Kardinal Brandmüller: „Zölibat der Priester, verbindliche Überlieferung“


Der Zölibat als konstitutives Element des sakramentalen Priestertums.
Der Zölibat als konstitutives Element des sakramentalen Priestertums.

Im Sep­tem­ber 2011 erschien im Fe-Medi­en­ver­lag das Buch „Reiz­the­ma Zöli­bat“. Die Ein­füh­rung ver­faß­te Kar­di­nal Wal­ter Brand­mül­ler. Am 16. Juli 2014 ver­öf­fent­lich­te die ita­lie­ni­sche Tages­zei­tung Il Foglio den­sel­ben Text in ita­lie­ni­scher Über­set­zung als Ant­wort auf einen Angriff von Euge­nio Scal­fa­ri gegen den Prie­ster­zö­li­bat. Scal­fa­ri, der Grün­der, ehe­ma­li­ge Chef­re­dak­teur und heu­ti­ge Chef­ko­lum­nist der Tages­zei­tung La Repubbli­ca, gilt vor allem als Doy­en des lin­ken Jour­na­lis­mus in Ita­li­en. Er war 2013/​2014 bevor­zug­ter Gesprächs­part­ner von Papst Fran­zis­kus, was eini­ges Auf­se­hen erreg­te. Auf­se­hen­der noch war, was Papst Fran­zis­kus Scal­fa­ri sag­te, bzw. was der Vati­kan unwi­der­spro­chen Scal­fa­ri dem Papst in den Mund legen ließ. So genau weiß man es nicht. Der Titel der Brand­mül­ler-Ant­wort lau­te­te: „Wir Prie­ster sind ehe­los wie Chri­stus“. Der von der Redak­ti­on fest­ge­leg­te Unter­ti­tel wur­de noch deut­li­cher: „Nach­hil­fe in Kir­chen­ge­schich­te für den ‚Berg­o­glia­ner‘ Scal­fa­ri von einem gro­ßen, deut­schen Kar­di­nal.“ Der nach­fol­gen­de Text ist von unver­än­der­ter Aktualität.

Wir Priester sind ehelos wie Christus

Anzei­ge

von Wal­ter Kar­di­nal Brandmüller*

In der nun schon seit etwa zwei­hun­dert Jah­ren immer wie­der auf­flackern­den Dis­kus­si­on um den Zöli­bat der Prie­ster wur­den bis­her fast aus­schließ­lich Argu­men­te ange­führt, die Zweck­mä­ßig­keit oder „Mach­bar­keit“ zöli­ba­t­ä­rer Lebens­wei­se zum Gegen­stand haben. Dazu gehört etwa der häu­fig dra­ma­tisch beschwo­re­ne Prie­ster­man­gel, der – so meint man – durch eine „muti­ge“ Ent­schei­dung für die Mög­lich­keit der Prie­ster­ehe beho­ben wer­den könne.

Auf sol­che Argu­men­te wur­de immer wie­der mit eben­so vie­len Gegen­grün­den geant­wor­tet. Eine Wie­der­ho­lung erüb­rigt sich. Es kommt auf all das gar nicht an.

Denn die Kir­che ist nun ein­mal kein Sozi­al­un­ter­neh­men zur Welt­ver­bes­se­rung, sie ist kei­ne rein gesell­schaft­li­che Grö­ße, die mit mensch­li­chen Maß­stä­ben zu mes­sen wäre. Sie ist – so Pau­lus – der geheim­nis­vol­le Leib Chri­sti. Der aber ist mit rein mensch­li­chen Kate­go­rien nicht zu fas­sen. Dar­um kommt es wirk­lich auf das an, was sagt Jesus Chri­stus selbst zu unse­rem The­ma sagt.

