
Ein Kommentar von Don Michael Gurtner*
In jüngster Zeit kommt es in kirchlich-klerikalen Kreisen wieder vermehrt zu einer feindseligen und aggressiven Stimmungsmache gegen die traditionelle Liturgie und deren Anhänger, nachdem sich in den letzten Jahren eine gewisse Ruhe eingestellt hatte, und welche in einer einigermaßen friedlichen Existenzmöglichkeit und einer zumindest gewissen Akzeptanz der Tradition bestand. Manche Kreise, gerade auch „höhere und höchste Kreise“ des Heiligen Stuhls und zahlreicher Diözesen, haben diesen Frieden jedoch gar nicht gerne gesehen und es sich zum unverhohlen erklärten Ziel gesetzt, die Tradition in Theologie, Liturgie und Kultur auszurotten, was sie in hochoffiziellen Dokumenten und Interviews auch offen zugeben: Es darf sie in Zukunft nicht mehr geben. Was jetzt noch da und dort in sehr beschränktem Maße gerade noch so als Ausnahme geduldet wird, muß bald schon gänzlich und ausnahmslos der Vergangenheit angehören – einer verachteten und verhaßten Vergangenheit, die man heute als einen einzigen großen Fehler der Altvorderen zu betrachten scheint.
Um dieses erklärte Ziel zu erreichen, wird in auffallend kurzen zeitlichen Abständen mit verbitterter Schärfe gegen die Tradition und die Menschen, die ihr verbunden sind und sich ihr verpflichtet sehen, geschossen. Dabei wird die Tradition und die Menschen, die ihnen anhängen, verspottet und verhöhnt, ins Lächerliche gezogen und unter Mißachtung der Tatsachen feindselig gegen sie polemisiert, um sie so zum Unberührbaren zu machen, mit dem man sich ja nicht besudeln darf, um nicht selbst der Ächtung anheimzufallen – verbunden mit einem scharfkantigen „Karrierebruch“ im Falle, daß man Kleriker ist. Barmherzigkeit wird, so scheint es, für alle gefordert und gilt für alle; der traditionelle katholische Glaube und sein Ausdruck ist jedoch die berühmte Ausnahme davon, welche dazu auserkoren wurde, diese Regel zu bestätigen.
Dabei kann man im wesentlichen acht Hauptanklagen extrapolieren, die allesamt polemisch sind und sich einer inhaltlichen Debatte auffallend entziehen zu wollen scheinen – warum auch immer. Jedenfalls fällt auf, daß man sachlich-theologische Argumente nicht berührt, sondern lieber auf billige Polemik und Stimmungsmache auf einer rein emotionalen Ebene vertraut.
Im folgenden sind die acht häufigsten Polemiken mit jeweils einer kurzen Antwort auf sie aufgeführt.
1. Die alte Liturgie ist Nostalgie
Unter allen Vorwürfen an die alte Messe ist dies der einfallsloseste. Denn er hebt dort auf bloße Gefühle ab, wo ganz offensichtlich konkrete, sachliche Argumente vorgebracht werden. Diese mag man teilen oder nicht, aber man wird nicht ernsthaft die Tatsache leugnen können, daß die Argumente der Verteidiger der alten Messe weit über ein reines „weil es früher halt gar so schön war“ hinausgehen, erst recht wenn man bedenkt, daß es kaum noch Menschen gibt, welche an die Zeit vor der Liturgiereform bewußte und lebendige Erinnerungen haben. Von daher fällt bei den allermeisten die Nostalgie als Grund weg, weshalb sie die alte Messe besuchen. Darüber hinaus wäre es auch sehr unfair, wenn man all jenen (Lebenden oder auch mittlerweile Verstorbenen), welche diese Messe noch in ihrer Jugend erlebt haben und weiterhin diese beibehalten wollten, automatisch Nostalgie als Motivationsgrund unterstellen würde, so als ob sie nicht auch richtige Gründe hätten bzw. gehabt hätten. Es würde bedeuten, ihre wahre Motivation herunterzuspielen, sie nicht ernst zu nehmen, und sie letztlich auch der Lächerlichkeit preiszugeben. Den Anhängern der alten Messe Nostalgie vorzuwerfen bedeutet, ein emotionsüberladenes Totschlagargument einzusetzen, um sich einem inhaltlichen Diskurs zu entziehen.
Die Tatsache, daß etwas zu früheren Zeiten besser war, bzw. zu diesem Urteil zu gelangen, bedeutet noch lange nicht, daß es sich hierbei um Nostalgie handelt – es kann auch ein nüchternes, auf der Ratio aufgebautes Urteil sein. Wenn beispielsweise der Bewohner eines Landes, das in den letzten 20 Jahren einen deutlichen wirtschaftlichen Verfall erlebt hat, sagen würde „früher ging es uns besser“, so wäre das wohl keine Nostalgie, sondern die inhaltlich richtige Aussage, daß es im Vergleich zu vergangenen Zeiten einen Verfall gegeben hat. Nur weil etwas früher besser war, bedeutet dies noch lange nicht, daß man zu diesem Schluß aus nostalgischen, d. h. emotionsbezogenen Gründen kommt. Diese können sehr wohl auch rational und empirisch gut gedeckt sein.
