
(London) Die Heuchelei ist bekannt: Wird ein behindertes Kind geboren, gibt es viel Förderung, finanzielle Unterstützung vom Staat, Sonderschulen, Integrationskurse, behindertenfreundliche Betriebe. Das freundliche Gesicht der Gesellschaft wird gezeigt. Doch in Wirklichkeit sollen behinderte Kinder erst gar nicht geboren werden. Deshalb wird vor der Geburt Jagd auf sie gemacht, um sie aufzuspüren und durch Abtreibung „rechtzeitig“ auszuschalten. Das ist das häßliche Gesicht derselben Gesellschaft, das aber verborgen wird. Es ist eine Heuchelei, die über Leichen geht. Eine junge Mutter hat sich dagegen gewehrt und ihr Kind gegen alle Widerstände zur Welt gebracht. Sie ist eine Heldin unserer Zeit, in der Länder, wie Dänemark, stolz verkünden, daß sie „down-syndrom-frei“ sind.
Die junge Mutter lebt in England. Ihr Schicksal berichtete Nuova Bussola Quotidiana. Alles begann, als sie in der 20. Schwangerschaftswoche ihre erste Ultraschalluntersuchung durchführen ließ.
Der untersuchende Arzt will in einem Plexus choroideus des Gehirns zwei Zysten erkannt haben. Man sagt der Mutter, daß diese Zysten ein Syndrom andeuten können. Das könne vorübergehen, oder auch nicht. Die Mutter ist verunsichert. Ihr Kind könnte mit einem Chromosomen-Defekt geboren werden. Sie beginnt sich zu informieren, zunächst im Internet, dann persönlich. Sie erfährt, daß solche Zysten auch bei Kindern vorkommen können, die keine Chromosomen-Anomalie aufweisen. Natürlich will niemand gesundheitliche Probleme für sein Kind. Sie beschließt, aber die Sache optimistisch zu sehen, denn es ist ihr Kind und sie war so glücklich darüber bis zur Untersuchung.
Bald nach der ersten wird eine weitere Ultraschalluntersuchung festgesetzt. „Der Arzt sagte mir, daß meine Tochter noch ein weiteres Symptom des Down-Syndroms oder des Edwards-Syndroms aufweist.“
Bei jeder neuen Untersuchung verläßt die Frau das Krankenhaus gedrückter. „Die Ärzte fanden jedesmal neue Anomalien an meiner Tochter. Das hat mich immer mehr deprimiert. Ein Problem kam nach dem anderen. Ich verstand nicht, wie das möglich sein konnte.“ Der Frau wird indirekt eine Abtreibung nahegelegt. Zunächst sanft, dann mit immer mehr Nachdruck. Bei jedem Besuch mehr.
Die Mutter ist schließlich so fertig, daß sie psychologische Hilfe in Anspruch nimmt. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie versteht aber, daß sie das gar nicht braucht. Wenn sie niedergeschlagen ist, dann wegen der ärztlichen Beratung. Die Angst, die sie jedesmal überkommt, wenn sie das Krankenhaus betritt, veranlaßt die Frau in ein anderes Londoner Krankenhaus zu wechseln. Die Einrichtung ist mit dem ersten verbunden, aber immer wechselt das Personal. Die Atmosphäre, wie die Mutter schnell feststellt, ist aber identisch. Das Engagement gilt nicht dem Wohl des Kindes, sondern der Eugenik. Ihr wird bewußt: Das Kind soll sterben. Das sei „das Beste“.
