
(Rom) Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der russisch-orthodoxen Kirche sind „eingefroren“. Dies erklärte der neue Leiter der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen des Moskauer Patriarchats Metropolit Antonij von Wolokolamsk. Das klang unmittelbar nach der Begegnung mit Franziskus in Nur-Sultan noch anders.
Die Beziehungen der russisch-orthodoxen Kirche zur römisch-katholischen Kirche „sind derzeit eingefroren“, zitierte Interfax Metropolit Antonij, der seit Juni „Außenminister“ der russisch-orthodoxen Kirche ist. Wörtlich sagte der Metropolit von Wolokolamsk in der wöchentlichen Fernsehsendung „Kirche und Welt“ des russischen Fernsehsenders Rossiya 24:
„In letzter Zeit muß ich leider sagen, daß unsere Beziehungen praktisch eingefroren sind.“
Dem Metropoliten zufolge tragen einige Äußerungen von Papst Franziskus und seiner engeren Mitarbeiter „nichts“ zur Vorbereitung des angestrebten Treffens des Papstes mit Patriarch Kyrill „und der weiteren Zusammenarbeit zwischen den beiden Kirchen“ bei.
Zugleich erinnerte der Vertreter der russischen Kirche daran, daß das bisher letzte Gespräch zwischen dem Patriarchen und dem Papst, das im März per Videoübertragung stattfand, „wohlwollend war“. Einige Zeit später sei die russische Kirche jedoch „überrascht“ gewesen, als sie das Interview des Papstes las, in dem er „dieses Treffen lächerlich machte, sich Ausdrücke erlaubte (…), die in diesem Zusammenhang absolut unangemessen sind, und bekanntgab, daß das Treffen nicht stattfinden würde“.
Nachdem die historisch erste Begegnung zwischen einem Papst und einem Moskauer Patriarchen im Februar 2016 in Havanna auf Kuba stattgefunden hatte, war für den Juni 2022 ein zweites Treffen geplant und bereits bis in Details vorbereitet gewesen. Es sollte im Libanon, wiederum auf „neutralem“ Boden, stattfinden. Dann brach der Ukrainekonflikt aus, bei dem Franziskus als Friedensvermittler auftritt, indem er eine zu deutliche Parteinahme vermeidet. Anfang Mai gab er dem Corriere della Sera das Interview, von dem Metropolit Antonij sprach. Darin sprach Franziskus vom „Bellen der NATO an Rußlands Tür“, womit er eine einseitige Zuweisung der Kriegsschuld an Rußland ablehnte. Zugleich griff er aber den Moskauer Patriarchen scharf an, den er ermahnte, nicht der „Meßdiener“ des Kremls zu werden, und sagte das für Juni mit Kyrill geplante Treffen ab.
Im Vatikan, der selbst unter starkem Druck westlicher Staatskanzleien steht, hoffte man allerdings, was Metropolit Antonij nicht thematisierte, daß das abgesagte Treffen zwischen dem Papst und dem Patriarchen am Rande des Kongresses der Führer der Weltreligionen Mitte September in Nur-Sultan stattfinden könnte.
Beobachter deuteten bereits im Mai die Kritik von Franziskus anders: Der Papst habe Kyrill genannt, aber Putin gemeint, weil Franziskus die Rolle eines ehrlichen Vermittlers nicht auch verspielen wolle, die sich selbst neutrale westliche Regierungen verspielt haben.
Patriarch Kyrill reiste aber nicht in die kasachische Stadt Nur-Sultan, die inzwischen wieder Astana heißt, sondern entsandte nur eine Delegation, die von Metropolit Antonij angeführt wurde. Mit dieser traf sich Franziskus am 14. September am Rande des Kongresses. Die Begegnung fiel auffällig kurz aus. Keine fünfzehn Minuten nahm sich das katholische Kirchenoberhaupt Zeit. Über den Inhalt wurde bisher nur bekannt, was der russische Metropolit unmittelbar nach dem Treffen gegenüber Medienvertretern äußerte. Diese erste Stellungnahme fiel erstaunlich positiv aus. Er betonte einerseits, daß über ein zweites Treffen „nicht ausführlich gesprochen“ wurde, gab jedoch zu verstehen, daß die russische Seite an einem solchen festhalte. Man müsse sich aber „gut darauf vorbereiten“. Antonij bestätigte erstmals offiziell, daß es der Vatikan war, der das geplante Treffen im Libanon abgesagt hatte:
„Wie ich schon sagte, haben wir uns auf das zweite Treffen vorbereitet, das dann vom Vatikan abgesagt wurde. Wir waren zu diesem Treffen bereit, aber es wurde vom Heiligen Stuhl abgesagt.“
Die Stellungnahme vom vergangenen Sonntag klang noch verhaltener.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: IRP (Screenshot)