Von Pater Paolo M. Siano*
1.7 Die antiklerikale und globalistische „hohe Politik“ der „palladischen Freimaurerei“
Bellomo bekräftigt, daß die Freimaurerei, anders als es die Freimaurer der ersten drei Grade und viele Hochgradfreimaurer glauben machen wollen, sich tatsächlich mit Politik und Religion befaßt:
„In der Tat befaßt sich die Freimaurerei intensiv vor allem mit der hohen Politik; aber dieses Geheimnis innerhalb des freimaurerischen Geheimnisses ist ausschließlich den Brüdern der weißen Freimaurerei vorbehalten, und zwar nicht in vollem Umfang. Es ist in seiner Gesamtheit einer geheimen Freimaurerei innerhalb der sogenannten weißen Freimaurerei vorbehalten, der palladischen Freimaurerei, der nur sehr wenige, über die ganze Welt verstreute (aber verbundene) Brüder angehören. Sie ist diejenige, die das Geheimnis der großen internationalen Pläne hütet. Im vergangenen Jahrhundert war dieses Geheimnis, das umgesetzt wurde und erfolgreich war, das der Politik der Nationalstaaten und des Zusammenbruchs des Papsttums als weltliche Macht. Heute arbeitet die palladische Freimaurerei an der Verwirklichung der konsequenten historischen Entwicklung der Politik der Nationalstaaten: der Weltunion der Völker durch vorläufige kontinentale Unionen.“ 1
Bellomo schreibt weiter:
„Fassen wir zusammen: Die Freimaurerei hat also im 18. Jahrhundert weltweit gewirkt, um mit der Französischen Revolution die Rechte des Menschen, d. h. die Freiheitsrechte, zu bekräftigen. Und es ist ihr gelungen, dies zu tun. Im 19. Jahrhundert setzte sie sich auf der gleichen Ebene für die Rechte der Nationalitäten ein. Und es ist ihr gelungen. In diesem Jahrhundert hat sie sich dafür eingesetzt, die immerwährende Vitalität der politischen Demokratie zu bekräftigen und folglich die etablierten Diktaturen zu stürzen, und es ist ihr gelungen, dies durch den Zusammenschluß demokratischer, wenn auch nicht-freimaurerischer Kräfte zu tun. […] Wir werden nicht verschweigen, daß die Freimaurerei jetzt in Aktion ist, um das vierte Ziel (das dritte Ziel war der Sturz der Diktaturen) zu erreichen. Ihr Ziel ist nun die weltweite Vereinigung der Völker durch vorbereitende und notwendige kontinentale Zusammenschlüsse“ (S. 257).
Bellomo fährt fort (man beachte die Verwendung des Begriffs „Europäische Union“ im Jahr 1960):
„Was die Europäische Union betrifft, so werden derzeit die ersten Schritte unternommen durch die internationale Schaffung gemeinsamer Wirtschaftsräume, und zwar insofern, als es die allmähliche wirtschaftliche Realität sein wird, die die neue politische Realität, die sich in der Entstehung befindet, möglich, funktionsfähig und nutzbringend machen wird, da sie mehr und mehr im Geiste heranreift, und zwar deshalb, weil sie bereits in den Bereich des Geistes als eine universelle, beflügelnde und umhüllende Tatsache eingetreten ist“ (S. 257f).
Bellomo schreibt der Freimaurerei folgende „Verdienste“ zu:
„Der Freimaurerei verdanken wir die Entwicklung der Ideen der Aufklärung und der Erneuerung, die zur Französischen Revolution und damit zur Erneuerung des Weltlebens geführt haben. Das ist ein Verdienst, das man ihr nicht absprechen kann. Wir verdanken ihr auch die Arbeit, die sie für die nationale Einheit geleistet hat, nicht so sehr direkt, sondern aus prinzipiellen Gründen, die wir später besser verstehen werden, durch die von ihr geschaffenen und geförderten Vereinigungen, allen voran die Carboneria2 und die Giovine Italia3. Und auch das ist ein Verdienst, das man ihr nicht absprechen kann“ (S. 101f).
