Immer mehr Katholiken fragen sich: Warum wird Papst Franziskus nicht abgesetzt?

Der Papst und seine Absetzung


Die mittelalterlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts zeigen als strenge Mahnung unter den Verdammten nicht selten auch Kleriker, Bischöfe oder einen Papst.
Die mittelalterlichen Darstellungen des Jüngsten Gerichts zeigen als strenge Mahnung unter den Verdammten nicht selten auch Kleriker, Bischöfe oder einen Papst.

Eini­ge Gedan­ken von Giu­sep­pe Nardi

Anzei­ge

Unter Katho­li­ken macht sich welt­weit die Über­zeu­gung breit, daß Fran­zis­kus ein unwür­di­ger Nach­fol­ger auf dem Stuhl des Petrus ist. Die Rede war vom „Dik­ta­tor­papst“. Inzwi­schen ist jedoch vom „Häre­ti­ker­papst“ die Rede. Es geht nicht um man­geln­de Wür­dig­keit, son­dern um die Fra­ge, ob ein „fal­scher Papst“ in Rom resi­diert. So wird immer häu­fi­ger die For­de­rung nach sei­ner Abset­zung erho­ben, weil er sein Papst­tum ver­wirkt habe. Kann aber ein Papst abge­setzt wer­den? Mit die­ser Fra­ge wol­len wir uns aus aktu­el­len Anlaß ein wenig befassen.

Es sol­len eini­ge Über­le­gun­gen dazu ange­stellt und eine Dis­kus­si­on dazu eröff­net wer­den. Die Dar­stel­lung wird nicht umfas­send sein, son­dern ledig­lich ein­zel­ne Aspek­te auf­grei­fen und daher unvoll­stän­dig blei­ben. Sie ist als Anre­gung gedacht, daß ande­re sich auch zu Wort mel­den und ergän­zen­de Über­le­gun­gen anstel­len. Es soll vor allem auf­ge­zeigt wer­den, daß und war­um die Fra­ge in der Pra­xis wesent­lich kom­pli­zier­ter ist als in der Theorie.

Die Kern­fra­ge einer Abset­zung ist der Nach­weis, daß ein Papst die Glau­bens­leh­re ver­rät oder die kirch­li­che Ord­nung auf schwer­wie­gen­de Wei­se ver­letzt. Zu die­sen Vor­aus­set­zun­gen, wes­halb ein Papst sein Amt ver­lie­ren könn­te, wur­den zahl­rei­che fun­dier­te Dar­stel­lun­gen ver­öf­fent­licht. Die schwer­wie­gend­ste Ver­feh­lung eines Pap­stes ist der Glau­bens­ab­fall, bzw. daß er hart­näckig eine Häre­sie lehrt. 

An die­ser Stel­le soll als Bei­spiel nur auf die päpst­li­chen Doku­men­te Lau­da­to si‘ (2015), Lau­da­te Domi­num (2023) und Ad theo­lo­giam pro­mo­ven­dam (2023) ver­wie­sen wer­den. Die­se drei Doku­men­te las­sen sich als päpst­li­che Auf­for­de­rung an die Mensch­heit (nicht nur die Katho­li­ken) lesen, sich eine ein­heit­li­che Natur­re­li­gi­on als neue Reli­gi­on anzu­eig­nen. Sie sind zugleich Wer­bung für die Schaf­fung einer neu­en Welt­ord­nung mit einer Welt­re­gie­rung, die von den Katho­li­ken als alter­na­tiv­los zu akzep­tie­ren sei. Das Heil und die Ret­tung kom­men nicht mehr von Jesus Chri­stus, son­dern von der UNO und ande­ren inter­na­tio­na­len poli­ti­schen Zusam­men­schlüs­sen. Anders aus­ge­drückt: Fran­zis­kus ver­langt, daß sich die Kir­che in den Dienst eines kir­chen­fer­nen glo­ba­li­sti­schen Estab­lish­ments stellt.

Soll­ten die genann­ten extre­men Vor­aus­set­zun­gen gege­ben sein, ver­wirkt ein Papst ipso fac­to sein Amt. Dar­in ist sich die Über­lie­fe­rung weit­ge­hend einig. Die kon­kre­te Fra­ge sei­ner Abset­zung ist aller­dings nicht nur eine Fra­ge des Kir­chen­rechts und der Gepflo­gen­hei­ten, son­dern auch der kon­kre­ten Ver­hält­nis­se. Was heißt das?

