Jo Bailey Wells, Bischöfin der Kirche von England und stellvertretende Generalsekretärin der Anglikanischen Weltgemeinschaft, war von Papst Franziskus eingeladen worden, bei der jüngsten Sitzung des C9-Kardinalsrates am 5./6. Februar über die Frauenordination zu berichten. Er tat dies, obwohl sein Vorgänger Johannes Paul II. diese 1994, im Sinne der zweitausendjährigen Überlieferung, dogmatisch verbindlich ausgeschlossen hatte. Die progressive spanische Zeitschrift Vida Nueva, die in ihrer jüngsten Ausgabe für die Frauenordination wirbt, sprach mit Bailey Wells. Am 4. August 2023 hatte Vida Nueva auch ein Interview mit Papst Franziskus veröffentlicht, der sich als „ein Opfer des Heiligen Geistes“ bezeichnete und den Bannstrahl gegen „starre Priester“ schleuderte. Vor allem warnte er vor einer festzustellenden Tendenz unter jungen Priestern, sich dem Relativismus entgegenzustellen, was Franziskus aber als „Starrheit junger Priester“ tadelte.
Jo(anne) Bailey Wells wurde 1995 zur Diakonin, 1996 zur Priesterin und 2016 zur Bischöfin der Anglikaner geweiht. Sie tat, was der Zweck ihrer Einladung war, und verteidigte und rechtfertigte vor Franziskus und den Kardinälen ihre eigene Stellung – und die All-inclusive-Haltung der anglikanischen Gemeinschaft. Man müsse nur immer ausreichend flexibel bleiben, dann ließen sich sogar Paradoxa unter einem Hut vereinen, womit Bailey Wells indirekt den Bannstrahl von Franziskus gegen die „Starrheit“ bekräftigte. Hier ihr Interview nach den zwei Tagen in Rom:
Frage: Obwohl das Treffen kurz nach der Gebetswoche für die Einheit der Christen stattfand, waren Sie von der Einladung überrascht?
Jo Bailey Wells: Ja, völlig. Ich habe mich in der Tat gefragt, was ich zu dem gewünschten Thema beitragen könnte und ob ich die richtige Person für die Durchführung wäre.
Frage: Und was war das gewünschte Thema?
Jo Bailey Wells: Ich wurde gebeten, über die Erfahrungen mit der Frauenordination in der Kirche von England und in der Anglikanischen Gemeinschaft zu sprechen. Dazu gehörten einige Hintergrundinformationen, der Entscheidungsprozeß und die Auswirkungen auf unsere Kirche. Ich habe aber auch etwas allgemeiner darüber gesprochen, was wir in diesem Prozeß gelernt haben, wie wir Veränderungen überstehen und mit Unterschieden umgehen können.
Frage: Die Ordination von Frauen ist in der katholischen Kirche, gelinde gesagt, ein kontroverses Thema. Haben Sie gesehen, daß die Kardinäle an Ihren Worten interessiert waren?
Jo Bailey Wells: Natürlich habe ich das. Sie waren einladend, aufmerksam und ich würde sogar sagen neugierig. Sie haben mehr Zeit mit Zuhören als mit Reden verbracht.
Frage: Was bedeutet es für den ökumenischen Weg, wenn das Oberhaupt der katholischen Kirche einen anglikanischen Bischof um Rat und Hilfe bittet?
Jo Bailey Wells: Ich würde diese Situation nicht wirklich als eine Bitte um Rat bezeichnen. Es war eher wie ein Seminar, bei dem wir zusammensaßen und zuhörten. Aber ich fand es sehr bezeichnend, daß ich in gewisser Weise als Kollege, als Mitstreiter im Evangelium Christi, eingeladen wurde, über die jüngste Geschichte der Frauen in unserer Kirche zu sprechen. Ich habe angedeutet, daß wir, auch wenn unsere Traditionen und Überzeugungen unterschiedlich sein mögen, viel gemeinsam haben und viel voneinander lernen können. Und ich weiß, daß Papst Franziskus bereit ist, neue Wege zu beschreiten, Risiken einzugehen und seine Vorstellungskraft in bezug auf die Möglichkeiten der Veränderung einzusetzen.
Frage: Die katholische Kirche durchläuft derzeit einen synodalen Prozeß. Wie beurteilen Sie die Bemühungen von Papst Franziskus, den Frauen ihren Platz zu geben?