Es sind die Evan­ge­li­en nach Mat­thä­us, Mar­kus und Lukas, wel­che die dies­be­züg­li­chen Wor­te Jesu berichten:

Bei Mat­thä­us (19,29) ist zu lesen:

„… Jeder der um mei­nes Namens wil­len Häu­ser oder Brü­der, Schwe­stern, Vater, Mut­ter, Kin­der oder Äcker ver­las­sen hat, wird dafür das Hun­dert­fa­che erhal­ten und das ewi­ge Leben gewinnen.“

Ganz ähn­lich Mar­kus (10,29):

„Amen ich sage euch: Jeder, der um mei­net­wil­len und um des Evan­ge­li­ums wil­len Haus oder Brü­der, Schwe­stern, Mut­ter, Vater, Kin­der oder Äcker ver­las­sen hat, wird das Hun­dert­fa­che dafür empfangen …“

Noch aus­führ­li­cher Lukas (18,29f.):

„Amen ich sage euch: Jeder, der um des Rei­ches Got­tes wil­len Haus oder Frau, Brü­der, Eltern oder Kin­der ver­las­sen hat, wird schon in die­ser Zeit das Viel­fa­che erhal­ten und in der kom­men­den Welt das ewi­ge Leben.“

Jesus rich­tet die­se Wor­te nicht an die gro­ße Volks­men­ge, son­dern an jene, die er aus­sen­den will, um sein Evan­ge­li­um und den Anbruch des Rei­ches Got­tes zu verkünden.

Zur Erfül­lung die­ser Sen­dung ist es also not­wen­dig, alle irdi­schen, mensch­li­chen Bin­dun­gen abzu­strei­fen. Da dies radi­ka­le Tren­nung, Ver­lust des Selbst­ver­ständ­li­chen bedeu­tet, ver­heißt Jesus ihnen über­rei­che “Ent­schä­di­gung“.

Nun wird gele­gent­lich ein­ge­wandt, die­ses „alles Ver­las­sen“ habe nur für die Dau­er der Ver­kün­di­gungs­rei­se gegol­ten, danach sei­en die Jün­ger zu ihren Fami­li­en zurück­ge­kehrt. Nun, dafür gibt es kei­nen Hin­weis. Der Text der Evan­ge­li­en spricht im übri­gen von etwas End­gül­ti­gem, wenn dabei auf das ewi­ge Leben ver­wie­sen wird.

Da nun die Evan­ge­li­en zwi­schen 40 und 70 p. C. ent­stan­den sind, hät­ten ihre Ver­fas­ser sich selbst in schlech­tes Licht gestellt, wenn sie Jesus Wor­te in den Mund gelegt hät­ten, denen ihr eige­nes Leben nicht ent­spro­chen hät­te. Jesus ver­langt also von jenen, denen er Anteil an sei­ner Sen­dung gibt, dass sie sich auch sei­ne Lebens­form zu eigen machen.

Was aber ist davon zu hal­ten, wenn Pau­lus im ersten Korin­ther­brief (9,5) schreibt: „Bin ich nicht frei? Bin ich nicht ein Apo­stel? … Haben wir nicht das Recht, zu essen und zu trin­ken? Haben wir nicht das Recht, eine gläu­bi­ge Frau mit­zu­neh­men, wie die übri­gen Apo­stel und die Brü­der des Herrn und Kephas? Sol­len nur ich und Bar­na­bas auf das Recht ver­zich­ten, nicht zu arbei­ten?“ Ist damit nicht vor­aus­ge­setzt, dass die Apo­stel in Beglei­tung ihrer Frau­en unter­wegs waren?

Doch hier ist Vor­sicht gebo­ten. Bei den rhe­to­ri­schen Fra­gen des Apo­stels geht es um das Recht des Ver­kün­ders des Evan­ge­li­ums, auf Kosten der Gemein­de zu leben, und das gilt auch für sei­ne Beglei­tung. Die Fra­ge ist nun, wor­in die­se besteht. Der grie­chi­sche Aus­druck „Adel­phen gynai­ka“ bedarf der Erklä­rung. „Adel­phe“ ist Schwe­ster. Hier ist eine Schwe­ster im Glau­ben, eine Chri­stin, gemeint, wäh­rend „Gyne“ ganz all­ge­mein eine Frau, Jung­frau, Ehe­frau, auch Braut bedeu­ten kann – kurz­um ein weib­li­ches Wesen. Damit bewei­sen zu wol­len, die Apo­stel hät­ten ihre Ehe­frau­en mit­ge­nom­men, ist nicht mög­lich. Wäre dem so, wäre es unver­ständ­lich, dass eigens von einer „Adel­phe“ = Schwe­ster, Chri­stin, die Rede ist. Und: sei­ne Ehe­frau hat­te der Apo­stel beim Ein­tritt in den Jün­ger­kreis Jesu ja verlassen.