Bellomo ist also entweder Freimaurer oder steht im Einklang mit freimaurerischem Gedankengut.
1.8 Die Hochgrade des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus: Esoterik und Gnosis
Bellomo schreibt:
„Die Freimaurerei, die Teil des Lebens und seines ewigen Werdens sein will, hat folglich die Akazie als ihr Symbol gewählt. Sie will vielmehr die Religion dieses ewigen Werdens sein, und die Akazie wurde gewählt, weil sie als kräftige und sanfte Pflanze im Laufe der Jahreszeiten nie verdorrt und sich doch immer wieder erneuert. Die Freimaurerei, die in ihrem geistigen Wesen Leben sein will, will ihre Mitglieder in die Bedeutung des höheren Lebens einführen und ausbilden“ (S. 51, fett gedruckt).
Ewiges Werden? Bellomo schreibt genau wie ein Freimaurer.
Bellomo bekräftigt, daß der Freimaurer des 18. Grades des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus (AASR), Fürst Rose+Kreuz, die Synthese aller Religionen besitzen muß (vgl. S. 52)… Das Ritual des 18. Grades bekräftigt, daß die „Hochfreimaurerei“ in der Gestalt des Jesus von Nazareth einen höchst edlen Menschen vorfindet, wobei es jedem freisteht, ihn zu vergöttern oder nur die Lehren zu lieben, die die Welt erneuert haben, die aber von der römischen Kirche für ihre weltlichen Ziele ausgenutzt worden seien (vgl. S. 67).
Bei der Einweihung in den 30. Grad des AASR, Ritter Kadosch, wird der Kandidat aufgefordert, allen falschen Überzeugungen abzuschwören und sich nicht einmal an die Lehren der vorangegangenen Freimaurergrade zu binden (vgl. S. 70)… Bezüglich des 30. Grades (Neo-Templer und Gnostiker) betont Bellomo, daß der tiefe Gegensatz der Freimaurerei zur Kirche im Rationalismus der Freimaurerei liegt, nämlich im Gegensatz der Vernunft zum Gehorsam des Glaubens (vgl. S. 70f).
Im Abschnitt „Freimaurerische Esoterik und Exoterik“ stellt Bellomo in bezug auf die freimaurerische Geheimhaltung eine Verbindung zwischen der Freimaurerei und den antiken Initiationsgesellschaften her: Die Eingeweihten vertraten hohe, vorbehaltene oder esoterische Lehren, während es für das gemeine Volk „externe“, öffentliche oder exoterische Lehren gab (vgl. S. 74–77).
Bellomo verteidigt die Templer gegen den Vorwurf der moralischen Verderbtheit, ist jedoch davon überzeugt, daß die Templer „in einige orientalische hieratische Sekten“ eingeweiht wurden, die „den Glauben in seiner ursprünglichen Einfachheit und Intensität wiederherstellen wollten“… Bellomo zufolge handelte es sich dabei um die Sekte der „Johanniten“, die sich nicht zum römischen Katholizismus bekannten (vgl. S. 89)… Bellomo sagt, daß die Johanniten „die weltweite Vereinheitlichung der Religion“ anstrebten und daß die Templer die Dogmen der Trinität und der Inkarnation des göttlichen Wortes ablehnten (vgl. S. 90).
1.9 Magie in den Hochgraden: nur Studium, keine Praxis?
Bellomo erklärt, daß der 28. Grad AASR, Ritter der Sonne, den Freimaurer in den Okkultismus einführt, wo Kabbala, Hermetik und Alchemie diskutiert werden. Die Hochgrade wollen sicherstellen, daß der Adept (vielleicht ein zukünftiger 31., 32., 33. Grad) absolute Freiheit des Denkens und der Forschung hat und frei von Dogmen ist, insbesondere wenn es sich um den römischen Katholizismus handelt. Der Adept wird „in die jüdische Tradition und das jüdische Denken“ eingeführt (vgl. S. 123)… Aber auf die Frage, ob die „höhere Freimaurerei“ sich „magischen Praktiken“ widme, antwortet Bellomo seltsamerweise: „Nein, die Höhere Freimaurerei widmet sich überhaupt nicht solchen Praktiken, im Gegenteil, sie will sich vor deren Einfluß schützen“ (S. 123).
