Von einer Katholikin.
„Kleine Minderheit in ihren Fehlern und der Kultivierung ihrer Partikularismen bestärkt.“
So lautet summa summarum die Antwort der französischen Bischofskonferenz auf die Befragung aus Rom zur Umsetzung von Summorum Pontificum. Dies erschließt sich einem bei der Lektüre eines Dossiers der französischen Bischofskonferenz (CEF), das Paix liturgique am 18. Januar 2021 an die Öffentlichkeit brachte:
„Synthese der Ergebnisse der Befragung über die Anwendung des Motu proprio Summorum Pontificum durch die Glaubenskongregation im April 2020“.
Seit Papst Benedikt XVI. 2007 mit dem Motu proprio Summorum Pontificum die traditionelle Messe als „außerordentliche Form des Römischen Ritus“ wieder in ihre Rechte eingesetzt hat, wurde immer mehr deutlich, daß diese Form, die mit der „Liturgiereform“ von 1969/70 durch die Messe des Novus ordo verdrängt worden war, keineswegs tot ist. Gerade ob der Schönheit ihrer Gott in tiefer Ehrfurcht verherrlichenden Liturgie ist sie in der Lage, das Bewußtsein für das Sakrale und für die Realpräsenz Jesu in der Opfermesse zu wecken, was in der „ordentlichen“ Messe doch sehr verschliffen und immer „kreativer“ überdeckt wurde. (Benedikt XVI. sprach ganz klar von „Kreativität, die oft zu kaum erträglichen Entstellungen der Liturgie führte“.) Daß Gläubige, die sie einmal entdecken durften, fortan die Alte Messe nicht mehr missen mögen und sie schmerzlich vermissen, wenn sie sie nicht regelmäßig erreichen können, ist nicht der Messe schuldhaft anzulasten oder einem Hang dieser Gläubigen zum puren Ästhetizismus und konservativen Starrsinn, sondern denjenigen unter den Geistlichen (es sind zu viele, aber gottlob nicht alle!), die die neue Messe gestern wie heute als Experimentierfeld und Spiegel eines „zeitgemäßen“ Glaubens sehen und sie auch noch dergestalt „veralltäglichen“, daß viele Gläubige die Sehnsucht nach dem Mysterium schon gar nicht mehr spüren, das sich ja trotz aller anthropozentrischen Überfremdung auch in der neuen Messe vollzieht. Die Verdrängung der würdigen Mundkommunion im Knien hat, wie wir wissen, in der neuen Messe ihr übriges getan. Daß sich die kirchlichen Apologeten der Handkommunion als Trittbrettfahrer staatlicher Hygienezwänge in Coronazeiten jetzt am Ziel wähnen, wurde in den vergangenen zehn Monaten mehr als offensichtlich.
Eine aktuelle Studie (Katholisches.info berichtete) der Foederatio Internationalis Una Voce (FIUV) belegt unter anderem, daß die heiligen Messen in der überlieferten Form des Römischen Ritus insbesondere auch von jungen Menschen und Familien besucht werden. Eine deutsche Übersetzung der Studie wurde von Pro Missa Tridentina veröffentlicht.
Die Studie versteht sich bewußt als Ergänzung zu der fragebogenbasierten Erhebung, mit der Papst Franziskus im März 2020 die Glaubenskongregation beauftragt hatte. Umsetzung und Erfahrungen mit Summorum Pontificum standen dabei im Zentrum von neun Fragen an die Diözesanbischöfe weltweit.
Die Antworten sollten bis Ende Juli 2020 in Rom vorliegen. Daß die Sorge traditionsverbundener Katholiken, Bischöfe und Bischofskonferenzen könnten die Gelegenheit nutzen, die ungeliebte Meßform zu diskreditieren, oder es zumindest an Objektivität mangeln lassen, nicht unbegründet ist, zeigt jetzt der Blick auf das eingangs genannte Dossier der französischen Bischofskonferenz.
Offensichtlich wurden die für Rom bestimmten Antworten aus jeder Diözese zentral gesammelt, gesichtet und vor allem zentral interpretiert. Im vergangenen Jahr wurde ein ähnliches Vorgehen schon von der italienischen Bischofskonferenz bekannt. In Frankreich haben allerdings fünf Diözesen ihre Antworten, wie von Rom erbeten, direkt dorthin gesandt, eine Diözese schickte die Antwort an die CEF, aber an Rom adressiert, so daß sie in der Synthese „nicht berücksichtigt werden konnte“.
Auf den ersten Blick bietet sich ein durchaus ermutigendes Bild. In den meisten Diözesen gibt es immerhin ein paar Meßorte für die außerordentliche Meßform und zudem eine ganze Reihe ihr verbundener Gemeinschaften. Und unter Frage 3 werden zunächst einmal positive Aspekte der außerordentlichen Form benannt, etwa Sakralität, Feierlichkeit und Stille, aber auch eine „besondere Würdigung des eucharistischen Glaubens an die Realpräsenz“ und die „Bewahrung des spirituellen und liturgischen Erbes“. Doch die dreimal so lange Negativliste atmet die altbekannte Argumentation der Liturgiereformer.
