Auf dem Synodalen Weg zu einer demokratischen Kirche sui generis


Der BDKJ und der Synodale Weg. Aus Narrenfreiheit wird schnell mit theologischer Inkompetenz gepaarte Rechthaberei, die mit Feindbildern arbeitet.
Der BDKJ und der Synodale Weg. Aus Narrenfreiheit wird schnell mit theologischer Inkompetenz gepaarte Rechthaberei, die mit Feindbildern arbeitet.

Ein Gast­kom­men­tar von Hubert Hecker.

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In dem Sam­mel­band „Stand­punk­te“ bie­ten Teil­neh­mer des Syn­oda­len Wegs „einen bun­ten Strauß von zumeist emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen und bio­gra­phisch gefärb­ten Mei­nungs­äu­ße­run­gen“, stellt der eme­ri­tier­te Dog­ma­ti­ker Karl-Heinz Men­ke in der Tages­post vom 28. 1. fest. Und Alt­bi­schof Heinz Josef Alger­mis­sen ergänzt in einem Leser­brief: „Bei etli­chen ‚Stand­punk­ten‘ paart sich theo­lo­gi­sche Inkom­pe­tenz mit Recht­ha­be­rei und Feind­bil­dern“ (DT 4. 2.). Die BDKJ-Ver­tre­te­rin Pau­li­na Hau­ser (26) ist dar­über begei­stert, dass die Jugend­ver­tre­ter „ein biss­chen Nar­ren­frei­heit haben“ und auf der Syn­ode „das her­aus­hau­en, was ihnen auf der Zun­ge liegt“.1

Die Demo­kra­ti­sie­rung der kirch­li­chen Dis­kus­si­on und Ent­schei­dungs­fin­dung ist im Selbst­ver­ständ­nis der mei­sten syn­oda­len Gre­mi­ums­ka­tho­li­ken des ZdK schon lan­ge eta­bliert. Vie­le katho­li­sche Ver­bands­vor­stän­de ver­ste­hen ihre „vor­ran­gi­ge Auf­ga­be“ nicht dar­in, die Leh­re und Pra­xis der Kir­che bei ihren Mit­glie­dern zu för­dern, son­dern die zivi­len „Inter­es­sen“ ihrer Kli­en­tel „in Kir­che, Gesell­schaft und Staat zu ver­tre­ten“. Sie machen sich damit den säku­la­ren Inter­es­sen­grup­pen gleich – mit den Indu­strie­ver­bän­den, Gewerk­schaf­ten, Mit­tel­stand­ver­ei­ni­gun­gen, Bau­ern­ver­bän­den, Mie­ter­ver­ei­nen etc. Die­se Grup­pen ver­su­chen durch Öffent­lich­keits- und Lob­by­ar­beit ihre Inter­es­sen über Par­tei­en, Par­la­men­ta­ri­er und Regie­rungs­stel­len durch­zu­brin­gen. Im Par­la­ment wer­den für die viel­fach gegen­sätz­li­chen Stand­punk­te Lösun­gen im Kom­pro­miss als Inter­es­sens­aus­gleich oder durch Mehr­heits­ent­schei­dun­gen gefun­den. Die jewei­li­gen Inter­es­sen­grup­pen legen ihre Grund­sät­ze und Zie­le in ihren Sta­tu­ten nach eige­nem Gut­dün­ken fest.

Die frei­mü­ti­ge Mei­nungs­äu­ße­rung im Betrof­fen­heits­jar­gon gilt in der plu­ra­li­sti­schen Gesell­schaft als höch­stes Gut und zugleich als Basis der demo­kra­ti­schen Kul­tur. Der aka­de­mi­sche Vor­den­ker des Syn­oda­len Wegs, Prof. Eber­hard Schocken­hoff, hat als Ziel des Syn­oda­len Wegs vor­ge­ge­ben, die kirch­li­che Theo­lo­gie und Pra­xis „auf die Höhe der gel­ten­den Wert­maß­stä­be einer säku­la­ren, libe­ra­len Demo­kra­tie“2 zu brin­gen. Die Kir­che soll sich in ihren Grund­sät­zen und dem metho­di­schen Vor­ge­hen an den libe­ral-demo­kra­ti­schen Wer­te­ka­non des säku­la­ren Staa­tes bzw. den demo­kra­ti­schen Mehr­heits­wil­len der Zivil­ge­sell­schaft anpas­sen. In die­sem Sin­ne wäre der Syn­oda­le Weg ein Ein­stieg in eine frei­heit­lich-demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung der Kir­che. Dem­nach soll­te die syn­oda­le Voll­ver­samm­lung eine Art kirch­lich-par­la­men­ta­ri­sches Ple­num sein. In den klei­ne­ren Foren wür­den die Debat­ten der Aus­schuss-Sit­zun­gen des Bun­des­ta­ges simuliert.

Ganz anders dage­gen sol­len die kirch­li­chen Bera­tun­gen und Syn­oden ver­lau­fen. Denn die dar­an betei­lig­ten Geist­li­chen und Lai­en sind auf die Glau­bens­grund­sät­ze der Kir­che fest­ge­legt, die unver­füg­bar in der Leh­re und Per­son Jesus Chri­stus vor­ge­ge­ben und im apo­sto­li­schen Glau­bens­be­kennt­nis fest­ge­schrie­ben ist. Des­halb kön­nen die Gläu­bi­gen nicht belie­big als Gemein­schaft über Glau­bens­in­hal­te abstim­men. Denn der Sou­ve­rän der Kir­che ist nicht das Volk Got­tes, son­dern Jesus Chri­stus, der Herr. Alle kirch­li­chen Bera­tun­gen und Ent­schei­dun­gen sind des­halb grund­sätz­lich an der Fra­ge nach Got­tes Wil­len aus­zu­rich­ten – ent­spre­chend der drit­ten Vater­un­ser-Bit­te: „Dein Wil­le gesche­he“.

