„Paul VI. ist ein Mann voller Widersprüche“ – Der Brief von Marcel De Corte an Jean Madiran von 1970

Über die neue Messe


Marcel De Corte (1906–1994): Widerspruch gegen "die große Täuschung"
Marcel De Corte (1906–1994): Widerspruch gegen "die große Täuschung"

Anfang 1970 schrieb der bel­gi­sche Phi­lo­soph Mar­cel De Cor­te, Pro­fes­sor an der Katho­li­schen Uni­ver­si­tät Lüt­tich, einen Brief an Jean Madiran, den Her­aus­ge­ber der Zeit­schrift „Itin­é­rai­res“, den die­ser am 1. Febru­ar 1970 in der Aus­ga­be Nr. 140 sei­ner Zeit­schrift ver­öf­fent­lich­te. Die US-ame­ri­ka­ni­sche Inter­net­sei­te Rora­te Cae­li hol­te den Brief aus der Ver­sen­kung und ver­öf­fent­lich­te ihn in einer eng­li­schen Über­set­zung von Ger­hard Eger. Wie auch von Jean Madirans rei­chem publi­zi­sti­schem Wir­ken bis­her nichts ins Deut­sche über­setzt wur­de, wur­de auch Mar­cel De Cor­tes Werk im deut­schen Sprach­raum kaum beach­tet. Hier der voll­stän­di­ge Wort­laut sei­nes 1970 ver­faß­ten Brie­fes über Papst Paul VI. und „die neue Messe“:

Über die neue Messe

Anzei­ge

Ich muß Ihnen geste­hen, mein lie­ber Jean Madiran, daß ich mehr als ein­mal ver­sucht war, die katho­li­sche Kir­che, in die ich gebo­ren wur­de, zu ver­las­sen. Wenn ich es nicht getan habe, so dan­ke ich Gott und dem gesun­den Men­schen­ver­stand des guten Bau­ern, mit dem er mich geseg­net hat. Die Kir­che – das sage ich mir in einem sol­chen Moment – ist wie ein von Rüs­sel­kä­fern befal­le­ner Wei­zen­sack. Wie zahl­reich die Para­si­ten auch sein mögen – es wim­melt auf den ersten Blick nur so von ihnen –, sie haben nicht alle Kör­ner unfrucht­bar gemacht. Eini­ge, und sei­en es auch noch so weni­ge, blei­ben frucht­bar. Sie wer­den sprie­ßen, und die Rüs­sel­kä­fer wer­den ster­ben, sobald sie alle ande­ren ver­schlun­gen haben. Guten Appe­tit, mei­ne Her­ren, Sie essen sich Ihren eige­nen Tod.

Wäh­rend­des­sen lei­den wir an einer Hun­gers­not. Wir hun­gern nach dem Über­na­tür­li­chen. Die Zahl der Prie­ster, die das Brot der See­le an uns ver­tei­len, schwin­det in alar­mie­ren­dem Tem­po. In der Hier­ar­chie ist es noch schlim­mer. Und ganz oben, wo man Trost erwar­ten wür­de, ist die Lage katastrophal.

Ich geste­he, daß ich mich lan­ge Zeit von Paul VI. täu­schen ließ. Ich dach­te, er wür­de ver­su­chen, das Wesent­li­che zu bewah­ren. Ich habe mir immer wie­der die Wor­te Lud­wigs XIV. an den Dau­phin vor Augen geführt: „Ich fürch­te mich nicht, Ihnen zu sagen: Je höher die Posi­ti­on, desto mehr Din­ge gibt es, die man nur sehen oder wis­sen kann, wenn man sie inne­hat.“ Da ich weder Papst noch Kle­ri­ker bin, sag­te ich mir: Er sieht, was ich nicht sehen kann, weil er ein so hohes Amt inne­hat. Des­halb ver­traue ich ihm, auch wenn mir die mei­sten sei­ner Taten, Hal­tun­gen und Äuße­run­gen nicht gefal­len und sei­ne stän­di­gen (schein­bar stän­di­gen) Manö­ver mir Kopf­zer­bre­chen berei­ten. Armer Mann, er ist zu bemit­lei­den, zumal er der Auf­ga­be offen­sicht­lich nicht gewach­sen ist… Aber den­noch, mit Got­tes Hilfe…

Aller­dings – und das gereicht der Mensch­heit zur Ehre – gibt es in der Geschich­te kein Bei­spiel für einen Betrü­ger, der sich nicht irgend­wann selbst ent­larvt hat. Wenn man zu sehr ver­sucht, das zu sein, was man nicht ist, offen­bart man letzt­lich sein wah­res Wesen. Zu viel Geris­sen­heit geht nach hin­ten los. Män­ner sind bereit, ein wenig List zu tole­rie­ren, vor allem, wenn sie ein ita­lie­ni­sches Flair hat. Aber es gibt eine Gren­ze, und dar­über hin­aus hört man auf, ein guter Schau­spie­ler zu sein, und wird zum Gefan­ge­nen sei­ner eige­nen Scha­ra­de, ver­strickt in sei­ne eige­nen Täuschungsmanöver.