Anderes zu behaupten – und das angesprochene Nostalgie-Argument legt diese Ansicht nahe – würde bedeuten, in einem naiven und unreflektierten Fortschrittsglauben verfangen zu sein, der davon ausgeht, das Fortschreiten der Zeit sei unweigerlich mit einer Verbesserung der Dinge verbunden. Deshalb sei jede Veränderung zugleich auch eine Verbesserung, weil sich die Dinge immer vom Schlechteren zum Besseren entwickeln würden. Wer dem widerspricht, sei eben ein hoffnungsloser Nostalgiker, der ewig im Gestern verhaftet bleibt.
Und wie naiv, wenngleich weit verbreitet, diese Implikation, jede Neuerung wäre automatisch auch eine Veränderung zur Verbesserung, ist, hat uns die Historie schon unzählige Male auf impressionante Art und Weise vor Augen geführt.
2. Die alte Liturgie ist ein Ausdruck der Ablehnung des letzten Konzils
Dies ist ein Vorwurf, der zwar nicht neu ist, in letzter Zeit allerdings mit neuer Vehemenz vorgebracht wird. Hierzu ist zu sagen, daß die alte Messe selbst oder deren Besuch kein „Demonstrationsmittel“ ist. Es wäre völlig verfehlt sie als Protestmittel zu betrachten, denn das würde bedeuten, nicht um ihrer selbst willen und aus guten Gründen an ihr teilzunehmen, sondern aus Motiven wie Trotz, Ablehnung, Provokation oder Ähnlichem, jedenfalls nicht aus Überzeugung und geistlicher Erbauung, wie es aber bei den allermeisten Meßteilnehmern der Fall ist. Es impliziert, daß sie unter anderen Umständen in eine andere Messe gehen würden, und in der alten Messe eine Art Protestmittel sehen. Diejenigen, welche sie besuchen, besuchen sie gerade in der gegenwärtigen Situation innerkirchlicher Verfolgung sehr bewußt und wissen um deren Bedeutung – deshalb können sie auch nicht auf sie verzichten. Folglich würden sie diese auch nie als Ausdruck eines Protestes mißbrauchen, weil sie die Messe somit in ihrem (subjektiven) Wert „herabsetzen“ würden.
Was das Empirische anbelangt, so ist festzuhalten, daß die tatsächliche „Akzeptanz“ des letzten Konzils unter den Teilnehmern der traditionellen Messe eine erhebliche Bandbreite aufweist. Zwar ist es folgerichtig, daß diejenigen, die das letzte Konzil ganz oder in Teilen ablehnen, auch die traditionelle Messe suchen werden. Umgekehrt kann man aber nicht behaupten, daß alle, welche die alte Messe aufsuchen, auch das letzte Konzil ablehnen. Viele akzeptieren es sogar vollumfänglich nach eigenen Aussagen, und sehen allein die nachfolgenden Reformen als nicht konzilskonform. Andere hingegen sehen auch die in Intention und Texten des letzten Konzils vorliegenden Mängel. „Alte Messe“ also schon einmal rein empirisch nicht automatisch mit „Ablehnung des Konzils“ gleichzusetzen.
Allerdings weist der Vorwurf allein bereits auf zwei recht interessante Dinge hin:
Zum einen muß man schon auch die Gegenfrage stellen: Wenn das letzte Konzil tatsächlich nichts Wesentliches im Glaubensleben der Kirche geändert hat und im Grunde der Glaube der Kirche gleichgeblieben ist, wie immer wieder betont wird, dann müßte die traditionelle Messe doch nach wie vor ebenso Ausdruck der „nachkonziliaren“ Kirche sein, wenn es tatsächlich keinen Bruch gab, sondern nur harmonische Kontinuität. Wie kann es also sein, daß die neue Messe Ausdruck des Glaubens der Kirche ist, die alte Messe hingegen nicht mehr? Das würde nur Sinn machen, wenn sich der Glaube der Kirche selbst tiefgreifend verändert hat, so daß die bisherige jahrhundertealte Liturgie mit diesem nicht mehr in Einklang steht.
Zum anderen ist zu fragen: Wenn die alte und die neue Messe nicht beide Ausdruck des Glaubens der Kirche sind: Weshalb wird dann gerade die alte Messe und die vorkonziliare Theologie dann so verbissen bekämpft, und nicht die neue? Das macht nur dann Sinn, wenn man eine Sache durch eine andere ersetzen muß oder will. Weshalb stellt man nie die Frage, ob jemand das Konzil von Nicäa, Florenz oder Trient „annimmt“, und fordert das nicht ebenso kompromißlos ein wie die nebulöse „Annahme des Zweiten Vatikanums“? Warum fordert man hier mehr als bei anderen Konzilien?
Von daher steht schon der dringende und leider sehr begründete Verdacht im Raum, ob die Bestrebung der Abschaffung der alten Liturgie in Wirklichkeit nicht eine Ablehnung und Überwindung der bisherigen katholischen Lehre ist, wobei sich die Ablehnung der katholischen Lehre, so wie sie bislang galt, in Wahrheit nur als Vorwurf der „Ablehnung des letzten Konzils“ tarnt. Man fordert die „Annahme des Konzils“ ein, um in Wirklichkeit die „alte“, d. h. traditionelle katholische Lehre abzuschaffen und durch eine neue, andere zu überlagern, ohne es offen zugeben zu müssen.
