(Paris) Am 31. Juli verstarb im Alter von 93 Jahren der französische Schriftsteller Jean Madiran. Der Philosoph, Essayist und Journalist war einer der führenden Vertreter der zeitgenossischen Gegenrevolutionären Schule. Seine publizistische Tätigkeit begann Madiran bereits vor seiner Volljährigkeit. Sein erstes Buch erschien 1955. Ein Schaffen, das er bis zu seinem Tod fortsetzte. Sein letztes Buch wird posthum im Oktober erscheinen. Es ist der zweite Band seiner Chroniques sous Benoît XVI.. Als aufmerksamer Beobachter mit spitzer Feder wurde Madiran zum treuen Begleiter des Papstes durch dessen Pontifikat. Im deutschen Papst sah Madiran wieder jene gegenrevolutionäre Geisteskraft aufflackern, der er sich verpflichtet wußte. Der zweite Band umfaßt die Zeit von Anfang 2010 bis zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI. am 28. Oktober 2013.
Madirans Bücher wurden nicht ins Deutsche übersetzt
Obwohl Jean Madirans Œuvre allein an die 50 Bücher umfaßt, wurde keines seiner Werke ins Deutsche übersetzt. Zeichen dafür, wie unterschiedlich die geistigen Strömungen auch in benachbarten Ländern verlaufen. Für eine nationale und katholische Position, wie sie Jean Arfel vertrat, so Madirans richtiger Name, gab es im deutschen Sprachraum nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Platz. Nicht einmal einige seiner Hauptwerke wie Die Häresie des 20. Jahrhunderts (1968–1974) oder Die Rechte und die Linke (1977) fanden einen deutschen Verleger.
1920 in der Gironde geboren, schloß sich Jean Arfel früh dem integralen, monarchistisch ausgerichteten Nationalismus von Charles Maurras an, dessen Sekretär er wurde. Prägender als Maurras waren für Arfel jedoch André und Henri Charlier. Henri Charlier, einer der bedeutendsten christlichen Künstler der Zwischenkriegszeit und sein Bruder André Charlier, ein anerkannter Pädagoge und Schuldirektor vertraten eine moralische Erneuerung im katholischen Glauben. Zu ihren Schülern gehörte neben Jean Madiran auch der späterer Gründerabt von Le Barroux, Dom Gerard Calvet.
L’Action francaise und die Brüder Charlier – 1945 Zuflucht im Kloster und ein neuer Name
Madiran arbeitete über Maurras unter anderem an der Tageszeitung L’Action française mit, die sich zur Neuordnung der gesellschaftlichen Ordnung Frankreichs zur Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht bereit erklärte. Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs, machten bewaffnete Volksfront-Verbände Jagd auf politische Gegner. Der 24 Jahre alte Arfel mußte 1945 untertauchen und fand rettende Zuflucht in einem Kloster auf den Hügeln von Madiran. Aus Dankbarkeit legte er sich den Namen zu, unter dem er nach dem Krieg bekannt wurde.
Stets der Tradition in all ihren Teilen verpflichtet, wurde er in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Nachkonzilszeit zum katholischen Traditionalisten. Madiran war ein unermüdlicher Streiter für die katholische Kirche und ein Freund der Priesterbruderschaft St. Pius X. Gegen das Eindringen modernistischer Ideen in die Kirche widersetzte er sich in einem umfassenden geistigen Kampf. Neben seinen Büchern tat er dies vor allem durch die Gründung der Zeitschrift Itinéraires (1956–1997) und die Tageszeitung Présent (1982- ), deren Schriftleitung er innehatte. In den Spalten von Present nahm er bis zum letzten Atemzug zu religiösen und politischen Fragen Stellung.
Messerscharfe Analyse des Kommunismus – Kritik an linkskatholischen Wasserträgern
Wie Maurras und L’Action française, so wurden auch Itinéraires und Présent von politischen Gegnern als „rechtsextrem“ bezeichnet. Doch mit Begriffen wie „Rechtsextremismus“, die mit katholischen Kategorien nichts zu tun hatten, konnte Madiran nichts anfangen. Sie waren für ihn Propagandaschlagwörter aus jener linken Trickkiste, die er frühzeitig und mit seltener Klarsicht durchschaut hatte. Von dieser Seite ließ er sich keinen Nachhilfeunterricht erteilen.
Unter seinen Werken ragt daher nicht zufällig La vieillesse du monde (1966) hervor, eine messerscharfe, kaum übertreffbare Analyse des Kommunismus. Jean Madiran deckte dabei nicht nur die systematische, dem Kommunismus geradezu immanente Desinformation auf, sondern auch die damit zusammenhängende „Manipulation der Gewissen“ (Madiran) durch die Massenmedien und die Unterstützung progressiver Katholiken für kommunistische oder kryptokommunistische Parteien und Gruppierungen.
Treuer Sohn der Kirche und unermüdlicher Streiter für die Heilige Messe im überlieferten Ritus
Jean Madiran war einer der großen Verteidiger der überlieferten Messe. Das Wohl Frankreichs und das Wohl der katholischen Kirche bildeten für den überlegenen Kritiker und Mahner eine untrennbare Einheit. Am 5. August fanden in Versailles in der Kirche Notre-Dame de l’Armée Requiem und Beerdigung in der außerordentlichen Form des Römischen Ritus statt. Es zelebrierte Dom Louis-Marie, der Nachfolger von Dom Gerard Calvet als Abt der Benediktinerabtei von Barroux. Madiran war Oblate des Heiligen Benedikts von Nursia.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Chrétienté