Man wird dem Text viel­mehr gerecht, wenn man an das 8. Kapi­tel des Lukas­evan­ge­li­ums denkt, wo es heißt: „Die Zwölf beglei­te­ten ihn (= Jesus), außer­dem eini­ge Frau­en, die er von bösen Gei­stern und Krank­hei­ten geheilt hat­te: Maria Mag­da­le­na, aus der sie­ben Dämo­nen aus­ge­fah­ren waren, Johan­na die Frau des Chu­z­as, eines Beam­ten des Hero­des, Susan­na und vie­le ande­re. Sie alle unter­stütz­ten Jesus und die Jün­ger mit dem, was sie besa­ßen.“ Es ist nur fol­ge­rich­tig anzu­neh­men, dass die Apo­stel spä­ter auch hier­in dem Bei­spiel Jesu gefolgt sind.

Im übri­gen ist auf die empha­ti­sche Emp­feh­lung der Ehe­lo­sig­keit bzw. der ehe­li­chen Ent­halt­sam­keit durch den Apo­stel Pau­lus zu ver­wei­sen (1 Kor 7, 29ff.):

„Denn ich sage euch, Brü­der: Die Zeit ist kurz. Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so ver­hal­ten, als habe er keine …“

Und:

„Der Unver­hei­ra­te­te sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefal­len. Der Ver­hei­ra­te­te sorgt sich um die Din­ge der Welt; er will sei­ner Frau gefal­len. So ist er geteilt.“

Dass Pau­lus mit die­sen Wor­ten beson­ders die Bischö­fe und Prie­ster anspricht, ist offen­kun­dig. Im übri­gen hat er selbst die­ses Ide­al verwirklicht.

Zum Beweis dafür, dass Pau­lus bzw. die Kir­che der apo­sto­li­schen Zeit den Zöli­bat nicht gekannt habe, wer­den von man­chen auch die Brie­fe an Timo­theus und Titus, die sog. Pasto­ral­b­rie­fe, ange­führt. Nun ist in der Tat im 1. Timo­theus­brief (3,2) die Rede vom ver­hei­ra­te­ten Bischof. Viel­fach wird hier der grie­chi­sche Urtext so über­setzt: „der Bischof sei eines Wei­bes Mann“, und das wird als Vor­schrift ver­stan­den. Indes genü­gen selbst beschei­de­ne Kennt­nis­se des Grie­chi­schen, um rich­tig zu über­set­zen: “Des­halb soll der Bischof ein Mann ohne Tadel sein, nur ein­mal ver­hei­ra­tet (= eines Wei­bes Mann!!), nüch­tern, beson­nen …“. Eben­so ist im Brief an Titus zu lesen: „Ein Älte­ster (= Prie­ster, Bischof) soll unbe­schol­ten und nur ein­mal ver­hei­ra­tet sein …“.

Was mit die­ser Wei­sung aus­ge­schlos­sen wer­den soll, ist, dass einer zum Bischof-Prie­ster geweiht wird, der nach dem Tod sei­ner Frau ein zwei­tes Mal gehei­ra­tet hat (suk­zes­si­ve Biga­mie). Davon abge­se­hen, dass die noch­ma­li­ge Hei­rat eines Wit­wers all­ge­mein nicht gut ange­se­hen war, kam im kirch­li­chen Milieu die Über­le­gung hin­zu, dass ein sol­cher kei­ne Gewähr dafür zu bie­ten schien, dass er die vom Bischof bzw. Prie­ster erwar­te­te Ent­halt­sam­keit zu bewah­ren vermochte.

