Papst Franziskus möchte Beobachterstatus bei der BRICS-Gruppe

Geopolitische Umbrüche


Papst Franziskus strebt für den Vatikan einen Beobachterstatus bei der BRICS-Gruppe an und reagiert damit auf veränderte geopolitische Realitäten, die er damit zugleich fördert.
Papst Franziskus strebt für den Vatikan einen Beobachterstatus bei der BRICS-Gruppe an und reagiert damit auf veränderte geopolitische Realitäten, die er damit zugleich fördert.

(Rom) Papst Fran­zis­kus möch­te, daß der Vati­kan in der BRICS-Grup­pe (Bra­si­li­en, Ruß­land, Indi­en, Chi­na und Süd­afri­ka) einen Beob­ach­ter­sta­tus erhält, ähn­lich dem, den der Hei­li­ge Stuhl bei der UNO hat. Dies erklär­te der Vor­sit­zen­de der Welt­uni­on der Alt­gläu­bi­gen, Leo­nid Sewast­ja­now, der gute Kon­tak­te zu San­ta Mar­ta unter­hält, am Wochen­en­de gegen­über rus­si­schen Medien.

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Mit den „Alt­gläu­bi­gen“ sind rus­sisch ortho­do­xe Grup­pen gemeint, die bestimm­te lit­ur­gi­sche Refor­men nicht mit­ge­macht haben. Eini­ge befin­den sich am Rand der rus­sisch-ortho­do­xen Kir­che, ande­re haben sich als eige­ne Kir­che konstituiert.

„Der Papst ist der Ansicht, daß es für den Vati­kan gut wäre, einen Beob­ach­ter­sta­tus in der neu­en BRICS-Struk­tur zu erhal­ten, daß der Vati­kan dar­an inter­es­siert sein soll­te, Teil die­ser Struk­tur mit Beob­ach­ter­sta­tus zu sein, den er bei der UNO genießt“, so Sewastjanow.

Auf ihrem soeben zu Ende gegan­ge­nen Gip­fel­tref­fen in Süd­afri­ka wur­de von der BRICS-Grup­pe eine Erwei­te­rung beschlos­sen. Zum 1. Janu­ar 2024 wer­den unter dem neu­en Namen BRICS plus sechs wei­te­re Staa­ten der neu­en Staa­ten­ge­mein­schaft bei­tre­ten, dar­un­ter Argen­ti­ni­en, die Hei­mat von Papst Fran­zis­kus, sowie Ägyp­ten, Äthio­pi­en, Iran, Sau­di-Ara­bi­en und die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emirate. 

Zu Bra­si­li­en wird mit Argen­ti­ni­en ein zwei­tes katho­li­sches Land und mit Äthio­pi­en ein wei­te­res christ­li­ches Land hin­zu­kom­men. Äthio­pi­en ist das ein­zi­ge Land Afri­kas, das trotz des grau­sam geführ­ten Erobe­rungs­krie­ges durch Ita­li­en 1935 kei­ne wirk­li­che Kolo­ni­al­herr­schaft erlebt hat. Der ost­afri­ka­ni­sche Staat ist das ein­zi­ge mehr­heit­lich kop­ti­sche Land der Welt. Kop­ten sind auch die star­ke christ­li­che Min­der­heit in Ägypten. 

Mit Sau­di-Ara­bi­en, den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten (mit deren Füh­rungs­spit­ze Papst Fran­zis­kus enge Kon­tak­te pflegt), Ägyp­ten und dem Iran wer­den vier mehr­heit­lich isla­mi­sche Län­der der jun­gen Staa­ten­ge­mein­schaft bei­tre­ten, drei davon sun­ni­tisch, eines schii­tisch. Gera­de­zu sen­sa­tio­nell ist dabei die schnel­le Annä­he­rung, die zwi­schen Sau­di-Ara­bi­en und dem Iran statt­fand, die noch vor kur­zem als Erz­fein­de galten.