Der Wen­de­punkt kam für mich mit der Kon­tro­ver­se um die Hei­li­ge Mes­se. Bis dahin konn­te man sich täu­schen, betrü­gen und hin­ters Licht füh­ren las­sen. Das war der Preis für die Ehr­erbie­tung, die man den eta­blier­ten Mäch­ten schul­de­te. Aber jetzt ist die Zeit des „Spiel Spiel­chen mit mir“, wie mein alter Leh­rer zu sagen pfleg­te, vor­bei. Das ist ein Aus­druck, den er benutz­te, als wir auf dem Lan­de waren, wo sol­che Unver­blümt­heit ganz selbst­ver­ständ­lich ist, und er war viel ener­gi­scher. Abbé Car­don­nel, mit Lite­ra­tur voll­ge­stopft, die er jedem ent­ge­gen­schleu­der­te, fehl­te die­se herr­li­che Spon­ta­nei­tät der Spra­che, die­se stol­ze und männ­li­che Behaup­tung eines Men­schen, der es nicht mehr ertra­gen kann, auch nur einen Moment län­ger getäuscht zu wer­den. „Es ist vor­bei. Es ist. VOR-BEI. VORBEI“, wür­de er zu dem unvor­sich­ti­gen Kerl sagen, der es zu weit getrie­ben hat.

Itin­é­rai­res, Nr. 140, Febru­ar 1970

Ich sage das ganz ruhig und bedäch­tig, mit der gan­zen Zuver­sicht eines Man­nes aus bäu­er­li­chen Ver­hält­nis­sen, wo die Katho­li­zi­tät vom Vater an den Sohn wei­ter­ge­ge­ben wird, wo das Über­na­tür­li­che selbst greif­bar ist, der von der Bestel­lung von Fel­dern wie sei­ne Vor­fah­ren (deren er ganz und gar unwür­dig ist) dazu über­ge­gan­gen ist, den Geist zu pfle­gen, den Gott als einen der Kir­che erge­be­nen Sohn her­aus­ge­nom­men hat, der sich von Kopf bis Fuß tief in der Kir­che ver­wur­zelt fühlt. Ich sage es mit aller Ent­schie­den­heit und ohne das gering­ste Zögern: NEIN. Ich habe genug. Ich las­se mich nicht län­ger an der Nase her­um­füh­ren. Ich las­se mich nicht auf den Holz­weg füh­ren. Ich wer­de nicht so tun, als sei Paul VI. ein neu­er hei­li­ger Pius X., tief­grei­fend gewan­delt, natür­lich zum Bes­se­ren, wie es sich für unse­re pro­gres­si­ve Zeit gehört.

Wie kann man es wagen zu ver­kün­den, daß es kei­ne „neue Mes­se“ gibt, daß „sich nichts geän­dert hat“, daß „alles beim Alten bleibt“, wenn nichts oder fast nichts von der Mes­se übrig­ge­blie­ben ist, die so vie­le Hei­li­ge mit Lie­be gehegt haben? Wenn die „Exper­ten“, die aus Grün­den des Gemein­wohls mit der Arbeit an die­sem Abriß­pro­jekt beauf­tragt wur­den, es immer wie­der als eine wah­re lit­ur­gi­sche „Revo­lu­ti­on“ bezeich­net haben? Wenn die ein­fa­chen Gewis­sen der ein­fa­chen Gläu­bi­gen durch die­se Umwäl­zung erschüt­tert wur­den? Wie eine alte Dame beim Ver­las­sen der Kir­che am ersten Advents­sonn­tag aus­rief, erdrückt vom „neu­en Ritus“ (das Adjek­tiv stammt von Paul VI.): „Das ist eine Mes­se? Man kann sie nicht mehr erken­nen!“ Das war so offen­sicht­lich, daß der Zele­brant, ent­we­der durch Ablen­kung oder durch Eile, die Kon­se­kra­ti­on des Wei­nes aus­ge­las­sen hat­te! Aber was spielt das für eine Rol­le in einer Mes­se, in der der Begriff des Opfers per defi­ni­tio­nem nicht vor­han­den ist?

Ich wer­de die Argu­men­te gegen die­se neue Lit­ur­gie hier nicht wie­der­ho­len. Ande­re, die gut infor­miert, kom­pe­tent und zuver­läs­sig sind, haben dies bereits getan, und sie haben es gut getan. Wenn Exper­ten­mei­nun­gen mit dem gesun­den Men­schen­ver­stand eines gewöhn­li­chen Chri­sten über­ein­stim­men, ist es nicht nötig, eige­ne Kom­men­ta­re hin­zu­zu­fü­gen. Alles ist bereits gesagt wor­den, von ange­se­he­nen Spe­zia­li­sten, erfah­re­nen Theo­lo­gen und Kano­ni­sten, Prie­stern und from­men Ordens­leu­ten und sogar von jener guten, ein­fa­chen Frau, die den tief­sten und herz­lich­sten Pro­test der christ­li­chen Mas­sen gegen die­se „Trans­for­ma­ti­on“ zum Aus­druck brach­te: „Man kann sie nicht mehr erken­nen!“ Das faßt es per­fekt zusam­men: „Man kann sie nicht mehr erken­nen.“ Die Gläu­bi­gen spü­ren es instink­tiv: „Da ist nichts Katho­li­sches mehr dran.“