Das Papier läßt nicht erkennen, wie sich einzelne Bischöfe geäußert haben und wer genau das Schreiben formuliert hat. Als „Synthese“ deklariert, soll es wohl ein einvernehmliches kritisches Votum der Bischofskonferenz suggerieren. Und dabei wird vor allem eines deutlich: Die CEF fürchtet offensichtlich eine weitere Verbreitung der alten Messe und ihren missionarischen Charakter. Und genau deswegen spricht sie ihr in beispielloser Ignoranz eine solche „missionarische Dynamik“ einfach rundweg ab, sieht aber gleichzeitig allen Ernstes Gefahren für eine „fragile und identitäre Jugend“, die leicht für die außerordentliche Form zu begeistern sei und durch „mittelmäßige Verkündigung des Evangeliums“ darin bestärkt würde.
Ja, die alte Messe zieht junge Menschen an. Um diese Tatsache kommt eben auch die Bischofskonferenz nicht herum. Und das beunruhigt offensichtlich.
Es genügt, die französischen Ratschläge an Rom zu lesen. Nach 13 Jahren Summorum Pontificum stehe fest, daß die Sorge um die Einheit der Kirche durch Anwendung des Motu proprio nicht zur Geltung komme. Man solle eine weitere Verbreitung der außerordentlichen Form nicht befördern. Eine „Parallelkirche“ mit eigener Pastoral zeichne sich nämlich ab. Besonders gegenüber Gemeinschaften wie der Priesterbruderschaft St. Petrus oder dem Institut Christus König und Hohepriester müsse man wachsam bleiben. Denn das Motu proprio habe eine „kleine Minderheit in ihren Fehlern und der Kultivierung ihrer Partikularismen bestärkt“. Die Bischöfe wünschten die Verwendung des neuen Lektionars, um das Wort Gottes zur Geltung zu bringen und den Priestern obgenannter Gemeinschaften zur Einsicht in die reformierte Liturgie zu verhelfen. Außerdem dürfe es nicht sein, dass Priester der FSSP die Zelebration in der neuen Ordnung grundsätzlich ablehnen. Es mangele ihnen an „theologischen Tugenden“ und Vertrautheit mit dem Konzil.
Treffend faßt die Piusbruderschaft auf ihrer französischsprachigen Seite die offensichtliche Intention der Bischofskonferenz in einem aktuellen Kommentar zusammen:
Die Bischöfe wollen „das vollständig unter Kontrolle haben, was sie durch das Motu proprio gezwungen sind zuzulassen“, und ihr Bestreben sei es, „diese Gemeinschaften im nachkonziliaren Geist zu integrieren und zu reformieren“.
Bezeichnenderweise scheint die einzige akzeptable Daseinsberechtigung für traditionsverbundene Gemeinschaften, die im überlieferten Ritus zelebrieren, für die CEF darin zu liegen, daß sie „den Gläubigen erlauben, mit der katholischen Kirche verbunden zu bleiben, und zu verhindern, daß sie versuchen müssen, Gemeinschaften und Meßorte der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. aufzusuchen“. So zitiert die CEF einige Bischöfe.
Kann es verwundern, daß eine solche unsachliche Abqualifizierung der Traditon von oben herab kaum geeignet ist, zu einer dauerhaft friedlichen Koexistenz in den Diözesen beizutragen? Wer das Minderheitendasein einer (gar nicht mehr so kleinen) Minderheit solchermaßen betont, sorgt für deren Ausgrenzung, die man ihr dann wiederum als Abschottung vorhalten kann.
Und was schrieben wohl die deutschen Hirten nach Rom?
Das ist die Frage. Man kann sich dabei auch fragen, ob es ein ähnliches Procedere wie in Frankreich und Italien gab.
Es ist jedenfalls kaum zu erwarten, daß viele unserer Bischöfe die römische Aufforderung, Vorschläge zum Umgang mit der traditionellen Messe zu machen, zum Anlaß nehmen, deren missionarische Dimension in Zukunft zu würdigen und oder gar zu nutzen, um die von Papst Franziskus angemahnte Neuevangelisierung zu befördern.
Man wird vermutlich auf eine respektvolle Zusammenarbeit der traditionellen romtreuen Gemeinschaften mit den Diözesen hingewiesen, aber gleichzeitig ihre Irrelevanz behauptet haben. Wie schon 2017, zehn Jahre nach dem Motu Proprio, wo man bemüht war, die „Relevanz“ der alten Messe herunterzuspielen, sie im statistischen Vergleich mit der neuen Messe als Randphänomen zu betrachten und auf Papst Franziskus‘ Desinteresse an der traditionellen Liturgie zu verweisen.
Im Kontext des sogenannten „synodalen Wegs“, auf dem sich ein großer Teil des deutschen Episkopats unbeirrt mit einer grundlegenden Veränderung von Glaube und Lehre befaßt, kann man sich schon vorstellen, daß zumindest der DBK-Vorsitzende Bischof Bätzing und seine Weg-Gefährten der außerordentlichen Form des Römischen Ritus nicht viel abgewinnen können. Bleibt man doch dort von der Propaganda Maria‑2.0‑freundlicher Priester und Gemeindereferent*innen garantiert verschont und muß nicht gewärtigen, daß die Jugend durch eine aufgeweichte katholische Morallehre und diverse *chen sittlich destabilisiert und fragil wird.
Nun bleibt abzuwarten, welche Schlüsse der Papst letztlich aus den Antworten der Bischöfe aus aller Welt ziehen kann, will und wird.
Bild: CEF/MiL (Screenshot)