(Rom) Die umtriebige Gemeinschaft von Sant’Egidio ist unter die Parteigründer gegangen. In Italien fand am vergangenen Freitag, dem 13. Juli, die Gründung der neuen Partei DemoS – Democrazia Solidale (Solidarische Demokratie) statt.
Auf lokaler Ebene gab es seit 2014 Erfahrungen damit. Nun nahm sich die Gemeinschaft von Sant’Egidio, bekannt für ihre Paralleldiplomatie, der Sache an und hob das Projekt auf gesamtstaatliche Ebene. Die neue Partei hält derzeit offiziell ein Mandat im EU-Parlament und drei Landtagssitze. Es könnten in naher Zukunft aber mehr werden, da der italienische Parlamentarismus für das Tarzan-Prinzip bekannt ist, das sind fliegende und häufige Wechsel zwischen Fraktionen und Parteien.
Integraler Bestandteil des Linkssprektrums
Das Hauptwesensmerkmal von DemoS ist die feste Verankerung im linken Spektrum. Und natürlich hat die Gemeinschaft von Sant’Egidio offiziell nichts mit dem Projekt zu tun. Doch selbst die Tageszeitung La Repubblica, das Flaggschiff der linken Medien und die einzige Tageszeitung, die Papst Franziskus „täglich“ liest, schreibt, daß die neue Partei eine Initiative dieser kirchlichen Gemeinschaft ist. Immerhin entstammen ihr die Gründungskader, weshalb schon allgemein von der „Partei von Sant’Egidio“ die Rede ist.
Der Parteiname gilt als Programm in Kurzfassung: Die Partei ist demokratisch und solidarisch. Bezugspunkte sind laut Eigenangabe der „demokratische Katholizismus und der katholische Progressismus“. DemoS positioniert sich als verläßlicher Verbündeter an der Seite der Linksdemokraten (PD), der stärksten Partei des linken Spektrums. Die Neugründung blickt bereits auf die nahenden Parlamentswahlen, die spätestens im März 2023 bevorstehen, möglicherweise aber schon im Oktober, folgt man hartnäckigen Gerüchten, daß Italiens nicht gewählter Ministerpräsident Mario Draghi, nachdem er nicht Staatspräsident wurde, im Sommer seinen Rücktritt bekanntgeben wird, um den Weg für Neuwahlen im Herbst freizumachen. Draghi selbst scheint sich Hoffnungen auf das Amt des nächsten NATO-Generalsekretärs zu machen. Im Zeichen dieser Bestrebungen unternahm er auch die jüngste USA-Reise, nach der er auffallend betont „transatlantisch“ zurückkehrte. Ob seine Karrierepläne Wirklichkeit werden, scheint allerdings noch fraglich.
Die politische Szene Italiens trifft jedenfalls Vorbereitungen für einen bevorstehenden Urnengang. Dazu gehören auch die von Wahl zu Wahl wiederkehrende Fragen: Wo stehen die Katholiken? Gibt es noch eine katholische Partei, einen politischen Katholizismus? Immerhin wurde die Nachkriegszeit von 1946 bis 1992 von der Democrazia Cristiana (DC), einer christdemokratischen Partei, geprägt. Seit deren Zusammenbruch gab es unzählige Versuche einer Wiederbelebung, die nach kurzer Zeit ausnahmslos gescheitert sind, sodaß es zuletzt gar keine offen katholische Partei mehr gab.
Der Großteil der Parteifunktionäre der implodierten DC wanderte nach 1992 nach links ab. Bereits die DC stand weiter links als etwa CDU oder ÖVP. Diesen linkskatholischen Funktionären gelang über mehrere Etappen die Vereinigung mit den Resten der einst größten Kommunistischen Partei des Westens. Am Ende dieses Prozesses stand die Gründung der Linksdemokraten (PD), deren Wählerschaft zum Großteil aus den Nachkommen der ehemaligen kommunistischen Wähler, die Führungskader hingegen aus den Nachkommen der ehemaligen Christdemokraten bestehen, darunter Matteo Renzi oder auch der jetzige PD-Vorsitzende Enrico Letta.