Die Praxis der nachapostolischen Kirche

Die ursprüng­li­che Form des Zöli­bats bestand also dar­in, dass ein zum Prie­ster bzw. Bischof Geweih­ter wohl das Fami­li­en­le­ben, nicht aber die ehe­li­che Gemein­schaft fort­setz­te. Dem ent­sprach es, dass mit Vor­zug älte­re Män­ner geweiht wurden.

Dass dies alte, gehei­lig­te, auf die Apo­stel zurück­ge­hen­de Über­lie­fe­rung war, bezeu­gen die Wer­ke kirch­li­cher Schrift­stel­ler wie Cle­mens von Alex­an­dri­en und der Nord­afri­ka­ner Ter­tul­li­an, die um das Jahr 200 leb­ten. Davon abge­se­hen wird die Hoch­schät­zung der Ent­halt­sam­keit durch die Chri­sten ins­ge­samt durch eine Rei­he von erbau­li­chen Roma­nen über die Apo­stel bezeugt – es sind die soge­nann­ten apo­kry­phen Apo­stel­ak­ten, die noch im 2. Jahr­hun­dert ent­stan­den sind und weit ver­brei­tet waren.

Im fol­gen­den 3. Jahr­hun­dert wer­den die lite­ra­ri­schen Zeug­nis­se für die Kle­ri­ker-Ent­halt­sam­keit zahl­rei­cher und aus­drück­li­cher, beson­ders im Osten. So etwa lau­tet ein Absatz aus der soge­nann­ten syri­schen Didas­ka­lie: „Der Bischof muss vor der Wei­he geprüft wer­den, ob er keusch ist, und ob er sei­ne Kin­der in der Got­tes­furcht erzo­gen hat.“ Der gro­ße Theo­lo­ge Orig­e­nes aus Alex­an­dri­en („ 253/​50) kennt gleich­falls einen ver­bind­li­chen Ent­halt­sam­keits­zö­li­bat, den er in ver­schie­de­nen Schrif­ten theo­lo­gisch begrün­det und ver­tieft. Natür­lich wären hier­für wei­te­re Zeug­nis­se anzu­füh­ren, was hier nicht gesche­hen kann.

Das erste Zölibatsgesetz

Die­ser auf apo­sto­li­scher Über­lie­fe­rung beru­hen­den Pra­xis ver­lieh das Kon­zil von Illi­be­ris-Elvi­ra im Jah­re 305/​6 erst­mals Geset­zes­form. In sei­nem Kanon 33 ver­bie­tet das Kon­zil Bischö­fen, Prie­stern, Dia­ko­nen und allen Kle­ri­kern den ehe­li­chen Umgang mit ihren Frau­en bzw. die Zeu­gung von Kin­dern. Das bedeu­tet, dass man ehe­li­che Ent­halt­sam­keit mit dem Zusam­men­le­ben in der Fami­lie für ver­ein­bar hielt.

So schreibt auch der hl. Papst Leo der Gro­ße um 450, die Geweih­ten soll­ten ihre Gat­tin­nen nicht ver­sto­ßen. Sie soll­ten bei­ein­an­der blei­ben, doch „so, als hät­ten sie sie nicht“ – wie Pau­lus im 1. Korin­ther­brief 7, 29 geschrie­ben hatte.

In der Fol­ge ging man dann mehr und mehr dazu über, nur noch unver­hei­ra­te­te Män­ner zu wei­hen, und dann folg­te die Gesetz­ge­bung des Mit­tel­al­ters, für die der unver­hei­ra­te­te und ent­halt­sam leben­de Prie­ster-Bischof selbst­ver­ständ­lich war. Dass die­se kano­ni­sche Dis­zi­plin nicht immer und über­all treu gelebt wur­de, kann nicht ver­wun­dern. Auch die Beob­ach­tung des Zöli­bats kann­te im Lau­fe der Jahr­hun­der­te Tie­fen wie Höhen.