Kurz gesagt, laut Bellomo würde die „weiße Freimaurerei“ (31. bis 33. Grad) mit dem 28. Grad den Freimaurer den Suggestionen der Magie aussetzen, um zu sehen, ob er ihr widerstehen kann… Die zukünftigen „weißen“ Freimaurer müssen die Magie nur kennen, um nicht von ihr getäuscht oder beherrscht zu werden (vgl. S. 123f)… In Wirklichkeit schätzt die Freimaurerei die Magie.
Über den 30. Grad schreibt Bellomo:
„Die Freimaurergrade vom 19. bis einschließlich 30. nehmen an der ‚schwarzen‘ Freimaurerei teil, auch ‚philosophische‘ Freimaurerei genannt. Dies wird von jenen Brüdern erreicht, die sich durch ausgeprägte intellektuelle Qualitäten, bemerkenswerte Sensibilität und Intuition (wo es keine spezifische Kultur gibt) in bezug auf die Gesetze, die den Kosmos und die Harmonie der Natur regieren, ausgezeichnet haben. […]. Ein typischer Ausdruck der schwarzen Freimaurerei, die inquisitorische Aufgaben hat, sind die Brüder des 30. Grades oder Kadosch-Ritter. Sie sind in Wirklichkeit die treuhänderischen Agenten des Ordens, voll Eifer und Vertrauen. In diesen Grad werden Personen mit scharfem Verstand erhoben, die zwar nicht sehr gebildet, aber bedingungslos ergeben und etwas fanatisch sind und im Dienste des Ordens nicht zögern, gewisse Skrupel abzulegen. Ihnen obliegt die Aufgabe der Erkundung und Untersuchung, die Aufgabe vielleicht notwendiger Maßnahmen, für die sich aber nicht jeder eignen würde. So wie die Streitkräfte ihre eigenen Nachrichtendienste haben, so wie die Polizei ihre eigene geheime Organisation für die heikelsten und schwierigsten Ermittlungen hat, so ist das Kapitel dieser ‚Ritter‘ das Organ, dessen sich die Freimaurerei bedient, um Nachrichten und Informationen zu beschaffen oder um vertrauliche Aufgaben ausführen zu lassen. Kurzum: Der Ritter Kadosch gilt als Person mit höchstem freimaurerischem Eifer. Daher genießt er innerhalb des Ordens besondere Aufmerksamkeit“ (S. 105).
Dann stellt Bellomo fest:
„Die weiße Freimaurerei ist der obersten Leitung des Ordens vorbehalten. Sie umfaßt die Grade 31, 32 und 33, die auch als ‚Verwaltungsgrade‘ bezeichnet werden. Zum 31. Grad können nur Brüder des 30. Grades aufsteigen, die nach Meinung ihrer Oberen ‚das ganze dogmatische Licht‘ in ihrem Geist empfangen haben“ (S. 105), d. h. das Licht der Freimaurerei.
1.10 Freimaurerei und Okkultismus
Bellomo betont, daß die Freimaurerei und der römische Katholizismus zwei antagonistische Kräfte sind. Er fügt hinzu:
„Aber während der Katholizismus in der profanen Welt wirkt, indem er sie in Gemeinschaft mit dem Göttlichen setzt, ohne Geheimnisse und im mystischen Licht seiner Tempel, die allen offen stehen und alle willkommen heißen, wirkt die Freimaurerei in derselben Welt, indem sie sich durch die weiße Freimaurerei nicht mit der souveränen göttlichen Welt, sondern mit der okkulten Welt in Verbindung setzt. Folglich führt sie ihre Praktiken im geheimen aus“ (S. 198).
