„Ist blutleere Kirche Frankreichs überhaupt fähig, noch einmal gegen die Tradition in den Krieg zu ziehen?“

Abbé Claude Barthe analysiert das negative Urteil der Französischen Bischofskonferenz über Summorum Pontificum


Abbé Claude Barthe analysiert das negative Urteil der Französischen Bischofskonferenz über das Motu proprio Summorum Pontificum.
Abbé Claude Barthe analysiert das negative Urteil der Französischen Bischofskonferenz über das Motu proprio Summorum Pontificum.

(Rom/​Paris) Abbé Clau­de Bar­the, der geist­li­che Assi­stent der Inter­na­tio­na­len Wall­fahrt Sum­morum Pon­ti­fi­cum und Schrift­lei­ter der Zeit­schrift Res Novae, ana­ly­sier­te in einem Inter­view die Zusam­men­fas­sung eines Redak­tors, der die Ein­zel­ant­wor­ten der fran­zö­si­schen Bischö­fe auf den Fra­ge­bo­gen zu Sum­morum Pon­ti­fi­cum zu einem nega­ti­ven Gesamt­ur­teil für Rom zusammenfügte.

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Im Früh­jahr 2020 ver­schick­te die römi­sche Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on an alle Diö­ze­san­bi­schö­fe und Ter­ri­to­ri­al­obe­ren einen Fra­ge­bo­gen, um eine welt­wei­te Bestands­auf­nah­me zur Umset­zung des Motu pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum durchzuführen.

Bis zum 31. Juli hat­te die Beant­wor­tung zu erfol­gen, die in Frank­reich nega­tiv aus­fiel. Die fran­zö­si­schen Bischö­fe spra­chen sich ins­ge­samt, trotz auch posi­ti­ver Rück­mel­dun­gen, gegen eine Gel­tungs­aus­wei­tung des Motu pro­prio aus. Katho​li​sches​.info berich­te­te: Frank­reichs Bischofs­kon­fe­renz beur­teilt Sum­morum Pon­ti­fi­cum nega­tiv.

Die Fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz ent­schied im Vor­feld, daß die 95 Diö­ze­san­bi­schö­fe samt Mili­tär­or­di­na­ri­us ihre Ant­wor­ten dem Gene­ral­se­kre­ta­ri­at der Bischofs­kon­fe­renz über­mit­teln soll­ten. Dort wur­de dar­aus eine Zusam­men­fas­sung im Umfang von zehn Sei­ten erstellt, mit der die Ein­zel­ant­wor­ten ersetzt wurden.

Die tra­di­ti­ons­ver­bun­de­ne fran­zö­si­sche Inter­net­sei­te Paix Lit­ur­gi­que mach­te vor eini­gen Tagen den Inhalt der Zusam­men­fas­sung bekannt. Le Rouge & le Noir ver­öf­fent­lich­te ein Inter­view mit Abbé Clau­de Bar­the zum Tenor der zusam­men­fas­sen­den Dar­stel­lung. Bar­the ist ein bekann­ter Prie­ster der Tra­di­ti­on, geist­li­cher Assi­stent der seit 2012 jähr­lich statt­fin­den­den Inter­na­tio­na­len Wall­fahrt Sum­morum Pon­ti­fi­cum nach Rom, Schrift­lei­ter der Zeit­schrift Res Novae und aus­ge­wie­se­ner Lit­ur­gie­ex­per­te. Er ist vor allem auch als Ken­ner der aktu­el­len Kir­chen­kri­se bekannt, die er seit vie­len Jah­ren ana­ly­siert. Auch sein bis­her jüng­stes Buch „La Mes­se de Vati­can II“ („Die Mes­se des Zwei­ten Vati­ca­num“, Ver­lag Via Roma­na), erschie­nen im Dezem­ber 2018, ist dem The­ma gewidmet.

