Die erfundene 11. Kreuzwegstation von Papst Franziskus

Von Abwesenheiten, Auslassungen und Neuerungen


Beim ersten Kreuzweg mit seinen Meditationen ließ sich Papst Franziskus im letzten Augenblick entschuldigen. Dafür führte er eine neue Kreuzwegstation ein...
Beim ersten Kreuzweg mit seinen Meditationen ließ sich Papst Franziskus im letzten Augenblick entschuldigen. Dafür führte er eine neue Kreuzwegstation ein...

(Rom) Der Gesund­heits­zu­stand von Papst Fran­zis­kus wird immer offen­sicht­li­cher. Gestern wur­de im letz­ten Moment sei­ne Teil­nah­me an der Via Cru­cis am Kolos­se­um abge­sagt. Dabei wur­den erst­mals Kreuz­weg­me­di­ta­tio­nen vor­ge­tra­gen, die von ihm sel­ber stam­men. Doch Fran­zis­kus wäre nicht Fran­zis­kus, wenn er nicht eine Neue­rung ein­füh­ren wür­de und den kano­ni­schen Kreuz­weg, fest­ge­legt seit bald 300 Jah­ren, auf­ge­bro­chen und eine neue 11. Sta­ti­on erfun­den hätte.

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Die Absa­ge erfolg­te über­ra­schend. Im letz­ten Augen­blick wur­de vom Hei­li­gen Stuhl bekannt­ge­ge­ben, daß Papst Fran­zis­kus nicht zum Kolos­se­um kom­men wird, „um sei­ne Gesund­heit zu schützen“.

Die Gesund­heit des Pap­stes ist seit meh­re­ren Wochen stark ange­schla­gen. Die Anstren­gung, vor allem bei Bewe­gun­gen, ist dem Kir­chen­ober­haupt ins Gesicht geschrie­ben. Offi­zi­ell wird auf einen „Schnup­fen“ oder auf eine „Grip­pe“ ver­wie­sen. Tat­säch­lich wird Fran­zis­kus von ganz ande­ren Beschwer­den geplagt.

„Um sei­ne Gesund­heit für die mor­gi­ge Vigil und die Mes­se am Oster­sonn­tag zu scho­nen, wird Papst Fran­zis­kus heu­te Abend von der Casa San­ta Mar­ta aus den Kreuz­weg am Kolos­se­um gehen“, so die knap­pe Mit­tei­lung von Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni.

Zuvor hat­te es geheißen:

„Heu­te Abend um 21.15 Uhr wird der Hei­li­ge Vater Fran­zis­kus der from­men Übung des Kreuz­we­ges im Kolos­se­um vor­ste­hen, die in die gan­ze Welt über­tra­gen wird.“

Fran­zis­kus’ offen­sicht­li­che Nei­gung, fei­er­li­chen Zele­bra­tio­nen fern­zu­blei­ben, weil er ein­mal Kopf­schmer­zen, ein ander­mal einen grum­meln­den Magen oder wet­ter­füh­li­ge Knie­be­schwer­den hat, wirft in Erman­ge­lung pas­sa­bler Ant­wor­ten schon lan­ge die Fra­ge auf, war­um Fran­zis­kus das so hält. Das kann in Erman­ge­lung akzep­ta­bler Ant­wor­ten nur die Fra­ge auf­wer­fen: War­um tut er es, oder bes­ser gesagt, war­um tut er es nicht?

Die­ses Ver­hal­ten steht in einem ekla­tan­ten Kon­trast zur uner­schüt­ter­li­chen Aus­dau­er in der Pflicht­er­fül­lung von Johan­nes Paul II. Die Bil­der des pol­ni­schen Pap­stes, der im Alter vor Schmer­zen vor dem Kreuz zusam­men­brach und nicht mehr spre­chen konn­te. Aller­dings gilt das auch für die ver­meint­li­che „gro­ße Wei­ge­rung“ von Bene­dikt XVI., sein Pon­ti­fi­kat bis zum Ende zu führen.