3. Im Liturgiestreit geht es nur um Äußerlichkeiten
Dieses Argument ist eine Unterstellung und schließt die Tatsache aus, daß die Äußerlichkeiten als dem Wesentlichen nachgeordnet, aber in dessen Dienst stehend und diesen schützend gesehen werden. Der traditionelle Glaube ist nichts nebelhaft Undefiniertes, sondern er hat einen ganz bestimmten, präzisen und wohlformulierten Inhalt. Eben genau diesen Inhalt muß er notwendigerweise auch in einen äußeren Ausdruck überführen: sowohl aus Gründen der inneren Angemessenheit dem Herrgott gegenüber, als auch aus Gründen der menschlichen Beschaffenheit. Denn es ist unmöglich, eine Sache durch ihr augenscheinliches Gegenteil zu vermitteln. So sehr es auch wahr ist, daß die Liturgie keine Katechesestunde ist, so sehr ist auch wahr, daß es unvermeidlich ist, daß jede Art von sichtbarer Gestalt (ästhetisch, optisch, akustisch, olfaktorisch etc.) unweigerlich eine inhaltliche Glaubensüberzeugung vermittelt. Wer um die intensive funktionale Wechselwirkung zwischen dem Inhaltlichen als dem Wesentlichen und Primären und dem Äußerlichen als dem dem Wesentlichen bei- und nachgeordneten Sekundären weiß, kann nicht umhin, diesem unvermeidlichen Faktum Rechnung zu tragen. Das Äußerliche ist wie eine schützende Schale, die um den inneren Kern gelegt ist und fest mit diesem verbunden. Der Kern gibt ihr die Form, und diese schützt ihn als letzte Barriere vor direkten Angriffen. Zerstört man diese Schale, so wird unweigerlich auch der Kern beschädigt. Wer darum weiß und den inneren Kern – das Inhaltliche, d. h. das Opfer Christi – treffen will, muß deshalb zuerst auf die Schale – die äußerliche Form der Liturgie – zielen und diese angreifen. Trifft man die Liturgie, so trifft man auch das Opfer und den Glauben. Denn ändert sich die (Opfer-)Liturgie, so ändert sich auch der (Opfer-)Glaube. Deshalb ist der Vorwurf, man sei „nur“ auf das Äußere bedacht, im letzten selbst ein Angriff auf den Glauben: nicht weil das Äußere unser Glaube wäre, aber weil das Äußere durch den Glauben geformt wurde, diesen schützt, und ihn auch letztlich verändert, wenn es selbst durch Beschädigung umgeformt wird.
Form und Inhalt gehen immer zusammen – es ist ein Verhältnis des Sowohl-als-Auch, nicht eines Entweder-Oder, wie der Vorwurf impliziert. Der Glaube kann nur intakt bleiben, wenn Form UND Inhalt intakt bleiben. Verletze ich „nur“ die äußere Form, so deformiere ich unweigerlich auch den Glauben. Diese Verbindung auseinanderzutrennen und sie gegeneinander auszuspielen ist unlogisch und intellektuell auch nicht redlich, denn es unterstellt, daß diejenigen, die gläubig sind, keinen Sinn für die Form haben, und umgekehrt diejenigen, welche die Bedeutung der Form erkannt haben, keinen Glauben hätten. Solch ein unzulässiges Auseinanderdividieren von Zusammengehörendem endet letzten Endes immer in einer Selbstanklage.
4. In der alten Liturgie „liest“ der Priester die Messe, die Gläubigen „hören“ sie
Wirft man der alten Messe einerseits vor, daß sie größtenteils still ist, kritisiert man zugleich, der Priester würde sie „lesen“ und die Gläubigen sie „hören“.
In diesen beiden Verben, welche im übrigen sehr schön und angemessen sind, kommt richtig zum Ausdruck, daß nicht der Mensch Autor und Urheber des Altargeschehens ist. Weder die Gläubigen noch der Priester. Beiden tritt etwas ihnen Vorliegendes entgegen, das sie letztlich nur durch die Gnade Gottes empfangen können, jedoch nicht selbst produzieren.
Daß der Priester dabei die Gebete aus einem Buch „liest“, ist auch nicht verkehrt: Dennoch betet er, was er liest, aber er betet eben etwas, das nicht aus seinem eigenen momentanen und rein subjektiven Gefühl herauskommt, sondern er macht sich zur Stimme der Kirche, die durch ihn zu Christus betet, wie es ihr Christus selbst letztlich aufgetragen hat.
Auch „die Hl. Messe zelebrieren“ ist ein geeigneter Ausdruck, da er die Feierlichkeit und Erhabenheit des Geschehens zum Ausdruck bringt, den liturgischen Ablauf nach einem bestimmten Protokoll – auch hier ist das Vorgegebene enthalten. Außerdem bezieht sich „zelebrieren“ auf den Priester und nicht auf die Gesamtheit der Gläubigen, was deren unterschiedliche Rolle beachtet.