Bekannt ist etwa die har­te Aus­ein­an­der­set­zung zur Zeit der soge­nann­ten Gre­go­ria­ni­schen Reform im 11. Jahr­hun­dert, die beson­ders in Deutsch­land und Frank­reich die Kir­che so sehr zer­riss, dass etwa Bischof Alt­mann von Pas­sau von sei­nem zöli­bats­un­wil­li­gen Kle­rus aus sei­nem Bis­tum gewalt­sam ver­trie­ben wurde.

In Frank­reich wur­den päpst­li­che Gesand­te, die auf Zöli­bats­dis­zi­plin drin­gen soll­ten, mit dem Tode bedroht, und der hl. Abt Wal­ter von Pon­toi­se wur­de auf einer Pari­ser Syn­ode von den reform­feind­li­chen Bischö­fen ver­prü­gelt und ins Gefäng­nis gewor­fen. Am Ende setz­te sich jedoch die Reform durch und führ­te einen neu­en reli­giö­sen Auf­schwung herbei.

Es ist bemer­kens­wert, dass Infra­ge­stel­lung und Miss­ach­tung des Zöli­bats in der Ver­gan­gen­heit stets mit ande­ren Sym­pto­men kirch­li­chen Ver­falls Hand in Hand gegan­gen ist, wäh­rend Zei­ten reli­giö­ser Blü­te und kul­tu­rel­len Auf­schwungs durch gewis­sen­haf­te Beob­ach­tung des Zöli­bats gekenn­zeich­net waren.

Aus die­ser histo­ri­schen Beob­ach­tung die Kon­se­quen­zen für unse­re gegen­wär­ti­ge Kri­sen­si­tua­ti­on zu zie­hen, ist nicht schwer.

Das Problem der Ostkirche

Blei­ben noch zwei oft gestell­te Fra­gen: Da ist ein­mal die Zöli­bats­pra­xis der katho­li­schen Kir­chen des byzan­ti­ni­schen und des ori­en­ta­li­schen Ritus, die zwar von Bischö­fen und Mön­chen die Ehe­lo­sig­keit for­dern, nicht aber von Prie­stern, sofern die­se noch vor ihrer Wei­he gehei­ra­tet haben. Nun fra­gen man­che, ob dies nicht auch im latei­ni­schen Westen so gehand­habt wer­den könnte.

Dazu ist zunächst zu bemer­ken, dass gera­de im Osten die apo­sto­li­sche Pra­xis des Ent­halt­sam­keits­zö­li­bats als ver­bind­lich betont wur­de. Erst auf dem Kon­zil von 691, dem soge­nann­ten Qui­ni­sex­t­um bzw. Trul­la­num, kam es unter dem Ein­druck eines all­ge­mei­nen reli­gi­ös-kul­tu­rel­len und poli­ti­schen Ver­falls des byzan­ti­ni­schen Rei­ches zum Bruch mit der apo­sto­li­schen Über­lie­fe­rung. Das Kon­zil, das maß­geb­lich vom Kai­ser bestimmt wur­de, der mit der Gesetz­ge­bung auf dem Kon­zil wie­der geord­ne­te Ver­hält­nis­se schaf­fen woll­te, ist indes von den Päp­sten nie aner­kannt wor­den. Erst von da an datiert aber die genann­te ost­kirch­li­che Praxis.

Als nun im Lau­fe spä­te­rer Ent­wick­lun­gen seit dem 16. und 17. Jahr­hun­dert sich meh­re­re ortho­do­xe von Rom getrenn­te Kir­chen aufs neue mit der Kir­che des Westens ver­ei­nig­ten, stell­te sich für Rom das Pro­blem, wie mit dem ver­hei­ra­te­ten Kle­rus die­ser Kir­chen zu ver­fah­ren sei. Um der Ein­heit der Kir­che wil­len beschlos­sen die jewei­li­gen Päp­ste, von den zurück­keh­ren­den Prie­stern kei­ne Ände­rung ihrer Lebens­wei­se zu fordern.