Abbé Bar­the führt in dem Inter­view aus, daß die Bischofs­kon­fe­renz einem Büro des Gene­ral­se­kre­ta­ri­ats den Auf­trag erteil­te, eine Zusam­men­fas­sung zu for­mu­lie­ren. Sei­ner Ana­ly­se schick­te er aber noch einen Hin­weis voraus:

Abbé Clau­de Barthe

„Um den Kon­text die­ser Unter­su­chung [der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on] zu ver­ste­hen, soll­te bekannt sein, daß es im ita­lie­ni­schen Epi­sko­pat und an der Römi­schen Kurie, unter ande­rem im Staats­se­kre­ta­ri­at, eine mäch­ti­ge Inter­es­sen­grup­pe gibt, die dem Sta­tus quo sehr feind­lich gegen­über­steht, wel­cher der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie durch das Motu Pro­prio Sum­morum Pon­ti­fi­cum von Bene­dikt XVI. gewährt wird und der die­se privilegiere.“

Die­ser tra­di­ti­ons­feind­li­chen Inter­es­sen­grup­pe, so Abbé Bar­the, ist die Abschaf­fung der Päpst­li­chen Kom­mis­si­on Eccle­sia Dei gelun­gen, die zu einem Amt der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on her­ab­ge­stuft wur­de. Um die­se Stim­men „zum Schwei­gen zu brin­gen“, habe Papst Fran­zis­kus der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on den Auf­trag zur welt­wei­ten Bestands­auf­nah­me erteilt.

„Theo­re­tisch muß­ten die Bischö­fe ihre Ant­wor­ten an die Kon­gre­ga­ti­on für die Glau­bens­leh­re über­mit­teln. Aber die Ita­lie­ni­sche Bischofs­kon­fe­renz beschloß, die Ant­wor­ten zu sam­meln und zusammenzufassen.“

Aus den Ant­wor­ten, die von den Bischö­fen ein­zeln für ihre Juris­dik­ti­on gefor­dert waren, wur­de eine kol­lek­ti­ve Ant­wort gemacht. Die­sem Bei­spiel folg­ten auch die fran­zö­si­schen Bischö­fe und auch die Epi­sko­pa­te ande­rer Län­der. Die fran­zö­si­sche Zusam­men­fas­sung, die eine Viel­zahl von Ant­wor­ten zu einer ein­heit­li­chen Mei­nung umfor­mu­lier­te, wur­de der Glau­bens­kon­gre­ga­ti­on und allen Bischö­fen über­mit­telt. Durch ein Leck wur­de sie Paix Lit­ur­gi­que zuge­spielt und veröffentlicht.

Die­se Zusam­men­fas­sung ver­stärkt eine tat­säch­lich vor­han­de­ne Abnei­gung gegen die Tra­di­ti­on und den über­lie­fer­ten Ritus zu einem nega­ti­ven Urteil.

„Der Redak­tor hat eine Zusam­men­fas­sung erstellt, die der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie oder jeden­falls ihrer zu star­ken Sicht­bar­keit ins­ge­samt feind­lich gegen­über­steht. Natür­lich zählt er auch die posi­ti­ven Ergeb­nis­se in Bezug auf Sum­morum Pon­ti­fi­cum auf, die die Bischö­fe in ihren Ant­wor­ten ange­ge­ben haben: Befrie­dung, Reak­ti­on auf ein pasto­ra­les Bedürf­nis, posi­ti­ver Ein­fluß auf die ernst­haf­te Zele­bra­ti­on der Mes­se in der ordent­li­chen Form, aber sie wer­den syste­ma­tisch minimiert.“

Laut dem Redak­tor der Zusam­men­fas­sung sei der über­lie­fer­te Ritus „nicht missionarisch“: 

„(…) was einen sprach­los macht, wenn man weiß, daß die Pfarr­mes­sen immer lee­rer sind, wäh­rend die Zele­bra­tio­nen der Tra­di­ti­on sich fül­len und ins­be­son­de­re unter jun­gen Men­schen eine nicht uner­heb­li­che Anzahl von Bekeh­run­gen provozieren.“

Die Zusam­men­fas­sung bestä­tigt die­se Ent­wick­lung zwar, erklärt sie aber im reli­gi­ons­so­zio­lo­gi­schen Duk­tus her­ab­set­zend mit einer angeb­li­chen „Fra­gi­li­tät“ die­ser Men­schen und ihrem Wunsch nach einer sie beru­hi­gen­den Identität.