„Messe (mit)feiern“ (was ohne Artikel, wie es oft gebraucht wird, erst recht komisch und platt klingt), „miteinander Gottesdienst feiern“ oder „Eucharistie feiern“ hingegen sind Ausdrücke, die vorsätzlich etwas anderes vermitteln sollen und das „alte“ Verständnis der Hl. Messe durch ein neues, anderes Bewußtsein ersetzen wollen. Sie sind allesamt ungeeignete Ausdrücke, weil sie das Sakrale verdunkeln und den Sinn eher auf eine andere, profanere Art der „Feier“ lenken. Außerdem tendieren sie dazu, die Rolle von Priester und Gläubigen zu verwischen, und zielen auf ein eher protestantisches Denken ab: Alle tun dasselbe auf dieselbe Art und Weise. Mit „feiern“ ist im allgemeinen Verständnis eher das Ausgelassene, Freie und auf sinnliche Fröhlichkeit Gerichtete gemeint, während „zelebrieren“ und „die Hl. Messe lesen/hören“ zu Recht und mit allerbestem Grund auf das Kultisch-Feierliche rekurriert. „Feiern“ ist eben nicht einfach eine gleichbedeutende Übersetzung von „zelebrieren“, sondern hat vollkommen andere Konnotationen. Es fördert eine Profanierung des Liturgieverständnisses.
Besonders bizarr wird es übrigens, wenn man nach offiziellem Sprachgebrauch der Liturgiereform „ein Begräbnis feiert“. Spätestens an diesem Beispiel wurde schon vielen klar, wie ungeeignet dieser Ausdruck für die Zelebration der heiligen Liturgie ist.
5. In der alten Liturgie versteht man nichts
Damit ist einerseits gemeint „alles ist lateinisch“, andererseits „alles ist leise“.
Diesem Vorwurf, in seiner doppelten Bedeutung, liegt in beiden Fällen der grundlegende anthropozentrische Irrtum zugrunde, daß sich die Liturgie an den Menschen richten würde, und folglich von diesem verstanden werden müsse. Hierbei handelt es sich um eine Art liturgischen Narzissmus, bei dem sich der Mensch als Adressat und Zentrum der Liturgie sieht. In Wirklichkeit jedoch ist die Messe ein heiliger Vollzug, ein göttliches Geschehen, an dem der Mensch letztlich nur teilnehmen kann, in das er sich hineinnehmen lassen muß und welches er auf sich anwenden soll, das aber im Grunde genommen ohne ihn sich genauso vollzöge. Nicht die Liturgie richtet sich an den Menschen, sondern der Mensch wendet sich durch sie an Gott, der sie selbst vollzieht, und zwar durch seine Kirche, nicht durch den Menschen.
Der Mensch, der in die Heilige Messe geht, an ihr teilnimmt und dadurch auch an dieser teilhat, gesellt sich zu diesem göttlichen Opfer, das gerade real vollzogen wird, er stellt sich bei der Hl. Messe geistlich unter das Kreuz, um dessen Gnaden auf sich herabregnen zu lassen. Die betende Teilnahme ist die Ursache der Wirkung, die in der Teilhabe besteht. Die betende Teilnahme bewirkt die Teilhabe. Nichts anderes steht hierbei im Mittelpunkt als Gott selbst – was auf unübertreffliche Weise durch den Hochaltar zum Ausdruck kommt, bei dem Priester und Volk gemeinsam in dieselbe Richtung gewandt sind: versus Deum.
Alleinige Aufgabe des Menschen in der Hl. Messe ist es, das sich objektiv vollziehende Geschehen auch subjektiv an sich selbst geschehen zu lassen und es individuell auf sich anzuwenden, indem er sich in das, was sich gerade am Altar vollzieht, hineinbetet. Das muß er aber für sich und ganz persönlich machen, es genügt nicht, daß es „irgendwie und allgemein“ geschieht, denn der Mensch ist ein persönliches Individuum, das vor Gott steht und nicht einfach anonym in einer Masse aufgeht, – und dazu bedarf es eben einer gewissen Stille, weil ansonsten das Ich zwangsläufig im kollektiven Wir untergeht.
Freilich gibt es auch genügend Momente, in denen das kollektive Gebet seinen berechtigten Platz hat, – und die katholische Tradition hat dem gemeinschaftlichen Gebet reichlich Raum geboten und viele schöne Andachtsformen entwickelt, die es im übrigen wiederzubeleben gilt. Aber im Moment des Erlösungsgeschehens, das am Altar vollzogen wird, muß das persönliche Inkontakttreten mit unserem Erlöser im Zentrum stehen – ganz einfach weil wir auch ganz persönlich erlöst werden, und nicht in einem anonymen Kollektiv. Gerade weil es der erhabenste und wichtigste Augenblick ist, in dem sich Christus selbst für mich opfert, ist es wichtig, daß die Heilige Messe ein Ort ist, in dem das ganz private, persönliche Gebet, das Inkontakttreten mit unserem Heiland im Augenblick des Erlösungsopfers, gewährleistet ist. Und die Stille ist dafür eine Voraussetzung.
Es geht also nicht darum, durch die Stille jemanden vom Heilshandeln auszuschließen, sondern im Gegenteil geht es gerade darum, ihn hineinzunehmen und den Weg zur persönlichen Christusbegegnung zu bahnen.
Ebenso wie die Stille ist auch das Latein nicht dazu gedacht, um aktiv den Leuten das Verstehen zu verunmöglichen und sie von etwas auszuschließen, sondern auch die Tatsache, daß die Liturgie in einer Sprache vollzogen wird, die nicht die aktive Sprache des Volkes ist, erinnert jeden einzelnen sehr wohltuend daran, daß sich die Kirche in ihrer Liturgie nicht an den Menschen wendet, sondern an den Herrgott.