Die Ausnahmen in unserer Zeit

Ähn­lich ist die Dis­pens vom Zöli­bat begrün­det, die seit Pius XII. Ein­zel­nen pro­te­stan­ti­schen Pasto­ren, die zur katho­li­schen Kir­che kon­ver­tier­ten und zu Prie­stern geweiht zu wer­den wünsch­ten, gewährt wurde.

Die­se Rege­lung wur­de jüngst durch Bene­dikt XVI. auch auf die nicht weni­gen angli­ka­ni­schen Geist­li­chen ange­wandt, die gemäß der Apo­sto­li­schen Kon­sti­tu­ti­on „Angli­ca­n­o­rum coe­ti­bus“ sich der katho­li­schen Mut­ter­kir­che anzu­schlie­ßen wünschen.

Mit die­sem außer­or­dent­li­chen Ent­ge­gen­kom­men wür­digt die Kir­che deren oft­mals lan­gen und schmerz­li­chen reli­giö­sen Weg, der mit ihrer Kon­ver­si­on ans Ziel gelangt ist, womit sie zudem ihre bis­he­ri­ge mate­ri­el­le Lebens­grund­la­ge um der Wahr­heit wil­len preis­ge­ge­ben haben. Es ist das hohe Gut der Ein­heit der Kir­che, das eine sol­che Aus­nah­me­re­ge­lung begründet.

Verbindliche Überlieferung?

Von sol­chen Aus­nah­me­fäl­len abge­se­hen stellt sich frei­lich die grund­sätz­li­che Fra­ge, ob es der Kir­che über­haupt erlaubt sein könn­te, eine unbe­zwei­fel­bar apo­sto­li­sche Über­lie­fe­rung grund­sätz­lich preiszugeben.

In der Tat wird eine sol­che Mög­lich­keit immer wie­der in Betracht gezo­gen. Man­che mei­nen, dass dies zwar nicht von irgend einem kirch­li­chen Teil­ver­band, wohl aber von einem All­ge­mei­nen Kon­zil ver­fügt wer­den könn­te. So, meint man, könn­te, wenn nicht für die gan­ze Kir­che, so doch für ein­zel­ne Berei­che das Zöli­bats­ge­bot gelockert oder gar auf­ge­ho­ben wer­den. Was heu­te noch unt­un­lich erscheint, kön­ne mor­gen Wirk­lich­keit werden.

Da nun müss­te aller­dings der Ver­bind­lich­keits­cha­rak­ter apo­sto­li­scher Tra­di­tio­nen neu ins Bewusst­sein gerückt wer­den. Es mag dabei hilf­reich sein, die Fra­ge zu stel­len, ob es denn etwa mög­lich wäre, durch Kon­zils­be­schluss die Fei­er des Sonn­tags abzu­schaf­fen, die im übri­gen biblisch weit weni­ger begrün­det ist als der Zölibat.

Zum Schluss sei eine in die Zukunft wei­sen­de Über­le­gung erlaubt:
Wenn es denn gesi­cher­te histo­ri­sche Erkennt­nis ist, dass alle Kir­chen­re­form, die die­sen Namen ver­dient, aus einer ver­tief­ten Erkennt­nis des Glau­bens der Kir­che erwächst, dann wird auch die gegen­wär­ti­ge Bestrei­tung des Zöli­bats durch eine neue und tie­fe­re Erfas­sung des Wesens des Prie­ster­tums über­wun­den wer­den. Je deut­li­cher es gelehrt und ver­stan­den wird, dass das Prie­ster­tum der Kir­che nicht eine Dienst­funk­ti­on ist, die im Auf­trag der Gemein­de aus­ge­übt wird, son­dern dar­in besteht, dass der Prie­ster kraft des Sakra­ments der Wei­he „in per­so­na Chri­sti“ lehrt, lei­tet und hei­ligt, dann wird neu ver­stan­den, dass er auch die Lebens­form Chri­sti über­nimmt. Ein so ver­stan­de­nes und geleb­tes Prie­ster­tum wird aufs Neue sei­ne Anzie­hungs­kraft auf die Eli­te der Jugend erweisen.

