Kardinal Brandmüller: „Das Schisma in Deutschland hat bereits begonnen“

In Deutschland geht es um Häresie und Schisma


Kardinal Walter Brandmüller: "In Deutschland ist ein doppelter Prozeß im Gange: das Schisma und die Häresie. Das ist besorgniserregend."
Kardinal Walter Brandmüller: "In Deutschland ist ein doppelter Prozeß im Gange: das Schisma und die Häresie. Das ist besorgniserregend."

Am Oster­sonn­tag ver­öf­fent­lich­te die römi­sche Tages­zei­tung Il Mess­ag­ge­ro ein Inter­view mit Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler über die Lage der Kir­che in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Das Schis­ma habe dort bereits begon­nen: „Tech­nisch kön­nen wir von Schis­ma spre­chen, wenn ein Pro­zeß im Gan­ge ist, der zur Los­lö­sung von der hier­ar­chi­schen Gemein­schaft mit dem Papst führt“, so der eme­ri­tier­te Vor­sit­zen­de des Päpst­li­chen Komi­tees für Geschichts­wis­sen­schaf­ten. Kar­di­nal Brand­mül­ler, ein enger Ver­trau­ter von Bene­dikt XVI., gehört zu den Unter­zeich­nern der Dubia (Zwei­fel) zum umstrit­te­nen nach­syn­oda­len Schrei­ben Amo­ris lae­ti­tia von Papst Fran­zis­kus von 2016. Das Arbeits­pa­pier der Ama­zo­nas­syn­ode von 2019 kri­ti­sier­te er als „Neu­auf­la­ge des klas­si­schen Moder­nis­mus“ und warn­te vor Syn­oden­be­ginn vor „häre­ti­schen Bestre­bun­gen“. Das Inter­view führ­te die berg­o­glia­ni­sche Vati­ka­ni­stin der Tages­zei­tung Fran­ca Giansoldati.

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Il Mess­ag­ge­ro: Seit eini­ger Zeit gibt es For­de­run­gen nach sub­stan­ti­el­len Refor­men, zum Bei­spiel zum prie­ster­li­chen Zöli­bat, der Frau­en­or­di­na­ti­on und in letz­ter Zeit auch zum Segen für homo­se­xu­el­le Paare …

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Die drän­gend­sten Reform­for­de­run­gen kom­men vor allem von den Funk­tio­nä­ren des orga­ni­sier­ten Katho­li­zis­mus, vom Zen­tral­ko­mi­tee der deut­schen Katho­li­ken, die in ihrer über­wie­gen­den Mehr­heit Ange­stell­te der kirch­li­chen Struk­tu­ren sind, denn wir dür­fen nicht ver­ges­sen, daß die katho­li­sche Kir­che nach dem Staat in Deutsch­land der zweit­größ­te Arbeit­ge­ber ist. Um zum Schis­ma zurück­zu­keh­ren: Wir müs­sen dar­auf ach­ten, zwei Aspek­te nicht zu ver­wech­seln, das Schis­ma und den Wider­spruch auf der Ebe­ne der Glau­bens­leh­re, denn in die­sem Fall han­delt es sich um eine Häre­sie. Im deut­schen Fall haben wir bei­de Aspekte.

Il Mess­ag­ge­ro: Viel­leicht ist es nur eine Pha­se einer vor­über­ge­hen­den Krise …

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Mei­ner Mei­nung nach ist die Situa­ti­on in Deutsch­land gefähr­det, weil nicht nur die hier­ar­chi­sche Gemein­schaft geleug­net wird, son­dern auch Wider­spruch auf der Ebe­ne der Leh­re besteht. Manch­mal kann es Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten geben, die nicht not­wen­di­ger­wei­se ein Schis­ma impli­zie­ren. Der kon­kre­te Fall dage­gen ist neu und mei­ner Mei­nung nach besorgniserregend.

Il Mess­ag­ge­ro: Könn­te sich die Distanz gegen­über Rom noch verstärken?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Wie ich Ihnen sag­te: In die­sem Fall haben wir auch Wider­spruch zu den Glau­bens­wahr­hei­ten auf dog­ma­ti­scher Ebe­ne. Was das Ver­ge­hen der Häre­sie impli­ziert. Was in Deutsch­land geschieht, ist sowohl Schis­ma als auch Häre­sie in dog­ma­ti­scher Hinsicht.

