
(Rom) Die Gedenkbriefmarke für den Weltjugendtag (WJT) im August dieses Jahres in Lissabon hat in Portugal eine Kontroverse ausgelöst, weil sie einem Motiv ähnelt, das vom Estado Novo (Neuer Staat), dem autoritären Regime von António de Oliveira Salazar, verwendet wurde. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Paradebeispiel für die Cancel Culture, mit der die politische Linke die Vergangenheit umschreiben und der Gegenwart ihr ideologisches Muster aufzwingen will.
António de Oliveira Salazar, Professor für Nationalökonomie und gläubiger Katholik, war 1928 als Finanzminister in die Regierung berufen worden und von 1932 bis 1968 Ministerpräsident von Portugal. Er beendete die Militärdiktatur und ersetzte sie durch sein eigenes autoritäres Regiment, das er als „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus sah (siehe António de Oliveira Salazar – vielverleumdeter katholischer Staatsmann in neuem Licht).
In der Außenpolitik verfolgte er eine strikte Neutralitätspolitik, mit der er Portugal außerordentlich gut durch eine höchst unruhige Zeit lenkte. Er verhinderte, daß das Land in den Spanischen Bürgerkrieg und in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen wurde, lehnte sich, anders als gerne behauptet, weder an das faschistische Regime von Benito Mussolini in Italien, an dem er Neigungen zu einem „heidnischen Cäsarismus“ kritisierte, und noch weniger an das nationalsozialistische Regime von Adolf Hitler an, dessen rechtliche und moralische Schrankenlosigkeit ihn entsetzte.
In der Innenpolitik orientierte er sich an der kirchlichen Soziallehre, die sich damals noch aktiv um eine Alternative zum Dualismus Kapitalismus–Kommunismus bemühte. Nach Jahrzehnten größter Turbulenzen gelang es Salazar, Portugal wieder Stabilität zu geben. Durch ein Konkordat verschaffte er der Kirche wieder jenen legitimen Raum, den ihr das vorherige Freimaurerregime genommen hatte. Als überzeugter Antikommunist unterband er mit großer Energie jede Form von sowjetischer Agitation, um eine Entwicklung, wie er sie abschreckend vor allem im benachbarten Spanien erleben mußte, zu verhindern. Im Kommunismus erkannte er den menschenfeindlichsten Angriff gegen die natürliche und göttliche Ordnung.
Alle Leistungen Salazars wurden von kirchenfernen Kreisen und der politischen Linken natürlich nie anerkannt. Salazar war kein Demokrat nach dem Lehrbuch, wobei allerdings nicht zu vergessen ist, wie leicht das Land in die bewaffneten Auseinandersetzungen jener Zeit hineingezogen werden hätte können und daß die kommunistische Agitation gegen den „Diktator Salazar“ nicht die im Mund geführte Demokratie, sondern die Errichtung einer totalitären Sowjetrepublik zum Ziel hatte.
Die Sowjetunion nützte nach dem Zweiten Weltkrieg die Kolonialfrage als Hauptstoßrichtung zur Destabilisierung. Portugal kontrollierte damals noch Angola, Mosambik und Guinea-Bissau in Afrika und kleinere Gebiete wie die Kapverdischen Inseln, São Tomé und Príncipe, Goa, Macau und Osttimor. An diesem Kolonialbesitz wollte Salazar, das gilt heute als sein größter Fehler, festhalten. Salazar machte in der neuen Nachkriegssituation Portugal zum Gründungsmitglied der NATO und sah im Festhalten an den Kolonien einen geopolitischen Auftrag zur Abwehr des kommunistischen Vormarsches.
Er selbst war nach Hirnblutungen 1968 nicht mehr handlungsfähig und verstarb 1970. Der Estado Novo überdauerte ihn nur bis 1974, als er durch die sogenannte Nelkenrevolution gestürzt wurde. Diese Konstellation in den 70er Jahren, als der Siegeszug des Sozialismus unaufhaltsam schien, führte dazu, daß sich selbst die konservativ-bürgerliche Volkspartei in Portugal noch heute als „sozialdemokratisch“ bezeichnet.