Im übri­gen wird der Zöli­bat wie die Jung­fräu­lich­keit um des Him­mel­rei­ches wil­len für eine säku­la­re Lebens­auf­fas­sung immer ein Ärger­nis blei­ben. Schon Jesus selbst hat dazu gesagt: „Wer es fas­sen kann, der fas­se es“.

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Literatur

  • Den wis­sen­schaft­li­chen Nach­weis für die hier gebo­te­ne kur­ze Dar­le­gung fin­det der Leser in fol­gen­den Werken:
  • Chri­sti­an Cochi­ni, „Ori­gi­nes apo­sto­li­ques du céli­ba­te sacer­do­tal“, Namur 1981.
  • Ste­fan Heid, „Zöli­bat in der frü­hen Kir­che“, 3erw. Auf­la­ge Pader­born 2003.
  • Alfons M. Stick­ler, „L’évolution de la disci­pli­ne du céli­ba­te dans l’ Égli­se d’Occident de la fin de l’âge patri­stique au Con­ci­le de Trent“, in: J. Cop­pens, „Sacer­do­ce et céli­bat. Étu­des histo­ri­ques et théo­lo­gi­ques“, Gem­bloux-Lou­vain 1971, 373–442.
  • Heinz Ohme, „Con­ci­li­um Qui­ni­sex­t­um – Das Kon­zil Qui­ni­sex­t­um“, Turn­hout 2006.
  • Roman M. T. Cho­lij, „Mar­ried Cler­gy and Eccle­sia­sti­cal con­ti­nence in the Light of the Coun­cil in Trul­lo (691)“, in: „Annu­a­r­i­um Histo­riae Con­ci­li­o­rum“ 19 (1987) 71–300.

*Armin Schwi­bach (Hrsg.), Reiz­the­ma Zöli­bat – Pres­se­stim­men, mit einer Ein­füh­rung von Wal­ter Kar­di­nal Brand­mül­ler, Fe-Medi­en­ver­lags, Kiß­legg, 2011

Text: Set­ti­mo Cielo
Bild: Il Foglio (Screen­shot)

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10 Kommentare

  1. Bei allem Respekt vor Em. Brand­mül­ler: Es han­delt sich eben nicht um ein Dog­ma, nicht um gött­li­ches Gesetz. Wenn es die Umstän­de erfor­dern (und dar­über muss und kann man dis­ku­tie­ren, ich glau­be, die Umstän­de erfor­dern es NICHT), dann kann auch eine apo­sto­li­sche Tra­di­ti­on auf­ge­ho­ben wer­den, so wie es Pius XII. und Bene­dikt XVI. getan haben, ja sogar biblisch ver­pflich­ten­de Geset­ze kön­nen vom Papst dis­pen­siert werden.

      • Ber­nar­do­Gi­u­sep­pe:

        Damit stel­len sie den Inha­ber des Papst­am­tes über die für jeden(!) Chri­sten ver­pflich­ten­de bibli­sche Überlieferung.
        Die Prie­ster sol­len frei sein für Gott. Was wür­de denn eine Abschaf­fung des Zöli­bats brin­gen? Dann gäbe es ver­hei­ra­te­te Prie­ster, die kei­ne Zeit mehr für die Seel­sor­ge haben, weil sie immer das eine oder ande­re ver­nach­läs­si­gen müssten!
        Es gäbe plötz­lich die Denk­mög­lich­keit, dass Mess­be­su­cher mit dem Pfar­rer anban­deln wür­den! Wo der Zöli­bat eine kla­re Sper­re dage­gen darstellt.
        Außer­dem gäbe es dann irgend­wann auch Schei­dun­gen. Und Prie­ster im Ehe­bruch kön­nen kei­ne Kom­mu­ni­on empfangen.
        Erken­nen Sie da den Widerspruch?!

      • „dass weib­li­che Mess­be­su­cher mit dem Pfar­rer anban­deln wür­den“ muss es natür­lich heißen.
        Nicht dass das auch noch jemand falsch versteht…

    • Ich hal­te Ber­nar­do­Gi­u­sep­pe für einen Troll.