Il Mess­ag­ge­ro: War­um gehen sie Ihrer Mei­nung nach so weit?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Sie for­dern schon lan­ge das Frau­en­prie­ster­tum, die Kom­mu­ni­on für wie­der­ver­hei­ra­te­te Geschie­de­ne, die Aner­ken­nung der Homo­se­xua­li­tät und die Seg­nung von homo­se­xu­el­len Paa­ren. Es ist ein Abglei­ten hin zu pro­te­stan­ti­schen Posi­tio­nen. Viel­leicht wol­len sie eine ver­ei­nig­te Kir­che mit den Protestanten.

Il Mess­ag­ge­ro: Und die Fra­ge des prie­ster­li­chen Zölibats?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Obwohl es kei­ne Lehr­fra­ge ist, han­delt es sich aber immer­hin um eine apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on. Inak­zep­ta­bel.

Il Mess­ag­ge­ro: Wer wird sich Ihrer Mei­nung nach die­sem Schis­ma anschließen?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Das kann ich nicht genau sagen, aber ich kann mit Sicher­heit sagen, daß der Mehr­heit der deut­schen Katho­li­ken das alles gleich­gül­tig ist. Wir haben eine stark säku­la­ri­sier­te Gesell­schaft, in der höch­stens zehn Pro­zent der Men­schen an Sonn­tags­mes­sen teil­neh­men. Jene, die fort­schritt­li­chen The­sen anhän­gen, sind Men­schen, die mit dem Zen­tral­ko­mi­tee der deut­schen Katho­li­ken ver­bun­den sind, aber die Mehr­heit der Gläu­bi­gen ist gleich­gül­tig, glau­ben Sie mir. Der Säku­la­ris­mus ver­brei­tet sich galop­pie­rend und die Distanz der Gläu­bi­gen von der Kir­che hat zugenommen.

Il Mess­ag­ge­ro: Wann beginnt tech­nisch gese­hen ein Schisma?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Es ist ein Pro­zeß. Es gibt nicht die eine Hand­lung. Die histo­ri­schen Spal­tun­gen haben im Lau­fe der Zeit Gestalt ange­nom­men. Ihr Aus­gangs­punkt war, daß die Auto­ri­tät des Pap­stes und der Hier­ar­chie nicht mehr aner­kannt wur­de. Das ist der Beginn eines Schis­mas. Die kon­kre­ten For­men ver­wirk­li­chen sich dann auf unter­schied­li­che Wei­se. Zum Bei­spiel war das Gro­ße Schis­ma von 1054 nicht das Ergeb­nis eines ein­zi­gen Augen­blicks. Es kri­stal­li­sier­te sich nicht zu einem bestimm­ten Zeit­punkt her­aus, son­dern war ein lan­ger Pro­zeß, der dann im 12. Jahr­hun­dert for­ma­li­siert wurde.

Il Mess­ag­ge­ro: Und dann war da noch Luther …

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Das war eine Häre­sie, nicht ein Schis­ma. Luther leug­ne­te grund­le­gen­de Dog­men, er lehn­te die Sakra­men­te mit Aus­nah­me der Tau­fe und der Eucha­ri­stie ab. Auf jeden Fall ist es schwie­rig, die Schis­men, die sich im Lau­fe der Geschich­te ereig­ne­ten, zu zäh­len. In der alten Kir­che zum Bei­spiel gab es sehr vie­le, dann haben sie im Lau­fe der Jahr­hun­der­te abgenommen.

Il Mess­ag­ge­ro: Und das Lefebvre-Schisma?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Die Lefeb­vria­ner sind sehr treu, erken­nen aber in den Ent­wick­lun­gen des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils nicht an, daß es mei­nes Erach­tens falsch inter­pre­tiert wur­de, indem nicht zwi­schen den vier dog­ma­ti­schen und ver­bind­li­chen Kon­sti­tu­tio­nen und den Tex­ten prak­ti­schen Inhalts zur Dis­zi­plin unter­schie­den wird, die recht­lich pasto­ra­len Cha­rak­ters sind und daher dem Wan­del der Geschich­te unterliegen.

Il Mess­ag­ge­ro: Aber hal­ten Sie es nicht für rich­tig, Frau­en in der Kir­che ein grö­ße­res Gewicht zuzu­wei­sen, als sie es bis­her immer hat­ten, das heißt fast null?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Frau­en kön­nen in Zukunft eine sehr wich­ti­ge Rol­le spie­len. Sie kön­nen zum Bei­spiel für die Finan­zen der Kir­che ver­ant­wort­lich sein, sie kön­nen die IOR lei­ten, aber sie kön­nen nicht die Rol­le eines Staats­se­kre­tärs oder des Prä­fek­ten einer Kon­gre­ga­ti­on über­neh­men, weil dafür die Prie­ster­wei­he uner­läß­lich ist. Sie kön­nen Spit­zen­po­si­tio­nen in allen Berei­chen ein­neh­men, wenn die­se kei­ne direk­te Fol­ge des hei­li­gen Wei­he­sa­kra­ments sind.

