Seit zwei Jahren beten die Gläubigen in Washington DC für die Wiederherstellung der Meßorte im überlieferten Ritus, die 2022 unter Berufung auf das Motu proprio Traditionis custodes beseitigt wurden.
Traditionis custodes, von Papst Franziskus im Juli 2021 erlassen, stellt den bisher härtesten Schlag gegen den überlieferten Ritus dar. Seine Anwendung ist von Diözese zu Diözese unterschiedlich, doch in der Erzdiözese Washington und im angrenzenden Bistum Arlington wurden die Meßorte unter Berufung auf das Motu proprio entweder ganz beseitigt oder stark reduziert.
Seither versammeln sich die Gläubigen, um mit Appellen und Gebetswachen darauf aufmerksam zu machen, daß ihnen ihre kultische Heimat genommen wurde. Träger des beharrlichen Widerstandes ist die Arlington Latin Mass Society.
Seit Juli 2022 findet jede Woche vor der Apostolischen Nuntiatur in Washington eine Gebetswache statt. Die Gläubigen beten den Rosenkranz und machen mit einem Transparent auf ihren Wunsch der Wiederherstellung der überlieferten lateinischen Messe aufmerksam. Der Nuntiatur werden entsprechende Appelle übergeben, die bisher allerdings keine Wirkung zeigten.
Der dafür verantwortliche Erzbischofsstuhl von Washington, obwohl erst 1947 errichtet, erlebte bereits sehr umstrittene Amtsinhaber. Von 2000 bis 2006 war Theodore McCarrick Erzbischof von Washington, den Papst Franziskus 2013 zu seinem persönlichen und einflußreichsten Berater für die USA machte, bis 2018 die New York Times dessen päderastische Vergangenheit bekanntmachte. McCarrick wurde daraufhin die Kardinalswürde entzogen und er in einem zweiten Schritt laisiert. Sein Nachfolger Donald Kardinal Wuerl mußte im Zuge des McCarrick-Skandals sogar als amtierender Erzbischof zurücktreten. Wuerl gehörte zum Kreis um McCarrick, der einflußreiche Bischofsstühle innehatte und dank der Unterstützung von Papst Franziskus teils noch immer besetzt. Auch Wuerls Nachfolger, der heute amtierende Erzbischof Wilton Kardinal Gregory, 2019 von Franziskus ernannt, gehört zu den McCarrick-Boys.
Zusammen mit Erzbischof Gregory gab im Sommer 2022 auch Bischof Michael Francis Burbridge von der angrenzenden Diözese Arlington bekannt, daß der überlieferte Ritus in Arlington stark eingeschränkt wird. Papst Franziskus hatte Burbridge 2016 zum Bischof von Arlington ernannt. Er ist seit 2022 der Vorsitzende des Pro-Life-Komitees der Amerikanischen Bischofskonferenz. Der Gleichschritt zwischen den beiden Bischöfen schockierte die Gläubigen, da Kardinal Gregory und Bischof Burbridge eigentlich ganz unterschiedlichen Realitäten in der Kirche angehören und der Bischof von Arlington auch kein Suffragan des Erzbischofs von Washington ist. Arlington gehört zur Kirchenprovinz Baltimore.
In der Diözese Arlington gab es, als Traditionis custodes in Kraft trat, 21 Meßorte im überlieferten Ritus. Der Bischof ließ sie zunächst alle bestehen, untersagte jedoch die Spendung anderer Sakramente im alten Ritus. Im Sommer 2022, als Kardinal Gregory gegen die Tradition aktiv wurde, reduzierte Msgr. Burbridge die Meßorte radikal von 21 auf nur mehr acht und verjagte die meisten der verbliebenen Meßorte aus den Pfarrkirchen. Der alte Ritus darf seither nur mehr in Nebenkirchen zelebriert werden.