Das Denkmal
Die vom italienischen Künstler Stefano Morri entworfene und vom Vatikan herausgegebene Briefmarke zeigt Papst Franziskus, gefolgt von Jugendlichen, die eine portugiesische Flagge tragen und auf einer Plattform stehen. Genau das aber ist der Stein des Anstoßes, denn diese Plattform und die Figurenkomposition erinnern an das Denkmal Padrão dos Descobrimentos (Denkmal der Entdeckungen) im Stadtteil Belém (Bethlehem) in Lissabon. Dieses Denkmal wurde 1960 von der Regierung Salazar zum 500. Todestag von Heinrich dem Seefahrer errichtet. Insgesamt werden durch das Monument 33 Persönlichkeiten des portugiesischen Übergangs vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit geehrt, die sich Verdienste um die große Zeit der Entdeckungen erworben haben, darunter vor allem Seefahrer und Entdecker wie Vasco da Gama, Bartolomeu Dias und Ferdinand Magellan, aber auch Kartographen, Schriftsteller, Historiker, Mathematiker und drei Priester. Nichts am Denkmal erinnert an die Salazar-Zeit oder weist irgendwelche ideologischen Symbole auf.
Unter den drei Priestern sticht der heilige Franz Xaver hervor, ein Jesuit der ersten Generation der neugegründeten Gesellschaft Jesu. Franz Xaver, eigentlich Francisco de Jasso Azpilicueta Atondo y Aznares de Javier, war wie der heilige Ignatius von Loyola adeliger baskischer Abstammung. Er gilt als Inbegriff der kirchlichen Mission.
Als der portugiesische König 1540 Papst Paul III. um Missionare bat, die in Ostindien das Evangelium verkünden sollten, entsandte der heilige Ignatius den drei Jahre zuvor zum Priester geweihten Franz Xaver. Dieser erreichte 1541 Goa in Indien und im Jahr darauf die Insel Taiwan, die die Portugiesen Formosa, „die Schöne“, nannten. Als er 1545 im heutigen Malaysia missionierte, traf er dort auf Japaner, die ihn in ihre Heimat einluden, wo er 1549 eintraf und den Grundstock für eine außergewöhnlich schnelle Ausbreitung des christlichen Glaubens legte, der wenige Jahrzehnte später jedoch von der Staatsmacht grausam zunichte gemacht wurde.
Franz Xaver selbst starb 1552 auf dem Weg nach China und wurde in Goa bestattet. 1622 wurde der heutige Patron von Japan und Indien, aber auch Australien und Neuseeland, von Papst Gregor XV. heiliggesprochen.
Die beiden anderen auf dem Denkmal verewigten Priester sind der Dominikanerpater Gonçalo de Carvalho, der im 15. Jahrhundert in Indien und im Kongo missionierte, und der Franziskanerpater Henrique Soares de Coimbra, der im Jahr 1500 an der Indien-Expedition von Pedro Álvares Cabral teilnahm, der ebenfalls auf dem Denkmal abgebildet ist. Der Dominikaner war zuvor der Beichtvater von König Johann II. von Portugal gewesen. Auf ihrer Reise entdeckten sie das heutige Brasilien, wo P. Soares am 26. April 1500 die erste heilige Messe auf brasilianischem Boden zelebrierte. Ein zivilisatorischer und heilsgeschichtlicher Akt, dessen Bedeutung nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Doch realitätsfremde „Anti-Kolonialisten“ und woke Krakeeler wollen darin nur den Beginn eines repressiven europäischen Kolonialismus sehen, als wollte heute irgendwer in Lateinamerika den Tag der Entdeckung Amerikas durch Europäer und die daraus folgenden Segnungen ernsthaft auch nur für eine Sekunde rückgängig machen.
Frei Henrique Soares führte damals eine Gruppe von insgesamt acht Ordensleuten an, die die Expedition begleitete. Nach der Weiterreise von Brasilien nach Indien wurden dort fünf von ihnen von Muslimen getötet. Frei Henrique überlebte und kehrte mit Pedro Álvares Cabral nach Portugal zurück, wo ihn König Manuel I. 1506 zum Bischof von Ceuta und damit Primas von Afrika ernannte.