Die­se Mes­se stellt sowohl als Gan­zes als auch in ihren Ein­zel­hei­ten eine ekla­tan­te Abwei­chung von der katho­li­schen Theo­lo­gie der Hei­li­gen Mes­se dar, wie sie auf der zwei­und­zwan­zig­sten Sit­zung des Kon­zils von Tri­ent for­mu­liert wur­de, das durch die end­gül­ti­ge Fest­le­gung der ‚Cano­nes‘ des Ritus eine unüber­wind­li­che Bar­rie­re gegen jede Häre­sie errich­tet hat, die die Inte­gri­tät des Myste­ri­ums angrei­fen könn­te.“ Die stren­gen Wor­te von Kar­di­nal Otta­via­ni kön­nen kaum von jeman­dem guten Glau­bens bestrit­ten wer­den, der den neu­en Ordo Mis­sæ stu­diert und alle sei­ne Ein­zel­hei­ten berück­sich­tigt hat. Nie­mand, der guten Wil­lens ist, kann ihre düste­re Rea­li­tät igno­rie­ren, nach­dem er, wie wir in Bel­gi­en nach dem 30. Novem­ber, jeden Sonn­tag und an Weih­nach­ten, „die neue Mes­se“ gehört hat, die von den Tech­no­kra­ten des Glau­bens vor­ge­fer­tigt wur­de. Ein­ge­zwängt zwi­schen einem pom­pö­sen und thea­tra­li­schen Wort­got­tes­dienst und einer „Selbstbedienungs“-Liturgie des Mahls wird das HEILIGE OFFER DER MESSE, mit ande­ren Wor­ten das WESENTLICHE, im Hand­um­dre­hen von einem Kle­ri­ker abge­fer­tigt, der nach mei­ner Erfah­rung in neun von zehn Fäl­len nicht einen ein­zi­gen Moment lang an das zu glau­ben scheint, was er tut.

Ich wie­der­ho­le: Dies wur­de gründ­lich bewie­sen, und gegen die­se Bewei­se und Argu­men­te wur­de nichts ande­res als schlan­gen­haf­te Rhe­to­rik und Jere­mia­den vorgebracht.

Die­se „neue Mes­se“ MUSS ABGELEHNT WERDEN mit der gan­zen Ener­gie und dem Mut von Pater Roger-Tho­mas Cal­mel OP, und gemäß den von Jean Madiran auf­ge­stell­ten Richt­li­ni­en, auch wenn sie je nach Bedarf, mit der gebo­te­nen Vor­sicht und je nach den Umstän­den indi­vi­du­ell ange­paßt wer­den müs­sen, mit der dop­pel­ten Absicht, die immer prä­sent ist, das Häre­ti­sche im Amt abzu­leh­nen und nur das Ortho­do­xe zu akzeptieren.

Ich für mei­nen Teil ver­stop­fe mei­ne Ohren sorg­fäl­tig mit Wachs. Ich ver­stecke mich im hin­te­ren Teil der Kir­che hin­ter einem Vor­hang, des­sen Sicht­schutz ich ver­dich­te, indem ich mich auf den nied­rig­sten Stuhl set­ze, den ich fin­den kann. Ich lese die Hei­li­ge Mes­se in dem Meß­buch, das mir mei­ne hei­lig­mä­ßi­ge Mut­ter geschenkt hat, nach­dem das vor­he­ri­ge, das sie mir geschenkt hat­te, völ­lig abge­nutzt war. Ich lese die Nach­fol­ge Chri­sti auf Latein wäh­rend des Gefa­sels, das heu­te als Pre­digt durch­geht. Ich neh­me mit gan­zem Her­zen an der Erneue­rung des Opfers von Gol­ga­tha teil. Ich zwin­ge den Prie­ster, der die Kom­mu­ni­on in die Hän­de der „Scha­fe“ aus­teilt, die er zäh­men soll, sie mir an der Kom­mu­ni­on­bank, wo ich knie, in den Mund zu rei­chen. Und wäh­rend des letz­ten Lärms gehe ich nach drau­ßen, um zu medi­tie­ren und zu beten, daß der Herr mich noch tau­ber machen möge für den Lärm der Welt, sowohl im wört­li­chen als auch im über­tra­ge­nen Sinne.

Ich muß zuge­ben, daß ich manch­mal wütend wer­de, wenn ich irgend­ei­nen Blöd­sinn höre, wie die­sen, für des­sen Echt­heit ich garan­tie­re: „Laßt uns beten, mei­ne Brü­der, daß es unter den jun­gen Män­nern und Frau­en, die durch ihre ähn­li­che Fri­sur und Klei­dung zusam­men­ge­bracht wer­den, kei­nen Unter­schied mehr zwi­schen den Geschlech­tern gibt.“ Aber man kann sich an alles gewöh­nen, selbst an den lächer­lich­sten Blöd­sinn. Wie Léon Bloy zu Recht sag­te, muß man mit sei­ner Ver­ach­tung spar­sam sein, denn es gibt so vie­le, die sie verdienen.

