
(Rom) Während die Polemiken um eine mögliche Änderung der Papstwahlordnung andauern, wurde Kardinal Gianfranco Ghirlanda heute schon wieder von Papst Franziskus empfangen.
Der Jesuit und Kirchenrechtler Ghirlanda, von Franziskus zum Kardinal kreiert und wiederholt zu Sonderaufträgen herangezogen, steht im Mittelpunkt einer Diskussion um Enthüllungen der US-amerikanischen Vatikanistin Diane Montagna vom vergangenen Samstag. Laut Montagna überlege Papst Franziskus die Modalitäten der Papstwahl zu ändern und u. a. auch Laien und Frauen als Papstwähler zuzulassen.
Gemäß Montagna beauftragte er Kardinal Ghirlanda die Möglichkeiten zu studieren, wie das geltende Papstwahlrecht, geregelt mit der Apostolischen Konstitution Universi Dominici gregis, entsprechend geändert oder angepaßt werden könnte. Zu diesem Zweck finden seit dem Frühjahr, so die Vatikanistin, regelmäßige Treffen zwischen Franziskus und dem Kardinal statt, deren Frequenz sich zuletzt noch erhöhte.
Kardinal Ghirlanda reagierte am Montag sehr energisch auf Montagnas Enthüllung und bezeichnete sie als „absolut falsch“. Er sei in keiner Weise in eine solche Aktion involviert. Die Reaktion des vatikanischen Presseamtes fiel am Sonntag und Montag zurückhaltender aus.
Unterdessen fand, bemerkenswerterweise, heute vormittag bereits die nächste Audienz Ghirlandas bei Papst Franziskus statt, wie das vatikanische Presseamt in seinem Tagesbulletin bekanntgab. Das war für die bisherigen Arbeitsbegegnungen, von denen Montagna berichtete, nicht der Fall.
Der Heilige Stuhl scheint als Reaktion auf die Polemiken bestrebt, den Eindruck erwecken zu wollen, daß in Santa Marta und dem Apostolischen Palast alles mit voller Transparenz und in aller Öffentlichkeit geschieht, es also nichts zu verbergen gebe. Es liegt demnach im Interesse des Papstes, die entstandene Unruhe über einen möglichen Handstreich zur Klärung seiner Nachfolge zu zerstreuen. In Rom heißt es, man müsse wohl die Wahlzettel ändern. Aus dem bisherigen „Ego eligo“ der Kardinäle, werde nun ein „Ego eligo“ von Papst Franziskus, der faktisch noch zu Lebzeiten seinen Wunschnachfolger designieren und bestimmen wolle. Im Vatikan wird gerätselt, ob die diskutierte Neuregelung eine neue Sub-Staatsform darstellen würde, die man dann paradoxal Erbwahlmonarchie nennen müßte.
Andererseits war es Ghirlanda, der im vergangenen Jahr, wie Kardinal Gerhard Müller entsetzt berichtete, beim Kardinalskonsistorium die Theorie präsentierte, laut der Papst Franziskus eine Art „Superpapst“ sei.
Natürlich versteht sich von selbst, daß es in der heutigen Audienz nicht um eine Änderung des Papstwahlrechts ging – zumindest laut päpstlichem Hofstaat und vatikanischem Presseamt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: VaticanMedia (Screenshot)