Während Bellomo zuvor schrieb, daß die „weiße“ Freimaurerei keine Magie praktiziert (vgl. S. 123f), gibt er nun klar zu, daß die „weiße“ Freimaurerei (31°–33° des AASR) das Okkulte praktiziert…
Es gibt Freimaurer-Autoren, die von einem weltweiten Initiationszentrum sprechen, einer Art Gegen-Vatikan. Dabei handle es sich um Agartha (was auf Tibetisch: unantastbar bedeutet), das in Tibet liegt… Diesen Autoren zufolge würden spirituelle Einflüsse von Agartha auf die Welt ausstrahlen, und die Freimaurer wären davon überzeugt (vgl. S. 199f)… Bellomo kommentiert:
„Abgesehen von Agartha und seinem Einfluß auf die Geschicke der Welt ist es erwiesen, daß zwischen den verschiedenen Einweihungszentren, die unter verschiedenen Namen arbeiten, wenn auch nicht alle, fast alle mit der weißen Freimaurerei als Vermittler arbeiten. Diese Verbindung ist spirituell, aber nicht immer spirituell. Was die Agartha-Zentren betrifft, so operieren sie in der profanen Welt, indem sie auf spiritistische Praktiken zurückgreifen, die es ihnen ermöglichen, mit Elementen in Kontakt zu kommen, die an den Agartha-Aktivitäten teilnehmen könnten. Die Agartha-Zentren agieren im wesentlichen in der okkulten Welt. Dies unterscheidet sie von den freimaurerischen Zentren. Die Freimaurerei steht seit ihren Anfängen zwischen dem Astralen und dem Irdischen. In der Erde verzweigt sie ihre zahlreichen und kapillaren Wurzeln; mit der Schwarzen Freimaurerei nähert sie sich dem Okkulten und mit der Weißen Freimaurerei betritt sie es. Die Freimaurerei hat als Symbol den bekannten ‚Baum des Guten und des Bösen‘. In der Tat diente und dient dieser Satz, der geschickt in Reden eingefügt wurde, den Freimaurern dazu, sich gegenseitig zu erkennen. Nun, dieser Baum des Guten und des Bösen symbolisiert mit seinen Wurzeln (Blaue und Rote Freimaurerei), mit seinem Stamm (Schwarze Freimaurerei), mit seinen Blättern und Ästen, die zum Himmel reichen (Weiße Freimaurerei), diesen dreifachen Wirkungskreis der Freimaurerei. Deshalb werden die Grade der Weißen Freimaurerei nicht nur ‚Verwaltung‘, sondern auch ‚Erleuchtung‘ genannt“ (S. 200).
Bellomo erklärt, daß die tibetische Priesterkaste die Hüterin „kostbarer Geheimnisse der übersinnlichen Welt“ ist (S. 200).
Bellomo schreibt:
„Es ist eine offensichtliche Tatsache, die von der Geschichte, d. h. von den sich wiederholenden menschlichen Ereignissen, ständig bestätigt wird, daß die Eingeweihten – d. h. diejenigen, die das Wissen um die höheren Wahrheiten besitzen, die an der außerirdischen Welt teilhaben – die wahren Protagonisten der konkreten Ereignisse sind. Folglich verfügen sie, manchmal unbewußt, über immense Macht. Und da ihr Wissen auf Fähigkeiten beruht, die allen Eingeweihten gemeinsam sind, ermöglicht dieser gemeinsame Faktor der Einweihung, die ganze Welt in ihre spirituelle Aura zu hüllen“ (S. 202).
1.11 „Die palladische oder satanische Freimaurerei“.
Bellomo erwähnt die antifreimaurerische Enzyklika Humanum genus (1884) von Leo XIII., die mit dem Hinweis auf zwei unbestreitbare, gegensätzliche Kräfte beginnt: das Reich Gottes und das des Satans. Bellomo bemerkt dazu:
„Zur Klarheit des Lesers sei beiläufig gesagt, daß mit Satan das freie Denken und die stolze Vernunft gemeint sind; das ist es, was Carducci, ein palladischer Freimaurer, damals mit seiner heute berühmten Hymne an den Satan besang“ (S. 34).4
Im 13. Grad (und im 23. Grad) des AASR lautet das „Heilige Wort“ „Jehova“ (vgl. S. 139f). In einer Fußnote argumentiert Bellomo dann:
„Jehovah (oder Jehova) bedeutet im Hebräischen ‚Satan‘. Und da es, wie wir später sehen werden, eine internationale freimaurerische Kaste gibt, die im geheimen, innerhalb des freimaurerischen Geheimnisses, die höchsten Freimaurer vereint und die palladische oder, anders ausgedrückt, satanische Freimaurerei genannt wird, ist es der Fall, daß die Existenz dieser Klasse, wie wir sehen können, im 13° angedeutet, aber den Adepten erst im 31° enthüllt wird“ (S. 145, Fußnote 2).