Dage­gen ist in demo­kra­tisch ver­fass­ten Staa­ten die Ermitt­lung und Durch­set­zung des Volks­wil­lens das domi­nie­ren­de Ver­fah­rens­prin­zip. Offen­sicht­lich schlie­ßen sich die christ­lich-kirch­li­che Ori­en­tie­rung am Wil­len Got­tes und die poli­tisch-demo­kra­ti­sche Wil­lens­bil­dung durch Inter­es­sens­grup­pen, Par­tei­en und Par­la­ment prin­zi­pi­ell aus. Die ZdK-Vize­prä­si­den­tin Clau­dia Lücking-Michel hat die­sen Gegen­satz wohl erkannt, möch­te sich aber ein­sei­tig auf die Sei­te der säku­la­ren Demo­kra­tie schla­gen. Sie fin­det den „auto­ri­ta­ti­ven Rück­griff auf gött­li­chen Wil­len als abträg­lich für den not­wen­di­gen Dia­log“ und dem Stre­ben nach „demo­kra­ti­schen Prin­zi­pi­en“. Im Klar­text: Der Wil­le Got­tes ist ein Hin­der­nis auf dem Syn­oda­len (Irr-)Weg zu einer Kir­che aus dem Wil­len der Menschen.

Die Bewah­rung der Glau­bens­leh­re und die Hir­ten­sor­ge hat Jesus den Apo­steln und damit den Bischö­fen auf­ge­ge­ben. Daher haben ihre Bera­tun­gen und Beschlüs­se auf Kon­zi­li­en und Syn­oden zur Aus­le­gung und Ver­kün­di­gung der Glau­bens­wahr­hei­ten sowie zu Lei­tungs­fra­gen einen völ­lig ande­ren Cha­rak­ter als die eines Par­la­ments. Denn sie sind an die Schrift und Dog­men der Kir­che gebun­den, wie das jeder Bischof in sei­nem Amts­eid bekräf­tigt. Aus die­sem Grund kön­nen bei syn­oda­len Zusam­men­künf­ten der Bischö­fe zwar Anhö­run­gen und Bera­tun­gen mit kirch­lich unge­bun­de­nen Lai­en erlaubt wer­den, die aber kein Abstim­mungs­recht und ins­be­son­de­re kei­ne dies­be­züg­li­che Gleich­stel­lung bei kirch­li­chen Ent­schei­dun­gen ein­for­dern können.

Die Macher des Syn­oda­len Wegs haben von vorn­her­ein fest­ge­legt, dass sie sich nicht an die kirch­lich-syn­oda­len Regeln hal­ten wol­len, son­dern eine eigen­mäch­ti­ge „Syn­ode sui gene­ris“ abhal­ten wol­len. Den Antrag einer Bischofs­grup­pe, sich bei den Bera­tun­gen und Beschlüs­sen an die lehr­amt­li­chen Grund­sät­ze des biblisch-kirch­li­chen Glau­bens zu hal­ten, haben die Syn­oda­len mit gro­ßer Mehr­heit abge­lehnt. Eine Lai­en­grup­pe for­dert, man sol­le weni­ger beten und mehr debattieren.

In die­sem Hori­zont dis­ku­tie­ren Teil­neh­mer die vor­ge­leg­ten Text­the­sen wie ein welt­li­cher Inter­es­sen­ver­band oder par­la­men­ta­ri­scher Debattierclub:

  • Die Frank­fur­ter Syn­odal­ta­gung fühlt sich weder gebun­den an die biblisch-apo­sto­li­sche und kirch­lich-dog­ma­ti­sche Basis noch an den sen­sus eccle­siae, also den Ein­klang mit der Gesamtkirche.
  • Auch von einer Hin­füh­rung zum Evan­ge­li­um (Evan­ge­li­sie­rung) ist in den Tex­ten des Syn­oda­len Wegs nur als deko­ra­ti­ver Nach­schlag zu den Struk­tur­re­for­men die Rede.
  • Statt­des­sen maßt sich die mehr­heit­li­che Lai­en­ver­samm­lung an, über bischöf­li­che und prie­ster­li­che Lei­tungs­fra­gen zu ent­schei­den und abzu­stim­men und sogar über welt­kirch­li­che Lehr­amts­fra­gen – etwa bei der grund­stür­zen­den Neu­kon­zep­ti­on der kirch­li­chen Sexualmoral.

Frü­her hat man eine Syn­ode, die außer­halb der kirch­li­chen Regeln, der kir­chen­recht­li­chen Regu­la­ri­en und des sen­sus eccle­siae ope­rier­te, ein irre­gu­lä­res „Räu­ber­kon­zil“ genannt, heu­te heißt sie Syn­oda­ler Weg als „Pro­zess sui gene­ris“ (Kar­di­nal Marx). Steht am Ende des Pro­zess-Durch­laufs der Syn­oda­len Weg­ge­nos­sen eine (deut­sche) ‚Kir­che eige­ner Art‘?

Bild: bdkj​.de (Screen­shot)


1 Die Nar­ren­frei­heit nut­zen als Jugend­ver­tre­ter auf dem Syn­oda­len Weg, in: Der Wein­berg 5/​2020, Monats­zeit­schrift der OMI-Ordensgemeinschaft

2 Vor­be­rei­ten­des Forum ‚Leben in gelin­gen­den Bezie­hun­gen‘, Stand: 7. 1. 2020, S. 18

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