Die BRICS-Grup­pe ver­sam­melt einen sehr hete­ro­ge­nen Quer­schnitt durch die heu­ti­ge Welt. Das eini­gen­de Band ist die Ent­schlos­sen­heit, ein Gegen­ge­wicht zur west­li­chen Vor­herr­schaft zu schaf­fen. Was die sich schnell voll­zie­hen­den Umbrü­che brin­gen wer­den, ist nicht bekannt. Fest steht schon jetzt, daß alle Ideen von einem „Ende der Geschich­te“ und der defi­ni­ti­ven und unein­ge­schränk­ten Vor­herr­schaft der USA, wie sie nach dem Zusam­men­bruch des Ost­blocks ver­brei­tet wur­den, zu Maku­la­tur gewor­den sind. Fest steht auch, daß Papst Fran­zis­kus die dahin­ter ste­hen­de Idee der Mul­ti­po­la­ri­tät unter­stützt, die den USA und den hin­ter ihnen ste­hen­den Eli­ten ent­ge­gen­ge­setzt wird.

Im Westen wird die Öffent­lich­keit nicht aus­rei­chend über das Aus­maß und die Bedeu­tung der BRICS-Grup­pe infor­miert, deren Wei­ter­ent­wick­lung maß­geb­lich durch den Ukrai­ne-Kon­flikt und die damit ver­folg­ten Zie­le der der­zei­ti­gen US-Regie­rung beschleu­nigt wur­de. Der BRICS-Grup­pe gehö­ren bereits heu­te 41 Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung an. Nach der Erwei­te­rung in vier Mona­ten wer­den es 46 Pro­zent sein. Das Brut­to­in­lands­propukt der BRICS-Staa­ten belief sich 2021 auf einen Welt­an­teil von 25,5 Pro­zent, die künf­ti­gen Mit­glieds­staa­ten ein­ge­rech­net, waren es fast 29 Pro­zent. In der Kauf­kraft­pa­ri­tät wird die erwei­ter­te BRICS-Gemein­schaft dann sogar mehr als 35 Pro­zent Welt­an­teil halten.

Neben den fünf BRICS-Staa­ten und den sechs Län­dern der kom­men­den Erwei­te­rung haben wei­te­re 16 Staa­ten Auf­nah­me­an­trä­ge gestellt. Mit dem Hei­li­gen Stuhl kommt, zumin­dest als Beob­ach­ter, ein wei­te­res Völ­ker­rechts­sub­jekt hinzu.

Die Welt­kar­te mit der BRICS-Plus-Staa­ten­ge­mein­schaft ab dem 1. Janu­ar 2024 (grün)

Betrach­tet man die Prä­fe­ren­zen von Papst Fran­zis­kus in sei­nem Pon­ti­fi­kat, so zeigt sich sei­ne beson­de­re Auf­merk­sam­keit für die kom­mu­ni­sti­sche Volks­re­pu­blik Chi­na, die isla­mi­sche Welt (beson­ders die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te) und Ruß­land, wäh­rend er die­se im Westen jenen lin­ken Kräf­ten schenkt, die Haupt­trä­ger des aktu­ell sich zuspit­zen­den neu­en Gegen­sat­zes sind. Im Klar­text: Papst Fran­zis­kus stellt sei­ne ganz eige­ne geo­po­li­ti­sche Rech­nung. Wäh­rend die mei­sten Men­schen im Westen auf­grund einer kon­trol­lier­ten Mei­nungs­öf­fent­lich­keit die sich in der Welt voll­zie­hen­den Umbrü­che noch kaum wahr­neh­men, reagiert Fran­zis­kus nicht nur dar­auf, son­dern ver­sucht selbst Akteur zu sein.

Die Aus­sa­gen Sewast­ja­nows wur­den vom Vati­kan bis­her nicht kom­men­tiert. Fran­zis­kus über­läßt es auch in die­sem Fall sei­nem Gesprächs­part­ner, die Öffent­lich­keit zu infor­mie­ren, um sich selbst Spiel­räu­me zu erhal­ten. Es bestehen kei­ne begrün­de­ten Zwei­fel an der Echt­heit von Sewa­stia­nows Aussagen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

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