Von Bischöfen und Eliten – mit zunehmend demokratiefeindlicher Tendenz

Anmerkungen von Marco Tosatti


Eliten: Saisonseröffnung an der Mailänder Scala am 7. Dezember 2018. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella. Ein Tag, an dem sich die Eliten treffen, die zunehmend das Volk von der Mitbestimmung ausschließen möchten, wie der Vatikanist Marco Tosatti auf seinem Blog vermerkt.
Eliten: Saisonseröffnung an der Mailänder Scala am 7. Dezember 2018. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella. Ein Tag, an dem sich die Eliten treffen, die zunehmend das Volk von der Mitbestimmung ausschließen möchten, wie der Vatikanist Marco Tosatti auf seinem Blog vermerkt.

Der Vati­ka­nist Mar­co Tosat­ti ver­öf­fent­licht auf sei­nem Blog Stilum Curiae fik­ti­ve, teils sati­ri­sche, teils sar­ka­sti­sche Kon­ver­sa­tio­nen zu aktu­el­len The­men. Er war es, der den ehe­ma­li­gen Nun­ti­us in den USA, Erz­bi­schof Car­lo Maria Viganò, über­zeug­te, ein Dos­sier zum Fall von Kar­di­nal McCar­ri­ck zu erstel­len und zu ver­öf­fent­li­chen, was am ver­gan­ge­nen 26. August geschah. Seit­her zählt Tosat­ti die Tage, die Papst Fran­zis­kus sich wei­gert, auf zen­tra­le Fra­gen im Dop­pel­le­ben und Miß­brauchs­skan­dal McCar­ri­ck zu ant­wor­ten, die ihn per­sön­lich betref­fen. Heu­te ist der 106. Tag. 

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In sei­ner jüng­sten, fik­ti­ven Kon­ver­sa­ti­on geht es jedoch um Lai­zis­mus, das Ver­sa­gen der Bischö­fe und die zuneh­mend demo­kra­tie­feind­li­chen Ten­den­zen der soge­nann­ten Eli­ten. Die Bei­spie­le betref­fen Ita­li­en, kön­nen aber pro­blem­los auf die Ver­hält­nis­se im deut­schen Sprach­raum umge­legt wer­den, etwa Bischö­fe, die in einer von Kar­di­nal Marx geführ­ten Deut­schen Bischofs­kon­fe­renz geformt sind.

Die „mora­li­sche Auto­ri­tät“ im letz­ten Absatz meint die Bischö­fe, aber natür­lich an erster Stel­le Papst Franziskus.

Hier Tosat­tis Ein­trag vom 8. Dezember:

Sehr verehrte Stilum-Kurialen,

gestern nach­mit­tag hat mir Roma­na Vul­ne­ra­tus Curia einen Brief geschrie­ben, mit dem ich inhalt­lich völ­lig über­ein­stim­me, ja mehr noch. Soeben hat­te ich von den Ova­tio­nen gele­sen, die Ita­li­ens Staats­prä­si­den­ten Ser­gio Mat­tar­el­la von dem in teu­ren Pel­zen geklei­de­ten und edel­stein­be­häng­ten „Volk“ zur Sai­son­er­öff­nung an der Mai­län­der Sca­la gezollt wur­den, einem Ort, an dem bekann­ter­ma­ßen noto­risch die „tief­sten“ Gefühls­re­gun­gen des Vol­kes ver­nehm­bar sind. Und eben­so, wie eine davon auf Twit­ter das Gan­ze in etwa so kom­men­tier­te: „Zum Glück, daß den Prä­si­den­ten nicht die dum­me Mas­se wäh­len darf“. Da fra­ge ich mich, was die­se Twit­te­rin wohl für eine Mei­nung zu Argu­men­ten hat, die einst sehr hei­kel und umstrit­ten waren, wie das all­ge­mei­ne und glei­che Wahl­recht für Frau­en, oder die Fra­ge, ob Brot oder Kuchen. Als ich dann den Brief von Roma­na Vul­ne­ra­tus Curia erhielt,wur­de mir leich­ter zumu­te. Ich bin nicht allein.

