
(Rom) Gläubige haben gestern beim Angelus auf dem Petersplatz Papst Franziskus aufgefordert, „jetzt“ die Weihe Rußlands durchzuführen. Vergangene Woche hatten bereits die römisch-katholischen Bischöfe der Ukraine den Papst in einem Schreiben ersucht, die Weihe Rußlands und der Ukraine an das Unbefleckte Herz Mariens „öffentlich durchzuführen, wie es von der Heiligen Jungfrau in Fatima verlangt wurde“.
Beim Angelus mit Papst Franziskus waren gestern wieder zahlreiche ukrainische Fahnen zu sehen. Zudem entrollten Gläubige auf dem Petersplatz ein großes Spruchbanner mit der Aufschrift: „Jetzt Weihe Rußlands und der Ukraine an das Herz Mariens“. Um genau zu sein, war die Botschaft noch deutlicher formuliert und direkt an Papst Franziskus gerichtet:
„Weihe jetzt Rußland und die Ukraine dem Herzen Mariens.“
Seit dem Vorfall am 24. Oktober 2021, als einem jungen Kubaner beim Angelus auf dem Petersplatz die Fahne seines Heimatlandes von Sicherheitskräften als „unerwünscht“ abgenommen wurde, gilt die erste Frage, ob bestimmte Fahnen oder Transparente geduldet werden. Die ukrainischen Fahnen werden geduldet, wie schon am Sonntag davor klar wurde. Auch gegen das große Transparent, mit der Aufforderung, Rußland dem Unbefleckten Herzen Mariens zu weihen, wie es von der Heiligen Jungfrau in Fatima am 13. Juli 1917 verlangt wurde, gab es keinen Polizeieinsatz.
Es ist allerdings bekannt, daß den oberen Rängen des Vatikans Erwähnungen im Zusammenhang mit der Weihe Rußlands unangenehm sind und das nicht erst heute. Es wurde schon viel spekuliert und gerätselt über die von nicht wenigen Gläubigen als unerklärlich empfundene Abneigung gegen diese Weihe, die von der Gottesmutter in Fatima ausdrücklich gewünscht wurde. Die Marienerscheinungen von Fatima, die zwischen Mai und Oktober 1917 stattfanden, sind von der Kirche offiziell anerkannt. Mehrfach wurden Weihen durchgeführt. Mehrfach wurde vom Vatikan erklärt, damit den Wunsch der Gottesmutter erfüllt zu haben. Kritiker halten entgegen, daß aber keine der Weihen so durchgeführt wurde, wie es die Gottesmutter in Fatima gewünscht hatte.
Die Gottesmutter hatte eine ausdrückliche und öffentliche Weihe Rußlands durch den Papst zusammen mit dem Weltepiskopat gewünscht. Im Vatikan legte man diesen Wunsch teilweise „inklusiv“ aus, was bald 80 Jahre seit der ersten „Weihe“, die am 31. Oktober 1942 stattfand, die fast groteske, zumindest aber kuriose Situation einer Vielzahl von Weihen herbeigeführt hat und dennoch den Vorwurf aufkommen ließ, der Heilige Stuhl sei nicht imstande, die Weihe in der gewünschten Form durchzuführen. Teilweise hieß es, man wolle die kommunistischen Machthaber im Kreml nicht reizen, dann, man wolle die russisch-orthodoxe Kirche nicht reizen …
Die Weihe betrifft nicht nur ein Land, eben Rußland, das flächengrößte Land der Welt, sondern richtet sich gegen „Irrtümer“, die von dort auf der ganzen Welt verbreitet werden. Da die Marienerscheinungen unmittelbar vor der bolschewistischen Oktoberrevolution stattfanden und aus dem gesamten Kontext der Vorhersagen bestand nie ein Zweifel, daß mit den „Irrtümern“ der Kommunismus gemeint ist. Den glaubte man im Westen nach dem Fall der Berliner Mauer bereits „hinter sich“ zu haben, doch in Wirklichkeit ist er unter verschiedenen Etiketten weiterhin lebendig.
Bei seiner Ansprache nach dem Angelus sagte Franziskus gestern:
„In der Ukraine fließen Ströme von Blut und Tränen. Es handelt sich nicht nur um eine Militäroperation, sondern um einen Krieg, der Tod, Zerstörung und Elend mit sich bringt. Die Zahl der Opfer steigt ebenso wie die Zahl der Menschen, die fliehen, insbesondere Mütter und Kinder. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in diesem gepeinigten Land steigt stündlich dramatisch an.
Ich appelliere von ganzem Herzen, die humanitären Korridore wirklich zu sichern und den Zugang der Hilfsgüter zu den belagerten Gebieten zu gewährleisten und zu erleichtern, um unseren Brüdern und Schwestern, die von Bomben und Angst unterdrückt werden, lebenswichtige Hilfe leisten zu können.
Ich danke allen, die Flüchtlinge aufnehmen. Ich plädiere vor allem für ein Ende der bewaffneten Angriffe, für Verhandlungen – und für den gesunden Menschenverstand – und für eine Rückkehr zur Achtung des Völkerrechts!
Und ich möchte auch den Journalisten danken, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um Informationen zu liefern. Danke, Brüder und Schwestern, für diesen Dienst! Ein Dienst, der es uns ermöglicht, die Tragödie dieser Bevölkerung hautnah mitzuerleben und die Grausamkeit eines Krieges zu beurteilen. Danke, Brüder und Schwestern.
Laßt uns gemeinsam für die Ukraine beten: Wir haben ihre Fahnen vor uns. Beten wir gemeinsam, als Brüder, zu Unserer Lieben Frau, der Königin der Ukraine. Ave Maria…
Der Heilige Stuhl ist bereit, alles zu tun, um sich in den Dienst dieses Friedens zu stellen. In diesen Tagen reisten zwei Kardinäle in die Ukraine, um den Menschen zu dienen und zu helfen. Kardinal Krajewski, Almosenier, um den Bedürftigen zu helfen, und Kardinal Czerny, amtierender Präfekt des Dikasteriums für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. Die Anwesenheit der beiden Kardinäle dort ist die Anwesenheit nicht nur des Papstes, sondern des ganzen christlichen Volkes, die sich nähern und sagen wollen: ‚Krieg ist Wahnsinn! Hört auf, bitte! Schaut Euch diese Grausamkeit an!“
Die Bitte der römisch-katholischen Bischöfe der Ukraine und der Gläubigen mit dem großen Banner auf dem Petersplatz zur Weihe Rußlands griff Papst Franziskus nicht auf.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican Media (Screenshot)