Schließlich ist noch der selige Fernando zu nennen, der als Infante Santo, was sowohl „heiliges Kind“ als auch „heiliger Prinz“ bedeutet, in die Geschichte Portugals einging und ein Bruder von Heinrich dem Seefahrer war. Fernando war das achte Kind von König Johann I. von Portugal aus dem Haus Avis und Philippa von Lancaster, der Schwester von König Heinrich IV. von England. Er zeigte sehr früh ein Interesse für religiöse Fragen. Das im Adel damals übliche Bestreben, Pfründen zur eigenen Absicherung zu sammeln, lehnte er ab, so 1434 auch die ihm von Papst Eugen IV. angetragene Kardinalswürde. Sein Vater hatte ihn an die Spitze des Ritterordens des heiligen Benedikt von Avis gesetzt, dessen Entstehung sich bis ins Jahr 1162 zurückverfolgen läßt und dessen Aufgabe der Kampf gegen die Muslime und die Reconquista (die Rückeroberung) des Landes war. Fernando war von 1434 bis zu seinem Tod Großmeister des Ordens. Als er 1437 unter Führung seines Bruders, König Duartes I. von Portugal, an einer Militärexpedition nach Nordafrika teilnahm, die in einer Katastrophe endete, mußte er, um den Rückzug zu ermöglichen, als Geisel zurückgelassen werden. Fernando starb 1443 an den Haftbedingungen in Fes. Seine Leiche wurde kopfüber an den Stadtmauern aufgehängt. Als sie nach vier Tagen durch Verwesung und Vögel zugerichtet war, wurde sie heruntergeholt, in eine Holzkiste gelegt und wieder an den Mauern aufgehängt. Erst nach der Eroberung von Arzila und Tanger gelang es 1471, die Übergabe von Fernandos sterblichen Überresten von den maurischen Herrschern zu erreichen. Die Portugiesen brachten sie in die Heimat zurück und bestatteten sie in der Grablege des Hauses Avis im Dominikanerkloster Batalha. Auf dem Denkmal ist er kniend und betend als Ritter mit Schwert gleich hinter seinem Bruder Heinrich dem Seefahrer dargestellt.
Das Monument selbst, dem Bug eines Schiffes nachempfunden, zeigt das Wappen Portugals und an der Landseite ein großes Kreuz, auf dem als Hochrelief das Kreuz des Ordens von Avis dargestellt ist.
Die Briefmarke
Auf der Briefmarke von Stefano Morri ersetzen Papst Franziskus und Kinder und Jugendliche die Originalskulpturen des Denkmals, die Heinrich den Seefahrer und andere Persönlichkeiten auf einer Plattform zeigen, die ihr Schiff darstellt.
„Wie Heinrich der Seefahrer auf dem Denkmal die Mannschaft zur Entdeckung der Neuen Welt führt, so führt Papst Franziskus auf der Briefmarke die jungen Menschen und die Kirche“, hieß es dazu bei VaticanNews, dem Nachrichtenportal des Heiligen Stuhls.
Linkswoke Polemisierer stellten hingegen eine Verbindung mit dem Estado Novo her und riefen „Skandal“. Morri äußerte sich bisher nicht zu seinem Motiv. Aus vergangenen Briefmarkengestaltungen ist jedoch bekannt, daß ein Bezug zum Land hergestellt werden soll, in dem der Weltjugendtag stattfindet. Morri ging es offensichtlich um die Figurenkomposition, die es ihm erlaubte, Papst Franziskus in herausragender Position zu zeigen und dabei durch die Anlehnung an ein berühmtes Denkmal einen Landesbezug herzustellen. Die portugiesische Kolonialphase gehört längst der Vergangenheit an. Mosambik und Angola wurden nach dem Rückzug der Portugiesen tatsächlich zu grausamen sozialistischen Diktaturen im Einflußbereich der Sowjetunion. Das katholische Osttimor wurde vom muslimischen Indonesien besetzt und mußte hart um seine Unabhängigkeit kämpfen. In den übrigen Gebieten war der Übergang schmerzlos.
Da half es nichts, daß Rosa Pedroso Lima, Sprecherin der Stiftung Weltjugendtag Lissabon 2023, gegenüber der portugiesischen Nachrichtenagentur Lusa erklärte, daß die Zeichnung eine Initiative des Vatikans sei, die der Stiftung erst am 5. Mai mitgeteilt wurde, aber jede Interpretation, die über jene hinausgeht, die ihr von Rom zugewiesen wurde, „mißbräuchlich“ sei.
Der „geschmacklose“ Dolchstoß
Es war ein portugiesischer Bischof, Msgr. Carlos Moreira Azevedo, Delegierter des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften, der die Kapitulation einläutete, indem er die Zeichnung als „geschmacklos“ bezeichnete. Das Denkmal repräsentiere ein „nationalistisches Bild“, mit dem sich Papst Franziskus „nicht identifiziert“. Es würden Zusammenhänge hergestellt, die seinem Geist „nicht entsprechen“.