Das jüng­ste Buch von Abbé Barthe

Die Wider­sprüch­lich­keit der Zusam­men­fas­sung, so Bar­the, wer­de dort offen­kun­dig, wo sie einer­seits behaup­tet, die Meß­or­te des über­lie­fer­ten Ritus wür­den durch­schnitt­lich nur 20 bis 70 Per­so­nen ver­sam­meln, gleich­zei­tig aber gesagt wird, die über­lie­fer­te Mes­se sei in Frank­reich mitt­ler­wei­le „eine Selbst­ver­ständ­lich­keit“ gewor­den und Sum­morum Pon­ti­fi­cum habe einen fak­ti­schen „Bi-Ritua­lis­mus“ geschaffen.

Tat­sa­che sei, so Abbé Bar­the, daß „vie­len Bischö­fen“ die­se Situa­ti­on nicht genehm ist und sie die­se „ger­ne ein­schrän­ken und redu­zie­ren möchten“.

Bei der Lek­tü­re der Zusam­men­fas­sung, so Le Rouge & le Noir, kön­ne man den Ein­druck gewin­nen, sie rich­te sich vor allem gegen die Prie­ster­bru­der­schaft Sankt Petrus (FSSP). Tat­säch­lich, so Bar­the, rich­tet sie sich gegen alle Gemein­schaf­ten der Tradition.

„Gegen die Petrus­bru­der­schaft, weil ihre Prie­ster sich wei­gern, den Grün­don­ners­tag mit dem Diö­ze­san­kle­rus zu kon­ze­le­brie­ren; gegen das Insti­tut Chri­stus König und Hohe­prie­ster, indem berich­tet wird, ein Bischof sei über­rascht, daß die­ses Insti­tut eine Rei­se mit jun­gen Men­schen unter 18 orga­ni­siert hat, um an Wei­hen in Gri­ci­glia­no teil­zu­neh­men (eine unan­ge­mes­se­ne Ver­füh­rung von Min­der­jäh­ri­gen…); gegen alle Gemein­schaf­ten wegen der angeb­lich ‚dürf­ti­gen‘ Aus­bil­dung ihrer Prie­ster. Die­ser Arg­wohn rich­tet sich ein­deu­tig gegen die Petrus­bru­der­schaft und das Insti­tut Chri­stus König und Hohepriester.“

Die Zusam­men­fas­sung las­se, wie die­se Bei­spie­le zei­gen, aber auch ins­ge­samt eine „tie­fe Unkennt­nis der Tra­di­ti­on“ erken­nen, so Le Rouge & le Noir. Die Fra­ge sei, ob das aus Unwis­sen­heit oder Bös­wil­lig­keit gesche­hen sei.

Abbé Bar­the spricht von einer tat­säch­lich „manch­mal erstaun­li­chen Unwis­sen­heit in der Sache“. So wer­de in der Zusam­men­fas­sung behaup­tet, Pre­dig­ten von Prie­stern der Tra­di­ti­on sei­en „mit­tel­mä­ßig“. Eine sol­che Behaup­tung, so Bar­the, müs­se „einen zum Lächeln brin­gen, wenn man an vie­le Pfarr­pre­dig­ten denkt“. Die Zusam­men­fas­sung wer­de aber „ideo­lo­gisch“, wenn sie wei­ter behaup­tet, die Pre­dig­ten sei­en „zu alt­mo­disch“, die Kate­che­se sei ver­al­tet und „zu wenig konziliar“.

„Wie soll man die Qua­li­tät der Unwis­sen­heit qua­li­fi­zie­ren, die die Fran­zö­si­sche Bischofs­kon­fe­renz dazu führt, zu behaup­ten, daß die Prie­ster­bru­der­schaft St. Pius X. ‚außer­halb der Kir­che‘ ist? Die Bischofs­kon­fe­renz weiß jedoch, daß Papst Fran­zis­kus die Befug­nis von deren Prie­stern aner­kannt hat, die Beich­te zu hören und Ehen zu schließen.“

Abbé Bar­the bestä­tigt, daß es unter Frank­reichs Bischö­fen den ver­brei­te­ten Wunsch gibt, die Zele­bra­tio­nen von hei­li­gen Mes­sen im über­lie­fer­ten Ritus „nicht ver­meh­ren zu las­sen“. Sie möch­ten sowohl die Prie­ster der Gemein­schaf­ten der Tra­di­ti­on als auch die Gläu­bi­gen zum „Bi-For­ma­lis­mus“ drängen.

