
(Rom) Als das Latein aufgegeben wurde, begann auch unsere Identität zu schwinden. Latein war unsere Sakralsprache, die durch viele Jahrhunderte selbst die Analphabeten beherrschten. Mit der Preisgabe der lateinischen Sprache wurde der Selbstmord der europäischen Kultur eingeläutet.
Latein war nicht nur die Sprache der Gebildeten , oder noch schlimmer – wie von manchen fälschlich dargestellt – die Sprache einiger Snobs, um die Armen und Ungebildeten zu diskriminieren. Das schreibt jemand, der in den 50er Jahren geboren wurde und Latein noch in Schule, Kirche und Kultur kennenlernte. Diese Sprache war nicht die Sprache der Mächtigen. Sie war keine Volkssprache, weshalb sie nicht von einer Volkssprache gegen eine andere ausgespielt werden konnte. Latein ist die Sprache der Kultur und vor allem des Kultus. Kultus und Kultur gehen einher, wie es die Begriffe bereist ausdrücken. Mit dem Abhandenkommen der Sakralsprache, mußte auch die Kultur, und damit unsere Identität verkümmern.
Wer glaubt, Sprachen seien beliebig austauschbar, kennt die Wirklichkeit nicht, sonst wüßte er um den kulturellen Verkümmerungsprozeß, der jene Völker trifft, denen ihre Sprache genommen und durch eine andere ersetzt wurde. Er weiß nichts vom Verstummen, das einsetzte und zu wirklichem Analphabetentum führte. Um wieviel mehr muß das erst gelten, wenn dem Volk nicht die Volkssprache, sondern die Sakralsprache genommen wird.
Die lateinische Sakralsprache hob zu allen Zeiten selbst den Armen und Ungebildeten zu den höchsten Höhen der Kultur. Die wichtigsten Gebete und die heilige Liturgie kannten alle, sogar der Letzte der Armen und Ungebildeten. Damit aber gehörte er im Augenblick, in dem er sie sprach, zu den Ersten und er sprach eine Weltsprache, die ihn mit allen Glaubensbrüdern verband, weltweit, wo auch immer. Selbst ein Niccolò Machiavelli, dem nachgesagt wird, ein Zyniker gewesen zu sein, sagte vom Latein, daß es jedem der es im Munde führt, und sei es für ein Ave Maria, in diesem Augenblick kaiserliche und königliche Gewänder anlegt.
Die lateinische Sonntagsmesse ließ uns alle zweisprachig sein, selbst wenn wir nur eine Volkssprache, unsere Muttersprache, beherrschten. Der einfachste Bauernknecht im entlegensten Bergdorf besaß außergewöhnliche Sprachkenntnisse, die wir heute trotz Schulpflicht und Fremdsprachenunterricht nicht annähernd in dieser Breite und Tiefe erreichen.
In den Gassen von Wien, Köln und Neapel sprach man noch vor 60 Jahren ein reichere und korrektere Sprache als die meisten heutigen Schulabgänger mit Abitur. Latein war die gemeinsame Sakral‑, Bildungs- und Rechtssprache Europas, und das viele Jahrhunderte vor Gleichheitswahn und Globalisierung. Latein, das war unsere Identität, die europäische Identität. Sie war, da keine Muttersprache, das perfekte Gemeinsame. Sie nahm keiner Volkssprache etwas weg, und stellte damit weder eine Bevorzugung noch eine Bedrohung für irgendwen dar. Ganz anders heute: Englisch als gemeinsame Verkehrssprache bedroht die anderen Volkssprachen, weil sie selbst eine lebendige Volkssprache ist. Welchen schlimmeren Identitätsverlust gibt es, als die Preisgabe der eigenen Muttersprache?
Auf den Wissenschaftskongressen wurde bis Napoleon Latein gesprochen. An den Universitäten, die ihren Ursprung in der katholischen Kirche hatten, und deren entscheidendere Impulsgeber der Heilige Stuhl war, wurde auf Latein gelehrt und auf Latein geprüft. An den päpstlichen Universitäten war das noch in meiner Studienzeit so. Jeder konnte auf diese Weise überall studieren. Die Mobilität der Studenten, der Professoren, der Erkenntnis und des Wissens war grenzenlos, obwohl die staatliche Souveränität gewahrt blieb.