Daher, so Bellomo, würde der freimaurerische Jehova dem Satan der „palladischen“ (oder gnostischen) Freimaurer entsprechen…
Bellomo fährt fort:
„Giosuè Carducci gehörte der palladischen Freimaurerei an, und in diesem Zusammenhang ist seine sehr berühmte Hymne an Satan bezeichnend, die zu ihrer Zeit hier Begeisterung, da einen Skandal und eine lebhafte Kontroverse auslöste. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß der Satan für die Freimaurer nicht die dunkle Macht darstellt, die sich der Normalbürger vorstellt, sondern die ‚Vernunft‘, die sich dem ‚Glauben‘ entgegenstellen will. Satan war für Carducci, wie für die palladischen Freimaurer, das freie Denken“ (S. 145, Fußnote 2).
Bellomo fährt fort:
„Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß Carducci, ein palladischer Freimaurer, seine Hymne in dem Jahr veröffentlichte, als der Vatikan das Ökumenische Konzil einberief“ (S. 145, Fußnote 2).
Ich weise daraufhin, daß das Erste Vatikanische Konzil 1868 einberufen wurde und 1869 begann. Im Gegensatz dazu wurde der Palladische Ritus oder das „Neue Reformierte Palladium“ (falls es existierte) nach der Einnahme Roms (1870) konstituiert, zumindest laut Domenico Margiotta 33°5, der von Bellomo zitiert wird… Wenn der Palladismus 1870 entstand, war Carducci also „palladisch“ ante litteram?
Bellomo berichtet, daß Carducci seinem Freund und Freimaurer Quirico Filopanti schrieb, daß er (Carducci) mit Satan die Natur und die Vernunft meinte, die durch die Askese und die Kirche abgetötet wurden… Dann, als alter Mann – so Bellomo – habe Carducci verstanden, daß es neben der Vernunft auch den Glauben gibt (vgl. S. 145, Fußnote 2).
Erst später in seinem Buch schreibt Bellomo [1960]:
„Ein großer Teil der Menschheit, in den von ihr beherrschten Sphären, vor allem in den angelsächsischen und nahöstlichen Ländern, steht unter freimaurerischem Einfluß. Und zwar von jener internationalen und interkontinentalen palladischen Freimaurerei, die in den Schlüsselpositionen der hohen Politik ihre eigenen Brüder und in den wichtigsten Positionen der einzelnen Nationen ihre eigenen Rosenkreuzer, ihre eigenen Kadosch-Ritter, ihre eigenen Magistrate des 31., 32. und 33. Grades, einsetzt und einzusetzen weiß“ (S. 266).
In einer Fußnote spricht Bellomo von der Rivalität zwischen den Freimaurern und „palladischen“ Führern Albert Pike 33° (1809–1891) und Adriano Lemmi 33° (1822–1906) bezüglich der Figur Luzifers: Für Lemmi ist Luzifer der Satan, für Pike nicht (vgl. S. 269, Fußnote 1)… Nach Bellomo (und Margiotta, ehemaliger 33°) leugnet Pike die Existenz des Teufels, verurteilt den Satanismus und wirft den satanistischen Freimaurern vor, den Antifreimaurern in die Hände zu spielen… Nach Pike verehren die Freimaurer des 33° nicht Satan, sondern einen Gott ohne Aberglauben (vgl. S. 269, Fußnote 1)… Bellomo scheint eine Art Sympathie mit Pikes luziferischer Theorie auszudrücken, wenn er schreibt:
„Pike, ein tiefgründiger und philosophischer Geist, machte einen subtilen, aber wesentlichen Unterschied zwischen ‚Luzifer‘ und dem ‚Teufel‘; während Lemmi, aufgrund einer schlechten philosophischen Kultur, das eine mit dem anderen verwechselte“ (S. 269, Fußnote mit Sternchen *).