Wei­hen der Petrusbruderschaft

„Es ist zwei­fel­haft, daß Papst Fran­zis­kus ihnen dabei fol­gen wird, ein­fach des­halb, weil ihn das The­ma nicht interessiert.“

Auf der ande­ren Sei­te „könn­te es lang­fri­stig Druck auf die Eccle­sia-Dei-Insti­tu­te“ geben, um sie zum „Bi-For­ma­lis­mus“, also der Zele­bra­ti­on in bei­den For­men des Römi­schen Ritus, zu drängen.

„Es kann vor­kom­men, daß sie auf das Gewohn­heits­recht redu­ziert wer­den, d. h., wie alle reli­giö­sen Insti­tu­te der Gerichts­bar­keit der Ordens­kon­gre­ga­ti­on unter­lie­gen und nicht mehr jener der Glaubenskongregation.“

Abbé Bar­the nennt kei­ne kon­kre­ten Bei­spie­le, spielt aber auf eine Vor­ge­hens­wei­se an, die im genann­ten, aber auch in ande­rem kir­chen­recht­li­chen Kon­text in der Ver­gan­gen­heit bereits zur Anwen­dung gelang­te, etwa gegen die Fran­zis­ka­ner der Imma­ku­la­ta oder die Trap­pi­sten­ab­tei Mariawald.

„Wenn dies durch Beschwer­den bestimm­ter Mit­glie­der die­ser Gemein­schaf­ten, durch kano­ni­sche Visi­ta­tio­nen und ande­re Mit­tel gesche­hen wür­de, könn­ten die­se Insti­tu­te desta­bi­li­siert werden.“

Aller­dings „sind wir noch nicht dort“ ange­langt. Und noch ein Aspekt der Zusam­men­fas­sung ist für Abbé Bar­the von Bedeutung:

„In Bezug auf die Anhäng­lich­keit zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil stellt das Doku­ment der Bischofs­kon­fe­renz zu Recht fest, daß die Bin­dung an die über­lie­fer­te Lit­ur­gie dok­tri­nä­re Grund­la­gen hat.“

„Zusam­men­fas­send könn­te man sagen, daß die Flui­di­tät der Leh­re (ein Lap­sus mei­ner­seits!), die dem ordent­li­chen Ritus zugrun­de­liegt, ins­be­son­de­re im Hin­blick auf das eucha­ri­sti­sche Opfer, mit der Flui­di­tät bestimm­ter Tex­te des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils zu tun hat, die grau sagen, um weder schwarz noch weiß zu sagen.“

Und abschlie­ßend bemerkt Abbé Barthe:

„ ‚Eine Welt für sich, eine Par­al­lel­kir­che nimmt Gestalt an‘, beklagt der Redak­tor des Epi­sko­pats in sei­ner Zusam­men­fas­sung. Nun ver­such­te Sum­morum Pon­ti­fi­cum, mit einer Art von bril­lan­ter Baste­lei, aber genau die­ses fried­li­che Zusam­men­le­ben zwi­schen den bei­den ‚For­men‘ her­zu­stel­len. Das ist weit­ge­hend uner­träg­lich, sagt die Bischofs­kon­fe­renz, die möch­te, daß Rom den Umfang der tra­di­tio­nel­len Lit­ur­gie ein­schränkt. Hat aber die blut­lee­re Kir­che Frank­reichs, die immer weni­ger Gläu­bi­ge, Prie­ster und Geld­mit­tel hat, die Fähig­keit, wie in den Jah­ren nach dem Kon­zil, wie­der in den Krieg zu ziehen?“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Le Rouge & le Noir/MiL/confraternite.fr

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