Zunächst ist vor­aus­zu­schicken, daß wir Lai­en zwar leb­haft Anteil an den der­zei­ti­gen Ver­wer­fun­gen in der Kir­che neh­men kön­nen, als Lai­en aber auf­grund unse­res Stan­des kei­ne Stim­me im Kapi­tel haben. Die Kir­che ist hier­ar­chisch ver­faßt. Der Ein­fluß der Lai­en ist daher nur indi­rek­ter Art. Es ist wich­tig, sich des­sen bewußt zu sein. Die Auf­ga­be der Lai­en besteht dar­in, dem dop­pel­ten Lie­bes­ge­bot des Herrn zu fol­gen, sei­ne Gebo­te zu hal­ten, indem man sich um ein christ­li­ches Leben bemüht, und im kon­kre­ten Fall ins­be­son­de­re die guten Prie­ster, Bischö­fe und Kar­di­nä­le zu unterstützen.

Es ist eben­so wich­tig, daß sich alle Betei­lig­ten zu jedem Zeit­punkt bewußt sind, daß die Kir­che kein demo­kra­ti­scher Ver­ein ist. Über die Glau­bens­wahr­heit, über die Wahr­heit der Schöp­fungs­ord­nung und des Men­schen, kann es weder Mehr­heits­ent­schei­dun­gen noch Ver­hand­lun­gen noch Kom­pro­mis­se geben.

Laut der gel­ten­den Wahl­ord­nung sind es aller­dings die Kar­di­nä­le, die den Papst wäh­len. Es sind also, im Regel­fall, auch die Kar­di­nä­le, die einen Papst zurecht­zu­wei­sen und im Extrem­fall abzu­set­zen haben. Spä­te­stens hier begin­nen Theo­rie und Pra­xis aus­ein­an­der­zu­klaf­fen. Die Kar­di­nä­le wäh­len den Papst nach einer spe­zi­fi­schen Wahl­ord­nung. Legt man die­se zugrun­de, könn­te zunächst nur eine qua­li­fi­zier­te Mehr­heit einen Papst abset­zen, mög­li­cher­wei­se im Här­te­fall und nach meh­re­ren Abstim­mun­gen auch eine abso­lu­te Mehrheit.

Eine sol­che Vor­ge­hens­wei­se geht in der kon­kre­ten Situa­ti­on ins Lee­re. Papst Fran­zis­kus bau­te auf gera­de­zu fre­ne­ti­sche Wei­se das Kar­di­nals­kol­le­gi­um in sei­nem Sin­ne um. 

Aller­dings gilt für eine Abset­zung nicht die Alters­gren­ze von 80 Jah­ren. Alle Kar­di­nä­le sind glei­cher­ma­ßen gefor­dert und berechtigt.

Auch die Bischö­fe könn­ten an die Stel­le der Kar­di­nä­le tre­ten oder mit die­sen eine Abset­zung aussprechen.

Was aber wür­de eine sol­che bedeuten?

Unab­hän­gig davon, wer unter den katho­li­schen Hier­ar­chen, die in der apo­sto­li­schen Suk­zes­si­on ste­hen, den Papst für abge­setzt erklä­ren wür­de, gibt es kei­ne Instanz, die den Amts­ver­lust durch­set­zen könn­te. Über dem Papst gibt es kei­ne irdi­sche Instanz, die in einem regu­lä­ren Ver­fah­ren über einen Papst zu Gericht sit­zen könn­te. Wir müs­sen also ein Gedan­ken­spiel anstel­len: Wür­de die Mehr­heit des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums den Papst für abge­setzt erklä­ren, wäre damit zu rech­nen, daß der legi­ti­me Anspruch, sede vacan­te die Kir­che Jesu Chri­sti zu ver­tre­ten, auf das Kar­di­nals­kol­le­gi­um über­ge­hen wür­de. Die­ses könn­te dann einen neu­en Papst wählen.