Jo Bailey Wells: Papst Franziskus ist entschlossen, auf eine Vielzahl von Stimmen zu hören. Er hat den Rahmen der Synode bereits erweitert, um die Laien, einschließlich der Frauen, einzubeziehen, und er hat sich mit kulturellen Aspekten befaßt, um sicherzustellen, daß auch andere Themen auf die Synode kommen können. Er lädt nicht nur Vertreter der Ökumene zur Synode ein, sondern findet auch Wege, um Stimmen von außerhalb der katholischen Kirche an den Tisch zu bringen (wie auch meine Einladung zur Teilnahme am C9 zeigt). Er scheint keine Angst vor Veränderungen zu haben: Er ist offen für die Möglichkeiten, die Traditionen der Kirche neu zu erzählen und neu zu gestalten, um dem Evangelium in neuen Zeiten und Kontexten treu zu bleiben. Ich finde es inspirierend zu sehen, auf welche Weise er die Getauften befähigt, sich neu zu engagieren, was wahrscheinlich auch eine gesunde Herausforderung für den Klerikalismus darstellt.
Frage: Sie wurden 1998 die erste weibliche Dekanin einer Universität in Cambridge. Glauben Sie, daß die anglikanische Kirche anderen christlichen Konfessionen in bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter voraus ist?
Jo Bailey Wells: Wir scheinen der katholischen Kirche voraus zu sein, wenn es darum geht, Frauen dabei zu helfen, die ihnen gegebenen Gaben im vollen Umfang der Möglichkeiten im Dienste Gottes zu nutzen. Aber es gibt viele andere – vor allem protestantische – Konfessionen, die Frauen schon lange vor den Anglikanern formale Ämter und Führungsrollen in ihren Kirchen eröffnet haben. In der Zwischenzeit sollten wir nicht davon ausgehen – nur weil sich die Türen für Frauen auf diese Weise geöffnet haben – daß dies automatisch bedeutet, daß es eine Gleichstellung der Geschlechter gibt. Es gibt noch viel zu tun, in unseren Kirchen, in unseren Häusern, in unserer Welt – nicht zuletzt in den Teilen der Welt, wo die Armut am größten ist.
Frage: Auch der anglikanischen Kirche sind interne Spaltungen nicht fremd. Ich denke da zum Beispiel an die Zulassung gleichgeschlechtlicher Ehen. Wie erleben Sie diese Realität?
Jo Bailey Wells: Anglikaner waren schon immer recht offen in Fragen, in denen wir nicht einer Meinung sind; man könnte sogar sagen, daß unsere Unterscheidung durch Ringen und durch einen Prozeß der offenen Annahme zustande kommt, selbst wenn es unbequem ist, zusammenzustehen. In gewisser Weise haben wir viele Paradoxa erreicht, nicht zuletzt durch die Beibehaltung einer Identität, die sowohl protestantisch als auch katholisch ist.
Die Trennung ist nach wie vor schmerzhaft, und wir hoffen natürlich, daß wir zu größerer Übereinstimmung und größerer Liebe gelangen werden. Aber ich habe nie in der Annahme gelebt, daß Einheit Uniformität bedeutet; ich glaube vielmehr, daß es darum geht, Gottes wunderbare Welt mit größerer Weite und Tiefe zu lieben und zu verstehen.
Einleitung/Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: Ýoutube/Vida Nueva (Screenshots)
Eine ungültig geweihte „Bischöfin“ berät den Papst in einer Frage, die es nicht gibt – die Frauenfrage ist ja bekanntlich endgültig geklärt. Oder doch nicht? Allein dies zeigt die Absurdität dieses Pontifikates, über das man sich nur noch wundern kann. Offen gesagt: ich bin es leid, vom Papst andauern getadelt zu werden, nur weil ich zu den Priestern gehöre, die den Glauben und die Tradition verteidigen. Und ich bin wirklich froh, wenn dieses Pontifikat endlich vorbei ist. Das nächste mag noch schlimmer werden, aber wenn es nur schlimm ist und nicht mehr absurd, dann ist es schon ein kleine Verbesserung.
Danke für ihre offenen und ehrlichen Worte.
„Und ich weiß, daß Papst Franziskus bereit ist, neue Wege zu beschreiten, Risiken einzugehen und seine Vorstellungskraft in bezug auf die Möglichkeiten der Veränderung einzusetzen.“
Mir graut vor dem Einsatz der Vorstellungskraft von PF in Bezug auf die Möglichkeiten der Veränderung.