Es ist interessant festzustellen, daß verschiedene reguläre Freimaurer aller Zeiten und Orte den Satanismus, verstanden als Satansanbetung und/oder Identifizierung Luzifers mit dem „biblischen“ Satan, im allgemeinen verurteilen und sagen, daß sie Gott ohne Aberglauben anbeten… Sie bestätigen damit die Existenz einer satanistischen Freimaurerei. In Wirklichkeit ist auch eine solche „antisatanistische“ freimaurerische Haltung mit dem gnostischen Luziferismus vereinbar, der sogar in den authentischen Schriften von Albert Pike 33° zu finden ist.
Bellomo schreibt weiter:
„Nach der Einnahme Roms [1870] hat die freimaurerische Aktion, um sich zu entwickeln und zu stärken, die Schaffung eines sehr geheimen höchsten Ritus, der den Freimaurern des 33° vorbehalten ist, und Konstituierung einer zentralen Hochgradfreimaurerei erarbeitet. Das alles erhielt den Namen Neuer Reformierter Palladischer Ritus. Die Konstituierung des neuen Organs erfolgte mit einem Dekret von Albert Pike und Giuseppe Mazzini. Die Macht wurde von den beiden Gründern geteilt: Pike gab sich die dogmatische Autorität und erhielt den Titel Souveräner Pontifex der Weltfreimaurerei; Mazzini gab sich die politische und erhielt den Titel Souveränes Oberhaupt der politischen Aktion“ (S. 274).
Bezüglich des (angeblichen) Palladismus von Pike und Mazzini zitiert Bellomo offen Domenico Margiotta, 33. Grad AASR, Autor des Buches „Ricordi di un Trentatré, capo della Massoneria universale“ („Erinnerung eines Dreiunddreißigsten, Oberhaupt der Weltfreimaurerei“, 1893). Über den Palladismus für die Freimaurer des 33. Grades schreibt Margiotta:
„[…] Der Palladismus ist ein im wesentlichen luziferischer Ritus; und seine Religion ist der Neognostizismus der Manichäer, die lehren, daß die Gottheit doppelt ist und daß es Luzifer gibt, der Adonai gleich ist (letzterer Name wird in der Freimaurerei dem Gott der Katholiken gegeben); aber Luzifer ist der Gott des Lichts und des Guten, der für die Menschheit gegen Adonai, den Gott der Dunkelheit und des Bösen, kämpft. Indem er dieses Prinzip zur Grundlage des geheimen Kultes der Dreiecke machte, hat Albert Pike [der Großpatriarch der Freimaurerei von Charleston] nichts anderes getan, als den letzten Schleier vom Domma (Dogma) der anderen Grade aller Hochgradfreimaurereien aller Riten zu entfernen“ (zitiert von Bino Bellomo: La Massoneria universale dalle origini ai nostri giorni, Editrice Ciarrocca, Mailand 1960, S. 275).
Weiter stellt Bellomo klar, daß Giosué Carducci am 10. Dezember 1869 Freimaurer des 33. Grades des Palladischen Ritus war (vgl. S. 279, Fußnote 6), aber Bellomo selbst schreibt weiter oben, daß der Palladische Ritus nach der Einnahme Roms, also nach dem 20. September 1870, geboren wurde (vgl. S. 274)… Soweit ich weiß, erreichte Carducci den 33. Grad im AASR erst nach 1870…
Bellomo schreibt den Palladisten eindeutig schwarzmagische Praktiken zu:
„Bereits am 10. Dezember 1869 hielt es Carducci, Freimaurer des 33. Grades des Palladischen Ritus, für notwendig, sein luziferisches Denken vom freimaurerischen Satanismus zu trennen. Nicht schwarzmagische Praktiken, wie sie dem Palladismus zugeschrieben werden, sondern nur Gedankenfreiheit, Gehorsam gegenüber Vernunft und Wissenschaft […]“ (S. 279).
