Klerikalismus, die „gefährliche Krankheit der Seele“

Eine Kanonade gegen den Klerikerstand


Kritik am Klerikalismus in Zeiten eines offenen Antiklerikalismus bedeutet was genau?
Kritik am Klerikalismus in Zeiten eines offenen Antiklerikalismus bedeutet was genau?

(Rom) Papst Fran­zis­kus kam bei sei­ner gest­ri­gen Anspra­che zum Ange­lus auf dem Peters­platz in Rom auf einen beson­de­ren Schwer­punkt ver­gleich­ba­rer Reden zu spre­chen. Man­che spre­chen von einem „Lieb­lings­the­ma“, ande­re gar von einer „Fixie­rung“. Doch hören wir Fran­zis­kus selbst in der offi­zi­el­len vati­ka­ni­schen Über­set­zung der Ansprache:

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„Hier sehen wir die­se so häss­li­che Hal­tung, die wir auch heu­te noch an vie­len Orten sehen, den Kle­ri­ka­lis­mus, die­ses sich über die Demü­ti­gen erhe­ben, sie aus­beu­ten, auf ihnen »her­um­hacken«, sich voll­kom­men füh­len. Das ist das Übel des Kle­ri­ka­lis­mus. Es ist ein Warn­hin­weis für alle Zei­ten und für alle, für die Kir­che und für die Gesell­schaft: Nüt­ze nie­mals dei­ne Rol­le aus, um ande­re zu erdrücken, ver­die­ne nie­mals auf Kosten der Schwächsten!“

Die ent­spre­chen­de Pas­sa­ge ist wesent­lich län­ger. Das Kir­chen­ober­haupt führ­te dar­in das­sel­be The­ma in meh­re­ren Varia­tio­nen aus. Auf sech­zehn wei­te­ren Zei­len feu­er­te Papst Fran­zis­kus eine gan­ze Kano­na­de gegen den „Kle­ri­ka­lis­mus“ ab:

„sich vor den Heuch­lern hüten“, „acht­ge­ben“, „Kult des Scheins“, „Äußer­lich­keit“, „Prah­le­rei“, „sich der Reli­gi­on bedie­nen“, „eige­ne Geschäf­te för­dern“, „Auto­ri­tät miss­brau­chen“, „Eitel­keit“, „ober­fläch­lich leben“, „auf den Schein fixiert“, „Falsch­heit des Her­zens“, „Heu­che­lei“, „gefähr­li­che Krank­heit der See­le“, „dop­pel­tes Den­ken“, „Dop­pel­zün­gig­keit der Seele“.

Die Fra­ge ist, in wel­cher Form der „Kle­ri­ka­lis­mus“ in einer so stark anti­kle­ri­ka­len Zeit wie der heu­ti­gen etwa im deut­schen Sprach­raum auf­tritt. Im 19. und der ersten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts trat der Anti­kle­ri­ka­lis­mus als äuße­rer Geg­ner in Erschei­nung. Seit mehr als 50 Jah­ren arti­ku­liert er sich vor allem als inner­kirch­li­ches Phä­no­men. Der Kle­ri­ker­stand befin­det sich nicht nur unter Beschuß, son­dern inner­kirch­lich in der Defensive. 

Wegen die­ser Dis­kre­panz zwi­schen dem Gesamt­kli­ma und der päpst­li­chen Kri­tik fehlt es von katho­li­scher Sei­te nicht an bei­ßen­den Reak­tio­nen auf die gest­ri­ge Anspra­che, die groß­teils aus Respekt vor dem Petrus­amt hier nicht wie­der­holt wer­den sol­len. Der Hin­weis, mit Blick auf Fran­zis­kus: „Arzt, hei­le dich selbst“, ist dabei noch von der harm­lo­se­ren Art. Eben­so die Fra­ge, ob jemand wis­se, ob Fran­zis­kus mit sei­ner Kle­ri­ka­lis­mus­kri­tik in den ver­gan­ge­nen acht­ein­halb Jah­ren jemals sich selbst gemeint habe. Mit sei­nen Anspie­lun­gen auf den Kle­ri­ka­lis­mus ande­rer kön­ne man hin­ge­gen, so die kri­ti­sche Anmer­kung, ein gan­zes Buch füllen.

Viel­leicht wäre es wün­schens­wert, Papst Fran­zis­kus wür­de in die­ser Zeit mehr über die Schön­heit und Bedeu­tung des Prie­ster­tums und Kle­ri­ker­stan­des spre­chen und die­se ver­tei­di­gen. Immer­hin igno­riert Fran­zis­kus bis heu­te die schwer­wie­gen­de Tat­sa­che, daß mehr als 80 Pro­zent der sexu­el­len Miß­brauchs­fäl­le durch Kle­ri­ker, homo­se­xu­el­ler Art sind. Gleich­zei­tig ließ er zwei unschul­di­ge Kar­di­nä­le über die Klin­ge sprin­gen, weil sie sich vor einem welt­li­chen Gericht wegen Ver­tu­schung bzw. Miß­brauchs ver­ant­wor­ten muß­ten. Sowohl Kar­di­nal Geor­ge Pell als auch Kar­di­nal Phil­ip­pe Bar­ba­rin wur­den aber frei­ge­spro­chen. Fran­zis­kus hat­te sie jedoch vor­ei­lig wäh­rend des lau­fen­den Ver­fah­rens aus ihren Ämtern ent­las­sen und ihnen nach dem Frei­spruch kei­ne wirk­li­che Reha­bi­li­tie­rung gewährt. „Aus über­trie­be­ner Sor­ge um das eige­ne Anse­hen“, wie Kri­ti­ker meinen.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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