
Von Roberto de Mattei*
Unter den zahlreichen symbolträchtigen Ereignissen unserer Zeit kann das groteske Spektakel, mit dem die Olympischen Spiele in Paris am 26. Juli eröffnet wurden, nicht einfach als Show des schlechten Geschmacks oder als kulturelle Provokation abgetan werden. Es ist der jüngste Akt eines Krieges gegen die christliche Zivilisation, der in der Französischen Revolution einen seiner historischen Höhepunkte hatte.
Im Mittelpunkt der Kontroverse um die Eröffnungsfeier der Olympiade stand eine Choreographie, bei der die französische Deejay Barbara Butch, die sich selbst als „fett, lesbisch, queer, jüdisch und stolz darauf“ bezeichnet, auf der Bühne stand, Sie trug eine Krone in Form eines Heiligenscheins und war umgeben von Drag Queens, dem Transgender-Model Raya Martigny und Dutzenden geschlechtsundefinierten Tänzern, während der Sänger Philippe Katerine fast nackt und blau angemalt in der Gestalt des Dionysos auftrat.
Die Aufführung erschien vielen als blasphemische Parodie des Letzten Abendmahls und rief bei Katholiken in aller Welt Empörung und Proteste hervor. Der Schöpfer des Tableau vivant, Thomas Jolly, der selbst offensichtlich eine „queere“ Gestalt ist, behauptet, nicht von dem berühmten Gemälde von Leonardo da Vinci inspiriert worden zu sein, sondern von einem unbekannten Künstler aus dem 17. Jahrhundert, Jan Harmensz van Bijlert, dem Autor des Gemäldes „Le Festin des dieux“, das ein Festmahl der Götter auf dem Olymp darstellt.
Was auch immer die Inspiration gewesen sein mag, kann die Initiative nicht auf einen exzentrischen künstlerischen Leiter zurückgeführt werden, sondern drückt eine Botschaft aus, die von den höchsten französischen Behörden, angefangen beim Staatsoberhaupt, in Auftrag gegeben wurde. Präsident Emmanuel Macron ist derjenige, der am 4. März letzten Jahres seinen Stolz darüber zum Ausdruck brachte, daß Frankreich das erste Land der Welt ist, das die Abtreibung in seiner Verfassung verankert hat, und diesen Akt als eine universelle Botschaft bezeichnete. Macron selbst wollte in seiner Arroganz, unbeschadet des jüngsten Wahldebakels, der Welt eine neue Botschaft der antichristlichen „Inklusivität“ präsentieren. Dionysos ist der „hybride“ Gott der heidnischen Orgien, der ungezügelten Sinnlichkeit und der Verblendung der Vernunft, und die erklärte Absicht der Organisatoren war es, das erhabene Geheimnis des Christentums durch das dionysische Bacchanal zu ersetzen.

Der Haß auf das Christentum hat schon immer symbolische Darstellungen gebraucht, und die Französische Revolution hat sich von Anfang an aus der heidnischen Mythologie genährt. Es besteht eine offensichtliche Kontinuität zwischen der blasphemischen Parodie des Abendmahls vom 26. Juli und der Inthronisierung der Göttin Vernunft am 10. August 1793 in Paris in Gestalt der ägyptischen Göttin Isis.
In dieser Hinsicht hat auch die grundlose und schändliche Schmähung von Königin Marie Antoinette, die in der Pariser Performance vom 26. Juli mit ihrem guillotinierten Kopf in den Händen die Revolutionshymne Ça ira sang, etwas Sakrilegisches an sich. Macron und seine Kollaborateure wollten die Französische Revolution auf das Abscheulichste rechtfertigen: die Ermordung der Königin von Frankreich, die wie König Ludwig XVI. ein unschuldiges Opfer des revolutionären Hasses wurde, der in den französischen Herrschern das Prinzip des sozialen Königtums Christi angreifen wollte.
