Kardinal Pell – der neue Fall Dreyfus

Giuliano Ferrara über eine anti-katholische Kampagne


Giuliano Ferrara verteidigt Kardinal Pell gegen eine "skandalöse" Verurteilung.
Giuliano Ferrara verteidigt Kardinal Pell gegen eine "skandalöse" Verurteilung.

(Rom) Mit einem histo­ri­schen Ver­gleich ergreift ein jour­na­li­sti­sches und intel­lek­tu­el­les Schwer­ge­wicht Par­tei für den in Austra­li­en in erster Instanz ver­ur­teil­ten Kar­di­nal Geor­ge Pell. Giu­lia­no Fer­ra­ra, Her­aus­ge­ber der Tages­zei­tung Il Foglio, sieht hin­ter der Ver­ur­tei­lung des Kar­di­nals eine anti-katho­li­sche Kam­pa­gne, die sich als Miß­brauchs­be­kämp­fung tarnt. Es gehe um eine Ope­ra­ti­on, die von weit grö­ße­rer Dimen­si­on und Bedeu­tung ist. Das Stich­wort „sexu­el­ler Miß­brauch“ sei im kon­kre­ten Fall nur das gera­de medi­al beson­ders nutz­ba­re Män­tel­chen, um die öffent­li­che Mei­nung emo­tio­na­li­sie­ren zu können.

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Am 28. Febru­ar ver­faß­te Fer­ra­ra einen Leit­ar­ti­kel für die von ihm her­aus­ge­ge­be­ne Tageszeitung:

„Der Fall Pell ist der neue Fall Drey­fus. Die Schan­de liegt bei denen, die sich nun abwenden.“

Die Anspie­lung zielt auf die Drey­fus-Affä­re in Frank­reich Ende des 19. Jahr­hun­derts. 1894 wur­de der fran­zö­si­sche Haupt­mann Alfred Drey­fus wegen Lan­des­ver­rats ver­ur­teilt. Ihm wur­de fälsch­lich zur Last gelegt, für das Deut­sche Reich, den dama­li­gen fran­zö­si­schen Erz­feind, spio­niert zu haben. Der Haupt­mann wur­de 1894 zu lebens­lan­ger Depor­ta­ti­on auf die Teu­fels­in­sel, eine Sträf­lings­ko­lo­nie vor der Küste von Fran­zö­sisch-Gua­ya­na, verurteilt. 

Dreyfus' Behausung auf der Teufelsinsel
Drey­fus‘ Behau­sung auf der Teufelsinsel

Die Affä­re war hoch­emo­tio­nal auf­ge­la­den, weil sich gegen den aus dem Elsaß stam­men­den Juden Drey­fus ein auf­ge­stau­ter Anti­se­mi­tis­mus ent­lud. Der dar­über ent­fach­te Kon­flikt erfaß­te die gesam­te fran­zö­si­sche Öffent­lich­keit. In der Figur Drey­fus bekämpf­ten eini­ge Krei­se exem­pla­risch das Juden­tum. Der Fall wur­de zum größ­ten poli­ti­schen Skan­dal der Drit­ten Repu­blik. Berühmt wur­de Emi­le Zolas „J’ac­cu­se…!“ (Ich kla­ge an…!) zur Ver­tei­di­gung von Drey­fus. Sei­ne Inter­ven­ti­on ließ die öffent­li­che Mei­nung lang­sam umschla­gen. 1899 wur­de die Stra­fe des Haupt­manns auf zehn Jah­re redu­ziert. 1906 erfolg­ten sein Frei­spruch und die Rehabilitierung.

Für Giu­lia­no Fer­ra­ra ist der Fall Pell von glei­cher Dimen­si­on. Die in Austra­li­en erfolg­te Ver­ur­tei­lung sei ein neu­er Fall Drey­fus. Dazu ist die regel­rech­te Auf­wie­ge­lung der öffent­li­chen Mei­nung in Austra­li­en im anti-katho­li­schen Sinn zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, die den Fall Pell von Anfang an beglei­te­te. Wört­lich schreibt der bekann­te Intellektuelle:

Der Fall Pell „ist eine als Kampf gegen den Miß­brauch getarn­te anti-katho­li­sche Kampagne“.