Wenn diese Tatsache akzeptiert wird und man keinem anthropozentrischen Liturgienarzissmus verfallen ist, sollte dies kein Problem sein. Wo man Gott jedoch aus dem Zentrum rückt, um sich selbst Platz zu machen, ist die Forderung nach Verständlichkeit eine nachvollziehbare Forderung – und zwar nur dann. Sich dessen stets gewahr zu bleiben ist von enormer Wichtigkeit für den Glauben, und wir sehen, wohin es geführt hat, als man der Forderung nachgab, die Messe laut und in der Volkssprache zu lesen.
Im übrigen ist es kein Geheimnis, was der Priester am Altar betet und vollzieht, – jedem stehen genügend Hilfsmittel zur Verfügung, um trotz Latein und Stille die Heilige Messe von Anfang bis zu Ende in all ihren Teilen mitverfolgen zu können, wer dies will. Es ist sicher eine der validen und soliden Möglichkeiten, wie man am Heiligen Opfer fruchtbar teilnehmen kann, – wenngleich vielleicht nicht die allerbeste aller Möglichkeiten. Man kann an der Hl. Messe sicherlich auch fruchtbringend teilnehmen, wenn man ihre einzelnen Texte liest und betrachtet, – noch besser ist es aber, sich in ihren Vollzug hineinzubeten.
6. Die alte Liturgie spricht den Menschen von heute nicht an
Diesem Vorwurf liegt derselbe denkerische Grundfehler zugrunde wie dem vorigen: Er entfernt Gott aus dem Mittelpunkt und ersetzt ihn durch sich selbst, so als ob die Liturgie auf den Menschen bezogen wäre, der in deren Mittelpunkt stünde.
Die versammelte Gemeinschaft, so meint man, „feiere den Glauben“, als ob Christus sozusagen nur das Thema der Zusammenkunft oder einer Feier wäre, die gemäß den persönlichen Befindlichkeiten gestaltet werden solle, könne oder müsse. In Wirklichkeit ist jedoch das genaue Gegenteil der Fall: Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt, sondern allein der Herrgott, der sich unblutig am Altar opfert. Er ist zugleich Opfergabe, Opferpriester und Opferempfänger. Es ist ein Geschehen, das sich hier vollzieht, und zwar immer dasselbe eine und einzige Hoheopfer. Deshalb sind auch „thematische Gottesdienste“ vollkommen fehl am Platz, da bereits vorgegeben ist, worum es einzig geht. Die Heilige Messe ist keine Gedächtnisfeier, sondern realer Opfervollzug.
Zum Vorwurf selbst sind zwei Dinge zu erwähnen: Zum einen geht es von vorne herein schon einmal überhaupt nicht darum, ob die Liturgie den Menschen „anspricht“ oder nicht, denn da die Liturgie nicht an den Menschen gerichtet ist, sondern an Gott, muß sie auch gottgemäß sein, und nicht menschengefällig. Das gilt zunächst einmal inhaltlich, dann aber auch ästhetisch. Was das Inhaltliche angeht, ist die Vorgabe von Gott selbst gegeben. Was das Ästhetische, also das „Gestalterische“ betrifft, so ist auch hier zu sagen, daß das bestimmende Maß der Gestaltung nicht der persönliche Geschmack – der legitimerweise kontingent ist – sein kann, sondern daß die Grenzen vom Sakralen und Angemessenen gezeichnet werden. Innerhalb des dem Wesen der Liturgie Entsprechenden und Angemessenen kann man zwar variieren und wählen, allerdings ist der persönliche Geschmack der Angemessenheit untergeordnet und nicht umgekehrt. Davon abgesehen: Wer soll der maßgebende „Mensch von heute“ sein, an dem sich die Liturgie auszurichten hätte?
Zum anderen ist zu sagen, daß der Vorwurf, die alte Liturgie spräche den heutigen Menschen nicht mehr an, auch unabhängig von der Tatsache abzulehnen ist, daß es gar nicht erst darum geht, wie wir eben gesehen haben. Denn indem die klassische Liturgie eine in sich gottgemäße ist, der Mensch aber an sich gottfähig und nach dem Göttlichen strebend, ist die traditionelle Liturgie in diesem Sinne automatisch auch eine den Menschen „ansprechende“ Liturgie, d. h. eine Liturgie, die auf jeden Fall auch eine dem menschlichen Wesen entsprechende ist. Wenn sie ihn subjektiv auch ästhetisch nicht ansprechen mag, so ist sie doch jedenfalls eine Messe, die auch seinem menschlichen Wesen entspricht. Wenn der Mensch gottfähig ist, und die Liturgie gottgemäß, so ist sie automatisch auch eine Liturgie, die in einem gesunden und rechten Sinne auch eine menschengerechte Liturgie ist.
7. Die alte Liturgie spaltet die Gläubigen
Dieser Vorwurf ist einerseits auf die Gläubigen generell bezogen, dann aber auch auf die Gläubigen innerhalb einer speziellen Gemeinschaft, beispielsweise einer Pfarrei. In beiden Fällen ist auch dieser Vorwurf von mehreren Seiten her zurückzuweisen.