2. Im Zeichen des heiligen Erzengels Michael…
1965 veröffentlichte Bino Bellomo das Buch „Sotto il segno di S. Michele Arcangelo. Come e perché operò anche in Italia il movimento segreto militare antidittatoriale“ („Unter dem Zeichen des heiligen Erzengels Michael. Wie und warum die geheime militärische antidiktatorische Bewegung auch in Italien aktiv war“, Edizioni Beta, Mailand 1965), ein Buch, das die Aktivitäten der geheimen Bewegung gegen Nationalsozialismus und Faschismus in Italien aufzeigt, insbesondere die Arbeit zur Verteidigung der Stadt Rom. Der Hinweis auf den Erzengel Michael erinnert an die Initiationsbruderschaft von Giuseppe Cambareri (siehe hier und hier).
In dem Buch spricht Bellomo auch über die Freimaurerei. Ich zitiere nur ein paar Passagen.
Zur Verbreitung der Freimaurerei zu seiner Zeit (1965) stellt Bellomo fest, daß „auch heute noch sowohl kommunistische als auch christdemokratische hohe Persönlichkeiten in der Freimaurerei tätig sind“ (S. 143). Beide bekämpfen sich und zeigen ihre gegenseitige Abneigung in den öffentlichen Sitzungen der Abgeordnetenkammer, treffen sich dann aber brüderlich im Geheimen derselben Loge (vgl. S. 143)… Weiter schreibt Bellomo:
„Wir wissen sehr wohl, wie die kosmopolitische oder palladische Hochgradfreimaurerei, die sich nur den höchsten Freimaurern und unter strengster Geheimhaltung öffnet, ständig an der Unterdrückung der Monarchien arbeitet (in aller Ruhe, geduldig und auf den richtigen Augenblick wartend)“ (S. 256).
Bellomo zufolge wird die Welt von „einer geheimen und unsichtbaren Herrschaft“ regiert, und diese Herrschaft wird nicht so sehr von England und den USA ausgeübt, sondern von den beiden Freimaurereien, „die ihre jeweiligen Regierungen lenken“ (vgl. S. 287).
In der Tat ist es wichtig, ein Land oder eine Regierung von den Lobbys zu unterscheiden, die sie beeinflussen, um Dämonisierungen zu vermeiden, die bestimmten Propagandaaktionen dienen…
3. Schlußfolgerungen
Bino Bellomo, ein ehemaliger Offizier des italienischen Militärgeheimdienstes (SIM) von 1940 bis 1944/45, Mitarbeiter von Giuseppe Cambareri (ebenfalls SIM-Agent und zusätzlich OSS-Agent), wahrscheinlich Freimaurer oder Sympathisant der Freimaurerei von Saverio Fera und Raoul Vittorio Palermi (also der Freimaurerei der Piazza del Gesù), ist eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Sein Hauptwerk über die Freimaurerei, „La Massoneria Universale dalle origini ai nostri giorni“ („Die Weltfreimaurerei von ihren Ursprüngen bis heute“, Mailand 19601; Bologna 19692), ist von Bedeutung, enthält aber Information und Desinformation, Wahrheit und Ablenkung (siehe den ersten Teil dieser Reihe).