Auch Kardinal Wilton beseitigte den überlieferten Ritus weitgehend aus seinem Erzbistum. Eine ganze Reihe bis dahin blühender Gemeinden wurden aus den Pfarreien verbannt. Heute ist der alte Ritus in der Erzdiözese Washington nur mehr an drei Meßorten erlaubt, darunter keine Pfarrkirche (zwei Klosterkirchen, eine Wallfahrtskirche).
Ende Januar 2024 wurde in der US-Bundeshauptstadt zeitnahe am jährlichen Marsch für das Leben erstmals im Kapitol, dem Sitz des Parlaments, eine Heilige Messe im überlieferten Ritus zelebriert. Obwohl diese Zelebration in keinem direkten Zusammenhang mit der traditionsfeindlichen Entscheidung von Kardinal Wilton stand, beeilten sich die Erzdiözese und progressive Kirchenkreise der Öffentlichkeit zu kommunizieren, daß diese Meßfeier „nicht genehmigt“ war.
Der Hintergrund war ein ganz anderer und stand im Zusammenhang mit dem Zusammenwirken von bergoglianischen Kirchenkreisen mit Machtstrukturen des Staates. Im Januar 2023, ebenfalls zeitnahe zum Marsch für das Leben, war ein skurriles Memo des FBI, das sogenannte Richmond Memo, bekanntgeworden. Darin wurden traditionsverbundene Katholiken als „radikal“ diskreditiert und wie eine Art von Staatsfeinden dargestellt. Die Bergoglianer stellten sich nicht schützend vor ihre Mitbrüder. Das Memo löste einen politischen Sturm der Entrüstung aus. Das FBI beeilte sich, gegenüber dem Parlament klarzustellen, daß die katholische Tradition nicht als eine Form von „inländischem Terrorismus“ betrachtet werde.
Die Arlington Latin Mass Society hatte die Zelebration der Heiligen Messe im Kapitol zum ersten Jahrestag des Richmond Memos initiiert, um an diesen politischen Skandal zu erinnern, zu dem die progressiven Kirchenkreise geschwiegen hatten. Damit sollte für alle im Staatsapparat sichtbar gemacht werden, daß traditionsverbundene Katholiken „keine Terroristen“ sind, sondern sogar im Herzen der Macht präsent sind. Nimmt man die abschätzigen Aussagen von Papst Franziskus über die Tradition und die „religiöse Rechte“ in den USA dazu, entsteht ein erschreckender Zusammenklang, vielleicht sogar ein Zusammenspiel, zwischen (Biden-)Staat und (Bergoglio-)Kirche.
Im Dezember 2023 wurde Kardinal Wilton bei einer Diskussion mit Universitätsstudenten der Catholic University of America nach dem Umgang mit dem überlieferten Ritus gefragt, falls Studenten dessen Zelebration am Campus wünschen sollten. Die Antwort des Kardinals war erschreckend. Er sagte:
„Die Tradition stirbt einen langsamen Tod, manchmal einen blutigen Tod.“
Anders ausgedrückt: Der überlieferte Ritus ist nicht verboten, aber er wird schrittweise abgewürgt. Bei dieser Gelegenheit kritisierte der Kardinal auch erneut Priester, die den überlieferten Ritus fördern, anstatt die Einbindung der Laien zu ihrer ersten Präferenz zu machen. Anders ausgedrückt: Der Kardinal unterstellte, daß Priester künstlich einen Bedarf nach dem überlieferten Ritus schaffen würden, wo es gar keinen gebe. Wilton vertrat damit die gleiche verzerrte Sichtweise, die bereits Papst Franziskus geäußert hatte: Die Tradition sei nur ein künstliches Konstrukt.
Das Beispiel der Diözesen Washington und Arlington zeigt, welchen Krieg Papst Franziskus mit Traditionis custodes gegen die Tradition entfachte. Dieser Krieg wird zwar an unterschiedlichen Orten in unterschiedlicher Intensität ausgetragen, doch das Fallbeil wurde über allen aufgezogen, die der Tradition verbunden sind.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: OnePeterFive/Erzbistum Washington (Screenshots)