Il Mess­ag­ge­ro: Wird die Kir­che immer so sexi­stisch bleiben?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Die Kir­che hat zwei Ebe­nen, das Dog­ma der Sakra­men­te und ihre Posi­ti­on in der heu­ti­gen Gesell­schaft. Die Frau wird pro­blem­los Spit­zen­po­si­tio­nen im zwei­ten Feld ein­neh­men kön­nen, aber sie wird nie­mals Prie­ster, nie­mals Bischof sein können.

Il Mess­ag­ge­ro: Nicht ein­mal Kardinalin?

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Es fin­det eine Debat­te statt, aber die Wahl des Pap­stes im Kon­kla­ve ist ein Akt des höch­sten pasto­ra­len Dien­stes, der mit dem Wei­he­sa­kra­ment ver­bun­den ist.

Il Mess­ag­ge­ro: Arme Frau­en, immer marginalisiert …

Kar­di­nal Brand­mül­ler: Wir Män­ner sind viel ärmer, den­ken Sie dar­an, daß wir nie­mals gebä­ren wer­den können …

Über­set­zung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­ri­spon­den­za Romana

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3 Kommentare

  1. Es wird die gan­ze Zeit über „Ent­schei­dun­gen“ in Rom lamen­tiert. Dabei war über­haupt nichts zu ent­schei­den, son­dern ledig­lich die Glau­bens­leh­re zu bestä­ti­gen, die alle­zeit galt. Man tut so, als ob es sich um Poli­tik han­del­te, wo
    Mehr­hei­ten eben heu­te so und mor­gen wie­der anders ent­schei­den könn­ten und dürf­ten. Man fragt sich, wenn sovie­le in Deutsch­land mit der Glau­bens­leh­re unzu­frie­den sind, war­um sie dann nicht das Feld räu­men und den Gläu­bi­gen überlassen.
    Es ist in unse­rer Gesell­schaft längst kei­ne Schan­de den Glau­ben ver­lo­ren zu haben, nur zuge­ben soll­te man es, und die
    Kon­se­quen­zen zie­hen. Man fragt sich auch, wo die gan­zen Pro­gram­me blei­ben, die man für Kir­chen­ge­mein­de­mit­glie­der auf­le­gen könn­ten, und sich nicht auf Rand­grup­pen beschrän­ken. Eige­ne Beer­di­gungs­ko­sten­ver­si­che­run­gen, die den Kir­chen­mit­glie­dern eine wür­di­ge Beer­di­gung sichern, eige­ne Alters­zu­satz­ver­sor­gun­gen, kirch­li­che Pfle­ge­zu­satz­ver­si­che­run­gen usw. Man könn­te viel mehr tun, und als Kir­che den Mit­glie­dern ent­spre­chend der Agen­de der Barm­her­zig­keit und Näch­sten­lie­be viel mehr Gutes tun. Viel­leicht begreift eines Tages jemand, dass man mit Kir­chen­steu­ern sehr gut auch ein kirch­li­ches Lei­stungs­zu­satz­pak­tet für Gläu­bi­ge ver­knüp­fen könnten.

  2. Kei­ne Ahnung, wie­so Brand­mül­ler das jetzt sagt! Das ist doch seit 1968, Hum­a­nae Vitae, offen­sicht­lich. Frei­lich hat es sich seit­dem immer mehr und deut­li­cher gezeigt.

  3. Das Vati­ka­num I hat alle Türen für den Bösen geschlos­sen und Kon­trol­len ein­ge­führt, auch Eigen­kon­trol­le zum Eigen­schutz! Das Vati­ka­num II hat Türen und Fen­ster dem Bösen geöff­net und das in Zei­ten der 68 Sex­re­vol­te. Jetzt haben wir homo­pä­do­fi­le Ver­ge­hen, Abfall von Glau­ben selbt bei den Prie­stern, den Feind im Bett in Form von Men­schen, die immer feind­lich waren und Cha­os. Aber nichts­de­sto­trotz, die Spreu trennt sich bereits vom Weizen!

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