Der lange Marsch zurück ins Heidentum

Ettore Gotti Tedeschi über das Damoklesschwert der Corona-Maßnahmen über der Menschheit


Sind die Corona-Maßnahmen und die durch sie ausgelöste Krise der Einstieg zu einem globalen neuen Humanismus? Gedanken zu den Gefahren von Ettore Gotti Tedeschi.
Sind die Corona-Maßnahmen und die durch sie ausgelöste Krise der Einstieg zu einem globalen neuen Humanismus? Gedanken zu den Gefahren von Ettore Gotti Tedeschi.

Es geht nicht um den lan­gen „Marsch durch die Insti­tu­tio­nen“, der von den Neo­mar­xi­sten nach 1968 erfolg­reich beschrit­ten wur­de, son­dern um einen lan­gen „Marsch Rich­tung Hei­den­tum“, so der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler, Finanz­ethi­ker und ehe­ma­li­ge Prä­si­dent der Vatik­an­bank IOR Etto­re Got­ti Tede­schi in einem gestern von der ita­lie­ni­schen Tages­zei­tung La Veri­tà ver­öf­fent­lich­ten Aufsatz.

Der lange Marsch Richtung Heidentum

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Von Etto­re Got­ti Tedeschi

Dank des Cha­os mit der Pan­de­mie und deren Fol­gen scheint sich ein neu­er „Über­ra­schungs-Huma­nis­mus“ anzu­bah­nen. Es ist offen­sicht­lich, daß in die­sem öko­no­mi­schen, sozia­len, poli­ti­schen und mora­li­schen Cha­os das Feh­len einer glo­ba­len Füh­rung spür­bar wird. Daher kann der­zeit alles pas­sie­ren. Die Gefahr besteht, daß ein neu­er „Über­ra­schungs-Huma­nis­mus“ auf­ge­zwun­gen wird, der von weni­gen beschlos­sen und von vie­len im Geist der Ver­söh­nung ange­nom­men wird. Wir befin­den uns heu­te in einer Pha­se, die laut­stark nach „Ver­söh­nung“ ver­langt, um die gemein­sa­men und glo­ba­len Pro­ble­me zu lösen. Die Ver­söh­nung wird sich als öko­no­mi­sche, sozia­le, poli­ti­sche, öko­lo­gi­sche, tech­no­lo­gi­sche Lösun­gen tar­nen, in Wirk­lich­keit aber vor allem eine mora­li­sche Ver­söh­nung sein, weil sie Aus­wir­kun­gen auf das Sein des Men­schen als Geschöpf und auf die Schöp­fung haben wird.

Wir alle schei­nen ver­wirrt und füh­len uns ver­un­si­chert, doch nicht alle sind es wirk­lich. Wegen der myste­riö­sen Pan­de­mie und der nicht min­der myste­riö­sen staat­li­chen und kirch­li­chen Reak­ti­on dar­auf füh­len wir uns ohn­mäch­tig ange­sichts von Sze­na­ri­en, die wir erdul­den müs­sen, und sol­chen, die uns noch zu erwar­ten schei­nen. Wäh­rend die Men­schen der Ein­druck plagt, die Ori­en­tie­rung ver­lo­ren zu haben, besteht der Ver­dacht, daß jemand den Kom­paß in der Hand hält und sehr genau weiß, wohin wir geführt wer­den sollen.

Etto­re Got­ti Tedeschi

In die­ser Situa­ti­on sind Ent­schei­dun­gen schnell zu tref­fen, und das auf glo­ba­ler Ebe­ne, gewiß. Den­noch ist es not­wen­dig, daß die All­ge­mein­heit von die­sen Ent­schei­dun­gen weiß und sie in ihren öko­no­mi­schen, sozia­len, poli­ti­schen, mora­li­schen Kon­se­quen­zen ver­steht. Wir ris­kie­ren, daß sie uns auf­ge­zwun­gen wer­den, ohne daß wir sie ver­stan­den oder auch nur erkannt haben. Das ist aller­dings kei­ne gro­ße Neu­heit. Es bleibt uns zumin­dest das Recht, irri­tiert und empört zu sein, und das auch zu Papier zu brin­gen (wie es an die­ser Stel­le geschieht). Es drängt sich näm­lich wie­der ein­mal der Ein­druck auf, daß jemand dabei ist, Feh­ler kor­ri­gie­ren und Pro­ble­me lösen zu wol­len, ohne an die Grün­de und Ursa­chen zu den­ken und damit Gefahr zu lau­fen, die Feh­ler der Ver­gan­gen­heit zu wie­der­ho­len. Daher ist die Annah­me legi­tim, daß genau die­se Feh­ler das ange­streb­te Ziel sind.

Wir soll­ten also beun­ru­higt sein, denn das, was auf dem Spiel steht, ist das mensch­li­che Leben selbst, von der Hand­brem­se bei der Gebur­ten­ra­te bis zur Redu­zie­rung einer über­schüs­si­gen Bevöl­ke­rung. Die­ses Mal geht es aber nicht mehr nur um den Westen, son­dern um die gan­ze Welt.

