(Rom) Kardinal Philippe Barbarin, der Erzbischof von Lyon und Primas von Gallien, bot Papst Franziskus im vergangenen März den Rücktritt an, nachdem er von einem französischen Gericht in erster Instanz verurteilt worden war. Dem Kardinal wird zur Last gelegt, nicht angemessen schnell auf die Verdachtsmomente gegen einen Priester reagiert zu haben, der des sexuellen Mißbrauchs beschuldigt wurde.
Franziskus lehnte den Rücktritt aber ab und sprach dem Purpurträger sein Vertrauen aus. Nun folgte aber dennoch Barbarins Entmachtung, allerdings auf ungewöhnliche Weise.
In Rom werden solche Aktionen „bella figura“ genannt. Jemand möchte einen guten Eindruck vermitteln. Gemeint ist im konkreten Fall Papst Franziskus. Er machte gegenüber dem betroffenen Kardinal Barbarin „bella figura“, indem er ihn nicht stürzte, sondern sich mit ihm solidarisierte. Er macht mit der Öffentlichkeit „bella figura“, weil er ihn nun doch stürzt – ohne ihn zu stürzen.
Am Montag ernannte Franziskus Msgr. Michel Dubost, den emeritierten Bischof von Evry-Crobeil-Essonnes zum Apostolischen Administrator des Erzbistums Lyon. Das Besondere an der Ernennung steckt im Detail. Der Administrator wurde nicht sede vacante ernannt, weil Franziskus den Rücktritt Barbarins ja nicht angenommen hatte. Die Ernennung von Msgr. Dubost zum Administrator erfolgte sede plena et ad nutum Sanctae Sedis ernannt.
Der neuernannte Administrator ließ von Generalvikar Yves Baumgarten eine Presseerklärung veröffentlicht. Darin teilte er mit, daß ihm Papst Franziskus drei Monate nachdem Kardinal Barbarin „in Übereinstimmung mit dem Heiligen Vater“ die Entscheidung getroffen habe, „sich von seiner Aufgabe als Erzbischof von Lyon“ zurückzuziehen, „die Leitung des Bistums“ übertragen hat.
Die gewählte Form bedeutet, daß Kardinal Barbarin weiterhin offiziell Erzbischof von Lyon und Primas von Gallien ist, aber außer den Titeln alle Vollmachten an den Apostolischen Administrator verloren hat.
Obwohl Franziskus Kardinal Barbarin sein Vertrauen aussprach, muß der Primas faktisch von der öffentlichen Bühne abtreten. Formal bleibt er im Amt, de facto verliert er es. Auf diese Weise scheint der Heilige Stuhl alle Seiten zufriedenstellen zu wollen.
Kardinal Barbarin legte Berufung gegen seine Verurteilung ein und wartet derzeit auf den Beginn des Berufungsverfahrens.
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Erzbistum Lyon/Wikipedia (Screenshot)
Zitat: „Auf diese Weise scheint der Heilige Stuhl alle Seiten zufriedenstellen zu wollen.“
Spontan fallen mir dazu zwei Dinge ein: 1. ein englisches Sprichwort und 2. eine deftige Aussage des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz-Josef Strauß.
1. Everybody’s friend is nobody’s friend.
2. „Everybody’s darling is everybody’s Ar…lo…“
Warum nur musste ich beim obigen Text an diese zwei Punkte denken???