Aller­dings wäre Fran­zis­kus nicht gezwun­gen, die­se Ent­schei­dun­gen anzu­er­ken­nen. Er könn­te dar­auf behar­ren, wei­ter­hin der legi­ti­me Papst zu sein und sei­nen Nach­fol­ger einen Usur­pa­tor nen­nen. Zumin­dest die­se Situa­ti­on, wenn auch in einem ande­ren, vor allem nicht häre­ti­schen Kon­text, gab es vor 600 Jah­ren. Der neu­ge­wähl­te Papst wür­de in die­sem Fall aber im Vati­kan resi­die­ren und dadurch sei­ne Recht­mä­ßig­keit demon­strie­ren, wäh­rend der abge­setz­te Papst bei mög­li­chen Anhän­gern unter­kom­men müß­te. Ein Schis­ma könn­te, wenn sich der abge­setz­te Papst nicht unter­wirft, aber nicht ver­hin­dert wer­den. Jeder Bischof, Prie­ster und Laie müß­te für sich ent­schei­den, wel­chem Papst er folgt.

Ein­zig wenn das Kar­di­nals­kol­le­gi­um mit Mehr­heit die Abset­zung ver­fü­gen wür­de und auf aus­rei­chend Unter­stüt­zung im Vati­kan zäh­len könn­te, was nicht gesi­chert ist, wäre die Mög­lich­keit denk­bar, den abge­setz­ten Papst fest­zu­set­zen und im Vati­kan unter Haus­ar­rest zu stel­len, um eine Kir­chen­spal­tung zu ver­hin­dern. So wie es Cöle­stin V. ergan­gen war, auf den sich Bene­dikt XVI. mehr­fach bezog. Es kann eben nur einen Papst geben. Gelingt es dem abge­setz­ten Papst aber, den Vati­kan zu ver­las­sen, wird kein Staat der Welt ihn an den Hei­li­gen Stuhl aus­lie­fern, wes­halb die Vor­gän­ge – soweit er noch bei Kräf­ten sein soll­te – sehr wahr­schein­lich ein Schis­ma nach sich zie­hen würden.

Der­zeit spricht aller­dings nicht wirk­lich etwas dafür, eine sol­che Vari­an­te durch­set­zen zu können.

Wie sieht die der­zei­ti­ge Lage aus?

Aktu­ell könn­te nur mit einem klei­ne­ren Teil des Kar­di­nals­kol­le­gi­ums gerech­net wer­den, das sich ver­sam­melt und eine Abset­zung fest­stellt, wäh­rend sich die berg­o­glia­ni­schen Pur­pur­trä­ger um Fran­zis­kus scha­ren wür­den. Ohne Auto­ri­tät im Vati­kan wäre die­se Kar­di­nals­grup­pe in einer nach­tei­li­gen, da macht­lo­sen Posi­ti­on. Man könn­te ihr einen Anschlag auf die päpst­li­che Auto­ri­tät und die Ein­heit der Kir­che vor­hal­ten. Fran­zis­kus wür­de sehr wahr­schein­lich im Amt blei­ben, wei­ter­hin den Vati­kan kon­trol­lie­ren und die Neu­wahl eines Pap­stes als Usur­pa­ti­on ver­ur­tei­len. Der neu­ge­wähl­te Papst wäre es, der in die­sem Fall bei Unter­stüt­zern unter­kom­men müß­te, da er aus dem Vati­kan aus­ge­sperrt blie­be. Er wür­de zwar begrün­det den Anspruch erhe­ben, das legi­ti­me Ober­haupt der Kir­che Jesu Chri­sti zu sein, doch, vor den Augen der Welt­öf­fent­lich­keit, wäre er kaum mehr als ein Möch­te­gern-Papst und Sek­tie­rer, da der „wah­re“ Papst wei­ter­hin in San­ta Mar­ta resi­die­ren und im Peters­dom und den ande­ren Papst­ba­si­li­ken zele­brie­ren würde.

Für die Wahr­heits­fra­ge mögen Mehr­hei­ten im Kar­di­nals­kol­le­gi­um und dem Wel­tepi­sko­pat oder nach der Kon­trol­le des Vati­kans kei­ne Rol­le spie­len. Für die Fra­ge, wer vor den Augen der Welt sicht­bar die Kir­che Jesu Chri­sti ver­tritt, wür­de das aber sehr wohl eine Rol­le spielen.

