
(Rom) Unter Ausschluß der Öffentlichkeit fand am Montag die Eröffnung der 74. Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz statt. Papst Franziskus habe in seiner improvisierten Eröffnungsrede, so Teilnehmer, nicht nur Personalfragen angesprochen, sondern auch eine „Neuinterpretation“ des Motu proprio Summorum Pontificum angekündigt.
Die erste Nachricht betrifft die Aussagen von Papst Franziskus zur Neubesetzung des Präfektenpostens der Gottesdienstkongregation. Auch die zweite Nachricht bezieht sich auf die improvisierte Eröffnungsrede von Franziskus und betrifft die Liquidierung des Motu proprio Summorum Pontificum. Entsprechende Gerüchte sind schon länger in Umlauf. Vor allem italienischen Bischöfen ist das bedeutendste Erbe des Pontifikats von Papst Benedikt XVI. ein Dorn im Auge. Das Verständnis für die Tradition war unter den Bischöfen der Apenninenhalbinsel nie ausgeprägt. Die Bewegung der Tradition ist im „Land des Papstes“ kein Phänomen der Volksfrömmigkeit, sondern der Intellektuellen.
Was am Montag hinter verschlossenen Türen gesagt wurde, berichtete das traditionsverbundene französische Portal Paix Liturgique wie folgt:
„Nachdem die Journalisten den Versammlungssaal verlassen hatten, sprach der Papst ein Thema an, das viele Bischöfe der Halbinsel eint: die Exekution von Summorum Pontificum.“
Und weiter:
„Franziskus bestätigte die bevorstehende Veröffentlichung eines Dokuments, das er verfassen werde, um das Motu proprio von Benedikt XVI. ’neu zu interpretieren‘.“
Die Veröffentlichung dieses Dokuments habe sich wegen Einwänden verzögert, so Franziskus. Vor allem Kardinal Luis Ladaria SJ, der Präfekt der Glaubenskongregation, habe Bedenken vorgebracht. Kardinal Ladaria ist seit Juni 20197 für die sogenannten Ecclesia-Dei-Gemeinschaften zuständig. Zunächst als Vorsitzender der Päpstlichen Kommission Ecclesia Dei und seit dem 19. Januar 2019 als Glaubenspräfekt, nachdem Papst Franziskus diese Kommission aufgelöst und als Abteilung der Glaubenskongregation eingegliedert hat.
Kardinal Ladaria und andere Kirchenvertreter argumentieren, so Papst Franziskus, daß eine Einschränkung von Summorum Pontificum „ein weltweites Unwohlsein“ und eine „unkontrollierbare Opposition“ provozieren würde.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin hingegen fördere das Dokument einer „Neuinterpretation“. Franziskus nannte als Eckpunkt:
- Gemeinschaften, die bereits in der überlieferten Form zelebrieren, könnten das auch weiterhin tun;
- Diözesanpriester hingegen sollen eine spezielle Erlaubnis erhalten.
Damit würde die generelle Erlaubnis, die Papst Benedikt XVI. allen Priestern erteilte, zurückgenommen. Die „Neuinterpretation“ wäre, bei aller Unklarheit in den Details, ein Rückschritt auf den Stand des Motu proprio Ecclesia Dei von 1988, wie ein traditonsverbundener Diözesanpriester einer norditalienischen Erzdiözese kommentierte. Unklar bleibt auch, welchen Hürden sich neue Gemeinschaften der Tradition künftig gegenübersehen werden, um eine Anerkennung und die vorgesehene Sondererlaubnis zu erlangen. Als schlechtes Zeichen wurde es in traditionalistischen Kreisen gesehen, daß einer der engsten Vertrauten von Papst Franziskus, der damals neuernannte Erzbischof von La Plata, Msgr. Victor Manuel Fernández, 2019 Summorum Pontificum in seinem Erzbistum eliminierte. In dieselbe Kerbe schlug in den vergangenen drei Jahren mehrfach Andrea Grillo, der als „Liturgiker des Papstes“ bezeichnete progressive italienische Liturgiewissenschaftler.
„Reform zum Schlechteren“
Laut der ebenfalls traditionsverbundenen Internetseite Messa in Latino habe Papst Franziskus den italienischen Bischöfen eine „unmittelbar bevorstehende Reform“ von Summorum Pontificum „zum Schlechteren“ angekündigt.
