Bischöfe stehen unter starkem Druck seitens der Evangelikalen, die mit amerikanischem Geld finanziert werden, seitens der Russisch-Orthodoxen, die mit russischem Geld finanziert werden, und seitens der Muslime, die mit Geld aus den reichen Golfstaaten finanziert werden. Es hätte eine Diskussion mit ihnen vor und nicht nach der Veröffentlichung der Erklärung stattfinden müssen. Wie auch immer wir zu der Erklärung stehen, wenn wir mit Spannungen umgehen und sie überwinden wollen, müssen wir alle miteinander nachdenken und uns auf einer tiefen Ebene miteinander auseinandersetzen.“
Kurzum, alles wie gehabt: Natürlich stammt der im Osservatore Romano veröffentlichte Artikel von Radcliffe und natürlich verteidigt er darin seine Homo-Agenda und greift Afrikas Bischöfe an. Kardinal Ambongo akzeptierte jedoch Radcliffes „feinere“ Lesart seines eigenen Textes, der allerdings, wie gezeigt, auch ganz anders gelesen werden kann. Damit richtet sich der Blick auf Kardinal Ambongo.
Der Erzbischof von Kinshasa bleibt seinem im Frühjahr eingeschlagenen Kurs treu. Nach der Veröffentlichung von Fiducia supplicans legte er dem Papst den empörten afrikanischen Protest vor und arrangierte sich aber ebenso schnell mit Franziskus. Das Arrangement lautet: Afrika bekommt eine Ausnahmeregelung und darf Fiducia supplicans ignorieren. Im Gegenzug sorgt Kardinal Ambongo dafür, daß der afrikanische Widerstand beendet ist und sich nicht mit dem Widerstand anderer Ortskirchen zu einem generellen Widerstand gegen das derzeitige Pontifikat verbindet. In einem Interview mit dem Fernsehsender kto der Französischen Bischofskonferenz erklärte Ambongo, der von Franziskus zum Erzbischof von Kinshasa ernannt, zum Kardinal kreiert und als Vertreter Afrikas in den C9-Kardinalsrat berufen wurde, im März den Grund für das Arrangement, denn andernfalls, so Ambongo, „riskieren wir die Kontrolle über die Situation zu verlieren“.
Das erklärt auch die Aussage Ambongos, jemand habe einen „Zwischenfall“ inszenieren wollen. Er meinte damit nicht Radcliffe, sondern Phil Lawler von Catholic Culture, der die Aussagen Radcliffes in eine deutlichere Lesart gebracht hatte. Das Problem ist allerdings nicht Lawler, sondern die Homo-Agenda Radcliffes, für die der künftige Kardinal zu herablassenden und verleumderischen Untergriffen bereit ist, denn: Was sonst ist die Anspielung auf das angebliche russische Geld, das Geld der Golfstaaten und das Geld der US-Evangelikalen?
Kardinal Ambongo hält trotz der unfreundlichen Art Radcliffes, will man ihm keinen rassistischen Zungenschlag unterstellen, an dem mit Papst Franziskus getroffenen Arrangement fest.
Ambongo locutus, causa finita?
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshots)
Auf mich wirkt Radcliffe mittlerweile ziemlich tattrig. Bei dem Gedanken, dass er so eine Art „Gallionsfigur“ der neuen Kirche von Franziskus ist, muss ich – pardon – wirklich lachen. Und wenn man seine Texte liest oder seinen Predigten zuhört, dann merkt man schnell: Er ist ein Selbstdarsteller und Wortverdreher und kombiniert das mit britischer Exzentrik. Mehr ist nicht dahinter.
Zu Kardinal Ambongo: Eigentlich sollte er wissen, dass man mit dem Bösen nicht verhandeln und auch keine Abkommen treffen kann.
Denn nichts anderes als das Böse steckt hinter diesen Machenschaften.