Der irreversible Moment?

Ein Kommentar zur Beschleunigung des Tempos


Der Moment, an dem am 13. März 2013 der Name des neuen Papstes bekanntgegeben wurde.
Der Moment, an dem am 13. März 2013 der Name des neuen Papstes bekanntgegeben wurde.

Der argen­ti­ni­sche katho­li­sche Blog­ger Cami­nan­te Wan­de­rer ist ein auf­merk­sa­mer Ken­ner der Kir­che in sei­ner Hei­mat und auch von Jor­ge Mario Berg­o­glio, der seit 2013 als Papst Fran­zis­kus die Welt­kir­che regiert. In sei­nem jüng­sten Kom­men­tar nimmt Cami­nan­te Wan­de­rer eine Kor­rek­tur an sei­ner eige­nen Posi­ti­on vor. Die Intui­ti­on, die der Blog­ger am 13. März 2013 emp­fand und die er 2014 mit­teil­te, wird zwi­schen Gedan­ken­stri­chen eingeschoben. 

Punto de no retorno – Punkt ohne Wiederkehr

Anzei­ge

Von Cami­nan­te Wanderer

Vor neun Jah­ren habe ich einen kur­zen Bei­trag dar­über geschrie­ben, was ich emp­fand, als ich am 13. März 2013 vor dem Fern­se­her sit­zend den neu­en Papst, Domi­num Gior­gi­um Mari­um …, auf der Log­gia des Peters­doms erschei­nen sah [und erzähl­te auch eine Vor­ah­nung bezüg­lich einer Per­so­nal­ent­schei­dung, die sich glück­li­cher­wei­se nicht bewahr­hei­te­te und damit bestä­tig­te, daß ich kein Pro­phet bin]. – 

Es war ein Gefühl und eine Intui­ti­on. Ich ver­spür­te eine schreck­li­che Käl­te und sofort ‚erschien‘ mir ohne Begrün­dung eine Idee in mei­nem Gehirn: Das ist der fal­sche Pro­phet. Die schlim­me Zeit koste­te mich zwei Mona­te Schlaf­lo­sig­keit. Ich war der festen Mei­nung, daß das sicher­lich über­trie­ben war. Es muß­te an dem star­ken Jet­lag lie­gen, an dem ich nach einer kurz zuvor gemach­ten Rei­se noch immer litt… – 

Meh­re­re Leser schrie­ben Kom­men­ta­re mit ähn­li­chen Erleb­nis­sen, die sie alle zur Gewiß­heit führ­ten: Das Ende hat begon­nen; Berg­o­glio wird der gro­ße Ver­rä­ter sein, der, der die Kir­che ausliefert.

Im Lau­fe der Jah­re bestä­tig­te sich mir durch die Ver­nunft, was mir uner­war­tet ange­sichts eines Fern­seh­bil­des, durch Gefüh­le oder Intui­ti­on, eröff­net wor­den war. Ich dach­te, daß der gesun­de Men­schen­ver­stand des kirch­li­chen Estab­lish­ments, der Über­le­bens­in­stinkt und die Grup­pe der kon­ser­va­ti­ven Hier­ar­chen auf irgend­ei­ne Wei­se reagie­ren wür­den, als sie das Desa­ster sahen, das Fran­zis­kus in der Kir­che anrich­te­te. Sie wür­den es nicht mit der Absicht tun, die Tra­di­ti­on, das Latein oder gar das Dog­ma auf­recht­zu­er­hal­ten. Sie wür­den es aber, dach­te ich, zumin­dest aus Grün­den der Insti­tu­tio­na­li­tät tun. Aus die­sem Grund war ich bis vor kur­zem mäßig opti­mi­stisch, was das näch­ste Kon­kla­ve anbe­langt, und heg­te eine gewis­se Hoff­nung auf eine gewis­se, wenn auch schwa­che Wie­der­her­stel­lung im näch­sten Pontifikat.

Eini­ge Ereig­nis­se der ver­gan­ge­nen Wochen haben mich jedoch dazu ver­an­laßt, die­se Posi­ti­on auf­zu­ge­ben. Es scheint mir, und ich den­ke, es ist ein inter­es­san­tes Dis­kus­si­ons­the­ma, daß die­ser rela­ti­ve Opti­mis­mus in bezug auf die Zukunft der Kir­che nach Berg­o­gli­os Tod nichts wei­ter als ein Wunsch ohne kon­kre­te Grund­la­ge ist; ein wishful thin­king, ein Wunsch­den­ken, wie die Eng­län­der sagen würden.

