Will der neue Glaubenspräfekt den Katechismus der katholischen Kirche ändern?

Verheiratete Priester "sind eine mögliche Hypothese"


Victor Manuel Fernández, der im September das Amt des Glaubenspräfekten übernehmen und zum Kardinal kreiert werden wird, versichert, nichts zu ändern, damit sich alles ändert.
Victor Manuel Fernández, der im September das Amt des Glaubenspräfekten übernehmen und zum Kardinal kreiert werden wird, versichert, nichts zu ändern, damit sich alles ändert.

(Rom) Der von Papst Fran­zis­kus neu­ernann­te Glau­bens­prä­fekt Vic­tor Manu­el Fernán­dez kün­dig­te in einem sei­ner der­zeit zahl­rei­chen Inter­views eine mög­li­che Ände­rung des Kate­chis­mus der katho­li­schen Kir­che (KKK) an, kon­kret der Zif­fer 2357 (Homo­se­xua­li­tät). Zur Dis­kus­si­on ste­hen aber wohl auch die Zif­fern 1571, 1577, 1579 (Wei­he­sa­kra­ment). Nichts wür­de an „Bedeu­tung ver­lie­ren“, so Msgr. Fernán­dez, aber alles wür­de sich ändern, denn es gel­te, die Bibel „nicht für bare Mün­ze zu neh­men“. Das Inter­view gab der ernann­te Kar­di­nal der ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung  Quo­ti­dia­no Nazio­na­le.

Anzei­ge

Fra­ge: Wie kann der Glau­be in einem Westen geför­dert wer­den, der der Reli­gi­on gegen­über zuneh­mend gleich­gül­tig ist?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Es ist eine rela­ti­ve Gleich­gül­tig­keit, denn es ent­ste­hen immer neue For­men von Reli­gio­si­tät und Spi­ri­tua­li­tät. An einem bestimm­ten Punkt, an dem man merkt, daß man an der Ober­fläch­lich­keit erstickt, stellt sich die Fra­ge nach der Reli­gi­on erneut. Das ist der Moment, in dem wir, wenn wir auf­merk­sam sind, einen frucht­ba­ren Dia­log füh­ren können.

Fra­ge: Gibt es in der Welt noch ein Bedürf­nis, Wor­te der Hoff­nung über den Schmerz, den Tod und das ewi­ge Leben zu hören, und ist die Kir­che noch in der Lage, die­se The­men anzu­spre­chen, die einst als „letz­te Din­ge“ bezeich­net wurden?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Heu­te ist alles unmit­tel­bar und drin­gend, so daß es schwie­rig ist, einen Vor­schlag für das ewi­ge Leben zu machen. Doch ange­sichts von Schmerz, Tod, Schei­tern und Ver­las­sen­heit begin­nen vie­le, den Blick auf den wei­te­ren Hori­zont der Exi­stenz zu rich­ten. Das ist Teil unse­rer Bot­schaft, und wir kön­nen nicht umhin, von dem Ruf nach einem erfüll­ten und end­lo­sen Leben im Uner­gründ­li­chen der gött­li­chen Lie­be zu spre­chen. Manch­mal wird die­se Bot­schaft igno­riert, aber in ande­ren Fäl­len wird sie gehört.

Fra­ge: Gehört zu einem tie­fe­ren Ver­ständ­nis der Leh­re auch die Über­win­dung der Homo­se­xua­li­tät als „objek­tiv unge­ord­net“, einer Defi­ni­ti­on im Kate­chis­mus, die nach wie vor jene, die eine nicht selbst gewähl­te sexu­el­le Situa­ti­on leben, und auch ihre Fami­li­en verletzt?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Das ist ein Pro­blem der theo­lo­gi­schen Spra­che, die manch­mal die Wir­kung igno­riert, die sie auf die Her­zen der Men­schen haben kann, als ob sie gleich­gül­tig gegen­über dem Schmerz wäre, den sie ver­ur­sacht. Aber das ist, wie Sie wis­sen, bei Papst Fran­zis­kus nicht der Fall, der sich zwei­fel­los einer ande­ren Spra­che bedie­nen würde.