Insgesamt stelle das Motiv der Briefmarke, selbst wenn es keine Verbindung zum Estado Novo gäbe, das Gegenteil dessen dar, was Papst Franziskus vertrete, nämlich Universalität statt Nationalismus, so der Tenor der Kritik. Der „ideologische Kontext“, sei, so ließ man wissen, Ausdruck einer „fehlenden Modernität“. Die große Bedeutung der Entdeckungen, die das Denkmal ehrt, auf dem nur Personen des 15./16. Jahrhunderts gezeigt werden, und die weit über Portugal hinausreicht, blieb in der ganzen Polemik unerwähnt.
Carlos Moreira Azevedo, 1977 zum Priester geweiht, war von Johannes Paul II. wenige Wochen vor seinem Tod zum Weihbischof von Braga ernannt worden. Papst Franziskus hatte ihn kurz vor Weihnachten 2022 als Delegierten des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften berufen, als der er nun erstmals öffentliche Aufmerksamkeit fand.
Die Briefmarke, die in einer Gesamtauflage von 45.000 Exemplaren hergestellt wurde, war am Dienstag und Mittwoch vom Vatikan ausgegeben worden. Dann kam es tatsächlich zur unerwarteten Wendung: Am Mittwoch meldete die portugiesische Internetseite 7Margens, der Vatikan habe einige Stunden zuvor die „umstrittene Briefmarke zurückgezogen“. 7Margens schrieb:
„In der offiziellen Poststelle auf dem Petersplatz sagte der Angestellte, daß der Verkauf auf Anweisung von oben nicht möglich sei, da die Briefmarke eingezogen werde.“
Der Weltjugendtag wird vom 1. bis 6. August in Lissabon und im benachbarten Loures in Anwesenheit von Papst Franziskus stattfinden, der bei dieser Gelegenheit auch das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Fatima besuchen wird.
Wenn eine Briefmarke aus dem Verkehr gezogen wird, werden die restlichen Exemplare vernichtet, was den Wert der Marke auf dem Markt exponentiell erhöht. Mit anderen Worten: Wer die WJT-Briefmarke am Dienstag gekauft haben sollte, besitzt nun eine philatelistische Rarität mit hohem Marktwert.
Gestern, am Hochfest Christi Himmelfahrt, bestätigte das vom Governatorat, der Regierung des Staates der Vatikanstadt, abhängige Philatelische und Numismatische Amt, daß die Briefmarke aus dem Verkehr gezogen wurde.
Das Briefmarkenmotiv sollte Papst Franziskus darstellen, wie er junge Menschen „in die Zukunft führt“, das sei aufgrund der Verknüpfung mit einem „bekannten Denkmal in der portugiesischen Hauptstadt, das an die kolonialistische Vergangenheit erinnert“, aber nicht gegeben.
Das Governatorat kündigte gleichzeitig an, daß eine neue Briefmarke schon in Vorbereitung sei.
Was bleibt, ist ein leicht und schnell errungener Sieg der linken Geschichtsdeutung, deren Anhänger nun wissen, wie kapitulationsbereit die Kirche ist. Da die Vergangenheit vergangen ist und an ihr nichts mehr geändert werden kann, zielt jede Geschichtspolitik auf die Gegenwart. Im aktuellen Fall ging zwischen der Präsentation der Ausgabe und ihrer Zurücknahme alles so schnell, daß sich nicht einmal eine Verteidigung formieren konnte, um für das einzutreten, was von Salazar zurecht geehrt wurde und verteidigungswürdig ist.
Unter einem billigen Vorwand wurde nicht nur ein wesentlicher Teil der portugiesischen Geschichte entsorgt, sondern auch der Kirchengeschichte und zwar nicht nur der portugiesischen, was als „nationalistisch“ diskreditiert wird, sondern der universalen Kirche, der Weltkirche, indem ihr zivilisatorisches Werk und die Missionierung der Völker, einschließlich des heiligen Franz Xaver, entsorgt wird. Der Vatikan unternahm nicht einmal den Versuch einer Rechtfertigung und Differenzierung. Papst Franziskus war schon als Erzbischof von Buenos Aires dafür bekannt, öffentlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen – wenn er sie mit der politischen Linken hätte führen müssen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatikanisches Philatelisches und Numismatisches Amt/Wikicommons
Mir scheint, „die Kirche“ hat den Verstand verloren und das nicht nur in Glaubensfragen, sondern auch im weltlichen Bereich.
Diese Leisetreterei, was wäre denn schlimmstenfalls geschehen beim Behaupten der eigenen Position, verleitet nur zu weiteren Unverschämtheiten.
Warum reagiert der Klerus nicht gegen die monströse Behauptung, 0,042 % CO2 wurden einen Klimawandel bewirken?