Machen wir kei­nen Hehl aus der Wahr­heit. Unse­re Wei­ge­rung impli­ziert ein Urteil über die Taten und Wor­te Pauls VI. und sogar über sei­ne Per­son, mit der wir gegen unse­ren Wil­len die Tugend der „brü­der­li­chen Zurecht­wei­sung“ prak­ti­zie­ren müs­sen, die der hei­li­ge Tho­mas von Aquin als eine Erwei­te­rung der Tugen­den des Almo­sen­ge­bens und der Näch­sten­lie­be ansieht und die man, wie er sagt, sogar öffent­lich mit sei­nen Vor­ge­setz­ten aus­üben muß, nach­dem man alle ver­bor­ge­nen Mit­tel dazu aus­ge­schöpft hat (II-IIae, q. 33). Man kann mit Sicher­heit davon aus­ge­hen, daß ein Unter­ge­be­ner, der die päpst­li­che Auto­ri­tät so sehr respek­tiert wie Kar­di­nal Otta­via­ni, sein Memo­ria­le an Paul VI. nicht ver­öf­fent­licht hat, ohne zuvor alle mög­li­che diplo­ma­ti­sche Vor­sicht wal­ten zu las­sen. „Wenn ein Obe­rer tugend­haft ist“, schreibt ein Kom­men­ta­tor der Sum­ma, “wird er jede War­nung, die ihm Klar­heit ver­schaf­fen könn­te, dank­bar anneh­men. Er wird der erste sein, der zugibt, daß es rich­tig ist, ihn zu war­nen, und daß er nicht in jeder Hin­sicht unan­tast­bar ist“. Und er fügt in Anleh­nung an den hei­li­gen Tho­mas hin­zu, daß die War­nung öffent­lich sein muß, „wenn zum Bei­spiel ein Obe­rer öffent­lich offen­sicht­li­che Irr­leh­ren ver­kün­det oder einen gro­ßen Skan­dal ver­ur­sacht und damit den Glau­ben und das Heil sei­ner Unter­ge­be­nen gefähr­det“.

Kar­di­nal Otta­via­ni ist sicher­lich nicht der ein­zi­ge, der der Mei­nung ist, daß Paul VI. durch sei­ne Wor­te und Taten „ekla­tant von der katho­li­schen Theo­lo­gie der Hei­li­gen Mes­se abweicht“. Es ist in der Tat unvor­stell­bar, daß der Papst ein so wich­ti­ges Doku­ment nur über­flo­gen und acht­los unter­zeich­net hat. Der Ordo Mis­sæ und die Neue Mes­se, die wir ener­gisch ableh­nen, sind von Paul VI. gewollt und allen Katho­li­ken aufgezwungen.

Wie ist eine sol­che Hal­tung eines Pap­stes in einer so kri­ti­schen Zeit in der Geschich­te der Kir­che mög­lich? Ich kom­me nicht umhin, mir die­se Fra­ge zu stel­len. Und ich kann mei­ne Ant­wort nicht län­ger ver­schwei­gen. Es steht zu viel auf dem Spiel, als daß die Lai­en die Prie­ster aller Rän­ge allein, ohne die Unter­stüt­zung eines Teils der Gläu­bi­gen, die sie vor der Gefahr gewarnt haben, gegen den „Skan­dal“ der neu­en Mes­se kämp­fen las­sen könnten.

Es geht nicht dar­um, sich zu empö­ren – so ver­lockend das auch sein mag –, son­dern zu verstehen.

Paul VI. ist ein Mann vol­ler Wider­sprü­che. Ein Mann, der in sei­nem „Cre­do des Got­tes­vol­kes“ das hei­li­ge Meß­op­fer in gro­ßen und tra­di­tio­nel­len Wor­ten preist, es aber in der neu­en Mes­se, die er der katho­li­schen Chri­sten­heit auf­zwingt, her­un­ter­spielt. Ein Mann, der die offi­zi­el­len Erklä­run­gen des Kon­zils zur latei­ni­schen Spra­che, „der lit­ur­gi­schen Spra­che schlecht­hin“, und zum Gre­go­ria­ni­schen Cho­ral, einem Schatz, den es eif­rig zu bewah­ren gilt, unter­zeich­net und ver­kün­det und sich dar­über hin­aus öffent­lich zu ihrer Bewah­rung ver­pflich­tet, der aber sei­ne Unter­schrift und sein Wort bricht, nach­dem er in einer so wich­ti­gen Ange­le­gen­heit wie der Aus­drucks­wei­se des Gott dar­ge­brach­ten Got­tes­dien­stes nur Lit­ur­gie­ex­per­ten kon­sul­tiert hat, von denen eini­ge ver­däch­tig sind und ande­re zu dis­si­den­ten christ­li­chen Gemein­schaf­ten gehö­ren. Das ist der Mann, der dafür sorgt, daß der nie­der­län­di­sche Kate­chis­mus zen­siert wird, der aber die Ver­brei­tung der dar­in ent­hal­te­nen dog­ma­ti­schen Irr­tü­mer dul­det. Das ist der Mann, der den fran­zö­si­schen Kate­chis­mus geneh­migt, des­sen Feh­ler, Aus­las­sun­gen und Ent­stel­lun­gen der geof­fen­bar­ten Wahr­heit umso schwer­wie­gen­der sind, als er für Kin­der bestimmt ist, der aber Abwei­chun­gen vom Glau­ben in ande­ren Tei­len der gan­zen Welt unter­sucht. Das ist der Mann, der Maria als Mut­ter der Kir­che ver­kün­det, aber zahl­lo­sen Kle­ri­kern aller Rän­ge erlaubt, die Rein­heit ihres Namens zu beflecken. Dies ist der Mann, der auf dem Peters­platz und in der frei­mau­re­risch gepräg­ten Refle­xi­ons­kam­mer der Ver­ein­ten Natio­nen betet. Das ist der Mann, der zwei Schau­spie­le­rin­nen, die absicht­lich und auf­rei­zend in Mini­röcken geklei­det sind, eine Audi­enz gibt, sich dann aber gegen die wach­sen­de Sexua­li­sie­rungs­wel­le in der Welt aus­spricht. Das ist der Mann, der Pastor Boe­g­ner1 sagt, Katho­li­ken sei­en nicht reif genug für die Gebur­ten­kon­trol­le mit „der Pil­le“, der aber Humanæ vitæ ver­öf­fent­licht, wäh­rend er zuläßt, daß die­se Enzy­kli­ka von gan­zen Bischofs­kon­fe­ren­zen in Fra­ge gestellt wird.