Die höchste Sprachstufe ist die Sakralsprache. Die Sakralsprache des Abendlandes war Latein. Seit seiner Abschaffung wird die Liturgie und die Katechese von teils seltsamen Mantras geflutet, die in Hunderten Volkssprachen formuliert werden. Die Ausbreitung esoterischer Praktiken und fernöstlicher Religionen ist ohne die Beseitigung der lateinischen Kultsprache in diesem Ausmaß nicht denkbar.
Apropos Satanismus. Bei diesem Stichwort denken die meisten Menschen noch immer an abschreckende Gestalten, die in irgendeinem Winkel eine Ziege schlachten. Die Wirklichkeit, wie Cecilia Gatto Trocchi zeigte, die ihr Schaffen der wissenschaftlichen Untersuchung dieses Phänomens widmete, sieht ganz anders aus. Die Eröffnung des St. Gotthard-Tunnels war ein erschreckendes und durch Häßlichkeit abstoßendes Beispiel dafür. Der Satanismus ist cool, wie uns Lady Gaga „lehrte“.
Als der Ostblock zusammenbrach, zerfiel der Marxismus in zahlreiche Strömungen, darunter auch eine esoterische.
In Großbritannien gibt es drei anerkannte Satanskirchen. Die größte Satanskirche der Welt befindet sich in Oklahoma City. Sie verfügt sogar über reguläre „Militärkapläne“, die dank Barack Obama von der US-Regierung ihr Gehalt beziehen. Obama erklärte ja schließlich: „Love is Love“, will sagen: „Religion ist Religion“.
Was hat das nun mit Latein zu tun?
Cecilia Gatto Trocchi stellte in ihren Studien fest, daß sich unter den Satanisten kaum oder nur marginal Menschen mit klassischer Schulbildung finden. Das bestätigt noch mehr: Die Schulbildung schützt demnach vor den Abgründen des Satanismus. Anders ausgedrückt: Mit dem Abdriften Richtung Esoterik und all ihren Verzweigungen geht immer ein Identitätsverlust einher. Identität bedeutet Sinn. Die Sinnfrage steht also in direktem Zusammenhang mit der Identitätsfrage.

Der Verlust des Lateins war der Anfang zum Selbstmord der europäischen Kultur. Dieser Selbstmord wurde vom Vatikan 1965 und dann von der 68er-Bewegung gefördert, weil beide die eigene Identität verleugnet haben.
Das Christentum ist nicht eine Religion, sondern ein historisches Ereignis. Jesus Christus wurde gekreuzigt und begraben. Am dritten Tag ist er auferstanden von den Toten. Ja oder nein? Falls jemand mit „Nein“ antworten sollte, möge er mir bitte erklären, wie ein jüdischer Zimmermann, der in einer unbedeutenden, römischen Provinz gekreuzigt wurde und nie auch nur eine Zeile von dem zu Papier brachte, was er irgendwelchen Leuten, die niemand kannte und für die sich niemand interessierte, die Welt verändern konnte.
Wenn die Antwort aber „Ja“ ist, dann sollte jeder, der so antwortet, sich die Zeit nehmen, um zum Beispiel folgende Zeilen auswendig zu lernen. Und niemand soll behaupten, das nicht zu können, ohne sich selbst ein bescheidenes Zeugnis auszustellen, denn jahrhundertelang konnte das jeder Stallknecht und jede Gänsemagd der katholischen Welt:
Ave Maria, gratia plena,
Dominus tecum,
benedicta tu in mulieribus,
et benedictus fructus ventris tui, Iesus.
Sancta Maria, mater Dei,
ora pro nobis peccatoribus,
nunc et in hora mortis nostræ.
Amen.
Und weil wir schon dabei sind, gleich noch die folgende Anrufung dazu, denn es geht um Grundlegendes, und das von größter Dramatik. Deshalb schadet es garantiert nicht, auch folgende Zeilen auswendig zu können und möglichst oft auch zu gebrauchen:
Sancte Michaël Archangele,
defende nos in prœlio;
contra nequitiam et insidias
diaboli esto præsidium.
Imperet illi Deus,
supplices deprecamur: tuque,
Princeps militiæ cælestis.
Satanam aliosque spiritus malignos,
qui ad perditionem animarum pervagantur in mundo,
divina virtute in infernum detrude.
Amen.
*Silvana de Mari, Ärztin
Bild: MiL/Joseph Shaw (Screenshots)
Ein wunderschöner Artikel.
Betr. den Satanismus:
Tatsächlich scheint die zu dem Satanismus gehörende Wicca-Bewegung die wichtigste Religionsgemeinschaft im US-amerikanischen Heer zu sein.