Das erklärt auch zu einem guten Teil die Zurück­hal­tung der Kar­di­nä­le. Als Fran­zis­kus mit der­sel­ben Macht­ar­ro­ganz den Groß­mei­ster des Mal­te­ser­or­dens absetz­te, wie er nun Bischof Joseph Strick­land absetz­te, und dabei die Sou­ve­rä­ni­tät des Ordens mit Füßen trat, gab es kei­ne Kon­se­quen­zen. Als die ersten vier Dubia-Kar­di­nä­le 2016 ihre Zwei­fel zu Amo­ris lae­ti­tia vor­brach­ten, Fran­zis­kus sie jedoch ein­fach igno­rier­te, gab es kei­ne Kon­se­quen­zen. Als die Cor­rec­tio filia­lis die bis dahin gesam­mel­ten Ver­feh­lun­gen des Pap­stes anpran­ger­te und Abir­run­gen in der Leh­re rich­tig­stell­te, gab es für Fran­zis­kus kei­ne Konsequenzen.

Dar­in zeigt sich die Macht des Fak­ti­schen, daß die kirch­li­che Tra­di­ti­on kei­ne Instru­men­te und kei­ne recht­li­chen Ver­fah­rens­we­ge kennt, wie mit der Situa­ti­on eines häre­ti­schen (nicht eines unwür­di­gen) Pap­stes umzu­ge­hen wäre. Daher steht jede Kri­tik am der­zei­ti­gen Pon­ti­fi­kat irgend­wann vor einer Mau­er. Ein Weg zu ihrer Über­win­dung wur­de bis­her nicht auf­ge­zeigt, denn der ein­zi­ge bekann­te Weg führt über eine aus­rei­chen­de Mehr­heit, um nicht nur theo­re­tisch, son­dern auch prak­tisch den Legi­ti­mi­täts-Anspruch erhe­ben zu können.

Im Klar­text: Der Papst könn­te, wenn es wohl­be­grün­det ist, jeder­zeit von Kar­di­nä­len und Bischö­fen, für abge­setzt erklärt wer­den. Die kon­kre­ten Aus­wir­kun­gen eines sol­chen Schrit­tes ste­hen aller­dings in den Ster­nen, wenn die han­deln­de Grup­pe nicht – zumin­dest äußer­lich – das Schick­sal der pal­ma­ria­nisch-katho­li­schen Kir­che erlei­den und vom end­gül­tig usur­pier­ten Rom als Sek­te stig­ma­ti­siert wer­den will.

Letzt­lich darf nicht ver­ges­sen wer­den, daß sich für jeden Staat der Welt die Fra­ge stel­len wür­de, wel­che der bei­den Sei­ten die legi­ti­me Reprä­sen­tan­tin der römisch-katho­li­schen Kir­che ist, mit der vie­le der Staa­ten mit­tels Kon­kor­dat oder bila­te­ra­len Abkom­men völ­ker- oder staats­recht­li­che Ver­pflich­tun­gen ein­ge­gan­gen sind. Wer den Vati­kan kon­trol­liert, kon­trol­liert die­sen Anspruch gegen­über den Staa­ten. Es läge in der Macht eines jeden Staa­tes die Fra­ge nach sei­nen (poli­ti­schen, geo­po­li­ti­schen, ideo­lo­gi­schen, reli­giö­sen, öko­no­mi­schen) Inter­es­sen zu ent­schei­den. Es besteht kein Zwei­fel, daß zahl­rei­che Staats­füh­run­gen einer berg­o­glia­ni­schen Kir­che näher­ste­hen als der römisch-katho­li­schen Kir­che. Die wah­re Kir­che Jesu Chri­sti könn­te im Zuge eines sol­chen Schis­mas sich in der Situa­ti­on wie­der­fin­den, phy­sisch aus den eige­nen Kir­chen aus­ge­schlos­sen zu werden.

In der Theo­rie ist die Fest­stel­lung eines häre­ti­schen Pap­stes schnell auf­ge­zeigt, auch der Weg zu sei­ner Abset­zung (die, wie gesagt, nur greift, wenn er selbst auf sein Amt ver­zich­tet). In der Pra­xis erweist sich die­sel­be Situa­ti­on aber als sehr schwierig.

Bild: Wikicommons/​ Das Jüng­ste Gericht von Giot­to, Cap­pel­la degli Scro­ve­gni, Padua

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