Es verwundert daher nicht, daß Letta in seiner Funktion als PD-Vorsitzender beim Gründungsparteitag von DemoS Ehrengast war. Er dürfte sich zu Hause gefühlt haben. Interessanter war die Anwesenheit von Antonio Tajani, dem Nachfolger von Silvio Berlusconi als Vorsitzendem von Forza Italia. Tajani gehört seit 1994 dem EU-Parlament an, war bereits EU-Kommissar und von 2017 bis 2019 EU-Parlamentspräsident. In seiner Jugend war er noch Monarchist. Seit die Ableger der christdemokratischen Minderheit, die nach 1992 nach rechts ging, verschwunden sind, gilt Tajani als wichtigster christdemokratischer Vertreter des rechten Spektrums.
Draghis „außergewöhnliche“ Regierung
Zum ersten DemoS-Vorsitzenden wurde Paolo Ciani gewählt, ein führender Vertreter der Gemeinschaft von Sant’Egidio. Er war seit 2018 für DemoS Landtagsabgeordneter der Region Latium und ist seit 2021 Mitglied des Gemeinderats von Rom, jeweils im Rahmen linker Mehrheiten. In seiner Parteitagsrede forderte er „breite und inklusive Bündnisse“, womit er das Spektrum von der Mitte nach links meinte.
Am Gründungsparteitag wurde auch viel über die Ukraine gesprochen. Ciani sieht „Angreifer und Angegriffene“, positioniert die neue Partei aber als „Friedenspartei“ und zeigt sich erstaunt über die „Leichtfertigkeit, mit der über Waffenlieferungen und den Krieg als Normalität gesprochen wird“. Er habe „Respekt vor einem Volk im Widerstand“, doch der Blick müsse „auf die Zeit danach gerichtet sein“.
Letta seinerseits lobte in Grußworten die „außergewöhnliche Regierung“ von Mario Draghi. Italien erlebe seit über einem Jahr eine Regierung „der nationalen Einheit“, die von der Lega bis zur radikalen Linken reicht. Nur die rechtskonservativen Fratelli d’Italia machen nicht mit. Diese „breite“ Regierung könne Dinge tun, so Letta, „die wir sonst nicht tun hätten können“. Damit meinte er wohl auch die besonders radikalen Corona-Maßnahmen, die ganze Berufsgruppen wie Ärzte und sogar Tierärzte zur Corona-Impfung zwingen, ebenso alle über 50jährigen. Hunderte Ärzte, die sich dem Impfzwang verweigern, wurden suspendiert. Die Frage ist seither bei den Gerichten anhängig. Laut Gesetz sind die über 50jährigen, die sich nicht impfen lassen, vom Berufsleben ausgeschlossen. Auch diese dystopischen Zustände, mit denen die Gesellschaft auf existenzbedrohende Weise gespalten wird, gehören zu den Dingen, die die Regierung „sonst nicht tun hätte können“.
Hauptredner des Gründungsparteitages war jedoch Andrea Riccardi, Historiker und ehemaliger Minister, vor allem aber Gründer der Gemeinschaft von Sant’Egidio. In seiner Ansprache fehlte es nicht an linken Tagträumen, wenn auch gemäßigter vorgebracht als es die radikale Linke tut. Marco Tajani replizierte: Das von Riccardi geforderte Ius culturae und ein Ius scholae seien schon in Ordnung, allerdings unter der Voraussetzung, daß es eine Kultur und eine Identität zu festigen und zu verteidigen gilt. Daran scheint es aber Zweifel zu geben, wenn selbst das Kreuz in den Schulen zum Problem werde, so Tajani.
Dieser spielte darauf an, daß Riccardi und die DemoS-Gründer nicht die italienische Kultur und Identität im Blick hätten, sondern die Einwanderer fördern wollen. Ein Hauptanliegen der politischen Linken ist dabei die möglichst einfache und schnelle Einbürgerung. Beim Gründungsparteitag bekannte sich DemoS zu Einwanderung, Einbürgerung und Multikulturalismus, die im Zweifel sogar dem Allgemeinwohl voranzustellen seien.
Endpunkt eines langen Prozesses
DemoS scheint der Endpunkt eines langen Weges des Linkskatholizismus zu sein, dessen historische Nachkriegsgestalt Giuseppe Dossetti war. Dossetti wurde nach dem Zweiten Weltkrieg DC-Politiker, bis er sich 1959 zum Priester weihen ließ. Als solcher spielte er eine zentrale Rolle beim Zweiten Vatikanischen Konzil, da sein Bischof, Kardinal Giacomo Lercaro, Erzbischof von Bologna, einer der vier Konzils-Moderatoren war. Als ehemaliger Politiker nahm Dossetti an der Seite Lercaros die Geschäftsordnung des Konzils in die Hand, gestaltete sie um und jonglierte sie zugunsten der progressiven Minderheit.
