
Ein sogenanntes Priesterloch (Priest Hole) in England war ein geheimer Ort in einem Gebäude, unter einer Treppe, hinter einem Kamin, auf einem Dachboden, hinter doppelten Wänden oder Böden, an dem katholische Priester, die sich zur Feier der Heiligen Messe dort aufhielten, vor den Behörden versteckt wurden. Eine interaktive Karte dokumentiert und lokalisiert die bekannten Priesterlöcher.
Der protestantische elisabethanische Staat beschuldigte sowohl die Priester, die die Heilige Messe feierten, als auch jene, die sie versteckten, des Hochverrats. Die Festnahme bedeutete für Priester in jedem Fall Gefängnis und Folter, oft auch den Tod durch Erhängen, Strecken und Vierteilen. Gläubigen drohten hohe Geldstrafen und Gefängnis. Wer die Messe zelebrierte, aber auch jene, die dies möglich machten und daran teilnahmen, versuchten sich vor Entdeckung zu schützen.

Elisabeths Vater Heinrich VIII., König von England, hatte mit Rom gebrochen und mit dem Suprematseid ein Instrument eingeführt, das nur ein Entweder-Oder zuließ. Bei Ablehnung drohte die Todesstrafe. Die katholische Kirche war geächtet worden, ihre Bischöfe und Priester waren abgefallen, im Exil oder hingerichtet worden. Es gab aber weiterhin Katholiken, die ihrem Glauben und der Einheit mit Rom treu blieben. Sie waren in den Untergrund gezwungen und mußten eine ganze Kultur der Geheimhaltung und der Geheimzeichen entwickeln. Eines der frühesten und beliebtesten war eine Wachsscheibe, auf der ein Lamm und ein Kreuz abgebildet waren.
Elisabeth I. hatte den englischen Thron illegitim bestiegen, was unter ihrer Herrschaft die unbändige Wut des Staates erklärte gegen jene, die dieser Usurpation entgegenstanden. Unter ihr wurden ebenso radikale wie brutale Maßnahmen zur Unterdrückung der Katholiken ergriffen. Die katholische Kirche existierte in England nicht mehr. Jede Form der kirchlichen Hierarchie war vom Staat beseitigt worden. Es gab aber katholische Priester, die in den Untergrund gingen, vor allem junge Engländer, die auf dem europäischen Festland in Priesterseminaren ausgebildet wurden, besonders in Douai (niederländisch Dowaai) in Französisch-Flandern, und nach ihrer Priesterweihe geheim für ihre oft todbringende Missionsarbeit nach England zurückkehrten – nicht um Elisabeth zu stürzen, wie die protestantische Propaganda behauptete, sondern um ihre Landsleute und Glaubensbrüder, die englischen Geheimkatholiken, seelsorglich zu betreuen, ihnen die Beichte abzunehmen, das heilige Meßopfer zu zelebrieren, ihnen die heilige Eucharistie und die letzte Ölung zu spenden.
Unter Elisabeth wurden deshalb sogenannte Priesterjäger („Pursuitants“) eingesetzt, um Priester aufzuspüren, zu jagen und dem Henker auszuliefern. Die Priesterjäger hatten auch die Aufgabe, jene ausfindig zu machen, die Priestern Hilfe leisteten und sie in ihren Häusern aufnahmen. William Shakespeare entstammte einer solchen Familie von Geheimkatholiken.
Aufgrund der größeren Möglichkeiten befanden sich Priesterlöcher häufig in Herrenhäusern katholischer Adeliger. Als Reaktion auf die Verfolgung durch den Staat verfügten manche sogar über doppelte Priesterlöcher. Wenn eines entdeckt, aber leer vorgefunden wurde, konnte mit dem Abzug der Priesterjäger gerechnet werden, während sich hinter dem ersten Priesterloch ein zweites befand, in dem sich der Priester versteckte.
Die Verfolger entwickelten immer neue Methoden, Verstecke aufzuspüren, besonders das systematische Abschreiten der Räume, um anhand der Maße geheime Verkleidungen, doppelte Wände oder Böden zu entdecken. Sie brachten dazu erfahrene Tischler und Maurer mit und rissen bei Verdacht Täfelungen und Fußböden heraus. Auch Abhörmethoden wurden etabliert.
Die zahlreichen Berichte der Priesterjäger sprechen von Fällen, wo Priester verhungert oder erstickt in einem Priesterloch aufgefunden wurden, weil man sie dort so lange belagert hatte.
Viele Priesterlöcher wurden von dem Jesuiten-Laienbruder Nicholas Owen entworfen, der einen Großteil seines Lebens damit verbrachte, Priesterlöcher zu bauen, um das Leben verfolgter Priester zu schützen. Die meisten Priesterlöcher wurden unter Elisabeth I. zwischen 1558 und 1603 eingerichtet. Die Zeit der Verfolgung dauerte aber viel länger. Auch Owen selbst wurde schließlich gefangengenommen und im Tower in London zu Tode gefoltert. 1970 wurde er von Papst Paul VI. als Märtyrer heiliggesprochen.

Hinrichtungen von aufgegriffenen Priestern erfolgten zur Abschreckung teils vor dem Ort, wo sie die Messe zelebriert hatten, so in London vor Gray’s Inn, einer der vier englischen Anwaltskammern.
Neben Herrenhäusern dienten häufig Wirtshäuser als Meßorte und auch für Priesterlöcher, da sie als Treffpunkt unverdächtigt waren. Ein solcher geheimer Meßort war The Ship Tavern in Covent Garden. Selbst in London, wo die Situation besonders gefährlich war, versammelten sich die Gläubigen, was außerordentlich mutig war. Sie hatten in der Regel einen Krug Bier oder sogar Essen vor sich stehen, um für den Fall der Entdeckung den Eindruck eines normalen Wirtshausbetriebs vorzutäuschen. Eine Gedenktafel neben dem Eingang der Ship Tavern erinnert heute an diese Zeit der Katholikenverfolgung. Ein Priesterloch ist dort nicht bekannt. Solche gab es in Covent Garden jedoch in der unmittelbaren Nähe in Winchester House (West Street) und in Nevilles Alley (Fetter Lane).
Allein im heutigen London sind fast zwei Dutzend solcher Orte bekannt. Nicht alle konnten bisher identifiziert werden. Die interaktive Karte Houses with Priest Holes (Häuser mit Priesterlöchern) dokumentiert die lokalisierten Priesterlöcher in England, aber auch Wales und Schottland. Sie unterscheidet zwischen jenen, die noch heute erhalten sind und teils besichtigt werden können, und jenen, die nicht mehr existieren. Die Karte, die das beeindruckende Ausmaß des Phänomens der katholischen Untergrundkirche dokumentiert, ist bei den Ortsangaben nicht immer ganz exakt. Anhand der historischen Dokumenten entnommenen Angaben läßt sich der genaue Ort jedoch finden.
Die Erforschung der Zeit der Kirchenverfolgung ist längst nicht abgeschlossen, weshalb mit weiteren Einträgen zu Priesterlöchern zu rechnen ist.
Der Link zur Karte.

Text: Giuseppe Nardi
Bild: Houses with Priest Holes/Wikicommons/thinkingfaith.org (Screenshots)