Einerseits ist zu fragen, warum es gerade die alte Liturgie sein soll, die spaltet? Der ganze Streit wäre niemals entfacht, wenn man nicht gemeint hätte eine neue Liturgie entwickeln und zwingend einführen zu müssen. Es war durch die Einführung der neuen Liturgie und die aufgezwungenen Veränderungen, daß der Streit entfacht ist, rein historisch betrachtet. Deshalb könnte man denselben Vorwurf erst recht den Verfechtern der neuen Liturgie machen.
Des weiteren ist zu fragen, ob dieser Vorwurf der Spaltung überhaupt auf eine der beiden Liturgien als solche zutreffend ist? Also ist wirklich allein die Liturgie die causa efficiens der Spaltung, oder sind die beiden Liturgien nicht viel eher der äußere Ausdruck einer bereits vorher bestehenden, tiefgreifenden Divergenz im Glaubensverständnis? Freilich verstärkt die jeweilige Liturgie das eine oder das andere Verständnis und leitet zu diesem hin, aber die Frage bleibt dennoch bestehen: In den Zeiten vor der Liturgiereform, (oder auch angenommen, diese hätte niemals stattgefunden), gab es damals noch nicht diese unterschiedlichen Denkweisen in Glaubensbelangen? Waren es nicht gerade diese bestehenden Divergenzen, die den Ruf nach einer Liturgiereform laut werden ließen, zumindest bei einer numerisch unbedeutenden intellektuellen Minderheit? Rein von der Historie her betrachtet stand am Anfang der falsche Gedanke einer kleinen, aber einflußreichen intellektuellen Minderheit, zu einer Zeit als die Liturgie noch einheitlich (und „tridentinisch“) war. Diese Gedanken wollten sie dann in den verschiedenen Bereichen umgesetzt und verwirklicht sehen, deshalb pochten sie auch auf eine Änderung der Liturgie: weil die alte Liturgie ihrem neuen Denken und Glauben nicht entsprach. Die Liturgie ist aber ein bedeutendes „Transportmittel“ dafür, deshalb gab es eine gewisse Dringlichkeit. Denn die Gläubigen sollten nun vom herkömmlichen, überlieferten Glauben abgebracht und das neue Glaubensdenken implementiert werden – oder anders ausgedrückt: Man wollte die Leute vom Bisherigen abspalten und zu etwas Neuem führen. Die neue Liturgie hat diese Spaltung zwar unter den Gläubigen und auch im Klerus eifrig voranzutreiben geholfen, aber der eigentliche Ursprung der Spaltung, sozusagen der erste Riß, den es dann zu vergrößern galt, ging vom Denken einiger weniger Intellektueller aus.
Dies zeigt uns: a) Nicht das Alte spaltet, sondern das Neue spaltete vom Alten ab, und b) nicht die neue Liturgie (und schon gar nicht die alte) ist das ursprüngliche und daher auch ursächliche Problem, sondern der neue, andere Glaube, den sie ausdrückt.
Schließlich steht noch der Vorwurf im Raum, nicht nur unter den Gläubigen generell käme es zu Spaltungen, sondern auch innerhalb der Pfarrangehörigen. Eine Gruppe würde in die neue Messe gehen, eine andere Gruppe in die alte. Auch dieser Vorwurf ist aus einem doppelten Grund zurückzuweisen. Zum einen liegt ihm eine Überhöhung des „Gemeinschaftsgedankens“ zugrunde. Denn bei der Heiligen Messe geht es nicht darum, zuerst untereinander eine menschliche Gemeinschaft zu bilden und zu sein, und als solche dann „Messe zu feiern“ (wie man sich etwas tollpatschig auszudrücken pflegt), während eine andere Gruppe sich von dieser „Gemeinschaft“ absondern würde, wenn sie zu einer anderen Zeit oder einem anderen Ort zur Hl. Messe geht, fast als handle es sich um einen feindseligen Akt. Geht man in die Heilige Messe, so geht man nicht zu einem Gemeinschaftsevent, sondern man geht individuell zum großen Opfer, das die Kirche Gott darbringt. Man geht zum Opfergeschehen, man geht zum Herrgott und schafft so eine besondere Art der Gemeinschaft mit ihm – und erst durch diese Gemeinsamkeit der einzelnen ergibt sich automatisch auch untereinander eine Art Gemeinschaft der Gläubigen. Sie ist aber weder Ziel noch Zweck des Meßbesuchs, sondern etwas, das sich aus der Situation heraus von selbst ergibt.
Zum anderen ist es so, daß auch sonst oft mehrere Messen pro (Sonn)Tag angeboten werden, ohne daß dies als eine unzulässige „Trennung“ oder „Spaltung“ der Gläubigen angesehen würde. Wer immer in die Frühmesse geht, „trifft“ niemals denjenigen, der immer in die Abendmesse geht, ohne daß dies als ein Problem aufgefaßt würde. Weshalb soll es dann ein Problem sein, daß der eine einer Messe im NOM beiwohnt, während der andere in eine VO-Messe geht? Wären beide Messen im NOM, wäre dies ja auch kein Gemeinschaftsproblem.
Fazit: Ja, es gibt eine Spaltung, ja, sie wird auch in der Liturgie sichtbar, aber nein, die Liturgie ist nicht der eigentliche Grund, sondern es ist das andere Glaubensdenken, das in der Liturgie sichtbar wird, und das man je nachdem entweder fördern oder zurückdrängen möchte. Liturgie ist unweigerlich auch ein Denk- und Glaubensausdruck, als solcher ein „Transportmittel“, aber die Spaltung verläuft im Denken und Glauben, und bleibt nicht bei ästhetischem und verbalem Ausdruck stehen.
