Kardinal Sean O’Malley vollendete am 29. Juni, dem Gedenktag der Apostelfürsten Petrus und Paulus, sein 80. Lebensjahr. Damit schied er aus dem Kreis der Papstwähler aus. US-amerikanische Medien berichten, daß Papst Franziskus den Kapuziner auch als Erzbischof von Boston emeritieren und damit das konservative Spektrum schwächen wird.
Der Heilige Stuhl ließ diesbezüglich noch nichts verlauten. WBZ-TV, der Bostoner Kanal der Senderkette CBS, berichtete jedoch unter Berufung auf dem Papst nahestehende Kreise, daß Papst Franziskus die Ernennung von Msgr. Richard Henning, bisher Bischof von Providence, vorbereitet, um Kardinal O’Malley als Erzbischof von Boston zu ersetzen.
Der aus dem Staat Ohio stammende Patrick O’Malley trat in jungen Jahren in den Kapuzinerorden ein. Im Alter von 21 Jahren legte er 1965 die feierlichen Gelübde ab und erhielt den Ordensnamen Sean. Neben seinen philosophischen und theologischen Studien absolvierte er auch ein Doktoratsstudium in spanischer und portugiesischer Literaturwissenschaft. Er lehrte einige Jahre als Professor an der Katholischen Universität von Amerika von Washington D.C., wurde 1970 zum Priester geweiht, war dann Leiter eines Hilfswerks für hispanische Einwanderer und schließlich längere Zeit Bischofsvikar für die hispanische Seelsorge im Erzbistum Washington.
1983 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Bischofkoadjutor auf den Amerikanischen Jungferninseln. 1984 wurde er dort Diözesanbischof. 1992 erfolgte seine Ernennung zum Bischof von Fall River im Staat Massachusetts, 2002 zum Bischof von Palm Beach im Staat Florida und 2003 schließlich seine Ernennung zum Erzbischof von Boston im Staat Massachusetts, wo Kardinal Bernard Law wegen Vorwürfen, sexuelle Mißbrauchsfälle gedeckt zu haben, zurückgetreten war. 2008 kreierte ihn Papst Benedikt XVI. zum Kardinal.
Neben seinem Einsatz für das Lebensrecht ungeborener Kinder wurde für Kardinal O’Malley der Einsatz für die Opfer von sexuellem Mißbrauch und die Mißbrauchsprävention zu einem zentralen Schwerpunkt. Um den Opfern von klerikalem Mißbrauch Schmerzensgeld zahlen zu können, verkaufte er die erzbischöfliche Residenz.
Vor dem Konklave 2013 galt O’Malley neben den Kardinälen Dolan und Burke als Papabile. Die US-amerikanischen Kardinäle entschieden jedoch, sich selbst aus dem Rennen zu nehmen mit der Begründung, daß die Kirche durch einen Papst aus den Vereinigten Staaten zu sehr mit den USA gleichgesetzt werden könnte.
Der darauf gewählte Papst Franziskus berief den Kapuziner einen Monat später in den neuerrichteten C9-Kardinalsrat, dem O’Malley bis heute angehört.
2014 ernannte ihn Franziskus auch zum Vorsitzenden der Päpstlichen Kinderschutzkommission. In dieser Funktion hatte Kardinal O’Malley trotz aller loyalen Zurückhaltung manches Scharmützel mit dem regierenden Kirchenoberhaupt auszutragen. Siehe auch: Die Demontage der Päpstlichen Kinderschutzkommision.
Der als konservativ geltende Kardinal lehnte 2021 die Segnung von Homo-Paaren noch entschieden ab. Seine Reaktion auf die umstrittene Erklärung Fiducia supplicans des römischen Glaubensdikasteriums, die die Segnung von Homo-Paaren mit Zustimmung von Papst Franziskus erlaubt, fiel dagegen schwach aus. O’Malley erklärte seinem Bistum, was Fiducia supplicans angeblich nicht wolle, ohne auf die unübersehbaren Widersprüche der Erklärung einzugehen.
Als Papst Benedikt XVI. das Motu proprio Summorum Pontificum erließ, erklärte O’Malley dies als bloßen Akt eines Versöhnungswunsches. Die Frage des überlieferten Ritus sei aber „nicht dringend“. Er selbst habe die Zelebration bereits als Bischof von Fall River erlaubt. Es gehe lediglich darum, mit einem Gestus der Versöhnung, die Priester und Gläubigen der Piusbruderschaft „zu überzeugen“, in die Einheit mit der Kirche zurückzukehren. Die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften erwähnte der Kardinal im Zusammenhang mit der Einführung von Summorum Pontificum gar nicht.
Kardinal O’Malley ist jedoch weit davon entfernt, ein Bergoglianer zu sein. Diese Rolle soll nun, geht es nach Santa Marta, der künftige Erzbischof Richard Henning übernehmen.
Der aus dem Staat New York stammende Msgr. Henning war 2022 von Papst Franziskus dem mutigen Bischof Thomas Tobin von Providence in Rhode Island als Koadjutor zur Seite gestellt und dieser damit faktisch entmachtet worden. Bischof Thomas J. Tobin, der 2023 von Franziskus emeritiert wurde, ist nicht mit dem ganz anders gestrickten McCarrick-Boy Kardinal Joseph Tobin zu verwechseln.
Bischof Tobin war einer der markantesten Diözesanbischöfe der USA, der auch deutliche Worte fand, wenn es Kritik an kirchlichen Fehlentscheidungen zu üben galt. Gegenüber Papst Franziskus tat er das gleich nach dessen erstem Interview im Herbst 2013. Bischof Tobin erklärte damals: „Ich bin ein wenig enttäuscht von Papst Franziskus.“ Im Zusammenhang mit dem umstrittenen nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia warf Tobin Franziskus „absichtliche Zweideutigkeit“ vor.
Als tatkräftiger Verteidiger der ungeborenen Kinder wurde Bischof Tobin mit dem Defender of the Faith Award von Legatus, dem Proudly Pro-Life Award vom National Right to Life Committee und dem Kardinal von Galen Award von Human Life International ausgezeichnet. Tobin forderte Katholiken auf, nicht an Homo-Veranstaltungen wie Gay Prides teilzunehmen, weil die dort vertretene Haltung der göttlichen Morallehre widerspricht. Er verteidigte die Gläubigen, die den überlieferten Ritus pflegen, und übte deutliche Kritik auch an US-Präsident Biden und dessen Unterstützung für die Abtreibung.
Grund genug, ihm vorzeitig einen Koadjutor zur Seite zu stellen und Bischof Tobin mit Vollendung des 75. Lebensjahres sofort zu emeritieren. Bischof Henning scheint sich in den Augen von Santa Marta bewährt zu haben und soll nun auf den weit bedeutenderen Bischofstuhl von Boston befördert werden.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Wikicommons/MiL