Dossetti gründete 1953 die Stiftung für Religionswissenschaften, heute benannt nach Papst Johannes XXIII., aus der die progressive „Schule von Bologna“ hervorging.
Von ihm ging die Parole aus, die Kommunistische Partei Italiens (PCI) „in die Demokratie zu integrieren, um diese zu vollenden“. Ohne Kommunisten war die Demokratie demnach unvollendet. Der nächste Schritt im Geist Dossettis war die Linkswende der Christdemokraten unter den DC-Ministerpräsidenten Aldo Moro und Amintore Fanfani, die als „Historischer Kompromiß“ in die Geschichte einging, allerdings mit der Ermordung Moros durch die Roten Brigaden (BR) eine abrupte Unterbrechung fand. Mitte der 70er Jahre kandidierten erstmals Linkskatholiken auf den Listen der Kommunistischen Partei. Es entstanden linkskatholische Parteien wie Lega Democratica und die Cristiano Sociali, die, allerdings unbedeutend, ein strukturelles, also dauerhaftes Linksbündnis mit den Kommunisten verwirklichen wollten.
Als die italienische Parteienlandschaft ab 1992 einem radikalen Wandel unterworfen ist, sind es die bisher in der DC organisierten Linkskatholiken, die den schrittweisen Umbau der Kommunistischen Partei betreiben, da sie nach dem Fall der Berliner Mauer in der alten Form als überholt gilt. So wurden aus dem PCI die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), dann die Linksdemokraten und schließlich die Demokratische Partei (PD). Da die Bezeichnung Demokraten in vielerlei Hinsicht irreführend wäre, ist die Bezeichnung Linksdemokraten treffender.
Hegemonie über die katholische Wählerschaft
Äußerlich betrachtet, haben die Linkskatholiken die Kontrolle über die Demokratische Partei (PD) und damit über das Herzstück der politischen Linken übernommen. Der Philosoph und Sozialethiker Stefano Fontana hat dazu eine andere Meinung:
„Ich denke im Gegenteil, daß die Demokratische Partei die Hegemonie über die Katholiken erlangt hat.“
Diese linke Usurpation erlebt man auch nördlich der Alpen. Man denke an die alte Allianz katholischer Verbände mit den Grünen. Eine Allianz, die in Österreich 2016 die Bundespräsidentenwahl zugunsten des Grünen Alexander Van der Bellen entschied. Eine Weichenstellung, die sich bis heute bitter rächt.
Die italienischen Linkskatholiken haben in einem langen Prozeß die kommunistische Linke in den Augen der katholischen Wählerschaft enttabuisiert und „wählbar“ gemacht. Ein Hauptakteur dieses Prozesses war Romano Prodi, der dafür zum EU-Kommissionspräsidenten gekürt wurde. Tatsache ist, daß die gesellschaftliche Achse nach links verschoben und eine Reihe von Gesetzen durchgesetzt wurden, die der katholischen Lehre widersprechen, vor allem familien- und lebensfeindliche Gesetze. Von den katholischen Vertretern in den Reihen des PD wurde diesen zugestimmt. Nicht anders wird es künftig durch die Vertreter von DemoS geschehen. Die Prioritäten wurden von Paolo Ciani und Andrea Riccardi klar benannt: Linke Experimente gehen im Zweifel dem Allgemeinwohl vor. Woko Haram läßt grüßen.
Die Linksdemokraten sitzen dennoch, auch trotz DemoS-Unterstützung, politisch auf dem absteigenden Ast. Allerdings sind sie auf der kulturellen Ebene siegreicher denn je dabei, sich wie ein drückender Schatten über alle Bereiche zu legen. Die rechte Opposition hingegen ist politisch derzeit aufsteigend, allerdings kulturell schwach. Daraus folgt, daß ihr Ende schneller kommen könnte als derzeit gedacht, während die politische Linke auf einen Wiederaufstieg hoffen darf. Das Dilemma ist nicht neu. Die politische Rechte setzt auf Wirtschaft und Ordnung. Den harten Weg der kulturellen Auseinandersetzung will sie kaum beschreiten. So hatte es schon Theo Weigel zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung verkündet: Es genüge in der untergehenden DDR die DM einzuführen, der Rest werde sich dann schon von allein ergeben. Der Kulturkampf ist aber ebenso unerläßlich wie unvermeidlich, wenn die Verteidigung des Ist-Zustandes nicht die permanente Defensive und ein ständiger Erosionsprozeß sein soll. Das sich daraus ergebende Defizit verhinderte bisher eine wirkliche Trendumkehr in der europäischen Entwicklung. Verliert die politische Linke Wahlen, bedeutet dies in der Regel nur einen vorübergehenden Stillstand, aber keine Verbesserung. Sobald die Linke wieder gewinnt, was in der aktuellen parlamentarisch-repräsentativen Demokratie grundgelegt ist, kann sie ihren destruktiven Weg ungehindert und meist beschleunigt fortsetzen.