Das ist der Mann, der ver­kün­det, daß das Gesetz über den kle­ri­ka­len Zöli­bat nie­mals abge­schafft wer­den wird, aber zuläßt, daß es end­los in Fra­ge gestellt wird, wäh­rend er es Prie­stern, die hei­ra­ten wol­len, leicht macht, dies zu tun. Das ist der Mann, der die Hand­kom­mu­ni­on ver­bie­tet, sie aber zuläßt und sogar eini­gen Kir­chen durch ein beson­de­res Indult erlaubt, die hei­li­gen Hosti­en von Lai­en aus­tei­len zu las­sen. Das ist der Mann, der die „Selbst­zer­stö­rung der Kir­che“ beklagt, der aber, obwohl er ihr Ober­haupt ist, nichts dage­gen unter­nimmt und sie somit mit sei­ner eige­nen Zustim­mung gesche­hen läßt. Das ist der Mann, der die Nota præ­via über sei­ne Befug­nis­se her­aus­gibt, der aber zuläßt, daß sie auf der Syn­ode von Rom als über­holt abge­tan und in Ver­ges­sen­heit gera­ten wird, usw.

Man könn­te die Wider­sprü­che des Pap­stes end­los auf­zäh­len. Der Mann selbst ist ein per­ma­nen­ter Wider­spruch sowie von grund­le­gen­der Zweideutigkeit.

Es gibt also zwei Möglichkeiten.

Ein Mann, der sei­ne inne­ren Wider­sprü­che nicht über­win­den kann und sie offen zur Schau stellt, kann auch die äuße­ren Wider­sprü­che nicht über­win­den, denen er bei der Lei­tung der Kir­che begeg­net. Er ist ein schwa­cher und unent­schlos­se­ner Papst, wie ande­re in der Geschich­te der Kir­che, der sei­ne Schwan­kun­gen hin­ter einer Flut von Rhe­to­rik ver­birgt, die der Kai­ser Juli­an, genannt der Abtrün­ni­ge, mit Blick auf die aria­ni­schen Bischö­fe sei­ner Zeit, die sie so geschickt prak­ti­zier­ten, „die Kunst, das Wesent­li­che her­un­ter­zu­spie­len, das Unwe­sent­li­che zu über­trei­ben und die Wirk­lich­keit der Din­ge durch die Kunst der Wor­te zu erset­zen“, nann­te. Manch­mal wer­den in einer ein­zi­gen Phra­se einer päpst­li­chen Anspra­che Schwarz und Weiß kom­bi­niert und durch syn­tak­ti­sche Tricks mit­ein­an­der versöhnt.

Die zwei­te Hypo­the­se ist nicht weni­ger wahr­schein­lich: Der Papst weiß, was er will, und die Wider­sprü­che, die er zeigt, sind ledig­lich sol­che, auf die ein Mann der Tat, getrie­ben von dem Ziel, das er errei­chen will, auf sei­nem Weg stößt und sich nicht im gering­sten dar­um küm­mert, da er von der Kraft sei­nes Ehr­gei­zes mit­ge­ris­sen wird.

In die­ser Hin­sicht kann man, vor allem nach dem neu­en Ordo Mis­sæ und der neu­en Mes­se, davon aus­ge­hen, daß Paul VI. die Absicht hat­te, Kle­ri­ker und Lai­en der ver­schie­de­nen christ­li­chen Deno­mi­na­tio­nen in einer ein­zi­gen lit­ur­gi­schen Akti­on zusam­men­zu­füh­ren. Wie jeder erfah­re­ne Poli­ti­ker weiß auch der Papst, daß es mög­lich ist, Men­schen mit grund­le­gend unter­schied­li­chen „phi­lo­so­phi­schen und reli­giö­sen Ansich­ten“ zu ver­ei­nen, wie wir bei Tref­fen in mei­ner Jugend sag­ten. Wenn dies der Fall ist, kön­nen wir in naher Zukunft wei­te­re Mani­fe­sta­tio­nen päpst­li­chen öku­me­ni­schen Han­delns nach dem Vor­bild poli­ti­scher Manö­ver erwarten.

Es stimmt, daß sich die bei­den Inter­pre­ta­tio­nen des Ver­hal­tens von Paul VI. ver­bin­den las­sen. Ein schwa­cher Mensch flieht vor sei­ner Schwä­che oder, genau­er gesagt, vor sich selbst, und stürzt sich in eine Akti­on, bei der die Wider­sprü­che nur ver­schie­de­ne Pha­sen der für die Akti­on selbst wesent­li­chen Ver­än­de­run­gen sind. Sol­che Tem­pe­ra­men­te sind ganz klar auf die Welt und die damit ver­bun­de­nen Ver­än­de­run­gen aus­ge­rich­tet, die das eige­ne Han­deln in ihr beein­flus­sen. Man kann dann ohne Schwie­rig­kei­ten einen „neu­en Kate­chis­mus“ akzep­tie­ren, der mit dem alten Kate­chis­mus unver­ein­bar ist, „weil es eine neue Welt gibt“, wie die fran­zö­si­schen Bischö­fe sagen, und in der Spra­che der Welt hat „eine neue Welt“ nichts mit der frü­he­ren gemein, so wie eine neue Mode nichts mit einer alten gemein hat. „Es ist daher nicht mehr mög­lich“, fügen sie hin­zu, „die Riten in einer sich schnell ent­wickeln­den Welt als dau­er­haft fest­ste­hend zu betrach­ten“. Wir sind gewarnt: Die neue Mes­se gleicht der per­ma­nen­ten Revo­lu­ti­on, die alle Jugend­li­chen und Erwach­se­nen anspricht, die ihre Puber­täts­kri­sen noch nicht über­wun­den haben, weil sie die Wider­sprü­che ver­deckt, die sie nicht über­win­den kön­nen, gera­de weil die­se Wider­sprü­che zu ihnen gehören.