      Inhalt­lich müss­te man „Ber­nar­do­Gi­u­sep­pe“ an Kar­di­nal New­man, Brief an Nor­folk, erin­nern: „Wenn ich – was höchst unwahr­schein­lich ist – einen Toast auf die Reli­gi­on aus­brin­gen müss­te, wür­de ich auf den Papst trin­ken. Aber zuerst auf das Gewis­sen. Dann erst auf den Papst.“

      Damit sagt Kar­di­nal New­man nicht, dass das Gewis­sen auto­nom sei, son­dern im Gewis­sen ist das gött­li­che Gesetzt ein­ge­schrie­ben, sonst wäre jede Mis­si­on sinnlos.

      Der Papst kann nicht von Offen­ba­rungs­wahr­hei­ten dispensieren.

      Gal 1,8 Wer euch aber ein ande­res Evan­ge­li­um ver­kün­digt, als wir euch ver­kün­digt haben, der sei ver­flucht, auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel.
      Gal 1,9 Was ich gesagt habe, das sage ich noch ein­mal: Wer euch ein ande­res Evan­ge­li­um ver­kün­digt, als ihr ange­nom­men habt, der sei verflucht.

  2. Alles, was die Kir­che auf­gibt, ist letzt­lich mit einer Ero­si­on und einem Ver­lust ihrer eige­nen Glaub­wür­dig­keit ver­bun­den. Posi­tio­nen auf­zu­ge­ben, impli­ziert zugleich, daß auch die heu­ti­gen Posi­tio­nen Mor­gen schon frag­wür­dig sein wer­den. Und, was Päp­ste, Bischö­fe und Prie­ster noch unse­ren Urgroß­el­tern und Eltern erklär­ten und lehr­ten, gilt Heu­te schon nicht mehr.…was man frei­lich nicht so offen aus­drückt, aber letzt­lich meint. Was die Augu­sten von Heu­te betrei­ben, ist, nüch­tern betrach­tet, Selbst­zer­stö­rung, nur sie selbst, sind sich dar­über im Unklaren…

  3. Daß Prie­ster und Bischö­fe nur ein­mal ver­hei­ra­tet sein dür­fen, bezieht die hl. Hil­de­gard von Bin­gen auf deren Wei­he, auf die „Ver­hei­ra­tung“ mit der Kir­che, der Braut.
    Nie­mand kann Gott, der Kir­che (und einer Gemein­de) wirk­lich die­nen, wenn er die Ehe mit einer Frau ein­ge­gan­gen ist. Denn eines von bei­den müß­te die­ser Mann/​Priester ver­nach­läs­si­gen, und tei­len kann sich kei­ner. Jeden­falls ist das im Neu­en Bund so. Anson­sten wür­de auch die Fra­ge des Petrus an den Herrn: „sie­he, wir haben alles ver­las­sen, was wird unser Lohn sein?“ kei­nen Sinn ergeben.

  4. Wo liegt das Pro­blem? Gibt es erst ver­hei­ra­te­te Prie­ster und Bischö­fe, bleibt es auch nicht bei der ein­zi­gen Ehe. Es gibt dann Ehe­krie­ge, Zei­ten der Tren­nung usw. Die diver­sen Ehen wer­den eben dann anul­liert. Dann ist man stets immer nur „ein­mal“ ver­hei­ra­tet. Das weiss man doch jetzt schon.

  5. Wenn man bedenkt, dass der HL. GEIST höchst­per­sön­lich die Kir­che lenkt und lei­tet, dann kann es nicht sein, dass ER heu­te mal in die­se, mor­gen in jene und über­mor­gen in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung weist und führt!
    Der HL. GEIST macht weder Feh­ler, noch geht ER Irrwege!
    Feh­ler machen die, die den HL. GEIST außen vor las­sen und nicht auf IHN hören!

  6. Der Hl. Geist lenkt und lei­tet die Kir­che, aber nicht unbe­dingt die welt­li­che Kir­chen­füh­rung… das ist das Problem.

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