Aus diesem Grund wurde sie von Barack Obama und Hillary Clinton und die New Age-nahestehenden anerkannt und protegiert.
Und rekrutiert wird in den untersten Schichten der Bevölkerung.
Auch darauf weist dieser Artikel hin, wo die Verknüpfung von Satanismus mit Unbildung besprochen wird.
Trotzdem sei hingewiesen auf den nicht geringen Reiz, der okkulte Mysterienkulten mit einem mächtigen Demiurgen auf intelligente aber psychisch wenig stabile Personen ausüben:
das Selbstbewußtsein und der eigene Hybris können da sehr stark hofiert werden und die große Gefahr besteht, daß der beschränkte Mensch sich dann gottähnlich, wenn nicht für Gott selbst hält.
Das ist die große Sünde des Luzifers.
Wäre es nicht besser, mit Pater Noster und Credo anzufangen?
Bei aller Wertschätzung des Lateins – das Griechische sollte nicht vergessen werden. Die erste Kultursprache Europas war das Griechische, und nicht zuletzt wurde die Frohe Botschaft in Griechisch verfaßt. Die Ersetzung des Griechischen durch das Latein in der „Westkirche“ war der erste Schritt zur Spaltung der Christenheit, auch Europas. Als gemeinsames Gebet von Ost und West ist leider nur das Kyrie eleison verblieben, nicht zu vergessen natürlich der (griechische) Namen Christi und die daraus abgeleitete Bezeichnung „Christen“.
Vor allem aber: Das Griechische drückt so manches besser aus als das Lateinische und andere Sprachen. Am deutlichsten wird das beim Anfang des Johannesevangeliums, beim so berühmten ‑und so oft mißverstandenen- „Im Anfang war das Wort“. Im Griechischen heißt das „En archä än ho logos“. „Logos“ kann zwar auch mit „Wort“ übersetzt werden, ist aber das Grundwort zu den Ableitungen „Logik“ und „logisch“ und somit viel tiefer als das einfache „Wort“. „Im Anfang war der Logos“ – so verstanden, ist der Anfang des Johannesevangeliums eine sehr kurze, aber umso tiefsinnigere Beschreibung der Weltschöpfung.
Auch die Menschwerdung Christi wird im griechischen Glaubensbekenntnis deutlich besser beschrieben als beispielsweise im lateinischen. Das „enanthropäsanta“ drückt klar aus, daß hierbei das göttliche Wesen (in seiner zweiten Person) menschliche Natur annahm, dabei aber jenes göttliche Wesen blieb. Das „homo factus est“ ist da schon deutlich unklarer und weitaus eher als die griechische Entsprechung dahingehend mißzuverstehen, daß der Mensch Jesus etwas anderes als Gott ist.
Die (römische) Kirche hätte beim Griechischen bleiben sollen.
Zum Verlust des Lateins als europäische Sprache wäre viel zu schreiben und ich kann nur das hervorheben, was die anderen, Adrien Antoine und Christoph Friedrich zu dem Artikel geschrieben haben. Gestatten Sie mir trotzdem zusätzliche Gedanken:
1. Das Latein als eigene Sprache hat die Kirche vor der babylonischen Sprachverwirrung über nahezu 1700 Jahre bewahrt. Ein lateinischer Terminus war über 1700 Jahre ein fester Begriff, über dessen Bedeutung nicht diskutiert werden brauchte. Latein war für die Kirche ein oder gar das verbindende Element. Das Latein war die verbindliche Sprache des Kultus Dei!
2. Der Exorcismus, das Gebet das Satan in seine Schranken weist, ist in Latein geschrieben und wird in Latein gebetet. Vermutlich ist dies der Grund, warum Satan Latein nicht schätzt. Er muss den lateinischen exorcistischen Gebeten gehorchen, vom Antichrist wird vorhergesagt, dass er zwar polyglott sein wird, dass ihm aber kein lateinisches Wort über die Lippen kommen wird.
3. Die Urkirche etwa bis zum vierten Jahrhundert benutzte kein Latein, sondern schrieb aus welchen Gründen auch immer in der griechischen Sprache. Deutlich wird es daran, dass selbst Paulus als römischer Staatsbürger, seinen Brief an die Römer in der griechischen Sprache schrieb. Selbst Irenäus von Lyon mit Latein als Landessprache schrieb seine „Haereses“ in griechisch. Der Wechsel der Kirchensprache in Latein, könnte zeitgleich mit dem Edikt von Mailand erfolgt sein?