Bei den Epi­go­nen kommt dies am deut­lich­sten, wenn auch in über­trie­be­ner Wei­se, zum Aus­druck. Marx sag­te, daß die Geschich­te die Tra­gö­die von Napo­le­on I. als Komö­die unter Napo­le­on III. wie­der­hol­te. Eben­so hat ein gewis­ser bel­gi­scher Bischof, der mir wie eine Art Mini-Paul VI. erscheint, gera­de die Auf­ga­be erhal­ten, die neue Mes­se der ver­blüff­ten Öffent­lich­keit vor­zu­stel­len. „Dies“, so erklär­te er lachend, „ist das erste abschlie­ßen­de Kapi­tel der seit dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil lau­fen­den Lit­ur­gie­re­form“. Man ver­si­chert uns, daß es ein zwei­tes Schluß­ka­pi­tel geben wird, und dann ein drit­tes, und so wei­ter ohne Ende. Der Mann, der ver­sucht, vor sich selbst zu flie­hen, indem er sich ver­än­dert, schafft das trotz sei­ner manch­mal komi­schen Bemü­hun­gen nie.

Unter die­sem Gesichts­punkt ist es schwie­rig, zwei Päp­ste in der Geschich­te zu fin­den, die sich radi­ka­ler unter­schei­den als der hei­li­ge Pius X. und Paul VI.

Vor kur­zem habe ich die Enzy­kli­ka Pas­cen­di2 erneut gele­sen. Auf fast jeder Sei­te stel­le ich fest, daß das, was der erste ablehnt, der zwei­te akzep­tiert, tole­riert und gutheißt.

Der hei­li­ge Pius X. war der Fels in der Bran­dung, ein Mann, der weder sein Amt noch sein Volk im Stich gelas­sen hat und der sich kei­ner sei­ner Ver­ant­wor­tun­gen ent­zo­gen hat, wie Paul VI. in sei­ner bemer­kens­wer­ten Rede vom 7. Dezem­ber 1968 zugab: „Vie­le erwar­ten vom Papst dra­ma­ti­sche Gesten und ener­gi­sche und ent­schie­de­ne Inter­ven­tio­nen. Der Papst glaubt nicht, daß er eine ande­re Linie ver­fol­gen soll­te als die des Ver­trau­ens in Jesus Chri­stus, dem sei­ne Kir­che mehr als jedem ande­ren anver­traut ist. Er ist es, der den Sturm beru­hi­gen wird.“

Der hei­li­ge Pius X. war nicht der Mann der allein pasto­ra­len Regie­rung, als den sich Paul VI. in sei­ner Rede vom 17. Febru­ar 1969 bezeich­ne­te, in der er sag­te, er sei „offen für Ver­ständ­nis und Nach­sicht“. Viel­mehr war er ein Papst, der das Bei­spiel sei­ner Vor­gän­ger beher­zig­te, der die gesun­de Leh­re mit äußer­ster Wach­sam­keit und uner­schüt­ter­li­cher Festig­keit ver­tei­dig­te, um sie vor jeg­li­chem Scha­den zu bewah­ren, ein­ge­denk des Gebots des Apo­stels: „Bewah­re das dir anver­trau­te kost­ba­re Gut“ (2 Timo­theus 1,14).

Für den hei­li­gen Pius X. „hat Jesus Chri­stus gelehrt, daß es die erste Pflicht der Päp­ste ist, mit größ­ter Wach­sam­keit das über­lie­fer­te Glau­bens­gut zu bewah­ren und die pro­fa­nen Wort­neu­schöp­fun­gen abzu­leh­nen“, und zwar gegen „jene, die jede Auto­ri­tät ver­ach­ten und unter Beru­fung auf ein fal­sches Gewis­sen ver­su­chen, einer Wahr­heits­lie­be das zuzu­schrei­ben, was in Wirk­lich­keit das Ergeb­nis von Stolz und Eigen­sinn ist“. Er hät­te nie­mals zuge­ge­ben, wie Paul VI. oft ange­deu­tet hat, daß „die Wahr­heit auch in den reli­giö­sen Erfah­run­gen“ ande­rer Reli­gio­nen zu fin­den ist und daß Juden, Mus­li­men und Chri­sten der­sel­be Gott gemein­sam sei. Nie­mals hät­te er „die Leh­rer des Irr­tums“ wie Marie-Domi­ni­que Chenu und Kon­sor­ten „so geehrt, daß man glau­ben könn­te, die Bewun­de­rung gel­te nicht nur den Per­so­nen, die viel­leicht nicht unver­dient ist, son­dern viel­mehr den Irr­tü­mern, die sie offen beken­nen und ver­tre­ten“.