8. Die Teilnehmer an der alten Messe sind auch nicht besser
Dem ist inhaltlich vielleicht zuzustimmen – jedoch als Vorwurf nicht zulässig, zumal auch ein Agnostiker sagen könnte: „Da rennen sie in die (neue) Messe und sind keinen Deut besser als wir, die wir keinen Glauben praktizieren, aber versuchen gute Menschen zu sein“. Der Vorwurf ist genau derselbe, und als Vorwurf in solch einer Konstellation nicht gerechtfertigt, weil man hier religiösen Glauben, liturgische Praxis und moralisches Verhalten miteinander vermischt. Denn der Mensch ist letztlich immer derselbe, jeder Mensch ist in dieselbe Erbschuld verstrickt, unabhängig vom Ritus, dem er folgt. Außerdem impliziert dieser Vorwurf, daß es eine Messe für die „Besseren“ gäbe, nämlich die alte, und wer eben zu den „Schlechteren“ gehört, für den sei die neue Messe da: Was geht man in die alte Messe, wenn man dann nicht besser ist als jene, die in die neue Messe gehen? Zwar impliziert der Vorwurf seiner Logik folgend genau dies, aber es wird wohl hoffentlich nicht wirklich so gemeint sein, daß es eine Messe für die „besseren“ und eine für die „schlechteren“ gäbe. Dies ist zumindest nicht die Auffassung der Tradition.
Festzuhalten ist jedenfalls, daß die Heilige Messe, egal ob alt oder neu, keine Prämie und keine Auszeichnung für diejenigen ist, die sozusagen „gut genug“ für diese sind. Im Gegenteil: Natürlich sind die Besucher der alten Messe „auch nicht besser“, weil die Messe ja genau für den Sünder da ist: Es ist gerade der sündige Mensch, der um seine verzweifelte Situation weiß, der sich deshalb unter das Kreuz Christi in die Heilige Messe flüchtet, da er auch weiß, daß er dort Erlösung erhoffen kann und seine Seele vom Blut des Lammes reingewaschen wird.
Wir gehen zur traditionellen Heiligen Messe nicht deshalb, weil wir sündenlose Heilige sind (dann würden wir erst recht gehen wollen!), sondern gerade weil wir sündenbeladen und erlösungsbedürftig sind. Wenn man jedoch erst einmal seine eigene verstrickte Situation verstanden hat, und wenn man dann noch (in dem Maß, in dem Gott es dem Menschen zu erkennen gegeben hat) verstanden hat, wie die Heilsdynamik von Sühneopfer und Erlösung funktioniert, wird einem die neue Messe nicht mehr als adäquat erscheinen können. Sie entspricht durch ihre Zweideutigkeiten, Auslassungen und Abänderungen nicht mehr dem, was sie in ihrem eigenen Wesen ist und trotz ihrer Änderungen in ihrer Sakramentalität auch geblieben ist.
Mit dem Besuch der (alten) Messe ist der Versuch verbunden, gemäß seiner sündhaften und menschlichen Situation zu reagieren – und es ist ein sehr vernünftiges, logisches und reifes Verhalten.
Und letztlich sei auf diesen „Vorwurf“, auch wenn er als solcher nichts taugt, noch geantwortet: Wenn nun zwei Menschen dieselbe Sünde begehen, einer geht zur Hl. Messe und zur Hl. Beichte, der andere nicht, so ist derjenige, der sich in der Hl. Messe unter das Kreuz flüchtet, von wo er sich Heil und Erlösung erhoffen darf, noch immer besser dran als derjenige, der nicht weiß, wo er als Sünder nun einmal hingehört.
Schluß
Unabhängig davon, wie man selbst der klassischen, überlieferten Liturgie gegenüber eingestellt ist, ist es für alle ersichtlich, daß derzeit von allerhöchster kirchlicher Stelle aus eine Art „Säuberungsaktion“ im Gange ist, welche es zum Ziele hat, die klassische Dogmatik sowie die zu ihr gehörende Liturgie auszurotten. Dies geht vom Heiligen Stuhl selbst aus, wie er offen und unumwunden durch verschiedene Organe verlautbart. Auf genau diese sehr klaren Aussagen und Dokumente berufen sich die verschiedenen Dekrete auf diözesaner Ebene, welche die alte Liturgie ganz oder großteils unterbinden wollen.
Auffallend dabei ist, daß die Vorwürfe an die Tradition kaum einmal theologisch-sachlicher Natur sind, über die man objektiv diskutieren könnte, sondern sehr stark auf polemischen, emotionsgeladenen subjektiven Eindrücken basieren. Das Niveau, auf dem die Kritik hauptsächlich basiert, ist beschämend tief geworden. Man scheint objektiven theologischen Argumenten gezielt auszuweichen. Den Grund dafür zu erfahren wäre höchst interessant und würde vermutlich den Weg für etwas gehaltvollere, objektive theologische Debatten eröffnen.