Nicht Kar­di­nal Pell sei eine Schan­de, son­dern jene, die sich nun in aller Eile abwen­den, die Stra­ßen­sei­te wech­seln und zum neu­en Fall Drey­fus schweigen.

„Heu­te wur­de gegen Kar­di­nal Geor­ge Pell die Höl­le los­ge­tre­ten, und er läuft Gefahr in der Höl­le zu enden [wie Drey­fus auf der Teu­fels­in­sel], weil an ihm das vor­herr­schen­de Ein­heits­den­ken die katho­li­sche Kir­che und ihre Moral in die Knie zwin­gen will, die als letz­tes Hin­der­nis oder poten­ti­el­ler Wider­spruch gegen die glo­ba­le Ver­ein­heit­li­chung in einem neu­en, ent­christ­lich­ten Gen­der- und Repro­duk­ti­ons-Cre­do gese­hen werden.“

Giu­lia­no Fer­ra­ra ent­stammt einer libe­ra­len Fami­li­en­tra­di­ti­on. Sei­ne Eltern schlos­sen sich unter dem Ein­druck der faschi­sti­schen Dik­ta­tur und des Zwei­ten Welt­krie­ges 1942 der kom­mu­ni­sti­schen Par­tei und der Par­ti­sa­nen­be­we­gung an. Sein Vater wur­de nach dem Krieg Chef­re­dak­teur der kom­mu­ni­sti­schen Par­tei­zei­tung L’Unità, kom­mu­ni­sti­scher Sena­tor der Repu­blik Ita­li­en und Regie­rungs­chef der Regi­on Lati­um. Die Mut­ter war vie­le Jah­re per­sön­li­che Sekre­tä­rin von Pal­mi­ro Togliat­ti, dem sta­li­ni­sti­schen Vor­sit­zen­den der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens (1927–1934 und 1939–1964). Fer­ra­ra selbst nahm an vor­der­ster Linie an den 68er Unru­hen teil und wur­de anschlie­ßend haupt­amt­li­cher Par­tei­funk­tio­när der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei Ita­li­ens sowie Frak­ti­ons­spre­cher im Gemein­de­rat der kom­mu­ni­stisch regier­ten Stadt Turin. In den 80er Jah­ren distan­zier­te er sich aber zuneh­mend vom Kom­mu­nis­mus, wech­sel­te zu den Sozia­li­sten und schließ­lich in den 90er Jah­ren zu Sil­vio Ber­lus­co­nis For­za Ita­lia. In die­se Zeit fällt unter Papst Johan­nes Paul II. auch sei­ne Annä­he­rung an die katho­li­sche Kir­che, aus der eine beson­de­re Ver­eh­rung und Ver­bun­den­heit für Papst Bene­dikt XVI. wurde. 

2008 initi­ier­te Fer­ra­ra eine Initia­ti­ve für ein inter­na­tio­na­les Abtrei­bungs­mo­ra­to­ri­um, das aber durch die Domi­nanz der Abtrei­bungs­lob­by unge­hört blieb.

Die Ver­ur­tei­lung von Kar­di­nal Pell, an dem laut Fer­ra­ra ein Exem­pel sta­tu­iert wer­den soll, sieht er als Teil eines gigan­ti­schen, anti­christ­li­chen Kul­tur­kamp­fes. Detail­liert zer­legt er in sei­nem Leit­ar­ti­kel die Anschul­di­gun­gen gegen den Kar­di­nal und des­sen „skan­da­lö­se“ Ver­ur­tei­lung wegen eines „gehei­men Miß­brauch­ten“. Das sei eine moder­ne „Hexen­jagd“.

Bereits am 27. Febru­ar hat­te Fer­ra­ra die Reak­ti­on des Vati­kans auf die Ver­ur­tei­lung von Kar­di­nal Pell kri­ti­siert. Er warf Papst Fran­zis­kus vor, „kapi­tu­liert“ zu haben und „künf­tig“ in vor­aus­ei­len­dem Gehor­sam bereits „prä­ven­tiv“ zu ver­ur­tei­len. Das sei ein inak­zep­ta­bles Vor­ge­hen in einer Zeit der zuneh­men­den Unter­mi­nie­rung des Rechts­staa­tes, der die­sen Namen ver­dient und nicht nur das Pro­dukt der gera­de Mäch­ti­gen ist.

Text: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Il Foglio (Screen­shot)

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