„Nach seiner x‑ten Warnung, ‚junge Starre‘ (also solche, die der Glaubenslehre treu sind) in Seminare aufzunehmen, gab Franziskus den Bischöfen bekannt, daß er beim dritten Entwurf eines Textes angelangt ist, der restriktive Maßnahmen zur Zelebration der außerordentlichen Form der Messe durch katholische Priester vorsieht, die von Benedikt XVI. freigegeben wurde.“
Franziskus zu den Bischöfen:
„Benedikt XVI. wollte mit Summorum Pontificum nur den Lefebvrianern entgegenkommen, aber heute sind es vor allem die jungen Priester, die die tridentinische Messe zelebrieren wollen, obwohl sie vielleicht nicht einmal Latein verstehen“.
Mit „Lefebvrianer“ meinte Franziskus die Priesterbruderschaft St. Pius X. (FSSPX), die 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet wurde. Msgr. Lefebvre wurde 1988 wegen unerlaubter Bischofsweihen exkommuniziert. Er starb 1991 in der Schweiz. Die Exkommunikation wurde von Rom bis heute nicht aufgehoben. Die Bischofsweihen hatten, wenige Tage später, das Motu proprio Ecclesia Dei von Papst Johannes Paul II. zur Folge, mit dem Rom Priestern und Gläubigen der Tradition entgegenkam und ihnen eine Daseinsberechtigung in der Kirche gewährte. Der Rahmen war allerdings eng gesteckt. Erst Papst Benedikt XVI. erweiterte 2007 diesen Rahmen mit dem Motu proprio Summorum Pontificum auf großzügige Weise in der Absicht, der Kirche eine Sauerstoffzufuhr zu sichern, um sie zukunftsfähiger zu machen.
Franziskus, so Messa in Latino, habe am Montag zur Veranschaulichung den Fall eines Bischofs erzählt, „an den sich ein junger Priester gewandt hatte und seine Absicht zur Kenntnis brachte, in der außerordentlichen Form zu zelebrieren. Auf die Frage, ob er Latein könne, sagte ihm der junge Priester, daß er es lerne. Darauf antwortete der Bischof, daß es besser wäre, wenn er Spanisch oder Vietnamesisch lernen würde, weil es in der Diözese viele Lateinamerikaner und Vietnamesen gab.“
Auch Messa in Latino betont, daß die Wiedereinführung einer Sondererlaubnis zur Zelebration des überlieferten Ritus ein „Rückschritt“ wäre. Unklar sei zudem, ob der von Franziskus erwähnte Indult vom Ortsbischof oder sogar vom Vatikan eingeholt werden müsse. Diese „Reform“ von Franziskus wäre der Versuch einer erneuten „Ghettoisierung“ der Priester und der Gläubigen, die dem überlieferten Ritus verbunden sind, so Messa in Latino:
„Nach Moses, dem Befreier, würde der Pharao wiederkehren.“
Messa in Latino widerspricht auch mit Nachdruck, daß Benedikt XVI. Summorum Pontificum „nur“ gewährt habe, um der Piusbruderschaft „entgegenzukommen“. Es gebe eine ganze Reihe eindeutiger Aussagen des deutschen Papstes, die anderes bezeugen. Sein Hauptanliegen sei es gewesen, wie er selbst betonte, daß „die Kirche die innere Kontinuität mit ihrer Vergangenheit bewahrt“. Deshalb habe er auch gesagt, daß nicht plötzlich falsch sein könne, was vorher „heilig“ war.
Messa in Latino zitiert einen Priester mit den Worten:
„Es scheint mir nicht verwunderlich, daß die Bischöfe Summorum Pontificum angreifen, schließlich ist die Frage der überlieferten Liturgie das ernsteste, schwerwiegendste und aktuellste Problem der Kirche.“
Da Franziskus von einem „dritten Entwurf“ für das besagte Dokument sprach, stehe fest, so Messa in Latino, „daß sie ernsthaft (und seit einiger Zeit) daran arbeiten, Summorum Pontificum einzuschränken und de facto aufzuheben“.
„Deshalb gibt es wirklich Grund zur Sorge und zum Gebet: Wird Benedikt XVI. etwas dazu sagen?“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Avvenire (Screenshot)