
(Canberra) Spät, aber doch erfährt Kardinal George Pell zumindest eine indirekte Genugtuung: Ein Dutzend australische Medien gestanden am Montag mit einer öffentlichen Erklärung ihr Fehlverhalten im Fall Pell ein.
„Vier Jahre lang musste George Kardinal Pell Beschuldigungen, Ermittlungen, Prozesse, öffentliche Demütigungen und Rufmord erdulden“, schreibt der Verlag Media Maria, der sein Gefängnistagebuch herausgibt. Der Kardinal war unschuldig auch einer Medienhetze ausgesetzt, die 2017/2018 in einer medialen Vorverurteilung gipfelte, als die australische Staatsanwaltschaft ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn einleitete, das zu einer Anklageerhebung und einem Prozeß führte.
Tageszeitungen wie The Herald, The Age, der Sydney Morning Herald und die Weekly Times, die zum Medienkonzern von Rupert Murdoch bzw. dem Medienunternehmen Fairfaix gehören, sowie andere mehr stehen nun selbst im Staat Victoria vor Gericht. Am Montag erkannten sie ihre Schuld für die ihnen zur Last gelegten Artikel an.
Die Staatsanwaltschaft wird, wie die Presseagentur EFE berichtete, der ein entsprechendes Dokument vorliegt, aufgrund des Schuldeingeständnisses ihre Anklage gegen mehr als ein Dutzend Journalisten und Chefredakteure sowie gegen die Medien, für die sie tätig bzw. verantwortlich sind, fallenlassen. Insgesamt war Anklage gegen fast 30 physische und juristische Personen erhoben worden. Hauptanklagepunkt war die Veröffentlichung von Informationen, für die vom Gericht ausdrücklich eine Nachrichtensperre verhängt worden war. Bekanntlich gestehen Medien selten eine Schuld ein. Auch im konkreten Fall gibt es einen triftigen Grund dafür: Die angeklagten Medien riskieren bei einer Verurteilung eine Geldstrafe in der Höhe von je einer halben Million Australischen Dollar (fast 310.000 Euro). Richter John Dixon wird am Mittwoch der kommenden Woche sein Urteil fällen.
Pell wurde in erster und zweiter Instanz nach einer in Australien beispiellosen medialen Vorverurteilung des sexuellen Mißbrauchs schuldig gesprochen. In zweiter Instanz gab es aber unter den Richtern bereits eine abweichende Meinung. Der Kardinal, der stets seine Unschuld beteuerte, weigerte sich einen Antrag auf Hausarrest zu stellen, solange die Verurteilung nicht Rechtskraft erlangte. Er verbrachte mehr als ein Jahr im Gefängnis, bevor er im Frühjahr 2020 vom Obersten Gerichtshof von Australien einstimmig freigesprochen und die unteren Instanzen für ihre Verurteilung gerügt wurden.

Seither ist der Kardinal wieder ein freier Mann. Papst Franziskus empfing ihn erst viele Monate später in Privataudienz, übertrug ihm aber weder seine damaligen noch andere Ämter. Pell amtierte bis Mitte 2017 im Vatikan als Präfekt des Wirtschaftssekretariats und war der Vertreter Ozeaniens im damals noch neunköpfigen Kardinalsrat, der Papst Franziskus bei der Kurienreform und der Leitung der Weltkirche berät. Im Zuge des im Herbst 2020 bekanntgewordenen vatikanischen Finanzskandals um Kardinal Angelo Becciu wurde von Pells Rechtsbeistand der Verdacht geäußert, eine Überweisung von 700.000 Dollar aus dem Vatikan nach Australien habe der Bestechung gegolten, um Kardinal Pell zu diskreditieren. Hintergrund war eine innervatikanische Intrige gegen den australischen Purpurträger, da er als Präfekt des Wirtschaftssekretariats zuviel über die Geldgeschäfte bestimmter Kurienvertreter wissen wollte. Laut den australischen Ermittlungsbehörden konnte der Verdacht bisher aber nicht erhärtet werden. Es war bereits vorher bekannt, daß Kardinal Pell und Papst Franziskus in einer Reihe von Fragen, vor allem auch dem Kirchenverständnis, keine deckungsgleichen Positionen vertreten. So warnte der Kardinal im August 2019 noch aus dem Gefängnis vor der Amazonassynode.
Kardinal Pell veröffentlichte über seine Zeit im Gefängnis ein Tagebuch. Im kommenden März erscheint die deutsche Ausgabe unter dem Titel: Unschuldig angeklagt und verurteilt: Das Gefängnistagebuch (Verlag Media Maria, 384 Seiten).
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Bildcollage
Der Kardinal und sein Papst, unterschiedlicher kann man wohl kaum sein.
Eins aber eint beide, die unverbrüchliche Treue zum 2. Vat.Konzil.