Fra­ge: Die Seg­nung homo­se­xu­el­ler Paa­re ist in tra­di­tio­na­li­sti­schen Krei­sen ein Sakri­leg. Zitie­ren sie die Bibel mit Bedacht?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Es gibt Bibel­tex­te, die nicht ‚mate­ri­ell‘, ich mei­ne nicht ‚wört­lich‘, inter­pre­tiert wer­den soll­ten. Die Kir­che hat seit lan­gem ver­stan­den, daß eine Her­me­neu­tik not­wen­dig ist, die die Tex­te in ihrem histo­ri­schen Kon­text inter­pre­tiert. Das bedeu­tet nicht, daß sie ihren Inhalt ver­lie­ren, son­dern vor allem, daß sie nicht für bare Mün­ze genom­men wer­den dür­fen. Andern­falls müß­ten wir zum Bei­spiel das Gebot des Pau­lus befol­gen, daß Frau­en ihr Haupt bedecken sollen.

Fra­ge: Und was möch­ten Sie den Katho­li­ken sagen, die ent­täuscht sind über die Sta­gna­ti­on der Über­le­gun­gen über den Zugang von Frau­en zum Dia­ko­nat, trotz eini­ger vom Papst ein­ge­setz­ter Ad-hoc-Kommissionen?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Ich sage, daß wir die­ses Pro­blem nicht iso­liert betrach­ten soll­ten. Was dahin­ter steckt und viel tie­fer geht, ist der Dis­kurs über die Macht in der Kir­che und über den Zugang von Frau­en zu Orten, an denen es Ent­schei­dungs­macht gibt. Des­halb ist es wich­tig, den Frau­en das Stimm­recht in der Syn­ode einzuräumen.

Fra­ge: Unter­gräbt eine even­tu­el­le Wei­he ver­hei­ra­te­ter Män­ner, die von einer gro­ßen Mehr­heit auf der Ama­zo­nas-Syn­ode befür­wor­tet wur­de, die Leh­re oder ist sie eine mög­li­che Hypo­the­se für die Kirche?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Es ist eine mög­li­che Hypo­the­se, wie es auch im Osten der Fall ist. Aber der Papst muß eine klu­ge Ent­schei­dung abwägen.

Fra­ge: Was erwar­ten Sie von der Bischofs­syn­ode im Oktober?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Im Gegen­satz zu ande­ren Syn­oden, bei denen ich sehr kon­kre­te Ant­wor­ten erwar­tet habe, zie­he ich es in die­sem Fall vor, abzu­war­ten, wohin uns der Geist füh­ren will.

Fra­ge: Waren Sie von den Beschimp­fun­gen, auch auf per­sön­li­cher Ebe­ne, betrof­fen, die aus tra­di­tio­na­li­sti­schen Krei­sen an Sie gerich­tet wurden?

Vic­tor Manu­el Fernán­dez: Ich habe damit gerech­net, aber das sind nicht die­je­ni­gen, die mich am mei­sten beun­ru­hi­gen. Es gibt ande­re Berei­che, in denen Ope­ra­tio­nen durch­ge­führt wer­den, um das Image von Men­schen zu beschä­di­gen, wenn sie nicht ihren ideo­lo­gi­schen und wirt­schaft­li­chen Inter­es­sen ent­spre­chen. In die­sen Fäl­len ist die sozia­le Bot­schaft von Fran­zis­kus stö­rend, und dabei han­delt es sich nicht gera­de um tra­di­tio­na­li­sti­sche Kreise.

Einleitung/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Wiki­com­mons

Print Friendly, PDF & Email
Anzei­ge

Hel­fen Sie mit! Sichern Sie die Exi­stenz einer unab­hän­gi­gen, kri­ti­schen katho­li­schen Stim­me, der kei­ne Gel­der aus den Töp­fen der Kir­chen­steu­er-Mil­li­ar­den, irgend­wel­cher Orga­ni­sa­tio­nen, Stif­tun­gen oder von Mil­li­ar­dä­ren zuflie­ßen. Die ein­zi­ge Unter­stüt­zung ist Ihre Spen­de. Des­halb ist die­se Stim­me wirk­lich unabhängig.

Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

Die­se Posi­ti­on haben wir uns weder aus­ge­sucht noch sie gewollt, son­dern im Dienst der Kir­che und des Glau­bens als not­wen­dig und fol­ge­rich­tig erkannt. Damit haben wir die Bericht­erstat­tung verändert.

Das ist müh­sam, es ver­langt eini­ges ab, aber es ist mit Ihrer Hil­fe möglich.

Unter­stüt­zen Sie uns bit­te. Hel­fen Sie uns bitte.

Vergelt’s Gott!