Die Hauptziele des Heiligen Stuhls auf diplomatischer Ebene

Neujahrsansprache von Papst Franziskus an das Diplomatische Corps


Neujahrsansprache 2020 von Papst Franziskus an das Diplomatische Corps.
Neujahrsansprache 2020 von Papst Franziskus an das Diplomatische Corps.

(Rom) Gestern hielt Papst Fran­zis­kus die tra­di­tio­nel­le Neu­jahrs­an­spra­che an das beim Hei­li­gen Stuhl akkre­di­tier­te Diplo­ma­ti­sche Corps. Eine kur­ze Zusam­men­schau der von ihm genann­ten Themenschwerpunkte.

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Mit beson­de­rem Inter­es­se wur­den nach der geziel­ten Tötung von Gene­ral Qas­sem Sulei­ma­ni die Wor­te zu den aktu­el­len Span­nun­gen zwi­schen dem Iran und den USA erwar­tet, doch dazu an ande­rer Stelle.

Als „Haupt­ziel des diplo­ma­ti­schen Enga­ge­ments des Hei­li­gen Stuhls nann­te Fran­zis­kus den „Frie­den und die ganz­heit­li­che mensch­li­che Entwicklung“. 

The­ma war zudem die Erwäh­nung von „schwer­sten Ver­bre­chen gegen die Wür­de von Jugend­li­chen, Kin­dern und Her­an­wach­sen­den“ durch „nicht weni­ge Erwach­se­ne, dar­un­ter auch etli­che Mit­glie­der des Kle­rus“, die Fran­zis­kus als „Ver­bre­chen, die Gott belei­di­gen“ brandmarkte.

Beson­de­res Augen­merk leg­te er auf sei­ne Initia­ti­ve zur „Wie­der­her­stel­lung des glo­ba­len Bil­dungs­pakts“ mit dem Ziel einer „offe­ne­ren und inte­gra­ti­ve­ren Bil­dung, die fähig ist, gedul­dig zuzu­hö­ren, einen kon­struk­ti­ven Dia­log und gegen­sei­ti­ges Ver­ständ­nis zu för­dern“. Wört­lich sagt Fran­zis­kus dazu:

„Noch nie zuvor war es so not­wen­dig, die Bemü­hun­gen in einem brei­ten Bil­dungs­bünd­nis zu ver­ei­nen, um rei­fe Men­schen zu for­men, die in der Lage sind, Spal­tun­gen und Gegen­sät­ze zu über­win­den und das Gefü­ge der Bezie­hun­gen für eine geschwi­ster­li­che­re Mensch­heit wiederherzustellen.“

Dabei beklag­te er eine Ten­denz, sich auf einen „begrenz­ten Hori­zont“ zu „ver­schlie­ßen“:

„(…) der die alten Men­schen mit Gleich­gül­tig­keit behan­delt und vor allem kei­nen Raum mehr für das ent­ste­hen­de Leben bie­tet. Die all­ge­mei­ne Über­al­te­rung eines Teils der Welt­be­völ­ke­rung, ins­be­son­de­re im Westen, macht dies auf trau­ri­ge und sinn­bild­li­che Wei­se sichtbar.“

Er sprach zudem von der „drin­gen­den Not­wen­dig­keit einer öko­lo­gi­schen Umkehr“ und bedau­er­te, daß die inter­na­tio­na­le Poli­tik von die­ser „Dring­lich­keit nicht erfaßt“ wur­de, wie die Ant­wort der UN-Welt­kli­ma­kon­fe­renz COP25 in Madrid gezeigt habe, die „noch sehr schwach und sehr besorg­nis­er­re­gend“ sei. Der Kli­ma­wan­del ver­lan­ge eine „glo­ba­le Antwort“.

Im Zusam­men­hang mit der Ama­zo­nas­syn­ode sprach Fran­zis­kus davon, „neue Wege zur Ver­kün­di­gung des Evan­ge­li­ums an das Volk Got­tes, beson­ders an die indi­ge­nen Völ­ker“ zu gehen. Den Ama­zo­nas-Urwald nann­te er dabei das „bio­lo­gi­sche Herz der Erde, das mehr und mehr bedroht wird“.

Fran­zis­kus rief dazu auf, „anti­de­mo­kra­ti­sche, popu­li­sti­sche und extre­mi­sti­sche Ten­den­zen zu verhindern“.

In beson­de­rer Wei­se beton­te er die Bedeu­tung sei­ner Abu-Dha­bi-Rei­se im Febru­ar 2019 und die Unter­zeich­nung des Doku­ments über die Brü­der­lich­keit aller Men­schen für ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben in der Welt.