Fran­zis­kus hat seit Beginn sei­nes Pon­ti­fi­kats aller­lei Weh­weh­chen gel­tend gemacht, um die­se und jene lit­ur­gi­sche Funk­ti­on nicht erfül­len zu müs­sen. Wenn es dar­um geht, trans­se­xu­el­len Gefan­ge­nen im Gefäng­nis die Füße zu waschen, schafft er es auch im zwölf­ten Jah­re sei­nes Pon­ti­fi­kats auf die Knie. Wenn es aber dar­um geht, vor dem Aller­hei­lig­sten zu knien, tre­ten prompt, pünkt­lich und syste­ma­tisch Knie­be­schwer­den auf.

Fran­zis­kus hat­te es gestern nach­mit­tag ver­mie­den, sich bei der Kreuz­ver­eh­rung im Peters­dom auf den Boden nie­der­zu­wer­fen. Statt­des­sen ver­harr­te er für einen Moment der Stil­le, ohne Mitra und Hir­ten­stab vor dem berühm­ten Ber­ni­ni-Bal­da­chin, der wegen Restau­rie­rungs­ar­bei­ten für das Hei­li­ge Jahr 2025 in ein Gerüst gehüllt ist.

Dabei fand gestern eine Pre­mie­re statt: Zum ersten Mal hat der Papst die Kreuz­weg-Medi­ta­tio­nen sel­ber ver­faßt. Ursprüng­lich sei Kar­di­nal Vic­tor Manu­el Fernán­dez als Autor der Medi­ta­tio­nen vor­ge­se­hen gewe­sen. Auf­grund der Pole­mi­ken um Fidu­cia sup­pli­cans und sei­ne Auf­deckung als „Por­no-Kar­di­nal“ habe San­ta Mar­ta jedoch dar­auf ver­zich­tet. Gerüch­te, daß die Medi­ta­tio­nen doch von Kar­di­nal „Tucho“ Fernán­dez stam­men, aber nun als sol­che des Pap­stes aus­ge­ge­ben wur­den, konn­ten bis­her nicht bestä­tigt werden.

Dafür wür­de die Kri­tik spre­chen, daß Fran­zis­kus in den Medi­ta­tio­nen jene attackier­te, die sich „hin­ter einer Tasta­tur ver­stecken, um zu belei­di­gen und Ver­ur­tei­lun­gen zu ver­öf­fent­li­chen“. Kar­di­nal Fernán­dez reagier­te mit eben die­ser Kri­tik auf die Angrif­fe gegen sei­ne Per­son und sei­ne Akti­vi­tä­ten in Gegen­wart und Vergangenheit.

Die Anspie­lung erfolg­te zu einem Zeit­punkt, da sowohl in der EU als auch in den USA die Mei­nungs­frei­heit im Inter­net („Tasta­tur“) immer mehr ein­ge­schränkt wird, sei es durch eige­ne Zen­sur­ge­set­ze, sei es durch ideo­lo­gisch moti­vier­te Eigen­zen­sur der gro­ßen sozia­len Netz­wer­ke im Inter­net. Die Kern­fra­ge, ob es sich bei die­sen Netz­wer­ken um einen Post- bzw. Fern­mel­de­dienst oder um ein Medi­um han­delt, wird dabei nicht auf­ge­wor­fen. Die Netz­wer­ke genie­ßen die Pri­vi­le­gi­en des Fern­mel­de­ge­set­zes, agie­ren aber wie Medi­en, die aller­dings einer ganz ande­ren Gesetz­ge­bung unterliegen.

Eben­so stell­te Fran­zis­kus jene Chri­sten her­aus, die „Ver­fol­gung erlei­den“, weil sie dem Namen Jesu treu sind.