Erstens ist die Syn­ode über die Syn­oda­li­tät ein sehr kla­res Zei­chen dafür, daß wir uns bereits an einem Punkt befin­den, an dem es kein Zurück mehr gibt, unab­hän­gig von den dort erziel­ten Ergeb­nis­sen, auch wenn nach Abschluß die­ser Ver­samm­lung nichts pas­siert sein wird. Die blo­ße Tat­sa­che, daß die Kir­che ein Tref­fen mit der insti­tu­tio­nel­len Dich­te einer Syn­ode zuläßt und för­dert, in der Fra­gen erör­tert wer­den sol­len, die dar­auf abzie­len, den Glau­ben und die Moral, wie sie uns von den Apo­steln über­mit­telt und von allen Vätern gelehrt wur­den, direkt zu ver­än­dern, ist ein deut­li­ches Zei­chen dafür, daß etwas sehr Tief­grei­fen­des zer­bro­chen ist. Ein gro­ßer Teil, ein sehr guter Teil der Hier­ar­chie, wür­de ich sagen, hat kei­nen Glau­ben mehr. Für sie ist die Kir­che nichts wei­ter als eine Orga­ni­sa­ti­on unter vie­len ande­ren, und alles, was sie über sich selbst dach­te und lehr­te, sind nichts wei­ter als ihre eige­nen, ver­ständ­li­chen Fabeln aus ver­gan­ge­nen Zei­ten, die aber heu­te abso­lut unhalt­bar sind.

Zwei­tens, die jüng­sten Ernen­nun­gen von Fran­zis­kus – Msgr. Fernán­dez an die Spit­ze der Glau­bens­leh­re, die neu­en Erz­bi­schö­fe von Bue­nos Aires, Madrid und Brüs­sel – und auch die Wahl der neu­en Kar­di­nä­le sind ein Wen­de­punkt. In den mei­sten Fäl­len han­delt es sich um Men­schen, die etwa sech­zig Jah­re alt sind und der schlech­te­sten theo­lo­gi­schen Linie ange­hö­ren, sofern ihre Ver­or­tung noch als theo­lo­gisch oder katho­lisch gel­ten kann. Das bedeu­tet, daß sie zwan­zig Jah­re vor sich haben, um von ihren sehr hohen Posi­tio­nen aus wei­te­ren Scha­den anzu­rich­ten und den Rest­glau­ben zu unter­gra­ben, der nach Berg­o­gli­os Pon­ti­fi­kat in der Kir­che ver­blei­ben wird.

Aber es gibt noch ein ern­ste­res Pro­blem, und zwar die man­geln­de Reak­ti­on jener, die hät­ten reagie­ren sol­len. Außer eini­gen weni­gen Stim­men – Kar­di­nal Mül­ler, Bischof Strick­land und noch eini­ge ande­re – war kei­ner der Hir­ten, die die Pflicht haben, die Her­de zu schüt­zen, zu hören; kei­ner der Kar­di­nä­le, deren Auf­ga­be es ist, den Papst zu beglei­ten und zu bera­ten, hat ein Wort über das schwer­wie­gen­de Aus­maß des­sen gesagt, was Berg­o­glio getan hat. Die­ser, indem er bereits Bene­dikt XVI. eli­mi­nier­te, der als eine Art Kat­echon fun­gier­te, begann offen sein Werk, die Braut Chri­sti den Mäch­ti­gen der Welt aus­zu­lie­fern, damit sie mit ihr Unzucht trei­ben können.

Und noch ein letz­tes Argu­ment. Es heißt, daß ein Bild mehr sagt als tau­send Wor­te, und es heißt auch, daß der Blick und das Gesicht Aus­druck der See­le sind. Ich lade Sie ein, sich die­ses kur­ze Video mit der Ein­zugs­pro­zes­si­on der argen­ti­ni­schen Bischö­fe bei der Amts­ein­füh­rungs­mes­se des neu­en Erz­bi­schofs von Bue­nos Aires anzu­se­hen. Ich glau­be, daß selbst wenn der näch­ste Papst der hei­li­ge Gre­gor oder der hei­li­ge Leo wäre, nichts mehr getan wer­den könn­te. Die Gna­de setzt, um zu han­deln, die Natur vor­aus. Der Mitra-Trup­pe, die die argen­ti­ni­sche Her­de führt – und die jeder ande­ren bischöf­li­chen Fran­zis­kus-Trup­pe ziem­lich ähn­lich sein wird – fehlt das natür­li­che Sub­strat für eine Erneue­rung der Kir­che im katho­li­schen Glauben.

Wenn es zu einer schwe­ren Blu­tung kommt, die bei einer Per­son zu einem gro­ßen Blut­ver­lust führt, selbst wenn ihr assi­stiert und eine schnel­le Blut­trans­fu­si­on durch­ge­führt wird, gel­ten die Regeln der Hämo­dy­na­mik, sodaß es oft trotz der Hil­fe zu spät ist: Der Pati­ent stirbt unwei­ger­lich, auch wenn die besten Kathe­te­ri­sie­rungs­spe­zia­li­sten der Welt an sei­ner Sei­te sind. Es gibt einen Punkt, an dem es kein Zurück mehr gibt. Nur ein Wun­der kann dann noch retten.

Wenn unse­re Hoff­nung eine welt­li­che Hoff­nung wäre und wir dar­auf war­ten wür­den, daß die insti­tu­tio­nel­le Kir­che wie­der den apo­sto­li­schen Glau­ben annimmt und zu ihrem Glanz ver­gan­ge­ner Jahr­hun­der­te zurück­kehrt, wäre das Pan­ora­ma sehr düster. Aber das ist nicht unse­re Hoff­nung. Das war auch nicht die Hoff­nung der ersten Chri­sten. Sie drück­ten ihre Hoff­nung mit einem ein­zi­gen Wort aus: Maranatha!

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: MiL

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!