Der hei­li­ge Pius X. hät­te nie­mals behaup­tet, daß „die Anbe­tung aus einem Bedürf­nis gebo­ren wird, denn alles im System der Moder­ni­sten erklärt sich aus inne­ren Impul­sen oder Not­wen­dig­kei­ten“. Wie vie­le Tex­te Pauls VI. könn­ten wir hier auf­zäh­len, die genau das Gegen­teil aus­sa­gen, vor allem sei­ne Rede vom 26. Novem­ber 1969, in der er sei­ne Ableh­nung des Latein und des Gre­go­ria­ni­schen Cho­rals in der neu­en Mes­se mit dem angeb­li­chen Bedürf­nis des Vol­kes recht­fer­tigt, sein Gebet zu ver­ste­hen und am Amt „in sei­ner All­tags­spra­che“ teil­zu­neh­men. Der hei­li­ge Pius X. bil­lig­te nicht die „gro­ße Besorg­nis der Moder­ni­sten, einen Weg der Ver­söh­nung zwi­schen der Auto­ri­tät der Kir­che und der Frei­heit der Gläu­bi­gen zu fin­den“, wie es Paul VI. stän­dig tut. Er bekann­te sich weder zu „jener höchst ver­derb­li­chen Leh­re, die aus den Lai­en einen Fak­tor des Fort­schritts in der Kir­che machen wür­de“, noch such­te er „Kom­pro­mis­se und Trans­ak­tio­nen zwi­schen den Kräf­ten der Bewah­rung und des Fort­schritts in der Kir­che, um die von unse­rer Zeit gefor­der­ten Ver­än­de­run­gen und Fort­schrit­te her­bei­zu­füh­ren“. Pius X. folg­te auch nicht der „rein sub­jek­ti­ven“ Metho­de, die die Moder­ni­sten dazu treibt, „sich in die Posi­ti­on und die Per­son Chri­sti zu ver­set­zen und ihm dann das zuzu­schrei­ben, was sie unter ähn­li­chen Umstän­den getan hät­ten“, wie Paul VI. es tut, wenn er, nach­dem er ein­sei­tig den Gebrauch der neu­en Mes­se ver­fügt hat, behaup­tet, sein Wil­le sei „der Wil­le Chri­sti, der Hauch des Gei­stes, der die Kir­che zu die­ser Wand­lung ruft“, und fügt pathe­tisch hin­zu, um zu zei­gen, daß sei­ne Inspi­ra­ti­on mit der gött­li­chen über­ein­stimmt (obwohl er in sei­nem Cre­do betont, daß dies nicht der Fall ist), daß „die­ser pro­phe­ti­sche Augen­blick, der den mysti­schen Leib Chri­sti, der die Kir­che ist, durch­dringt, sie erschüt­tert, sie auf­rüt­telt und sie zwingt, die geheim­nis­vol­le Kunst ihres Gebets zu erneu­ern“ (26. Novem­ber 1969). Johan­nes vom Kreuz sag­te: „Am sicher­sten ist es, Pro­phe­zei­un­gen und Offen­ba­run­gen zu flie­hen, und wenn uns etwas Neu­es in bezug auf den Glau­ben offen­bart wird [die lex oran­di ist auch lex cre­den­di, und jede offen­sicht­li­che Neu­heit im Got­tes­dienst ist eine Neu­heit im Glau­ben], darf man dem auf kei­nen Fall zustim­men“ (Auf­stieg zum Berg Kar­mel, 1. II, Kap. 19 und 27).

Ist es schließ­lich nicht offen­sicht­lich, daß sich hin­ter den Inter­ven­tio­nen Pauls VI. auf der Welt­büh­ne die vom hei­li­gen Pius X. als ver­derb­lich abge­lehn­te Über­zeu­gung ver­birgt, daß „das Reich Got­tes sich im Lau­fe der Geschich­te lang­sam wei­ter­ent­wickelt hat, indem es sich nach und nach den ver­schie­de­nen Pha­sen anpaß­te, die es durch­lief, und von ihnen durch leben­di­ge Assi­mi­la­ti­on alle […] For­men über­nahm, die sei­nem Zweck dien­ten“?

Wie John H. Knox in einem ein­dring­li­chen Arti­kel in der Natio­nal Review (21. Okto­ber 1969) bemerk­te, besteht kein Zwei­fel dar­an, daß „es nie einen Papst gab und wahr­schein­lich auch nie mehr geben wird, der sich so sehr bemüht hat, den Libe­ra­len zu gefal­len, und der so auf­rich­tig so vie­le ihrer Über­zeu­gun­gen teilt“. Und doch tadelt Paul VI. in einem Akt größ­ten Wider­spruchs die­sen Pro­gres­si­vis­mus als Moder­nis­mus redi­vi­vus!

Auf jeden Fall teilt Paul VI. offen­sicht­lich das Haupt­ziel der Moder­ni­sten, die katho­li­sche Kir­che für nicht­ka­tho­li­sche Kir­chen und sogar für alle athe­isti­schen Regime akzep­ta­bel zu machen, wie sei­ne jüng­ste Weih­nachts­an­spra­che (und vie­le frü­he­re) nahe­legt: Chi­na und Ruß­land ver­die­nen jetzt die Ach­tung und Wert­schät­zung der Katho­li­ken! Erin­nern wir uns an sei­ne begei­ster­te Unter­stüt­zung für die chi­ne­si­sche Jugend, die Mao in der „Kul­tur­re­vo­lu­ti­on“ mobilisierte!