Die Mutter hält stand und die Schwangerschaft schreitet voran. Im achten Monat erreicht der Druck seinen Höhepunkt. Nun sagt man ihr, die Untersuchung habe ergeben, daß das Wachstum des Kindes zu langsam sei. Es handle sich, so die Auskunft, sicher um das Down-Syndrom. In Wirklichkeit befand sich die Tochter im normalen Rahmen. „Sie haben mir gegenüber alles dramatisiert. Es war furchtbar.“ Die Zysten, mit denen alles begonnen hatte, waren inzwischen verschwunden. „Die Ärzte aber beharrten: Es handelt sich um das Down-Syndrom. Das sei ganz sicher.“
Niemand vom medizinischen Personal, weder im ersten Krankenhaus noch im zweiten Krankenhaus, „nicht einer“, macht der Mutter, auch wenn es ein Kind mit Trisomie sein sollte, Mut. Für alle scheint klar, ein „solches“ Kind soll nicht geboren werden. „Ich habe auch mit den Hebammen gesprochen, um eine menschlichere Sicht zu hören, weil eine Hebamme ja einer Mutter näher sein sollte, als vielleicht ein Arzt.“ Doch auch sie sagen, daß das Kind „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ mit Trisomie 21 zur Welt kommt. „Keine hat mir ein nettes Wort gesagt, mich ermutigt. Niemand hat etwas über das großartige Geschenk des Lebens gesagt, selbst wenn das Kind krank sein sollte. Meine Tochter war einfach nur eine Pathologie.“
Mit der Liberalisierung der Abtreibung, in England, schon einige Jahre früher als auf dem Kontinent, wurde eine Tür zum Abgrund aufgestoßen. Und da eine offene Tür in diese Richtung eine Gesellschaft korrumpiert, soll mit der Euthanasie noch eine zweite aufgestoßen werden. England hat eine Reihe von dramatischen Fällen erlebt, von Charlie Gard, Alfie Evans und Isaiah Haastrup. Bereits geborene, aber kranke Kinder, die man gegen den Willen der Eltern und unter Mißachtung des Elternrechts verhungern und verdursten ließ, angeordnet von Richtern. Es ist eine „spartanische“ Gesellschaft geworden, die ihre ungewollten Kinder tötet oder wie insgesamt in der Antike aussetzt. Das Leiden soll per Gesetz abgeschafft und mit ihm die Menschenleben ausgelöscht werden.
Die Mutter, von den Ärzten in Angst versetzt, beginnt frenetisch Informationen zu sammeln. Sie sucht eine positive Antwort und kann sie auch finden. Die Informationen, die ihr die Ärzte genannt haben, sind nicht so sicher, wie es ihr dargestellt wurde. Von einer ruhigen Schwangerschaft kann aber keine Rede mehr sein. Es ist ein unglaublicher innerer Kampf. Schließlich wird ihr eine Fruchtwasserkontrolle empfohlen. Die Frau ist inzwischen aber gut informiert. Sie weiß, daß das für das Leben des Kindes hochriskant ist. Die Untersuchung ist ein Produkt der Eugenik. Ein Instrument, um Jagd auf behinderte Kinder zu machen. Sie ist nicht bereit dazu. Sie gibt den Ärzten zu verstehen, daß sie die Schwangerschaft fortsetzen und kein Risiko eingehen will.
Ungläubiges Staunen des ärztlichen Personals. Es wird auf sie eingeredet, doch die Kontrolle durchführen zu lassen. Sie widersteht und betont: „Das ist ein Kind“. Der Druck läßt aber keineswegs nach. Sie wird in ein Zimmer gebracht. „Ein Zimmer, das ganz anders war als die anderen.“ Es kam eine Ärztin, „so in meinem Alter“. Sie sprach direkt über Abtreibung: „Es besteht die Möglichkeit einer Schwangerschaftsunterbrechung“. Die Mutter ist entsetzt: „Ich bin im achten Monat!“ Über Abtreibung hatte sie sich nicht informiert. Sie dachte, daß die Tötung ungeborener Kinder nur in den ersten drei Monaten möglich sei. Sie wußte nichts von dem, was heuchlerisch „therapeutische Abtreibung“ genannt wird. Die Ärztin redet auf sie ein. Sie zeichnet die „Probleme“ des Kindes groß und größer.
Für die Mutter steht aber fest. Was immer ihr da an „Gründen“ genannt wird, kann nicht die Tötung eines unschuldigen Kindes rechtfertigen. Die Mutter bleibt hart, obwohl ihr die Knie zittern. „Meine Tochter hat diese Probleme nicht. Es gibt Symptome, aber keine Gewißheit“, wirft sie der Ärztin hin.
Inzwischen ist sie überzeugt, daß sich wahrscheinlich viele schwangere Frauen, so massiv unter Druck gesetzt, zur Abtreibung überreden lassen. Das ist der Grund, warum sie mit ihrem Fall an die Öffentlichkeit geht.
Erst im November berichtete die Daily Mail über das Ehepaar Squires. Die Ärzte hatten auch ihnen die Abtreibung ihres ungeborenen Kindes „empfohlen“, weil es das Down-Syndrom habe. Sie weigerten sich, ihr Sohn Jay wurde geboren und ist inzwischen zwei Jahre alt. Er ist gesund und weist keine Trisomie auf.
Auch die Tochter unserer Mutter kam mit einer natürlichen Geburt zur Welt und ist vollkommen gesund. Mutter und Kind sind wohlauf.
„Das Problem ist, was ich während der Schwangerschaft durchgemacht habe, die völlig ruiniert wurde. Es ist nicht richtig, was ich und was meine Tochter erleben mußte.“
Text: Giuseppe Nardi
Bild: Nuova Bussola Quotidiana
Nur ein Wort : „Menschenopfer“