In die­ser zwei­ten Pha­se der „glo­ba­len Lösung“ der Bevöl­ke­rungs­fra­ge habe ich den Ein­druck, daß es sogar über den Mal­thu­sia­nis­mus hin­aus­geht, der den Ent­schei­dun­gen zugrun­de­lag, die seit den 60er Jah­ren auf den Ein­bruch der Gebur­ten­ra­te im Westen abziel­ten. Mir drängt sich der Ein­druck auf, daß der heu­ti­gen Pha­se weni­ger das Den­ken von Tho­mas Mal­thus zugrun­de­liegt, son­dern das der für alle akzep­ta­blen Natur­re­li­gi­on von John Locke, die Öko­lo­gie, ergänzt durch die Wert­schät­zung von David Hume für die heid­ni­schen Reli­gio­nen, die bei­spiel­ge­bend für den Respekt vor der Natur und für die Tole­ranz sei­en. Sie wer­den der Into­le­ranz und dem Fana­tis­mus der mono­the­isti­schen Reli­gio­nen ent­ge­gen­ge­setzt. Die heid­ni­sche Öko­lo­gie als uni­ver­sa­le Welt­re­li­gi­on. Ist das der neue Über­ra­schungs-Huma­nis­mus? Das wird von den Ent­schei­dun­gen jener abhän­gen, die die Macht haben.

Die Prä­mis­sen für den „Gre­at Reset“, den die Mäch­ti­gen anstre­ben, kün­di­gen, wie immer in der jün­ge­ren Geschich­te, uto­pi­sti­sche Pro­gram­me an. Was die gesam­te Welt brau­che, um die Kri­se zu über­win­den, sei ein wie­der­her­ge­stell­tes sozio­öko­no­mi­sches Gleich­ge­wicht, das Ungleich­heit und ego­isti­sche Sou­ve­rä­ni­täts­be­stre­bun­gen aus­tilgt und die Gefah­ren sozia­ler Span­nun­gen bannt, so heißt es. Kurio­ser­wei­se kon­zen­triert sich auch hier die Auf­merk­sam­keit auf die selbst ver­ur­sach­te zu hohe Über­al­te­rung der Bevöl­ke­rung und ihre sozia­len und öko­no­mi­schen Aus­wir­kun­gen (wobei die Ursa­chen dafür kon­se­quent igno­riert wer­den). Gleich­zei­tig wird an der Not­wen­dig­keit eines Bevöl­ke­rungs­rück­gangs fest­ge­hal­ten (der dies­mal glo­bal sein soll, andern­falls wer­den – so die im Raum ste­hen­de Ankün­di­gung – wei­te­re Pan­de­mien fol­gen). Vor allem wird der Wider­spruch zwi­schen die­sen bei­den glo­ba­len stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen miß­ach­tet. Der ari­sto­te­li­sche Syl­lo­gis­mus wur­de in unse­rer Zeit durch die unlo­gi­sche Logik des poli­tisch kor­rek­ten Den­kens ersetzt.

Offen­bar wur­den die stra­te­gi­schen Grund­la­gen der zukünf­ti­gen Welt bereits iden­ti­fi­ziert: Sie wer­den (vor allem) digi­tal und green sein. Bei­de Aspek­te ent­hal­ten wohl­ver­bor­gen die Bevöl­ke­rungs­fra­ge. Der erste, die Digi­ta­li­sie­rung (Tech­no­lo­gie und künst­li­che Intel­li­genz), bedarf mit Sicher­heit kei­nes Bevöl­ke­rungs­wachs­tums, viel­mehr soll sie die­se erset­zen. Der zwei­te (der Umwelt­schutz) „lei­det“ gera­de­zu unter der Anwe­sen­heit des Men­schen, der angeb­lich ein Krebs­ge­schwür für die Natur ist.

Und da fin­den wir nun die Überraschung.

Was man vor­zu­be­rei­ten scheint im Namen der uto­pi­sti­schen Paro­len der „offe­nen Gesell­schaft“ von Karl Pop­per (das Ende von Ungleich­heit, das Ende von Dis­kri­mi­nie­rung, das Ende ego­isti­scher Sou­ve­rä­ni­täts­be­stre­bun­gen, das Ende dog­ma­ti­scher Auto­ri­ta­ris­men) ist ein neu­er digi­ta­ler und öko­lo­gi­scher Huma­nis­mus, der zunächst dazu füh­ren wird, daß der Öko­lo­gis­mus Ein­gang in die Ver­fas­sung findet.

Und das geschieht mit der offen­sicht­li­chen Zustim­mung der mora­li­schen Auto­ri­tät, der Kir­che, die bereits eine neue „öko­lo­gi­sche Theo­lo­gie“ vor­be­rei­tet zu haben scheint, um damit die Sozi­al­leh­re der Kir­che zu erset­zen.  Doch nur weni­ge schei­nen sich um das mensch­li­che Leben zu sor­gen, das ein­mal, selbst dem angeb­lich so fin­ste­ren Mit­tel­al­ter, als hei­lig galt. 

Heu­te zählt es weni­ger, so wenig, daß ein Mensch eli­mi­niert wer­den kann. Die Gefahr rückt näher, daß dank die­ses neu­en „Über­ra­schungs-Huma­nis­mus“ bald eini­ge Men­schen nicht nur eli­mi­niert wer­den kön­nen, son­dern gemäß Ver­fas­sung und Moral­ge­setz zu eli­mi­nie­ren sein werden. 

Ist das die Next Civi­lizati­on? Wenn ja, schaut die Zukunft düster aus.

Bild: Titel­bild des Buches „Die glo­ba­le Revo­lu­ti­on für einen neu­en Huma­nis­mus“ (Screenshot)/CR

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