Gramscis Theorie wurde bereits umgesetzt
Ein Blick auf die Wahlergebnisse der vergangenen 30 Jahre zeigt, daß die politische Linke in Italien laufend an Prozenten und vor allem Stimmen verloren hat. In Umsetzung von Antonio Gramscis Theorie der „kulturellen Hegemonie“ zieht sie mit ihren Tentakeln aber alle Bereiche an sich, von der Schule über die Universitäten, von den Medien über die Ministerien bis zur Justiz. Gramsci, der außerhalb Italiens als linker Philosoph herumgereicht wird, war in Wirklichkeit ein von der KPdSU geschulter Vorsitzender der Kommunistischen Partei Italiens. Was diese kulturelle Hegemonie bedeutet, veranschaulicht ein jüngstes Beispiel: Heute kann die Generaldirektion des Bildungsministeriums einen Tag der Gender-Ideologie an allen Schulen des Landes durchführen, ohne daß es dafür irgendeine gesetzliche Grundlage gibt. Es wird einfach gemacht.
DemoS ist ein Verbündeter der Linksdemokraten und Steigbügelhalter für linke Mehrheiten. Genau so ist die Parteigründung auch gedacht. Kulturell bewegt sich die neue Partei ganz auf der Linie Gramscis. Sie ist nicht alternativ, sondern komplementär zum PD. Um sich als selbständige Alternative zu zeigen, müßte DemoS nur eine einzige Forderung erheben, die Streichung des Abtreibungsgesetzes. Die Solidarität, von der bereits der Parteiname kündet, würde diese verlangen, denn wer braucht sie notwendiger als die Wehrlosesten. Doch davor hüten sich die Parteigründer. Der politische Katholizismus scheint unfähig zu einem eigenständigen Weg. Er kann sich offenbar nur mehr als Unterstützer und Stimmenlieferant für die Linksdemokraten denken. Obwohl die Partei ganz neu ist, scheint sie deshalb perspektivlos und ohne Zukunft zu sein.
Darin zeigt sich, in Italien wie anderswo, daß ein politisches Projekt, das lediglich die weltliche Kultur unterstützt, unnötig und sinnlos ist. Ein solches Projekt durch Katholiken wird nicht gebraucht. Dabei wäre die katholische Stimme notwendiger denn je in einer allgemein sich entzivilisierenden Welt.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire (Screenshot)
Was sich so alles katholisch nennt! Der pure Weltgeist, der im Endeffekt ein ewiges Leben auf Erden ohne Tod erreichen will, für die atheistischen Eliten, die dadurch Gott bezeugen, dass sie enorme Angst vor Seinem Gericht haben. Sie wollen erreichen, dass ihr Bewusstsein in einer Maschine ewig lebt, während wir uns auf das ewige glückselige Leben in der Anschauung Gottes freuen.
Wollen wir Apostaten die Kirche und die Űberführung von Millionen von Seelen in den Antichristen überlassen? Ist es nicht unsere Pflicht durch Gebet und weltliches auch oeffentliches Eintreten in Nächstenliebe aufzurütteln um die Kirche, zumindest im Versuch, aus den Fallstricken des Bösen herauszuführen?
Ergänzung! Lasst uns bemühen den politischen Katholizismus wieder aufzurichten.
Lasst uns in den Ländern des ehemaligen christlichen Abendlandes das Banner der Jungfrau Maria und des Sozialen Königtums Christi aufpflanzen.
Zur Ehre unseres Herrn und zu unserem seelischen Wohl.
Ganz besonders ist heute das Motto der Cristeros aus Mexiko wichtig:
„Viva Christo Rei“