(Rom) Gestern wurde der 26. Welttag des geweihten Lebens begangen. Papst Franziskus zelebrierte mit Angehörigen verschiedener Ordensgemeinschaften eine heilige Messe im Petersdom. Wenn es stimmt, was beharrliche Gerüchte behaupten, daß Franziskus am Aschermittwoch, wie es heißt, einen „finalen Schlag“ gegen die sogenannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften beabsichtigt, sind dann einige Sätze seiner gestrigen Predigt eine letzte Warnung?
Der Tag des geweihten Lebens wird von den meisten Gläubigen wenig beachtet, denn liturgisch ist das der Tag von Mariä Lichtmeß oder Tag der Purificatio, der Reinigung. Seit der Kalenderreform wird das Fest als Darstellung des Herrn bezeichnet.
Papst Franziskus zelebrierte aus diesem Anlaß eine Messe im Petersdom, zu der er Angehörige von Instituten geweihten Lebens und Gesellschaften apostolischen Lebens eingeladen hatte, wie die kanonisch unterschiedlich konstituierten Ordensgemeinschaften in der Kirchensprache amtlich zusammengefaßt werden. In seiner Predigt kam das Kirchenoberhaupt erneut auf ein Thema zu sprechen, das selbst im Vatikan von manchen als „Obsession“ bezeichnet wird. Er sprach, wie zuletzt mehrfach, über „Starrheit“ und „Strenge“:
„Ich habe es oft gesagt: Heute ist die Versuchung, rückwärts zu gehen, aus Sicherheit, aus Angst, den Glauben zu bewahren, das Gründungscharisma zu bewahren … Es ist eine Versuchung. Die Versuchung, zurückzugehen und die ‚Traditionen‘ mit Starrheit beizubehalten. Machen wir es richtig: Starrheit ist eine Perversion, und unter jeder Starrheit stecken ernsthafte Probleme. Weder Simeon noch Anna waren starr, nein, sie waren frei und hatten die Freude zu feiern: Er, der den Herrn lobte und seiner Mutter mutig prophezeite; und sie ging wie eine gute alte Frau von einer Seite zur anderen und sagte: ‚Schau dir diese an, sieh dir das an!‘. Voller Freude und mit hoffnungsvollen Augen verkündeten sie die Ankündigung. Keine vergangene Trägheit, keine Starrheit.“
Und die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften?
Weder im Motu proprio Traditionis custodes noch in den Responsa ad dubia, den Antworten auf Zweifel zum Motu proprio, die von unbekannter Seite vorgebracht wurden, fanden die sogenannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften Erwähnung. Dabei handelt es sich um jene dem überlieferten Ritus und der Tradition verpflichteten Gemeinschaften, die auf der Grundlage des 1988 von Johannes Paul II. erlassenen Motu proprio Ecclesia Dei kanonisch errichtet wurden. Die größte dieser Gemeinschaften ist die Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP). Im deutschen Sprachraum sind noch andere aktiv wie das Institut Christus König und Hohepriester (ICRSS).
Seit dem 16. Juli 2021, dem Tag der Veröffentlichung von Traditionis custodes, steht für diese Gemeinschaften und die ihnen verbundenen Gläubigen die bange Frage im Raum, was mit ihnen geschehen wird. Zunächst schien sich der Versuch von Papst Franziskus, dem überlieferten Ritus, den Todesstoß zu versetzen, dem Wortlaut seiner Anweisung folgend, auf Weltpriester und Ordenspriester neuritueller Orden zu konzentrieren. Beabsichtigte er „nur“ eine strengere Einhegung der Tradition? Eine Erhöhung der Mauern um ihr Ghetto, in das er sie zurücktreiben will?
Bald zeigte sich jedoch, daß die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften als Zielscheiben nicht ausgenommen sind. Die 1988 von Johannes Paul II. errichtete Kommission, die an der Römischen Kurie für diese Gemeinschaften zuständig war, wurde von Franziskus aufgelöst und als Abteilung in die Glaubenskongregation eingegliedert. Dabei handelte es sich allerdings nur um einen Zwischenschritt. Mit Traditionis custodes wurden die Zuständigkeiten an die Ordenskongregation übertragen, deren Führungsspitze der Tradition notorisch abgeneigt ist.
Das war aber bestenfalls ein Indiz. Konkreter wurden die Maßnahmen, mit denen einige Bischöfe das Motu proprio umsetzten, besser gesagt, die Petrusbruderschaft oder andere Ecclesia-Dei-Gemeinschaften vor die Tür setzten. Dazu gehört beispielsweise das Erzbistum Paris. Es konnte ein Übereifer angenommen werden, der sich einiger Bischöfe bemächtigt hatte. Ließ sich daraus aber eine allgemeine Regel ableiten?