Sehr geehrter Tosatti,

wenn Sie erlau­ben, über­mitt­le ich Ihnen zwei kur­ze und pro­vo­kan­te Kom­men­ta­re zu zwei Ereig­nis­sen, die am heu­ti­gen 8. Dezem­ber von den Zei­tun­gen berich­tet wurden:

1.) In der Tages­zei­tung La Veri­tà lese ich, daß der Direk­tor einer Schu­le in der Pro­vinz Rovi­go (Vene­ti­en) dem Bischof den Zutritt ver­wei­ger­te mit der Begrün­dung, er müs­se die Lai­zi­tät der von ihm gelei­te­ten Bil­dungs­ein­rich­tung ver­tei­di­gen, wahr­schein­lich vor einer gefähr­li­chen Ver­un­rei­ni­gung durch die katho­li­sche Glau­bens­leh­re, die die­ser Bischof in die Schu­le „infil­trie­ren“ hät­te kön­nen. (Die fol­gen­de Pro­vo­ka­ti­on erfolgt ganz unab­hän­gig von die­sem Bischof, den ich nicht ken­ne.) Lie­ber Tosat­ti, las­sen Sie mich eine offe­ne Ein­la­dung an die­sen Direk­tor aus­spre­chen, die er sich zu Her­zen neh­men soll­te: Lie­ber Direk­tor, ja wo leben sie denn? Wenn sie wirk­lich die Lai­zi­tät ihrer Schu­le ver­tei­di­gen woll­ten, wer könn­te ihnen da bes­se­re Schüt­zen­hil­fe bie­ten als ein Bischof, der in einer von Kar­di­nal Bas­set­ti geführ­ten Ita­lie­ni­schen Bischofs­kon­fe­renz geformt ist? Ja was glau­ben sie denn, daß ein Bischof heu­te an ihre Schu­le kom­men und von Gott oder den Sakra­men­ten oder – weil heu­te gera­de das Fest ist – von der Unbe­fleck­ten Emp­fäng­nis reden könn­te? Nein, er käme, um zu ihren Schü­lern über Ein­wan­de­rung, Kli­ma­wan­del und Ungleich­heit zu spre­chen und wür­de dadurch die lai­zi­sti­sche Erzie­hung för­dern, um die sie so besorgt schei­nen, und die sie mei­nen ver­tei­di­gen und her­aus­strei­chen zu müs­sen. Aber wirk­lich, Herr Direk­tor, haben sie das noch nicht ver­stan­den? Aber wir­lich, wo leben sie denn!?

2.) In meh­re­ren Zei­tun­gen lese ich heu­te den­sel­ben Aus­zug aus dem jüng­sten Sozi­al­be­richt des Markt- und Mei­nungs­for­schungs­in­sti­tuts CENSIS, der uns mit­tei­len will, daß die Ita­lie­ner immer grö­ße­re Zukunfts­äng­ste haben und immer zor­ni­ger wer­den. Vor allem die beson­ders Zor­ni­gen wol­len kei­ne Roma und Sin­ti mehr vor dem Haus, haben ein­fach die Nase voll von der Mas­sen­ein­wan­de­rung und las­sen erken­nen, daß sie dem Brexit gleich einem Ital­e­xit und sogar einer auto­ri­tä­ren oder sou­ve­rä­ni­sti­schen Regie­rung gegen­über nicht abge­neigt sein könn­ten.
Ich muß schon sagen, die­ses CENSIS ist wirk­lich unent­behr­lich, denn wer hät­te das alles nur gedacht? Haben das die Ergeb­nis­se der Regie­rungs­bil­dung im Juni nach den Par­la­ments­wah­len im März nicht aus­rei­chend deut­lich mit­ge­teilt? Das bemer­kens­wer­te Ergeb­nis nach den Wah­len war, daß die Eli­ten, die wirk­lich regie­ren, und es ger­ne auch von Rechts wegen tun wür­den, klar zu ver­ste­hen gege­ben haben, daß sie eine so wich­ti­ge Ent­schei­dung wie die Regie­rungs­bil­dung nicht den Bür­gern über­las­sen wol­len. Die­se Eli­ten haben die Wirt­schafts­kri­se ver­ur­sacht und waren nicht imstan­de, deren Aus­wir­kun­gen zu mei­stern. Sie haben die Roma und Sin­ti vor das Haus gebracht und unser Land mit Ein­wan­de­rern ange­füllt, die unend­lich mehr kosten, als sie je ein­brin­gen wer­den. Sie haben ein wirt­schaft­li­ches und sozia­les Unbe­ha­gen erzeugt, erwar­ten aber, daß die Bür­ger sich nicht dar­über auf­re­gen. Don­ner­wet­ter, was für auf­ge­klär­te Eli­ten wir doch haben!
Lie­ber Tosat­ti, las­sen Sie mich eine para­do­xe Schluß­fol­ge­rung zie­hen: Wir  könn­ten die­sen Eli­ten sogar ver­zei­hen, weil sie nicht wis­sen, was sie tun… Kön­nen wir aber der mora­li­schen Auto­ri­tät ver­zei­hen, die wis­sen soll­te, was sie tut, statt­des­sen aber den Eli­ten Recht gibt, die­se ermu­tigt und manch­mal sogar ihr Stich­wort­ge­ber ist?

Text/​Übersetzung: Giu­sep­pe Nar­di
Bild: Cor­rie­re del­la Sera (Screen­shot)

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