Marie Antoinette, die am meisten verleumdete, aber auch am meisten geliebte und sogar verehrte Königin der Geschichte, hat sich keines anderen Verbrechens schuldig gemacht als der Verkörperung einer aristokratischen Anmut, die mit dem revolutionären Egalitarismus unvereinbar ist. Es wurde viel über ihre angebliche Frivolität und wenig über ihre Frömmigkeit geschrieben. Doch der religiöse Geist der Herrscherin, der in den letzten Tagen ihrer Gefangenschaft zum Vorschein kommt, hat seine Wurzeln in einer Erziehung und Weltanschauung, die der revolutionären entgegengesetzt ist. In dem absurden Prozeß vor dem Jakobinertribunal am 14. und 16. Oktober 1793 wird sie Opfer schändlicher Anschuldigungen. Ein Bild des englischen Malers William Hamilton zeigt sie in einem makellosen weißen Kleid, wie sie aus der Conciergerie schreitet, umgeben von den „tricoteuses“, die von der Revolution neues Blut fordern. Henry Sanson, der Sohn des Henkers von Paris, berichtet in seinen Memoiren, daß sie die Stufen der Guillotine mit überraschender Majestät hinaufstieg, als wären es die Stufen der großen Treppe von Versailles gewesen. Die gleichen Worte, mit denen Papst Pius VI. in seiner Allokution Quare lacrymae vom 17. Juni 1793 Ludwig XVI. als Märtyrer bezeichnete, können auch auf Königin Marie Antoinette angewandt werden. In dieser Ansprache rief Pius VI. aus: „O weh Frankreich, o weh Frankreich! Von Unseren Vorgängern ‚Spiegel der ganzen Christenheit und sichere Säule des Glaubens‘ genannt, bist du im Eifer des christlichen Glaubens und in der Hingabe an den Apostolischen Stuhl den anderen Nationen nie gefolgt, sondern ihnen immer vorausgegangen! Wie weit bist du heute von Uns entfernt, mit einem so feindseligen Geist gegenüber der wahren Religion: Du bist der unerbittlichste Feind unter allen Widersachern des Glaubens geworden, die es je gab!“
Die Ermordung der beiden Souveräne ist der Gründungsakt der französischen Republik, und die Konstitutionalisierung der Abtreibung stellt eine symbolische Fortsetzung des Staatsmordes dar. Wer jedoch Frankreich mit der blasphemischen Show zur Eröffnung der Olympischen Spiele gleichsetzt, liegt falsch. Nicht die Guillotine ist Frankreich, sondern Notre Dame und die Sainte Chapelle. Nicht Robespierre oder Macron sind Frankreich, sondern der heilige Ludwig und die heilige Jeanne d’Arc. Es wäre also falsch, das Spektakel der Degeneration, das Paris in diesen Monaten bietet, mit der westlichen Zivilisation zu identifizieren, der Frankreich so viel gegeben hat. Das Abendland ist die Geschichte eines religiösen Glaubens, einer Lebensweise, einer Kunst, einer Literatur, einer Musik, aber auch großer Schlachten zur Verteidigung der Zivilisation.
Die äußeren Feinde des Westens, die Erben Mohammeds in der arabischen Welt und die Erben Lenins in Rußland und China, hassen nicht die Dekadenz des Westens, sondern den Westen als solchen: jenen Westen1, der den Islam bei Lepanto und vor Wien besiegt und den Kommunismus 1920 in Warschau und in den 30er Jahren in Spanien gestoppt hat.
Die Feinde des Westens wollen ihre Rache. Damit dies geschieht, damit sie den Krieg gewinnen, wissen sie, daß der Westen aufhören muß, christlich zu sein, daß es zu den Ideen und Bräuchen des Heidentums zurückkehren muß, daß es wie ein reifer Apfel fallen muß, wie es mit dem Römischen Reich geschehen ist. Die Barbaren haßten nicht die Dekadenz Roms, sondern die Macht, die sie jahrhundertelang unterjocht hatte. Die Eroberung der Ewigen Stadt durch die Goten unter Alarich in der Nacht des 24. August 410 war ihr Triumph. Der heilige Hieronymus in Bethlehem und der heilige Augustinus in Hippo vergossen innige Tränen über dieses symbolische Ereignis. Wer weint heute angesichts der Bedrohung des Westens durch die neuen Barbaren? Aber vor allem, wer ist bereit, den Westen im Namen der Prinzipien und Institutionen zu verteidigen, die ihn in der Geschichte groß gemacht haben? Doch die Kraft dieser Werte, die aus der Wahrheit Christi stammen, ist unzerstörbar. Die Zukunft der Welt liegt nicht unter dem Banner des Dionysos, auch nicht unter dem des Kommunismus oder des Islam, sondern unter dem des einen siegreichen Gottes, der Jesus Christus ist. Glaube und Vernunft bezeugen dies.