Fran­zis­kus brach gestern, obwohl nicht anwe­send, den kano­ni­schen Kreuz­weg auf, den sein Vor­gän­ger Cle­mens XII. 1731 fest­ge­schrie­ben hat­te. Fran­zis­kus erfand eine neue Sta­ti­on. Es geht um die 11. Sta­ti­on: „Jesus wird ans Kreuz gena­gelt“. Fran­zis­kus mach­te dar­aus die Sta­ti­on: „Jesu Schrei der Ver­las­sen­heit am Kreuz“, was inhalt­lich etwas ganz ande­res bedeu­tet. Die Medi­ta­ti­on lau­te­te dazu:

Von der sech­sten Stun­de an war Fin­ster­nis über dem gan­zen Land bis zur neun­ten Stun­de. Um die neun­te Stun­de schrie Jesus mit lau­ter Stim­me: „Eli, Eli, lema sabach­tani?“, das heißt: „Mein Gott, mein Gott, war­um hast du mich ver­las­sen?“ (Mt 27,45–46).

Jesus, welch unge­heu­er­li­ches Gebet: Laut schreist du zum Vater aus dei­ner Ver­las­sen­heit. Du, Gott des Him­mels, gibst kei­ne dröh­nen­den Ant­wor­ten, son­dern du fragst: War­um? Auf dem Höhe­punkt dei­nes Lei­dens­we­ges fühlst du dich fern vom Vater und du nennst ihn auch nicht mehr Vater, wie sonst, son­dern Gott, fast so, als könn­test du sein Gesicht nicht mehr erken­nen. War­um dies? Um bis in die abgrün­di­gen Tie­fen unse­res Schmer­zes ein­zu­tau­chen. Du hast das für mich getan, damit ich, wenn ich nur noch Dun­kel­heit sehe und erle­be, dass Gewiss­hei­ten ein­stür­zen und mein Leben Schiff­bruch erlei­det, mich nicht mehr allein füh­le, son­dern dar­an glau­ben kann, dass du dann bei mir bist: du, Gott der Gemein­schaft, der du die Ver­las­sen­heit spürst, um mich nicht län­ger in der Gei­sel­haft der Ein­sam­keit zu belas­sen. Als du dein War­um her­aus­ge­ru­fen hast, da hast du dies mit einem Psalm getan: So lie­ßest du selbst die größ­te Ver­zweif­lung zum Gebet wer­den. Das also ist in den Stür­men des Lebens zu tun: statt zu schwei­gen und die Gefüh­le zu unter­drücken, soll­te man zu dir rufen. Ehre sei dir, Herr Jesus, denn du bist nicht vor mei­ner Ver­lo­ren­heit geflo­hen, son­dern hast dich selbst in sie hin­ein­be­ge­ben; Lob und Ehre sei dir, indem du alle Fer­ne auf dich genom­men hast, bist du denen nahe­ge­kom­men, die am wei­te­sten von dir ent­fernt sind. Und im Dun­kel mei­ner Fra­gen fin­de ich dich wie­der, Jesus, du Licht in der Nacht. Und in dem Schrei­en so vie­ler Ein­sa­mer und Aus­ge­schlos­se­ner, Unter­drück­ter und Ver­las­se­ner sehe ich dich wie­der, mein Gott: Lass mich dich erken­nen und dich lieben.“

Mit kei­nem Wort erwähnt Fran­zis­kus, daß es sich dabei um einen Vers aus dem Psalm 22 handelt.

„Als ech­ter Pon­ti­fex – Brücken­bau­er – hat Bene­dikt XVI. uns in sei­nen Pre­dig­ten immer in die Gegen­wart des auf­er­stan­de­nen Herrn Jesus Chri­stus ver­setzt, uns ihm begeg­nen las­sen. Das Gegen­teil des­sen, des der­zei­ti­gen Bischofs von Rom, der von einem Jesus spricht, der nur in sei­ner Vor­stel­lung exi­stiert und den er ohne­hin fast immer bei­sei­te läßt, um über Psy­cho­lo­gie oder spi­ri­tu­el­le The­ra­pie zu spre­chen“, so der argen­ti­ni­sche Phi­lo­so­phie­pro­fes­sor und Blog­ger José Arturo Quar­ra­ci­no, nach den gest­ri­gen Ereignissen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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