Es ist ein Werk, das eines ehemaligen Geheimagenten und Freimaurers würdig ist. Zunächst behauptet er, daß es keine lehrmäßigen oder theologischen Gegensätze zwischen der Kirche und der Freimaurerei gibt (was falsch ist), daß die Zeit der Versöhnung und der Zusammenarbeit gekommen ist (was gefährlich ist), aber dann behauptet er, daß es elitäre freimaurerische Kreise gibt (z. B.: unter den Dreiunddreißigern des Alten und Angenommen Schottischen Ritus AASR), die Luzifer als Freidenker preisen…
Abgesehen von der umstrittenen Frage des Palladismus (Taxil, Margiotta, etc.), ist es sicher, wie ich gezeigt habe, daß es reguläre Freimaurermeister gibt (schon ab dem 3. Grad), die Luzifer als Freigeist oder Freies Denken gegen die Dogmen preisen. Ich halte jedoch die Existenz „palladischer“ oder „luziferischer“ Kreise unter den 33°-Freimaurern nicht für unmöglich…
Im 33. Grad wird nämlich das Höchste Wesen oder der Große Baumeister als „Vater des Lichts“ bezeichnet… Ja, das Licht…
*Pater Paolo Maria Siano gehört dem Orden der Franziskaner der Immakulata (FFI) an; der promovierte Kirchenhistoriker gilt als einer der besten katholischen Kenner der Freimaurerei, der er mehrere Standardwerke und zahlreiche Aufsätze gewidmet hat. Durch seine Veröffentlichungen bringt er den Nachweis, daß die Freimaurerei von Anfang an bis heute esoterische und gnostische Elemente enthielt, die ihre Unvereinbarkeit mit der kirchlichen Glaubenslehre begründen.
Übersetzung: Giuseppe Nardi
Bild: MiL
1 Bino Bellomo: La Massoneria dalle origini ai nostri giorni (Die Freimaurerei von den Ursprüngen bis heute), Editrice Ciarrocca, Mailand 1960, S. 33
2 Die Carboneria war ein italienischer Geheimbund, der wie die Freimaurerei aufgebaut war und zum Ziel hatte, die italienischen Monarchien zu stürzen und einen italienischen Nationalstaat zu errichten. Er entstand im Gefolge der napoleonischen Zeit. In besonderer Weise richteten sich die Aktivitäten dieser Untergrundorganisation gegen den Kirchenstaat.
3 Die Giovine Italia (Junges Italien oder Jungitalien) war eine 1831 von Giuseppe Mazzini in Marseille gegründete radikaldemokratische linke Organisation, um den politischen Kampf gegen die Monarchien, insbesondere den Kirchenstaat, und für die Errichtung eines italienischen Nationalstaates voranzutragen. Viele Carbonari schlossen sich der Giovine Italia an.
Giuseppe Mazzini, Sohn eines Jakobiners, war selbst Carbonaro und Freimaurer. Er wurde Großmeister des Großorients von Italien und 1864 in den 33° des Alten und Angenommen Schottischen Ritus aufgenommen.
4 Giosué Carduccis Vater war Mitglied des Geheimbundes der Carbonari. Carducci selbst war Atheist und Republikaner und wurde 1682 in die Freimaurerei aufgenommen, gründete selbst eine Loge und wurde Mitglied der Loge P1 (Propaganda Massonica). 1863 schrieb er seine „Hymne an Satan“. 1876 wurde er für die radikale Linke Parlamentsabgeordneter, ab 1890 Senator des geeinten Italiens. Von 1881 bis zu seinem Tod 1907 war er Mitglied des höchsten Beirats des italienischen Bildungsministeriums. 1906 erhielt er als erster Italiener und siebter Preisträger überhaupt den Literaturnobelpreis.
5 Domenico Margiotta, geb. 1858 in Kalabrien geboren (damals Königreich Beider Sizilien), war 33° des Alten und Angenommenen Schottischen Ritus (AASR) und damit Mitglied des Obersten Rats von Neapel. Er war ebenso 95° des Memphis-Misraïm-Ritus. Der katholische Bischof von Grenoble, Msgr. Amand-Joseph Fava, führte ihn zum katholischen Glauben zurück, sodaß Margiotta zu einem Kritiker der Freimaurerei wurde. Er wird häufig im Zusammenhang mit Léo Taxil genannt und wurde wie andere Kritiker der Freimaurerei Zielscheibe massiver Diskreditierungsversuche mutmaßlich freimaurerischer Kreise.
Dazu zählt auch die Erwähnung Margiottas durch den Freimaurer Umberto Eco in dessen 2010 veröffentlichtem Roman „Der Friedhof in Prag“.