Das ist ein Traum, eine Illu­si­on, deren Eitel­keit uns das Evan­ge­li­um selbst offen­bart: Die Kir­che wird nie­mals von der Welt geliebt wer­den, egal wie attrak­tiv sie sich zu machen ver­sucht. So hart unser Urteil über Paul VI. auch aus­fal­len mag, so müs­sen wir doch letzt­lich fest­stel­len, daß der jet­zi­ge Papst trotz der unbe­streit­ba­ren Qua­li­tä­ten sei­nes Her­zens die Din­ge immer wie­der anders sieht, als sie sind. Er ist ein fal­scher Geist.

Wie alle fal­schen Gei­ster ist er unbe­wußt grau­sam. Wäh­rend ein Kon­tem­pla­ti­ver sanft­mü­tig ist, ist ein Mann der Tat, der wie Paul VI. das Ziel sei­nes Han­delns durch eine träu­me­ri­sche Lin­se sieht, mit­leid­los gegen­über den armen See­len aus Fleisch und Blut, die er nicht zu sehen ver­mag oder, wenn er sie sieht, als Hin­der­nis­se betrach­tet. Dies erklärt die Unnach­gie­big­keit des Cha­rak­ters von Paul VI., die schein­bar im Wider­spruch zu sei­ner Unfä­hig­keit steht, die Kir­che zu regie­ren. Ein Mann der Tat ist fast immer unmensch­lich, wenn er sich aber in einer tau­send­jäh­ri­gen und spi­ri­tu­ell tri­um­pha­len Atmo­sphä­re bewegt, dann muß man Angst haben… Paul VI. wird vor­wärts gehen, ohne zurück­zu­schau­en, und jeden Wider­stand brechen…

Es sei denn, Gott öff­net ihm die Augen… Das wäre ein Wunder…

So bleibt uns nichts ande­res übrig, als zu ver­su­chen, die Ver­pflich­tung, die der hei­li­ge Johan­nes vom Kreuz in einem sei­ner Brie­fe erwähnt, in unser Leben ein­zu­bau­en: „Um Gott in allen Din­gen zu haben, müs­sen wir in allen Din­gen nichts haben.“ Die Kir­che ist in die dunk­le Nacht der Sin­ne und des Gei­stes ein­ge­tre­ten, die Pfor­te zum Abgrund. Ihr Zustand lädt uns ein, in unse­ren eige­nen einzutreten.

Die­se ewi­ge Quel­le ist tief ver­bor­gen,
Ich weiß wohl, wo sie ent­springt,
Auch wenn es Nacht ist!

Mar­cel De Cor­te
Pro­fes­sor an der Uni­ver­si­tät Lüttich

*Mar­cel De Cor­te wur­de 1905 in Bra­bant in Bel­gi­en gebo­ren und starb 1994. Der 1928 pro­mo­vier­te Phi­lo­soph und klas­si­sche Phi­lo­lo­ge war ein Erbe der gro­ßen ari­sto­te­li­schen Tra­di­ti­on und Zeit­ge­nos­se von Jac­ques Mari­tain, Éti­en­ne Gil­son, Gabri­el Mar­cel und Gust­ave Thi­bon. 1934 habi­li­tier­te er sich mit einer Arbeit über die Intel­lekt­leh­re bei Ari­sto­te­les. Als ordent­li­cher Pro­fes­sor lehr­te er an der Uni­ver­si­tät Lüt­tich bis 1975 Geschich­te der anti­ken Phi­lo­so­phie und Moral­phi­lo­so­phie. Er ver­faß­te mehr als zwan­zig Bücher zu phi­lo­so­phi­schen The­men. Sein beson­de­res Inter­es­se galt den gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen, die sich aus der Fran­zö­si­schen und der Indu­stri­el­len Revo­lu­ti­on erga­ben, vor allem dem mora­li­schen und sozia­len Zer­fall des moder­nen Men­schen. Ins Deut­sche über­setzt wur­de nur „Essai sur la fin d’u­ne civi­li­sa­ti­on“ (1950) „Das Ende einer Kul­tur“ (1957).

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons


1 Marc Roger Boe­g­ner (1891–1970), Pastor der Refor­mier­ten Kir­che von Frankreich.

2 Die Enzy­kli­ka Pas­cen­di Domi­ni­ci gre­gis wur­de vom hei­li­gen Papst Pius X. am 8. Sep­tem­ber 1907 veröffentlicht.

Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!

 




 

1 Kommentar

  1. End­lich mal eine leid­lich kla­re Ver­ur­tei­lung des zwei­ten vati­ka­ni­schen Kon­sils, aber wird katho​li​sches​.info die­sen Erkennt­nis­sen, die hier eigent­lich nicht so neu sind, fol­gen, und den Bischof, der sei­ne Schäd­lich­keit erkannt hat, sprich Bischof Vig­a­no unterstützen?
    Dazu noch ein­mal am Ran­de: Wo sagt der hei­li­ge Pau­lus zu sei­nen Freun­den und Schü­lern, wie z.B. Timo­theus, oder zu dem ihn anver­trau­ten Schäf­chen iegent­lich, dass man unbe­dingt mit jedem spre­chen, und auch immer wie­der mal die Gegen­sei­te zu Wort kom­men las­sen müsse?
    Dass man „um der Sach­lich­keit und Aus­ge­wo­gen­heit wil­len“ stän­dig Arti­kel ver­öf­fetn­li­chen muss, von denen man weiss, dass sie wider­li­che Lügen enthalten?
    Frei­lich ohne ein Gegen­bei­spiel dane­ben zu stellen?
    Mara­na­tha Herr Jesus, bitte!

Kommentare sind deaktiviert.