„Soweit ich weiß, ist keine Überarbeitung in Arbeit“

Der Tag eines kränkelnden Papstes und die Diskussion über das Papstwahlrecht


Kardinal Gianfranco Ghirlanda mit Pater Antonio Spadaro, Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica. Beide Jesuiten gehören zum engsten Vertrautenkreis von Papst Franziskus.
Kardinal Gianfranco Ghirlanda mit Pater Antonio Spadaro, Chefredakteur der römischen Jesuitenzeitschrift La Civiltà Cattolica. Beide Jesuiten gehören zum engsten Vertrautenkreis von Papst Franziskus.

(Rom) Papst Fran­zis­kus war gestern ver­kühlt. Sei­ne Stim­me klang hei­ser und müde. Den­noch setz­te er sein vor­ge­se­he­nes Pro­gramm fort. Die für ihn vor­be­rei­te­te Rede, die er beim Emp­fang für die Euro­päi­sche Rab­bi­ner­kon­fe­renz (CER) hal­ten soll­te, trug er aller­dings nicht vor, son­dern ließ sie mit Hin­weis auf sei­ne Stim­me ver­tei­len. Hin­ter den Kulis­sen gin­gen die Wogen hoch, wegen der Mon­tagna-Ent­hül­lung, Fran­zis­kus beab­sich­ti­ge mög­li­cher­wei­se das Papst­wahl­recht zu ändern.

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Die 1956 gegrün­de­te Euro­päi­sche Rab­bi­ner­kon­fe­renz ist ein Zusam­men­schluß ortho­do­xer Rab­bi­ner. Sie ver­leg­te ihren Haupt­sitz im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber von Lon­don nach Mün­chen. Die CER wird von der baye­ri­schen Staats­re­gie­rung mit 1,5 Mil­lio­nen Euro jähr­lich geför­dert und ver­tritt laut eige­nen Anga­ben euro­pa­weit rund 700 Rab­bi­ner. Sie ver­leiht unter ande­rem den Harav-Lord-Jako­bo­vits-Preis, benannt nach ihrem Grün­der­vor­sit­zen­den Imma­nu­el Jako­bo­vits (1921–1999), dem aus dem ost­preu­ßi­schen Königs­berg stam­men­den jah­re­lan­gen Ober­rab­bi­ner von Groß­bri­tan­ni­en und des bri­ti­schen Com­mon­wealth, der 1981 von der bri­ti­schen Köni­gin geadelt und 1988 zum Mit­glied des bri­ti­schen Ober­hau­ses ernannt wurde.

Sein Tages­pro­gramm woll­te Fran­zis­kus wegen sei­ner gesund­heit­li­chen Beschwer­den aber nicht ändern. Die CER-Dele­ga­ti­on, die von ihrem Vor­sit­zen­den Rab­bi Pin­chas Gold­schmidt ange­führt wur­de, begrüß­te Fran­zis­kus mit den Worten:

„Guten Mor­gen, ich grü­ße Sie alle und hei­ße Sie will­kom­men. Vie­len Dank für die­sen Besuch, der mir so gut gefällt, aber es kommt vor, daß es mir gesund­heit­lich nicht gut geht, und des­halb lese ich die Rede lie­ber nicht, son­dern gebe sie Ihnen“.

In der Rede ver­ur­teil­te das Kir­chen­ober­haupt den Anti­se­mi­tis­mus. Der Dia­log zwi­schen Juden­tum und Chri­sten­tum sei nicht inter­re­li­gi­ös, son­dern „fami­li­är“, so Franziskus.

Auch die ande­ren Audi­en­zen des Vor­mit­tags wur­den durch­ge­führt. So konn­ten nach­ein­an­der auch die neu­en Bot­schaf­ter beim Hei­li­gen Stuhl der Schweiz und Bra­si­li­ens, Manue­la Leim­gru­ber und Ever­ton Viei­ra Var­gas, ihren Antritts­be­such abstatten.

Am Nach­mit­tag traf sich Fran­zis­kus mit 7000 Kin­dern in der gro­ßen Audi­enz­hal­le Pao­lo VI.

Der Dementi-Sturm

Unter­des­sen gin­gen die Wogen hoch wegen der Ent­hül­lung von Dia­ne Mon­tagna, daß Papst Fran­zis­kus seit Mona­ten an einer mög­li­chen Ände­run­gen der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on Uni­ver­si Domi­ni­ci gre­gis zur Papst­wahl arbeite.

Beson­ders ener­gisch demen­tier­te der Jesu­it und enge Papst­ver­trau­te Kar­di­nal Gian­fran­co Ghir­lan­da. Den Kir­chen­ju­ri­sten hat­te Mon­tagna als jenen Mann benannt, den Fran­zis­kus beauf­tragt habe, die Rechts­grund­la­gen für eine Reform des Wahl­rechts zu stu­die­ren und ent­spre­chen­de Vor­schlä­ge zu erar­bei­ten. Grund­la­ge dafür sind die seit dem Früh­jahr monat­lich, zuletzt noch häu­fi­ger erfolg­ten und bestä­tig­ten Begeg­nun­gen zwi­schen dem Kar­di­nal und Papst Fran­zis­kus. Ghir­lan­da bezeich­ne­te die Behaup­tung gegen­über Life­Si­teNews als „abso­lut falsch“. Er habe vor Medi­en­an­fra­gen kei­ner­lei Kennt­nis von einer angeb­li­chen „Reform des Kon­kla­ves“ gehabt und selbst erst im Inter­net Mon­tag­nas Arti­kel suchen und nach­le­sen müssen.

Ähn­lich ener­gisch demen­tier­te er auch gegen­über El Deba­te. Mon­tag­nas Behaup­tun­gen sei­en „völ­lig eine Lüge“:

„Eine sol­che Absicht des Pap­stes ist mir nicht bekannt und ich bin in die­se Ange­le­gen­heit jeden­falls über­haupt nicht involviert“.

Glei­ches schrieb er auf Anfra­ge an EWTN:

„Ich weiß nichts dar­über und alle Schluß­fol­ge­run­gen sind rei­ne Lügen“.

Schließ­lich nahm auch Vati­kan­spre­cher Matteo Bruni noch ein­mal auf Anfra­ge dazu Stel­lung. Nach­dem er den Bericht zunächst als „unbe­grün­det“ bezeich­net hat­te, ergänz­te er nun:

„Soweit ich weiß, ist kei­ne Über­ar­bei­tung in Arbeit“.

Bleibt dar­an zu erin­nern, daß Ghir­lan­da erst 2022 ein Ver­ständ­nis des Papst­tums als einer Art „Deus in ter­ris“ vor­ge­legt hat­te. Eine Theo­rie, die offen­sicht­lich maß­ge­schnei­dert auf das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus bezo­gen ist. 

Wäh­rend Kar­di­nal Ghir­lan­da, Papst Fran­zis­kus’ Mann für Son­der­auf­trä­ge, also ener­gisch sei­ne Betei­li­gung an einer mög­li­chen Ände­run­gen des Papst­wahl­rechts bestrei­tet, bleibt die Reak­ti­on des Hei­li­gen Stuhls auf die Ent­hül­lung der gewis­sen­haft arbei­ten­den Dia­ne Mon­tagna sehr zurück­hal­tend. Wie schon gestern bemerkt, wur­de hier – bei allen Unklar­hei­ten im Detail – ein Ver­suchs­bal­lon gestartet.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: X (Screen­shot)

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