Die „authentische Interpretation“
Es sollte nicht lange dauern, da lieferte Papst Franziskus selbst die ihm wichtige „authentische Interpretation“ seines Gesetzes. Sein Vikar in der Diözese Rom erließ am 7. Oktober das Dekret zur Umsetzung von Traditionis custodes. Bekannt wurde es erst einen Monat später.
Seither wissen die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, daß der Würgegriff auch gegen sie ernstgemeint ist. Der römischen Personalpfarrei Santissima Trinità dei Pellegrini, die der Petrusbruderschaft anvertraut ist, wurde die Zelebration des Ostertriduums, der heiligen Liturgie vom Gründonnerstag bis einschließlich Ostersonntag, untersagt. Die Maßnahmen werden erstmals am kommenden 14. April zur Anwendung gelangen. Priester und Gläubige sollen gezwungen werden, die bedeutendsten Tage des Kirchenjahres im Novus Ordo zu feiern, die Priester, zu konzelebrieren. Die Gläubigen werden diesem Zwang wahrscheinlich entkommen, der Pfarrer aber kaum. In der Petrusbruderschaft scheint man sich keiner Illusion hinzugeben und geht man davon aus, daß der Pfarrer „unter Beobachtung“ steht.
Zudem wurde die Spendung aller Sakramente außer der Eucharistie verboten. Die Pfarrei ist damit in Wirklichkeit keine mehr. Ein vollständiges Leben in den Sakramenten und damit der Gemeinschaft ist ihr untersagt.
Das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht. Am 27. Dezember legte Kardinal Blase Cupich, ein enger Vertrauter von Papst Franziskus, noch einmal nach. In seinem Erzbistum Chicago darf an jedem ersten Sonntag im Monat die heilige Messe nicht mehr im überlieferten Ritus zelebriert werden. Diese zusätzlichen Daumenschrauben und auch der Hinweis im römischen Dekret, die Petrusbruderschaft könne „vorerst“ die Pfarrkirche Santissima Trinità dei Pellegrini weiterhin nützen, scheinen dabei kaum mehr ins Gewicht zu fallen.
Priesterseminare und Priesterweihen
Schwerer wiegt, daß sowohl das Dekret der Diözese Rom als auch das Dekret der Erzdiözese Chicago ein Verbot enthalten, sechs der sieben Sakramente im überlieferten Ritus zu spenden. Dabei sticht vor allem das Weihesakrament hervor, da es die Ecclesia-Dei-Gemeinschaften in ihrem Lebensnerv trifft. In der Diözese Rom darf kein Kandidat mehr die Weihen empfangen, nicht die Niederen Weihen, nicht die Diakonats- und auch nicht die Priesterweihe. Wenn nicht in Rom, wo dann? Noch ist es anderswo möglich – außer in Chicago und einigen anderen Diözesen. Papst Franziskus läßt aber keinen Zweifel, daß er es nicht wünscht. Mehr noch, daß er Traditionis custodes so auslegt, daß nur noch die Zelebration der heiligen Messe geduldet ist. Für ihn, den Bischof von Rom, den Papst, hat kein Seminarist mehr im überlieferten Ritus geweiht zu werden. Die Priester der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften sollen nicht nur zur Konzelebration im Novus Ordo gezwungen werden – nur so würden sie einen wirklichen Gehorsamsbeweis erbringen –, sondern erst gar nicht im überlieferten Ritus, dem sie sich und ihr Priesterleben verschrieben haben, geweiht werden. Lebensfäden sollen abgeschnitten werden.
Seither wird ein Schlag gegen die Priesterseminare der Tradition erwartet. Sie sind die Hauptschlagader der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften.
Die Petrusbruderschaft nimmt daher Zuflucht zu den geistlichen Mitteln. Am 11. Februar, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, wird sich die Priesterbruderschaft dem Unbefleckten Herzens Mariens weihen. Seit dem 2. Februar wird zur Weihevorbereitung eine Novene gebetet. Die Priesterbruderschaft, alle ihre Werke und Anliegen, werden dem Unbefleckten Herzen Mariens anvertraut. Jeder Petrusbruder wird dazu am 11. Februar das Weihegebet sprechen.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Vatican.va/fsspwigratzbad.blogspot.com/ (Screenshots)