Um zu klären, ob die aktuellen Maßnahmen des Heiligen Stuhles sowie, diesem nachfolgend, der verschiedenen Bistümer gegen die traditionelle Heilige Messe tatsächlich gerechtfertigt sind, wären zuvor folgende Fragen zu klären:
- Ist die aktuelle Lehre der katholischen Kirche, speziell was die Lehre über die Sakramente sowie das Kreuzes- und das Meßopfer in all dessen Teilen anbelangt, noch immer identisch mit der Lehre, wie sie bis vor dem letzten Konzil galt?
a) Wenn nein: Was gilt nicht mehr und was hat sich geändert?
b) Wenn ja: Warum ist die „tridentinische Liturgie“ nicht mehr Ausdruck des Glaubens der Kirche?
- Ist man nach Auffassung der kirchlichen Autoritäten katholisch, wenn man denselben Glauben hat, wie er beispielsweise 1950 als katholisch galt?
a) Wenn nein: Welchen Status hätte man dann gemäß der Kirche?
- Was ist an der „tridentinischen Messe“ im Konkreten falsch, so daß sie abgeschafft werden muß?
Wenn es wirklich wahr sein sollte, was man ständig behauptet, nämlich daß sich im Glauben der Kirche nichts geändert hat, dann müßte man sich ohne Probleme und Abstriche zu all dem bekennen, was bis zum Vorabend des letzten Konzils galt. Kann man dies nicht, so muß man sich fragen, warum nicht. Kann man es, so muß man fragen, warum dann die alte Liturgie überhaupt verändert wurde, weshalb sie jetzt sogar völlig abgeschafft werden soll, und weshalb das Neue „katholischer“ ist als das Alte. Die Antworten auf diese Frage wären Voraussetzung für eine ehrliche Debatte.
Ist man von der objektiven Richtigkeit der Liturgiereform sowie der endgültigen Ausrottung der alten Liturgie wirklich und aus sachlich-theologischen Gründen überzeugt, ebenso davon, daß es keinen Bruch gab, sondern nur Kontinuität, so sollte eine sachliche Debatte darüber kein Problem darstellen.

*Mag. Don Michael Gurtner ist ein aus Österreich stammender Diözesanpriester, der in der Zeit des öffentlichen Meßverbots diesem widerstanden und sich große Verdienste um den Zugang der Gläubigen zu den Sakramenten erworben hat.
Bild: New Liturgical Movement
Im Kern geht es Papst Franziskus darum, dass ab Gründonnerstag 2023 kein einziger Priester einer Traditionsgemeinschaft mehr sagen kann, er habe noch nie die Novus-Ordo-Messe zelebriert bzw. konzelebriert.
Eine sehr tiefe und sehr gut strukturierte Abhandlung!!
Indes ist es müßig, mit div. Vertretern der Kirche zu diskutieren! Sachlich/Theologisch gibt es von deren Seite keine wirklichen Argumente; also wozu die Perlen vor die Säue werfen? Zudem sind sämtliche Erlässe bzgl. einer sog. Einschränkung oder gar Abschaffung der Tridentinischen Messe ungültig, da dieser Ritus in „Quo primum“ für alle Zeiten festgeschrieben ist!
Ein großartiger Text, vielen Dank Don Gurtner. Vielen Dank an Katholisches.info für die Veröffentlichung.
Das Problem in der ganzen Frage ist, laut meiner Erfahrung, dass der nachkonziliare Klerus (und um den geht es vor allem) zwar in viele Richtungen auf Offenheit getrimmt wurde, aber in Richtung Tradition und überlieferten Ritus auf Mauern. Es wird gemauert. Bei bestimmten Stichwörtern fahren sofort die Panzermauern hoch. Das Thema wurde tabuisiert. Man darf nicht darüber reden. So wird es wohl eingetrichtert, sonst kann ich mir das nicht erklären. Ich denke entsetzt an einen Priester, einen guten Priester, der beim Stichwort Wigratzbad, dem Priesterseminar der Petrusbruderschaft, sich nicht entblödete, reflexartig zu sagen, wenn er die Gesichter der dortigen Seminaristen sehe, habe er den Eindruck, mit denen „stimme etwas nicht“. So tief unter der Gürtelinie wird „argumentiert“. Das genannte Beispiel ist 20 Jahre her. Eine solche Haltung muss irgendwo herkommen. Ich finde nur eine Erklärung: Es wird dem Priesternachwuchs des Novus Ordo eingebläut. Sie wissen vor allem eines, was sie nicht denken und nicht mögen dürfen. Ebenso wie sie wissen, was sie bedingungslos verteidigen müssen: das Zweite Vaticanum. Wie haltlos das ist, ergibt sich von selbst.
Dieses Tabu muss überwunden werden. Es ist das Verdienst von Papst Benedikt XVI., es mit Summorum Pontificum versucht zu haben. Durchaus erfolgreich. Das erklärt, warum Papst Franziskus seinen Feldzug dagegen führt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf…
Bravo!
Die perfekte Analyse
Ich bitte um Weiterleitung an alle Christen
Exzellente Analyse, Don Gurtner! Ich kann Ihnen nur bewundernd beipflichten. Ich selbst besuche beide Formen der Hl. Messe, wobei ich die alte eindeutig präferiere, seitdem ich sie im Herbst letzten Jahres kennenlernte. Als ich zum erstenmal die Texte mitbetete, durchzuckte am Anfang des Stufengebetes wie ein Blitz die Erkenntnis, daß dies die richtige Art und Weise ist, die Messe zu zelebrieren. Ich hoffe nur, daß sie nicht verboten wird.