Wie und wann wird es geschehen? Für Gott sind alle Dinge in der Geschichte möglich. Nur jene, die an einen blinden historischen Determinismus glauben, meinen, daß „Geschichte nicht mit ‚Wenn‘“ gemacht wird. Die Geschichte wird mit „Wenns“ gemacht, gerade wegen des Reichtums an Möglichkeiten, die jeder gegenwärtige Augenblick enthält. Deshalb sollte unsere Gewissensprüfung sich auf die Fehler beziehen, die wir begangen haben, die wir aber nicht begehen hätten müssen. Die Geschichte, wie auch unser Leben, hätte anders verlaufen können und kann auch tatsächlich von einem Moment auf den anderen anders verlaufen. Was wäre geschehen, wenn am 14. Juli 1789 die Dragoner des Fürsten von Lambesc, entgegen dem Befehl Ludwigs XVI., kein Blut zu vergießen, die auf die Bastille marschierenden revolutionären Schurken vernichtet hätten? Die antichristliche Revolution sollte sich keinen Illusionen hingeben. Die Dragoner des Fürsten von Lambesc sind immer mit gezogenem Schwert um die Ecke der Geschichte.

*Roberto de Mattei, Historiker, Vater von fünf Kindern, Professor für Neuere Geschichte und Geschichte des Christentums an der Europäischen Universität Rom, Vorsitzender der Stiftung Lepanto, Autor zahlreicher Bücher, zuletzt in deutscher Übersetzung: Verteidigung der Tradition: Die unüberwindbare Wahrheit Christi, mit einem Vorwort von Martin Mosebach, Altötting 2017, und Das Zweite Vatikanische Konzil. Eine bislang ungeschriebene Geschichte, 2. erw. Ausgabe, Bobingen 2011.
Bücher von Prof. Roberto de Mattei in deutscher Übersetzung und die Bücher von Martin Mosebach können Sie bei unserer Partnerbuchhandlung beziehen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Corrispondenza Romana/Wikicommons
1 Im Gegensatz zum Deutschen kennt das Italienische keine Unterscheidung zwischen Abendland, Okzident und Westen. Diese Deckungsgleichheit von Westen/Abendland erzeugt ein Verständnisproblem. Das „Abendland“ wird im Deutschen zwar kaum mehr im Mund geführt, doch die inhaltlichen Unterschiede zum „Westen“, historisch wie heute, sind deutlich präsent. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges meint „Westen“ die Staatsdoktrin und Lebensweise der USA samt ihren europäischen Verbündeten. Vor 1945 gab es im deutschen Sprachraum kein Selbstverständnis als „Westen“, wohl aber als Abendland. Während im Deutschen das Abendland untrennbar christlich konnotiert ist, gilt das für den Westen nicht. Vielmehr ist er die säkulare Variante.
Wenn Russland den christlichen Geist Romes hasst, warum verweigert er sich dann den antichristlichen Regelungen Bergoglios, warum kann man dann in Russland mit dem Bau von Kirchen punkten, warum gibt es da keine staatlich geförderten Abtreibungsmärsche sondern Abtreibungsmemratorien und ausgeprägte Hilfe für Mütter?
Und wenn Russland den Westen hasst, warum hat es dann solange uns noch günstiges Öl geliefert, bis dann gewisse Menschen, die garantiert nicht in Russlands Auftrag gehandelt haben, die Pipeline Nordstream 2 gesprengt haben?