„Es han­delt sich dabei um einen wich­ti­gen Text, der dar­auf abzielt, das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis zwi­schen Chri­sten und Mus­li­men und das Zusam­men­le­ben in zuneh­mend mul­ti­eth­ni­schen und mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaf­ten zu fördern.“

Als zen­tra­le Pas­sa­gen nann­te Fran­zis­kus die dar­in ent­hal­te­ne Ver­ur­tei­lung, „den Namen Got­tes zu benut­zen, um Mord, Exil, Ter­ro­ris­mus und Unter­drückung zu rechtfertigen“.

Der Papst erin­ner­te zugleich an sei­nen gemein­sa­men Appell zu Jeru­sa­lem, den er in Marok­ko mit König Moham­med VI. unter­zeich­ne­te, der die „Aner­ken­nung der Ein­zig­ar­tig­keit und Sakra­li­tät Jerusalems/​AlQods Acha­rifs und im Anlie­gen sei­ner geist­li­chen Bedeu­tung uns sei­ner beson­de­ren Beru­fung als Stadt des Frie­dens“ for­dert. Fran­zis­kus for­der­te im Hei­li­gen Land die „Ach­tung des Völ­ker­rechts“ und rief die „gesam­te inter­na­tio­na­le Gemein­schaft“ auf, ihrer „Ver­pflich­tung zur Unter­stüt­zung des israe­lisch-palä­sti­nen­si­schen Frie­dens­pro­zes­ses“ nachzukommen.

In die­sem Zusam­men­hang kri­ti­sier­te er „den Man­tel des Schwei­gens, der den Krieg zu ver­decken droht, der Syri­en im Lau­fe des letz­ten Jahr­zehnts ver­wü­stet hat“.

Das Mit­tel­meer nann­te Fran­zis­kus „einen gro­ßen Fried­hof“, sprach zur Migra­ti­ons­fra­ge aber auf­fal­lend mode­rat. Das Wort „Flücht­lin­ge“ gebrauch­te er in die­sem Teil sei­ner Rede gar nicht. Wört­lich sag­te er, daß es „welt­weit meh­re­re Tau­send Men­schen mit berech­tig­ten Asyl­be­geh­ren gibt, die nach­weis­lich huma­ni­tä­rer Hil­fe und des Schut­zes bedürfen“. 

Er sprach davon, „das gegen­sei­ti­ge Ver­ständ­nis zwi­schen Chri­sten und Mus­li­men und das Zusam­men­le­ben in zuneh­mend mul­ti­eth­ni­schen und mul­ti­kul­tu­rel­len Gesell­schaf­ten zu fördern“.

„Dies erfor­dert eine Ach­tung der Reli­gi­ons­frei­heit und ein Bemü­hen, auf die dis­kri­mi­nie­ren­de Ver­wen­dung des Begriffs „Min­der­hei­ten“ zu ver­zich­ten, der den Keim des Gefühls der Iso­la­ti­on und Min­der­wer­tig­keit in sich trägt und den Boden für Feind­se­lig­keit und Zwie­tracht berei­tet, da er Bür­ger auf­grund ihrer Reli­gi­ons­zu­ge­hö­rig­keit dis­kri­mi­niert. Zu die­sem Zweck ist es beson­ders wich­tig, die künf­ti­gen Gene­ra­tio­nen im inter­re­li­giö­sen Dia­log zu schu­len, der den besten Zugang zum Ken­nen­ler­nen und Ver­ste­hen und zur gegen­sei­ti­gen Unter­stüt­zung zwi­schen Ange­hö­ri­gen ver­schie­de­ner Reli­gio­nen darstellt.“

Fran­zis­kus brach eben­so eine Lan­ze für das „euro­päi­sche Pro­jekt“, den „euro­päi­schen Inte­gra­ti­ons­pro­zeß“, ohne die EU beim Namen zu nennen:

„Euro­pa möge nicht den Geist ver­lie­ren, der unter ande­rem in der römi­schen pie­tas und in der christ­li­chen cari­tas wur­zelt, wel­che die See­le der euro­päi­schen Völ­ker gut beschrei­ben. Der Brand der Kathe­dra­le von Not­re Dame in Paris hat gezeigt, wie brü­chig und leicht zer­stör­bar auch das ist, was soli­de scheint. Die Schä­den an einem Gebäu­de, das nicht nur den Katho­li­ken teu­er ist, son­dern für ganz Frank­reich und die gesam­te Mensch­heit von Bedeu­tung ist, haben die Fra­ge nach den geschicht­li­chen und kul­tu­rel­len Wer­ten Euro­pas und sei­ner Wur­zeln neu geweckt. In einem Kon­text, wo Richt­wer­te feh­len, ist es ein­fa­cher, Ele­men­te der Spal­tung als des Zusam­men­halts zu finden.“ 

Mit Blick auf den 30. Jah­res­tag des Falls der Ber­li­ner Mau­er sprach Fran­zis­kus von einer neu­en „Kul­tur der Tei­lung“, die sich breit­ma­che, indem sie die „Men­schen von­ein­an­der ent­fernt und dem Extre­mis­mus und der Gewalt die Türen öffnet“:

„Wir sehen dies immer mehr an der Spra­che des Has­ses, die im Inter­net und in den sozia­len Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­teln wei­te Ver­brei­tung fin­det. Den Bar­rie­ren das Has­ses zie­hen wir die Brücken der Ver­söh­nung und der Soli­da­ri­tät vor.“

Im Rück­blick auf sei­nen Japan­be­such for­der­te Fran­zis­kus „eine Welt ohne Atom­waf­fen“ und im Aus­blick auf den bevor­ste­hen­den 75. Jah­res­tag der UNO-Grün­dung sprach er von der dar­in begrün­de­ten „Absicht der gan­zen Mensch­heits­fa­mi­lie, für das Gemein­wohl arbei­ten“ zu wollen.

In die­sem Zusam­men­hang for­der­te er eine „kla­re objek­ti­ve Ver­an­ke­rung der Ter­mi­no­lo­gie der inter­na­tio­na­len Orga­ni­sa­tio­nen“, denn ohne sie bestehe die Gefahr, „anstatt einer Annä­he­rung eine Ent­frem­dung der Mit­glie­der der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft zu begün­sti­gen“. Zugleich for­der­te er „dring­lich, den Weg zu einer umfas­sen­den Reform des mul­ti­la­te­ra­len Systems wie­der­auf­zu­neh­men, begin­nend beim System der Ver­ein­ten Natio­nen“, und zwar „unter gebüh­ren­der Beach­tung des gegen­wär­ti­gen geo­po­li­ti­schen Kontexts“.

Unter Ver­weis auf den 500. Todes­tag des bedeu­ten­den Künst­lers Raf­fa­el brach Fran­zis­kus eine Lan­ze für die Renais­sance und ihre „Offen­heit für die Zukunft“. 

Von der Schön­heit der Kunst Raf­fa­els, der in zahl­rei­chen Gemäl­den Maria mal­te, lenk­te das Kir­chen­ober­haupt die Auf­merk­sam­keit auf den 70. Jah­res­tag der Ver­kün­di­gung des Dog­mas der Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel. Und von dort gleich wei­ter zum 25. Jah­res­tag der 4. Welt­frau­en­kon­fe­renz 1995 in Peking. Die Kon­fe­renz gilt als beson­ders umstrit­ten, weil es der Abtrei­bungs­lob­by erst­mals gelang, die Abtrei­bungs­for­de­rung, wenn auch unter Zuhil­fe­nah­me von Ver­schleie­run­gen, in das Schluß­do­ku­ment einer UNO-Welt­frau­en­kon­fe­renz zu schrei­ben. Davon spricht Fran­zis­kus aber nicht. Er nimmt den Jah­res­tag zum Anlaß „jede Form von Unge­rech­tig­keit, Benach­tei­li­gung und Gewalt“ Frau­en gegen­über zu verurteilen: 

„Jede Gewalt an der Frau ist eine Schän­dung Got­tes. […] Gewalt gegen eine Frau zu ver­üben oder sie aus­zu­nüt­zen ist nicht ein­fach eine Straf­tat, son­dern ein Ver­bre­chen, das die Har­mo­nie, die Poe­sie und die Schön­heit zer­stört, die Gott der Welt schen­ken wollte.“

Sei­ne Anspra­che an das Diplo­ma­ti­sche Corps been­de­te Fran­zis­kus mit den Worten:

„Die Auf­nah­me Mari­ens in den Him­mel lädt uns auch dazu ein, wei­ter aus­zu­schau­en, auf das Ende unse­res irdi­schen Weges, auf den Tag, an dem die Gerech­tig­keit und der Frie­den voll wie­der­her­ge­stellt wer­den. Wir füh­len uns so – durch die Diplo­ma­tie, unser unvoll­kom­me­nes, aber immer wert­vol­les mensch­li­che Bemü­hen – ermu­tigt, mit Eifer zu arbei­ten, damit die Früch­te die­ser Sehn­sucht nach Frie­den schon vor­weg rei­fen, weil wir wis­sen, dass das Ziel erreicht wer­den kann. Mit die­ser Ver­pflich­tung drücke ich Ihnen allen, lie­be hier anwe­sen­de Bot­schaf­te­rin­nen, Bot­schaf­ter und wer­te Gäste, wie auch Ihren Län­dern erneut mei­ne herz­li­chen Wün­sche für ein neu­es Jahr reich an Hoff­nung und Segen aus.“

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Vati​can​.va (Screen­shot)

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Katho­li­sches war die erste katho­li­sche Publi­ka­ti­on, die das Pon­ti­fi­kat von Papst Fran­zis­kus kri­tisch beleuch­te­te, als ande­re noch mit Schön­re­den die Qua­dra­tur des Krei­ses versuchten.

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